Bäume schlagen aus

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Mai – Als Kind konnte ich mir die beiden Wortbilder nicht wirklich zurecht reimen: “Pferde schlagen aus”, schon klar, aber Bäume? In meinem Hinterhof hat sich allerdings unlängst eine Geschichte ereignet, die das Ausschlagen (altertümlich für “austreiben”) der Bäume nachgerade unausweichlich illustriert. Diese Geschichte, die auch noch ein Dreiteiler ist, werde ich in dieser Sendung erzählen, die dramaturgisch passenderweise drei Stunden dauert. Zur phantasieanregenden Vorhereinstimmung sei sie allhier schon mal in Gestalt von Bildern gezeigt, den Assoziationen zu “Die Bäume schlagen aus” sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt. Wenn ich so ein Baum wär, ich würd ja am liebsten zurück schlagen, und zwar mit Schmackes. Und ganz abgesehen davon, “Der Mai ist gekommen…”

Bäume bleibenJenseits von Maibaum, Volkstum und Salzburger Heimatwerk findet sich noch so einiges an Bäumen gewidmeter Frühlingsnatur. So etwa in Konstantin Weckers Lied “Der Baum”, in dem es sogleich mundartgerecht zur Unsache der Verwüstung alles Lebendigen geht: “I hab Angst. Lang lassn si de nimma aufhoitn, und da werds hold mi jetzt boid als oan vo de erstn dawischn. Angeblich spüren wir ja nichts, wir Felsn, wir Viecher, wir Bleamen, wir Bäum – angeblich habn wir kein Gefühl. Und wie wir spüren und denken, lieben und fluchen – ja hörts ihr uns denn ned schrein, den liabn langa Tag, hörts ihr uns alle mitanander ned schrein, landauf, landab, alle, die noch am Lebn sind, das is ein Wehklagen, das ist ein Jammern – ihr hörts uns bloß nimmer, weils koaner mehr aushoitn dad. I hab Angst. Jetzt tragns die ersten weg. Die wehrn si gar ned. Jetzt tretns es und knüppelns es – und die wehrn si immer no ned. Bleibts mir bloß vom Leib, ich hab eich doch nix getan, wir ham eich alle mitanander doch no nia wos doa, und dabei kanntn wir doch so guat auskumma mitanand, des konn doch ned so schwer sei, wir ghörn doch alle zsamm, wir san doch alle vom selben Schlag.“ Textauszug von Konstantin Weckers Homepage, eine Momentaufnahme…

Bäume klopfen an“Wer klopfet an?” – “Nur ein gar alter Baum.” So war es tatsächlich, in jener vorletzten Adventnacht des letzten Jahres. Und wenn meine Lieblingsnachbarin da unten nicht kurz zuvor gestorben wäre, sie hätte sich dabei wahrscheinlich zu Tode erschreckt. Fast, als ob die uralte Trauerweide extra auf sie Rücksicht genommen und mit dem Umstürzen bis nach ihrem Tod gewartet hätte. Ich erzähl ja schon den Anfang… Wollen wir hier lieber noch einen weiteren Schwerpunkt oder “roten Faden” unseres Nachtfahrtprogramms vorstellen: den völlig zu Unrecht weitgehend in Vergessenheit geratenen Dichter Alois Hergouth. Aus seinem Lyrikband “Umkreisung der Nacht” werden wir im Verlauf dieser Sendung ebenfalls einiges vortragen. Denn sein Werk, an das der wackere Max Oravin hier auf babelsprech.org erinnert, ist wahrhaft weltgültig:

AUCH SO KANN ES SEIN:
wie ein Glas
voll köstlicher Leere
durchstrahlt
von erloschenem Glanz

Bäume schlagen ausAUSBRUCH DES SOMMERS
der schwirrenden Schwüle:

Der Tod
trägt eine Maske aus Gras
Er blüht durch die Augen
treibt Schierling und Wein
und tänzelnde Schlangen

Entschleiert
das Licht im Zenith
Die sirrenden Schwalben

SO WAHR!
So entsetzlich wahr!

‚Bringt Steine
es totzuschlagen!’

‚Bringt Öl!’

 

Karneval der Kulturen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Februar – Am schlimmsten ist es immer mit dem Einstieg. Wie nur, ja wie? Da könnt doch jetzt Jedermann daher kommen und uns was vorraunzen von seiner Frau. Oder vom Xenophil Pimperl. Wie sagte einst Goethe: “Das also war des Puderns Kern.” Unschwer festzustellen, dass gerade Fasching beziehungsweise Karneval herrscht. Dabei wollen wir in dieser Saison nicht übrig geblieben werden, und so eröffnen wir unsere ganz eigene Session inmitten des schwindligen Kasperltheaters. Und wir wären nicht wir, wenn wir die Begrifflichkeiten des Kulturkarussells allzu bierernst nähmen. “Kulturen” kann ja so einiges bedeuten, von Anthropologie über Joghurt bis zu regionaler Volksmusik oder fremdländischen Filmen: “Almduludl akbar!”

