Alles neu, vorläufig

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Mai – Kinder, was sind das für Zeiten! Alles scheint im Wandel zu sein, doch macht der Mai wirklich alles neu? Oder handelt es sich nur um den üblichen Handel, der eben gefälligst frei zu sein hat? Ein neuer Anstrich macht noch lang keine SPÖ. Und ein neurolinguistisch tefloniertes Fieberzapferl noch lang kein schöneres Wetter für unsere Heimat. Freimat, Reimat, Seimat? Gedeihmat! Guten Morgen, wir sind die Festspielpräsidentin und alles wird schön. Aber Schurz beiseite, wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man jetzt nicht unbedingt auch noch eine Sendung machen. Aber muss man schweigen – oder soll man als Verdichter und Gestalter nicht doch versuchen, dem Unsagbaren einen Ausdruck zu verleihen? Wir hätten da schon eine entsprechende Bedürfnislage

allesMan kann ein Leben lang gegen die Hohlphrasen der Schwarzpädagogik im eigenen Kopf ankämpfen – und dann doch mit Entsetzen feststellen, dass die zubetonierte Wirklichkeit des umgebenden Weltgeschehens noch die schlimmsten Horrorvisionen in den (eigenen?) Schatten stellt. Denn das Unterbewusstsein der in Fernsehbildern und Nachrichten so genannten Realität ist voll von all den Gespenstern aus der eigenen Kindheit, die man längst auf dem Abfallhaufen der Ur- und Frühgeschichte entsorgt zu haben glaubt. Und wenn man sich dann einmal so umspürt in der “Welt” genannten Unterdrückung des Lebendigen, da kanns einem schon ordentlich schrugel werden, wie im Schlumperwald. Sollte es zumindest, sofern man sich noch irgendwie anfühlt. Da bekommt gleich auch unserer mundartiger Ausdruck “Heast, gspiast di nu?” seine eigentliche Bedeutung zurück! Das Leben, ein Traum!

neuWas gibt es Neues? Immerhin eignet sich die eigenartige Herangehensweise dieser Sendung ganz vorzüglich dafür, die Wechselbeziehung von Dichtung und Realität oder Phantasie und Wahrheit darzustellen. Wobei zwischen Wahn und Wirklichkeit zwar ein Gegensatz bestehen mag, nur das Gegenteil voneinander sind sie deswegen noch lange nicht! Vielmehr wohl eher zwei Facetten ein und desselben Phänomens: einer unendlich vielschichtigen Wahrnehmung dessen, was ist, war, sein wird, sein könnte, etc. Also die Gesamtheit aller Geschehnisse in den inneren und äußeren Welten unseres Daseins. Doch genug philosophiert jetzt. Her mit den Beiträgen, die wir auch diesmal wieder drei Stunden lang aus der Situation heraus zu einem noch unbekannten Gebilde verschmelzen wollen. Noch besser, mit den Elementen, in denen wir dergestalt umrühren werden, dass aus ihrer spontanen Verbindung wiederum etwas ganz Neues entsteht, wobei dieses Neue naturgemäß auch viel Altes enthält. Oder wie es der als Dichter unterschätzte Der Nino aus Wien meisterlich bernhardesk in einem Lied formuliert hat “Es geht immer ums Vollenden”

vorläufig

Aber hinter dir und vor dir,
doch am meisten noch daneben,
steht der Himmel, stehen die Wolken,
steht die Stadt nur deinetwegen.
Still, versäume nicht zu sagen,
was dir wirklich viel bedeutet
es gibt Menschen, es gibt Freunde,
aber meistens sind es Leute.
Manche sprechen oft von Schönheit,
viel zu oft um wahr zu sein.
Schöne Bücher, oder Tücher,
oder auch ein schöner Reim.
Du willst wissen, suchst die Wahrheit, in dem Buch das einst hier lag,
zwischen Nettigkeit und Schönheit steckt oft mehr als nur ein Tag.

Im Museum siehst du das Bild, in dem mehreres vereint ist,
in dem jeder Strich gemeint ist und nichts einzelnes allein ist.
Und es fließt alles zusammen und erzeugt ein Feuerwerk,
aus der Arbeit der Gedanken und der Farbe, die sie färbt.

 

Fröhlichtraurige Wortspielmusik

> Sendung: Perlentaucher-Nachtfahrt am Freitag, 8. April – Wir haben uns diesmal ein derart vielschichtiges Themenkonglomerat vorgenommen, dass diesem bestenfalls querassoziativ zwischen den Zeilen (und ihren Bedeutungsebenen) beizukommen ist. Wenn überhaupt. Also ACHTUNG, das Beiwohnen dieser Sendung kann Schwindel erregen! Unser selbstgezupfter Strudel enthält süße Paradoxinen und knusprige Hasennüsse zur besseren Verdauung aller Übel dieser Welt. Was auch immer euch gerade anficht – wir stellen einen Ausweg aus dem Trilemma des Daseins zur Verfügung. Die etwas andere Zusammenschau der Gleichzeitigkeit von hier und dort, damals und dann. Kommet zu Hauf und folget den weisen Hasen, denn wie sagte schon Jiddu Krishnamurti? Wer etwas beobachtet, ohne es zu bewerten, ist wirklich weise.

