> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Juli – Lampedusa? Da war doch mal was. Ist das nicht die Insel mit den Flüchtlingen? Die Katastrophengeschichte von vor 10 Jahren? Das stets bei passender Gelegenheit wieder auftauchende Symbol für die Überforderung Europas mit “den unkontrolliert über uns herein brechenden Flüchtlingsströmen”? Der willkommene Anlass für jene politische Propaganda, die seit Jahren vom “Schutz der EU-Außengrenzen” vor sich hin trötet, während jedes Jahr wieder Tausende auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Lampedusa? Da war aber auch (und ist immer noch) etwas ganz anderes. Menschen, die sich inmitten der sonstigen Alltagssorgen auf einer entlegenen Insel um Menschlichkeit bemühen, die doch so selbstverständlich sein könnte, auch in gefühlsabgestumpften Zeiten …
Wir spielen Teile des Albums “LAMPEDUSA 1 MAGGIO 2015”, das die verschiedensten Künstler und Musikgruppen vereint, die an jenem 1. Mai in einem Konzert die Gefühle der dort lebenden Einwohner und auch die Eindrücke der zunächst einmal geretteten Flüchtlinge als miteinander verbunden zur Aufführung brachten. Diese beiden Aspekte ein und derselben Wirklichkeit, die aus den jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln der Inselbewohner wie der Seenotopfer gespürt werden können, sind “die zwei Gesichter ein und desselben Janus”, wie es im Begleittext zum Album heißt. Eine Darstellung dieser zwei Seiten in ein und demselben Konzert, oft sogar in ein und demselben Musikstück, offenbart uns eine tiefe Verbundenheit zwischen allen Menschen, welche sich aus dem Leben auf dieser Erde begründet – und nicht aus dem Besitzanspruch eines Staatswesens. Wer einem Menschen die Hand reicht, ihn aus dem Wasser zieht um ihn so vor dem Ertrinken zu retten, dem (oder der) sind irgendwelche staatlichen Hoheitsansprüche in dem Moment gleichgültig. Es gilt das Notwendige. Das Unmittelbare. Jetzt und hier. Was in den Ämtern der Möchtigen auch verfügt wird – es verfängt nicht. Das Leben geht vor.
Zurück an Land, also auf der kleinen Insel, die näher bei Afrika als bei Italien liegt, fällt uns auf, wie viele verschiedene Einflüsse aus dem gesamten Mittelmeerraum sich hier zu einem ganz eigenen Klang- und Stimmungsbild verbunden haben. Dies wird auch durch die Auswahl der am Konzert/Album beteiligten Musikschaffenden deutlich. Und immer begegnen sich, dem Konzept der Darstellung folgend, sowohl europäisch-internationale Hörwelten/Stile als auch afrikanische, maghrebinische und orientalische Musiktraditionen. Es zeigt die Verbundenheit all dieser Welten.
PS. Wir empfehlen den ausgezeichneten Dokumentarfilm “Lampedusa im Winter” von Jakob Brossmann, der ebenfalls das innere Erleben der Inselbewohner wie auch das der aus Seenot geretteten Bootsflüchtlinge als zwei Seiten derselben Wirklichkeit darstellt. Hier gibts ein ausführliches Interview mit dem Filmemacher.