diakoniezweiDieses Zitat gebrauchte unlängst ein Gast in einer deutschen Talkrunde, um die gewaltfreie Kommunikation zu veranschaulichen. Die Worte auf dem Foto hingegen werden einem gewissen Jesus zugeschrieben, der sich dadurch mit allen Bedürftigen identifizierte. Dass es immer noch (gar nicht so wenige) Menschen gibt, die sich in die Notlagen anderer einfühlen können, und die bereit sind, spontan zu helfen, das macht mich fröhlich. Zugleich macht es mich traurig, wenn bei manchen (zumeist mächtigen) Oberhupfkasperln der Gedanke von der Brüder- und Schwesterlichkeit gar nicht erst aufkommt, und sie statt dessen im Namen irgendeiner Religwution oder Ideolügie einem Teil der Menschheit die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse verunmöglichen. Das ist nämlich nichts anderes als eine perfide Selektion zur Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen.

x-beliebigIst euch übrigens schon aufgefallen, wie sehr unsere gegenwärtige Gesellschaftsordnung auf Selektion und Vernichtung aufgebaut ist? Wir erregen uns darüber, wie die Nazis früher nach ethnischen, kulturellen und sozialen Kriterien Millionen von Menschen aussortierten und ausrotteten, nur damit der “Volkskörper” ihrem heillos blödsinnigen Gesundheitsideal entsprechen würde. Und heute? Ist es eben ein “Wirtschaftskörper”, aus dem all das entfernt werden muss, was die Leistung und das Funktionieren vielleicht beeinträchtigt. Deshalb wird bei den Bedürftigen gespart, während Großkonzernen Subventionen und Steuergeschenke in unvorstellbarer Höhe nachgeworfen werden. Noch schlimmer, die meisten von uns haben von klein auf gelernt, die auf dem Arbeitsmarkt erwünschten von den unerwünschten Gefühlsäußerungen und Verhaltensweisen zu trennen (also selbst zu selektieren) und letztere in vorauseilendem Gehorsam zu unterdrücken (also im Verlauf ihres Lebens selbst zu vernichten), aus lauter Angst vor der Armut. Die Volksgesundheit wurde also erfolgreich privatisiert. Arbeit macht frei!

diakoniedrei“I spring eich außi ausm Tretradl! Wia? Indem i fost nix brauch, wofia i ruachln miaßt. Und wei mi koa Besitz ned bsitzt – hob i Zeit. Zeit zum lebn, Zeit zum denga. Do is nämlich koa Untaschied zwischn Lebn und Denga.”  Uwe Dick

Auch dieses Zitat eines wahren Querdenkers könnte als Motto unserer Sendung gelten. Wir lieben Sprache, lieben Musik, und überhaupt Collagen, die ihren Sinn zugleich enthüllen und verbergen. So wie schon unser Titeltrilemma: Ist es ein Wortspiel mit Musik oder ein Wort zur Spielmusik? Ist es ein Spiel mit Wortmusik? Man weiß es nicht. Und dennoch füllen wir das Zwischensein der möglichen Formen mit Klängen und Gesängen – und formen so Möglichkeiten zwischen Sein und Unsein, dass auch euch Zeit und Raum und Spannung genug bleibt, um das Ungeschaffene zu erleben, zu ergründen, zu…

 

Die dunkle Seite der Nacht

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. März – Eine Expedition in die Psyche der PandoraWas findet sich ganz unten im Speibkübel der Ängste und Ärgernisse? In einer von alters her aufs Trennen und Unterscheiden von Gut und Böse, Oben und Unten, Licht und Schatten sowie auf die nachhaltige Ausgrenzung sogenannter negativer (sprich unerwünschter) Gefühle geprägten Gesellschaft kann die friedvolle Ganzheit seiner selbst oft nur im genauen Gegenteil dessen gelingen. Also im Annehmen und Miteinbeziehen all jener Gefühlsregungen, für welche sich die etablierteren Cousinen bereits bei deren Entstehung präventiv entschuldigen. Wir Schattseitenkinder wissen immer schon mehr vom gewaltfreien Zusammensein unserer ambivalenten Seelenzustände, mehr als die Gesellschaftsbetreiber”

AvivI’m afraid of what I do not know
I hate being undermined
I’m afraid I can be devil man
And I’m scared to be divine
Don’t mess with me, my fuse is short
Beneath this skin these fragments caught

When I allow it to be
There’s no control over me
I have my fears
But they do not have me

aus Peter Gabriel – Darkness

Dieses Lied von einem wahren Meister der abgrundtiefinneren Selbsterforschung soll hier zur programmatischen Verdeutlichung unserer Ausgangsgedanken dienen: Alle (warum auch immer) unterdrückten, verdrängten und verleugneten Gefühlsinhalte kommen durch entsprechende Auslösereize wiederum an die Oberfläche – und zwar unkontrollierbar. Es kann weder für einzelne Menschen noch für die Gemeinschaft gesund sein, innerlich auf einem anschwellenden Haufen unbewusster Emotionen herum zu hocken! Doch solang die Gehorsamkeit herrscht und alle von der jeweiligen Staatswirtschaftsreligion verteufelten Gefühlsregungen wie etwa Unmut, Überdruss, Verzweiflung brav hinuntergeschluckt werden, sollten wir uns über deren Ausbrüche nicht allzusehr wundern: Angst vor dem Eigenen macht aggresiv gegen das Fremde.

ChrissWalking through the undergrowth
To the house in the woods
The deeper I go, the darker it gets
I peer through the window
Knock at the door
And the monster I was so afraid of
Lies curled up on the floor
Is curled up on the floor just like a baby boy
I cry until I laugh

Ich erinnere mich gut an jene Jugendkultur, die Ende der 80er schwarzgekleidet, weiß geschminkt und mit kopfstehenden Kruzifixen behängt vorzugsweise die Plätze rund um die Salzburger Stadtkirchen bevölkerte. Eine sanfte Schar meist introvertierter Jugendlicher, die aber durchaus auch nachts auf Friedhöfen zu feiern verstand – und sich dabei schon mal eine Bloody Mary aus Wodka und Eigenblut kredenzte. Sie alle wurden umgehend aus dem öffentlichen Raum der Altstadt vertrieben, angeblich weil sie durch ihr bloßes Dasein (und Sosein!) die Geschäfte der Macher störten und die Kirchen der Fürsten entheiligten. Es hat sich doch in Jahrhunderten nichts verändert an den Besitzverhältnissen der Amtswirklichkeit. Dabei ahnten gerade diese Kinder der Nacht so einiges von den Heilkräften im Finsteren, Schwarzen, Verborgenen

Yü Gung (Alter Trottel) oder “Fütter mein Ego”

 

Exklusiv Inklusiv

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Februar – Es gibt nur zwei Arten von Menschen – Angenehme und Arschlöcher – soviel sei schon mal klar. Diesem Befund nach gibt es auch nur zwei Arten von Darbietungen jedweder Art: Eine einladende – und eine ausschließende. Und somit zwei Grundrichtungen in einer Gesellschaft: Exklusion oder Inklusion. Ersteres ein Untersichbleiben elitärer Kreise auf Kosten aller, die nicht mitmachen können – weil sie aufgrund der Regeln der selbsternannten Eliten nicht dabei sein dürfen. Und zweiteres ein Miteinbeziehen möglichst vieler Einzelgänger und Randgruppen, die mitmachen wollen – weil sie aufgrund ihres Menschseins, mitsamt ihren speziellen Bedürfnissen und ebenso speziellen Fähigkeiten, ebenbürtige Mitgestalter unseres Gemeinwesens sind.

whyWenn man also genau hinspürt (was schon wieder eine recht spezielle Fähigkeit aufgrund von speziellen Bedürfnissen ist), so erschließt sich einem in jeder künstlerischen Arbeit, in jeder Darbietung, Veranstaltung oder Zusammenkunft die eigentliche Absicht, der wahre Beweggrund hinter dem jeweils Stattfindenden. Entweder geht es ums Ausschließen: “Ätsch, bätsch, da darfst du nicht hinein!”, oder Nur, wenn du den festgesetzten Preis bezahlen kannst.”, auf jeden Fall darum, sich klein und ohnmächtig zu fühlen: “Schau, was wir können. Das schaffst du nie!” Oder es geht ums Einladen zu einem selbstbestimmten Mitwirken: “Verdammt, aus denen ihrem Bild, Gedicht, Lied könnt ich was ganz Eigenes machen!” Könntest? Kunnst! Das ist es, was wir meinen. Und was uns anspricht, uns gefällt, uns zusagt. Das können wir alle gemeinsam singen und spielen – oder auch jede(r) für sichüder oberhaupt nicht. Wie es euch und uns halt gefällt! Diesen feinen Unterschieden von Kunnst um des Mit-Einladens willen, des Sich-Verschenkens aus Menschenfreude – und der gängigen Geizhals-, Geldpuff- und Türzuhälterkunst wollen wir nachspüren:

InklusionInklusion ist ein Dialog auf Augenhöhe
in einer gleichberechtigten Gesellschaft.
Menschen mit besonderen Bedürfnissen
bringen ihre besonderen Fähigkeiten ein,

indem sie als ebenbürtige Mitgestalter
unserer gemeinsamen Welt ernst genommen,
und nicht in ihren abgeschlossenen Zonen
bis zur Unkenntlichkeit betreut werden.

Freundlich bevormundet und entmachtet,
wird ihnen von oben herab vorgeschrieben,
was für sie gut zu sein hat – und was nicht,
während Städte veröden und Länder verrohen.

Dabei wollen sich viele Menschen gern engagieren,
für eine Welt, die nicht ausbeutet, schändet, verkauft,
wenn man sie nur anhören würde und verstehen und
mit ihnen zusammen ihre Vorstellungen realisieren.

Die Geschichte, die jetzt kommt, wird sich
mit all euren Namen den Arsch auswischen,
mit all euren auf unsere Kosten gemachten
Firmennamen, Produktnamen, Vorteilsnahmen,
denn es ist die Geschichte vom Überleben
entweder aller oder niemandes mehr.
Die noch zu erzählende Geschichte
davon, dass das Ende eurer Macht
nicht das Ende der Welt ist,
sondern ihr Überleben.

 

Sieben auf einen Streich

Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. September Part 1 und Part 2 – Die Herren Chrissobert & Schmallhund feiern den 7. Geburtstag der Nachtfahrt und versuchen sich an einer Sendung über ihre Sendereihe. Ein schier unmögliches Unterfangen, welches nichtsdestotrotz in bewährter Weise livedialogisch und spontan-assoziativ zu Gehör gebracht wird. Denn wiewohl diese Perlentaucherei nunmehr die 60. Ausgabe ihres Namens darstellt (genau, deshalb auch die fortlaufende Nummerierung), existieren auch noch 24 Nachtfahrt-Episoden aus den Jahren 2008 bis 2010, die ebenso erwähnt werden möchten. Ein Archiv mit gut 200 Sendungsstunden fliegt uns daher förmlich um die Ohren. Falls also noch jemand ein Thema brauchen solltte, für eine Diplom- oder Doktorarbeit in Kommunikationswissenschaften, bitteschön, allerherzlichst, gern…

schwarz weißWir machen ja keine Sendungen über Musik, Literatur, Themen etc. Nein, daraus bestehen unsere Sendungen – sowie aus allerlei Gefühlszuständen, spontanen Gesprächssituationen und noch anderen Plötzlichkeiten. Sie bilden in ihrer Gesamtheit selbst Bilder, Collagen, Gedichte, Hörwelten – manchmal ausufernd, manchmal konzentriert, immer unvorhersehbar – und vor allem nie so, wie das, was es eh schon irgendwo anders zu hören gibt! Wenn man diese Sendungsidee und ihre mittlerweile siebenjährigen Entwicklung, dieses Work with a Work in Progress mit einem Motto betiteln wollte, dann wohl am besten mit: „Anders als alle anderen“ aber auch „Anders als alle anderen Anderen“ zumal hierohrs eine Gestaltungsform gepflegt wird, die bisher noch nirgendwo als Beschreibung eines Sendungsformats aufgetaucht ist. Zumindest in keiner der uns bekannten, halbwegs offiziellen Systematiken. Eine gewisse unterschwellige Intention ist dabei nicht zu verleugnen. Doch eigentlich hat sich dieses einstweilige Endprodukt in stets verwandelnder Erscheinung durch seine fortwährende Anwendung einfach so – ergeben. Zur weiteren Verwirrung ein paar sich verdichtende Sendungstitel:

finstere figurenNachtfahrt (2008 – 2010)

Würdigung

HassLiebe

Die toten Posen

Heavy Perfume

Die genialphantastische Beachparty

Rio Reiser Radionacht (zum 13. Todestag)

Thomas Bernhard Gefühle

No Revolutions in Salzburg (Jugendkultur)

Internationales (in memoriam Johanna Dohnal)

Meet the Angels

geistergästePerlentaucher (2010 – 2012)

Ein Salzburger Adventsingen

Zwischeninselpoesie

Weites Land (über Schwermut)

Les Coeurs des Vampires

Female. Feel Male.

Poesie und Engagement (Live im Studio: the who the what the yeah)

Experlimental (ernst jandl gewidmet)

The Soul is a Bird (Apocalypse Now!)

Strange Straight Special

Christgsindlmarkt

copy riotPerlentaucher (2013 – 2014)

Beyond Fantasy

Déviation Erotique

Dichterwerdung

Überwinden Verwandeln

On the inner road

Ein lyrischer Kosmos (mit eigenen Texten)

Heimat under construction (mit Radio Študent Ljubljana)

Turn on, tune in, drop out (mit echten Hippies)

Auf der Flucht (Grundtvig Lernpartnerschaft)

Poem – Leonard Cohen auf Deutsch (mit Misha Schoeneberg)

chrissobert schmallniggPerlentaucher (bis August 2015)

Gepflegte Koinzidenz

Musenschmusen

COPY RIOT (Civilmedia 15)

Sommernachtstraum

Surreale Sendung

Womit sich schlußendlich der Schleiß grüßt. Zu was sollten wir euch diese Sendung noch interpretativ ins Gehirn tragen, die sich durch spontanes Zusammenfügen von Musikauswahl und Textbeispielen elementar ereignet – so wie wir uns eben auch. Schreibts lieber ein lautmalerisches Gedicht zur jeweiligen Klangkulisse oder, noch besser, machts gleich eine Sendung über die Sendung über die Sendung. Zuhören heißt bei uns mitleben – doch eben nichts Fertiges, sondern sich im eigenen Erleben weiter Spinnendes. Das eigene Spinnerte halt, so wie unser Selbstgesponnenes. Und in diesem Sinne ist “etwas aus dem machen, was wir da machen“ für uns auch das höchste der Gefühle. Alles andere kann man nachhören, und zwar hier. Lechajim!

 

Reisen (Norbert)

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. August – Aus dem Saunastudio der Radiofabrik erklingen sprachmusikalische Assoziationen quer durch jene Erfahrungen und Fahrten, die man nicht im Reise von A nach B Büro buchen kann. Auf der Fährte des Lebens Gefährten trotz aller Gefahr. Selbstbegegnung und Sinnsuche jenseits von Uhrzeit und Zielen. Sich dem Fluss des Lebens überlassen ohne Garantie auf Wiederkehr, Sicherheit oder Schweinsbraten. Sumpfblütenblühen im Kaiserschmarrn Österreich und universell Zutiefstmenschliches aus aller Welt. Kommen. Gehen. Burning down the house. Stop making sense. We’re on the road to nowhere. Mit Textbeiträgen von uns selbst, Slavoj Žižek, Ernst Jandl, Bastian Sick, Georg Trakl, Konstantin Wecker, Schwellendreh und – mal schaun, was kommt

MarionettenEs soll durchaus Menschen geben, die nach Dingskirchen oder Bummsburg reisen, um sich dort irgendwas Bestimmtes anzuschaun. Um irgendeine Erwartung erfüllt zu kriegen. Und wehe, wenn die nicht erwartungsgemäß zubereitet worden ist – dann verklagen sie den Verunstalter ihrer Tagträume bis zum Sankt Nimmerleinstag – sie haben schließlich dafür bezahlt. Da stellt sich schon die Frage, woher solche Glückseligkeitsversprechen eigentlich kommen. Vom eigenen Selbst? Oder doch eher vom gefickt eingeschädelten Marketing der Lebensheilversicherungsindustrie? Sind wir am Ende alle Marionetten, die an den Fäden einer obskuren Macht zappeln? Aus diesem Sackgassengedanken der Weltbetrachtung kann ich jetzt auch nur noch flüchten. Es ist wahrlich zum Davonschwindeln, mit oder ohne Arzt und Apotheker. Doch halt – zum wirklich Schwindlichen kommen wir erst! Also zitier ich mir erstmal eins, auf gegenseitig Weltverwandlung hoffend: „Lass mich diesen Fehler einmal in meinem Leben richtig machen. Ich will mich ausleben. Komm mal ruhig ein bißchen näher, dann kann ich deinen Atem spüren. Wir müssen hier raus!“

slavoj zizekZunächst unsere Filmempfehlung: The Pervert’s Guide to Ideology von Sophie Fiennes. Wer sich, mit oder ohne sonstige Drogen (siehe Artwork) Slavoj Žižek, den letzten freifliegenden Philosophen der Popkultur, in die Pfeife stopfen will, wird und ist hiermit wunschgemäß bedient! Auf seinem Parforceritt durch die Geschichte populärer Filmwerke entlarvt er einige der uns innewohnenden Scheinwelten als das, was sie letztendlich sind – und immer schon waren – Ideologien. Von Leni Riefenstahls “Triumph des Willens” (1936) über den Salzburgschwachsinn The Sond of Music” (1965) oder Michelangelo Antonionis Zabriskie Point” (1970, kongeniale Filmmusik von Pink Floyd) bis zu neueren Kinoerfolgen wie James Camerons “Titanic” (1997) sowie Christopher Nolans “The Dark Knight” (2008) zerpflückt er 25 Spielfilme – und einen Werbespot. Ganz besonders gelungen und hier zum Vorglühen angeführt: John Carpenters “They Live” (1988). Und jetzt setz die Sonnenbrille auf!

Publikum„Das Tragische an unserem Dilemma ist, dass wir, indem wir uns innerhalb der Ideologie befinden, gerade an dem Punkt, wenn wir ihr in unseren Träumen zu entkommen glauben, erst recht mitten drin sind.“ Soweit Slavoj Žižeks kulturkritischer Befund. Und eine ziemliche Nuss zum länger dran Lutschen. Na gut – gibts dann aber überhaupt noch Hoffnung auf unserer Lebensreise? Oder sind auch wir Widerstandsbewegung zum fröhlich-bewusstlosen Zynismus des Weltverbrauchtums verdammt? Wie könnte sie aussehen – Hoffnung jenseits des Glaubens an Heilsversprechen und jenseits ihrer zwangsläufigen Enttäuschung? Puh – mal hören, ob da nicht in der projektierten Musikauswahl was zu finden wäre: “Unruhige Zeiten, mein Schatz. Gut, dass fast immer unsere Liebe in wilder Bewegung war, mal ein Palast, oft nur ein schäbiges Zimmer, schmerzvoll lebendig, doch immer wunderbar. Einfach nicht verzagen, überstehn…”

“Leben heißt Brücken schlagen über Ströme, die vergehn.”

 

Musenschmusen (Chriss)

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. April

Inspiration sucht sich heute selbst. Musen schmusen, Feen gehen und Götter vergöttern einander. Was bleibt am Ende? Ein kränkelnder Stift und leere Blätter…

LakeLightWaysEin Wort. Ein Bild. Ein Zeigen.
Wer zeigt mir die Unterfläche? Wer zeigt mir die Schichten der eigenen Geschichten? Die einzelnen Daseinsformen der wachsenden Bedeutungen meines Erkundens der inneren Welt? Brauche ich einen Führer? Jemanden der mir eine Landkarte reicht, damit ich im Dschungel meines Hirns unbeschadet die andere Seite erreiche? Jemanden der mir Licht ist in den kalten, nächtlichen Stunden meiner Seele? Gibt es so jemanden überhaupt? Oder stelle ich diese Fragen nur um mich vom Eigentlichen abzulenken? Nicht hinschauen zu müssen? Nicht hineinschauen zu müssen in den Schattenspiegel? Oder führen mich all diese Fragezeichen genau dorthin, wo ich mich nicht mehr von mir unterscheiden kann und will? An diesem Punkt der Überlegungen beiße ich mir die Zunge ab um keine Worte mehr zu vergeuden. Doch Sprache muss nicht artikuliert sein um zu existieren. So stehe ich wieder am Anfang meiner Gedanken und erkenne, dass ich ein Kreis bin. Da mir Ellipsen lieber sind verbiege ich mich ein wenig. Jetzt wabere ich im Raum. Seltsam genug, dass ich mehrdimensional bin, meine Brennpunkte fangen Feuer -violett- und warum sollten sie auch nicht? Immerhin muss ich mich warm halten. Erfrieren wäre echt das Letzte!

AugenscheinIch öffne den Mond. Ich öffne den Mund. Ich schließe die Sätze. Ich verschließe mich.
Mein Schloss ist rosig oder bemoost. Auf dem Schlüssel wächst ein Wald. Sein Bart ist Jahrtausendalt. Und schon wieder geht es ums Finden, Erforschen, Durchschreiten, Wegebegehen, Pfadestreuen, Brotkrumenlegen. Labyrinthe haben auf mich schon immer eine große Faszination ausgeübt. Ich übe mich im Übertreiben und treibe meine Sprache an. Es gibt keine Grenzen mehr. Ich werde grenzenlos und losgelöst, löse mich auf und beginne wieder von vorn…

Inspiration sucht sich heute selbst. Musen schmusen, Feen gehen und Götter vergöttern einander. Was bleibt am Anfang? Ein sprachloser Stift und hungrige Blätter…

 

Weihnachts Ohrartarium

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Dezember (in 2 Teilen) – Mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist die Tradition unseres jeweiligen Salzburger Adventsingens Reloaded in Gestalt der letzten Nachtfahrtsendung im Kalenderjahr. Waren es 2008 und 2009 noch mehrstündige Artarium-Sonderausgaben zur Stillen Nacht, so begann bereits 2010 die musikliterarische Auseinandersetzung mit den Themen der vorweihnachtlichen Besinnlichkeitskultur, die uns Eingeborenen des Alpenlands wohl schon seit dem ersten Aufschrei eingefleischt wurden. Nehmen wir dieses Jahr also titelgebend die Herren Tobi(as) Reiser zum Anlass für unsere Betrachtungen. Denn der Gattungsbegriff „Adventsingen“ ist mitnichten uraltes bäuerliches Brauchtum, sondern vielmehr eine eigene Erfindung des einstigen NS-Bauernfunktionärs (der Ältere), künstlerisch weiterentwickelt von seinem krawutisch koksenden Sohn (der Jüngere).

Weihnachts OhrartariumWer klopfet an? Asylsuchende Assoziationen auf ihrer Fluchtfahrt durch die Dunkelheit ans Licht. Die etwas andere Betrachtungsweise der uns interpretiert überlieferten Geschichte(n). Versuche, hinter das glanzgoldene Getriebe machtfeiler Verehrung zu blicken. Phantasien einer möglichen Menschheit VOR ihrer feindlichen Übernahme durch die Beherrschaft. Gruslig schön lustig und freischwebend. Die frohgemute Verwurstung von Kulturstrandgut entgegen jedweder Marktlogik. Und ebenso ernsthafte wie vollends verrückte Einlassungen auf unsere angeblichen Wurzeln. Uminterpretation der Bedeutungsschwangerschaft aus der magischen Ohnmacht von Bedürftigen…

Umrahmt von unseren Live-Einfällen und Zufällen entfaltet sich eine schaurig-schöne Dramaturgie, bei der man sich bis zum Erschrecken identifizieren und sogleich wieder wohlig in die vertraute Unbehaustheit des eigenen Seins zurück plumpsen lassen kann. Begleitet uns auf dieser zielstrebigen Irrfahrt ins Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit, die uns gerade deswegen auch die eigene Unverwechselbarkeit und Unverzichtbarkeit vor Ohren führen wird. Sicherheit? “As Lebn entgeht eich sicha – heit!” Uns nicht, jedenfalls nicht heute. Denn: Wir sind ein geiles Institut!

Aus „Ein Salzburger Adventsingen“ (Dezember 2010)

Money (S. Koidl)Teufel auch! Man wird sich ja wohl noch selbst zitieren dürfen. Zwecks eingehenderer Hinterfragung subalpinen Brauchtums in der vorweihnachtlichen Finsterzeit haben wir am Albumsonntag nach der Nachtfahrt den jungen Zeichner und Krampusmaskenschnitzer Stefan Koidl zum Gespräch über Technik und Kreativität eingeladen. Faszination will erforscht werden, vielleicht verhält es sich auch beim Teufelsthema so: „There’s more to the picture than meets the eye.“

Natürlich :) zaubern wir dabei auch Verborgenes hervor, längst vergessen Geglaubtes, vielschichtig Verwobenes oder überhaupt vollkommen Verrücktes. Keine Ahnung, was sich daraus dann im Verlauf der Sendung ergeben wird – aber irgendeinen dramaturgisch roten Faden braucht es halt immer, auf dass sich all unsere konfusen Mitbringsel daran zu mitteilender Gestalt kristallisieren. Alles weitere werden wir erleben, hören, sehen, spüren. In diesem Sinne “Keine Macht der Seistaadsgewalt” und “Wir sind ein geiles Medium…” :D

Aus „Ein Fest der Liebe“ (Dezember 2013)

Jesus Christopher

Jesus Christoph(er) von Helmut Xö

A schware Geburt – Ja, natürlich! Weil wir doch alle hier schon immer in eine tief von christlicher Symbolik durchdrungene Welt geworfen sind. Wobei sich schon auch die Frage stellt, ob wir denn diesem Jesus nicht noch etwas Anderes abgewinnen könnten als den Christkindlmarkt. Oder eine Kirche. Jesus war doch nicht katholisch! 😀 Wer hat ihn also dann zum Christus gemacht und oberhaupt, warum – et cui bono?

Manche warten sicherlich auf Jesus Christus und sind dann enttäuscht und aufgebracht wenn Klaus Kinski seine eigene Interpretation von ihm anbietet. Ich warte auf den nächsten Wartesaal, wenn ich mit dem Zug fahre. Ich warte auf die nächste Reise und die nächste Ankunft. Auf  Menschen, die mir vielleicht begegnen werden, auf Gedichte die ich vielleicht nie schreiben werde… Ich warte genauso wie jeder andere wartet… Ich weiß nicht wirklich auf was… Vielleicht… auf mich selbst?

Aus „Ein Salzburger Adventsingen 2.0“ (Dezember 2011)

gut zu hörenIch bin es – Na eben, da bietet sich wie von selbst eine erste einstweilige Auflösung an. Und damit binden wir auch den eingangs erwähnten alten Sack zu. Es geht ums Eigene und ums Erfinden. Es geht ums Werden und Begehen. Es geht – ums Selbst. Deshalb die Bilder und Collagen. Darum „Adventsingen„. Seien wir unsere eigene Adventgeschichte. Und fragen wir uns: „Was ist ich?“

Alles schläft, einsam wacht – bist du da? Was wird sein am anderen Ende der Nacht, wenn du dir begegnst, gleichsam beschenkt und entblößt? Hast du dann Angst vor dem Schweigen des Lärms, vor dem Gähnen des Abgrunds, vor dir selbst? Hast du Lust, dich zu spüren und in ein neues Jahr zu springen, einen neuen Tanz zu vollführen, ein neues Bild anzufangen, mit einer neuen Idee ins Bett zu gehen, die dich liebkost und die du danach nie mehr vergessen kannst? Was also macht diese Nacht mit dir – was machst du mit ihr? Wer bist du – in deiner eigenen Zeit, wenn du sie dir selbst schenkst?

Aus „Christgsindlmarkt“ (Dezember 2012)

„frohe weihnacht! frohe weihnacht! und ich bin nur ein hund“   (Ernst Jandl)

 

November

> Sendung anhören: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. November – Passend zur Jahreszeit zwischen Allerheiligen und Adventanfang befrachten wir uns in dieser Sendung mit allerlei Zwischenzuständen von Licht und Dunkel, Nacht und Nebel, Tod und Leben. Dabei begleiten uns Gedichte und Prosatexte von Georg Trakl, des wohl radikalsten Salzburger Totalverweigerers staatsbürgerlicher Pflichtbestimmung. Sein ebenso selbst gewählter wie ihm auch aufgezwungener Tod, schon kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, ist untrennbar mit dem 100-Jahres-Gedenken an diesen Wahnsinn verknüpft – und wird doch leider oft nur als individuelles Scheitern verstanden! Wir wollen daher einige Facetten seines Lebens und Wirkens nochmals eingehender betrachten, als uns dies im Rahmen einer knappen Artarium-Themenstunde möglich war. Die Sendung  „Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor“ ist hier online verfügbar.

NovemberUrsprünglich sollte diese Nachtfahrt einfach nebelig und soundverhangen werden, ein wechselvoller Aufzug von düsteren, seltsamen, aber auch tröstlich wärmenden, anheimelnden Musikstimmungen, die wir einander dann mit entsprechenden Wortbildern garnieren würden. Dann kam jedoch die recht intensive Beschäftigung mit Georg Trakls zutiefst ambivalentem Sprachschaffen dazwischen – oder, besser noch, hinzu. Et voilá! 🙂 Tauchen wir den irrlichternden Taumel dieses von Wort zu Wort gehetzten Sinnsuchenden einer untergehenden Epoche als roten Faden in unser spätherbstliches Gefühlsdestillat und harren wir der kommenden Kristallisierungen. Von Sehnsucht und Schrecken, von Sexualität und Strenge, von Selbstangst und Schuld wird da zu hören sein, von rauschhaften Visionen, von Weltüberdruss und Zerstörung. Doch darin auch immer vom Ahnen, Ringen und schließlich Wissen um ein Ganzes, ein mögliches Heiles – inmitten des durch dünne Haut spürbaren Unheils.

Totengedenken„Am Heimweg traf er ein unbewohntes Schloß. Verfallene Götter standen im Garten, hintrauernd am Abend. Ihm aber schien: hier lebte ich vergessene Jahre. Ein Orgelchoral erfüllte ihn mit Gottes Schauern. Aber in dunkler Höhle verbrachte er seine Tage, log und stahl und verbarg sich, ein flammender Wolf, vor dem weißen Antlitz der Mutter. O, die Stunde, da er mit steinernem Munde im Sternengarten hinsank, der Schatten des Mörders über ihn kam. Mit purpurner Stirne ging er ins Moor und Gottes Zorn züchtigte seine metallenen Schultern; o, die Birken im Sturm, das dunkle Getier, das seine umnachteten Pfade mied. Haß verbrannte sein Herz, Wollust, da er im grünenden Sommergarten dem schweigenden Kind Gewalt tat, in dem strahlenden sein umnachtetes Antlitz erkannte. Weh, des Abends am Fenster, da aus purpurnen Blumen, ein gräulich Gerippe, der Tod trat. O, ihr Türme und Glocken; und die Schatten der Nacht fielen steinern auf ihn.“ (Georg Trakl, aus „Traum und Umnachtung“)

WasserlichtUnd wie ergeht es einem jungen Menschen heute, nach 100 Jahren abendländischer Kulturgeschichte, auf der Suche nach Selbstausdruck und Übereinstimmung? Finden sich überhaupt noch Zwischenwelten diesseits der Verwertbarmachung – von auch noch dem allerletzten Gefühlsrülpser? Welche Drogen muss einer im Jahr 2014 zu sich nehmen, um den aktuellen Weltkrieg noch halbwegs zu ertragen? Den Eroberungsfeldzug der Etablierten auf Kosten der Zukurzkommenden? Den Ausverkauf aller Phantasien und Ideale – im Namen des Konsums, der Leistung und des Wirtschaftswachstums? In Ewigkeit, Amen! So viel hat sich in den 100 Jahren des Fortschritts und der Zivilisation dann halt doch nicht geändert, stellen wir betroffen fest. Die einige Dreiheit daherbehaupteter höchster Werte heißt nicht mehr Gott, Kaiser, Vaterland, sondern je nachdem Geld, Investor, Marktanteil. So what? Same Shit as ever! Doch ab 22 Uhr wird jetzt zurück geschissen… 😉

 

Auf der Flucht (Chriss)

Die Perlentaucher Nachtfahrt vom 12. September (hier hören) läuft um ihr Leben, flieht ins Unbekannte, zieht hinaus in die weite, ferne und beängstigende Welt. Wir sind auf der Flucht, sind heimatlos, entwurzelt, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, kein Zuhause, kein Ort, an dem wir bleiben können, niemand, der uns aufnimmt und niemand, der uns wirklich versteht… Memory Under Construction. Giving the voiceless a voice. Forgotten Memory. Diese Nachtfahrt ist ein Beitrag zum länderverbindenden GRUNDTVIG-Projekt „Memory Under Construction“ und setzt sich nicht nur mit dem Thema „Flucht“ auseinander, sondern auch mit vergessener Geschichte – den Geschichten Einzelner, jenen Geschichten, welche gekonnt unter den Teppich gekehrt werden. Natürlich in unserer ganz eigenen Art. Unterschwellig, atmosphärisch, zwischen den Zeilen…

den vergessenenNeben der allseitsverstandenen Vorstellung von Flucht, den Gründen und den Folgen, reizen uns vorallem auch jene Aspekte, die einem
möglicherweise erst auf den zweiten Blick auffallen. Die Flucht aus der
Heimatstadt, aus dem Alltag, aus Systemen, Hierarchien, die innere
Emigration, Völkerwanderung, Seelenwanderung, innere Wanderung von Ich zu Ich, in andere Welten flüchten, durch lesen, schreiben, malen, musizieren, träumen, sich wegträumen… Wo ankommen? Überhaupt ankommen? Reisend bleiben? Nomadenleben, der Sonne entegegen, weg, fort, beyond, woanders ist besser als hier, vielleicht stimmt das, weiter gehen, weiter, immer weiter, on the road, losgelöst, frei, irgendwie schön, nichts zu haben ausser sich selbst und einen Rucksack voll Erinnerung, unterwegs, nach…

Tod.LebenWir sind alle Flüchtlinge. Tragen alle den Fluchtgedanken in uns. Jeder möchte mal ausbrechen, weggehen, in die andere Richtung, fliehen vor sich selbst und der Welt. Doch manche werden dazu gezwungen. Durch Krieg, Armut, Verfolgung, weil sie die falsche Hautfarbe, das falsche Geschlecht, die falsche sexuelle Orientierung, die falsche Religion haben, oder weil sie nicht mitmachen wollen bei den Spielchen der jeweils Mächtigen. Und dann verwandelt sich dieses schöne Bild des stets Weiterwandernden in einen Horrortrip, der realer nicht sein könnte. Bei dem es um Leben und Tod geht, der einem alles nimmt und alles verschlingt, nur noch grausam, hässlich, ohne Hoffnung, ohne Zukunft…

„Wir sind umstellt von den Bauten des nicht stattfindenden Lebens.
Sie sind riesenhaft. Es sind Riesen und sie stellen den Horizont voll
und die Riesen stampfen herbei und sie kommen näher
und ich, ich werde kleiner und mein anderes Leben wird kleiner.
Mein anderes Leben ist ein kommender Riese
und irgendwann wird sich irgendwas irgendwie ändern.
Das ist eingeschrieben in die DNA.
Es kündigt sich an, es staut sich auf – es entlädt sich.
Und meine Geste ist der Trotz und die Wut.
Und das sind nicht die Gesten des Riesen,
der Riese hat keine Geste – die braucht er nicht.
Seine Haltung ist das Kommen und seine Sache die Ankunft.
Und da ist er! Hallo Riese! Hallo mein anderes Leben!
Hallo mein stattfindendes, nicht stattfindendes Leben!
Gegrüsset seist du Maria! Ich werfe mich dir durch die Wand!“

aus „Fluchtstück“ von PeterLicht

> Zu diesem Thema gibts auch einen Artikel vom Norbert 😉

> sowie zum Nachhören die einstündige Zusammenschau