Karneval der KulturenDie Grundlage der Selbstironie ist, wie der Name schon nahelegt, das Vorhandensein von irgend so was wie Selbst. Oder Bewusstsein. Einigermaßen selbst zu spüren, WER man ist – nicht bloß WAS. Letzteres bescheren einem eh die auswendig zu lernenden Phrasen von einer Identität aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Kultur und Berufsausübung. Die Mär von der Zugehörigkeit zu irgendwelchen Kategorien, die von fragwürdigen “Autoritäten” festgelegt werden. Fürs “Befolgen” solcher Hohlheiten werden ganz konkrete Belohnungen in Aussicht gestellt, wie zum Beispiel: „Dann fühlst du dich gut!” oder “Im nächsten Leben wird es dir besser gehen.” Den Schas glauben nicht wenige – und irren ein Leben lang fremd in sich umeinand. Naturgemäß können die nicht über sich selbst lachen, sie haben irrationalerweise Angst davor, genau das zu verlieren, was sie nie gefunden haben: Das eigene Selbst. So heißt denn die volksmundige Frage: “Sag einmal, spürst du dich überhaupt?”

Karneval im LichtIch gebe zu, dass der Sendungstitel Karneval der Kulturen bereits zum Zweck verschiedener Aufmärsche des multikulturellen Bestrebens in aller Einfältigkeit ausgelutscht ist. Aber wir wären auch nicht wir, wenn wir dieser Standardvorstellung von Eiapopeia und Lieblieb nicht noch Abgründiges und Hintersinniges zu den beiden Begriffen Karneval und Kulturen (Mehrzahl) abringen würden. So soll uns die “närrische Jahreszeit” auch als Steilvorlage für die aktuelle politische Situation dienen, deren Umtriebe fast nur mehr erträglich sind, wenn man sie als Kabarettprogramm auffasst. Zu den riesigen Nebenwirkungen lesen sie… Und was den vielbeschworenen “Clash of Cultures“ angeht, können die Dichter, Künstler und Musiker, die sich wirklich mit Begegnung und/oder Verbindung unterschiedlicher Kulturen beschäftigen, meist eine bessere Belichtung anbieten als die inflationären Philosaufen, Pädagockeln und Politwichteln. Naturgemäß nur dann, wenn man einigermaßen selbst (siehe oben)…

Karneval im TheaterDas Grundverbrechen sind die falschen Versprechungen, die einem fürs vorauseilende Anpassen und fürs reibungslose Funktionieren gemacht werden: Dass man dafür in irgendeiner Art belohnt würde, wenn man sich selbst aufgibt, sich einfügt und brav mitarbeitet. Dass man halt “dazu gehört”, wenn man bei allem mitmacht, was die Strömung jeweils vorgibt, gern auch mal beim andere schlecht finden, herabsetzen und gnadenlos aussperren. Denn darum geht es meist bei den Gesellschaftsordnungen, vom Kleinsten bis ins Größte, sei es Familie, Kirche, Schule, Staat, Weltkonzern: Dabei sein oder untergehen! Das ist nichts anderes als blankes Drohen mit Gewalt. Wer solche Grenzen zwischen den Dazugehörenden und den Ausgeschlossenen aufrichtet, der profitiert von den Schmiergeldern und Zollgebühren, die unweigerlich dabei anfallen. Deshalb ist “Sepp, pass di an!” nicht nur ein beliebtes Lebensmotto, sondern auch ein verbreiteter österreichischer Vorname. Wir werden alle sterben.

 

Auf der Suche nach dem Licht

> Sendung(en): Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Dezember Teil 1 sowie ebenfalls Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Dezember Teil 2 – Seit sieben Jahren ist es nun schon Tradition, dass wir uns inmitten der finsteren Jahreszeit mit dem Licht beschäftigen. Ganz so wie unsere Ursassen schon vor Jahrtausenden der Wintersonnenwende eine besondere Bedeutung beimaßen, weil die Schrecken des Eises und der Finsternis immer wieder aufs Neue die Fruchtbarkeit der Natur und somit das menschliche Überleben in Frage stellten. In weiterer Folge bemächtigte sich dann das Christentum in seiner Theologie von Tod und Auferstehung dieser Mythen und Motive vom wiederkehrenden Werden und Vergehen, um uns mit allerlei alpenländischem Volksbrauchtum zuzuscheißen. Doch Adventmarkt hin oder her, bei uns sitzt nicht nur Maria am Empfängnisgerät – wir sind die Weihnachtshasen!

Licht 1Dabei bietet das Gegensatzpaar mit dem Licht auch noch andere Assoziationen als die üblichen. Generalverdunkelung etwa, ein gesellschaftskritischer Begriff von Jochen Malmsheimer. Oder aber wie es Bertolt Brecht formulierte: Denn die einen sind im Dunkeln
und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte,
die im Dunkeln sieht man nicht.

Licht 2Hofft eigentlich heute noch wer auf sowas wie eine flächendeckende Volkserleuchtung? Oder befinden wir uns inzwischen alle im Zeitalter individualisierter Erkenntnis? In dem uns zwar noch gelegentlich ein Licht aufgeht, wir aber nicht mehr bemerken, dass wir längst Teil einer perfickten Weihnachtsdekoration sind? So muss Weltherrschaft!” Und der Letzte macht das Licht aus.

Licht im DunkelWir zelebrieren unser alljährliches Überlebenstraining für die stillste Zeit im Jahr auch heuer wieder mit spontan ausgewählten Musik- und Textbeiträgen, welche sich unserer christlich-abendlänglichen Kultur sowohl stimmungsvoll annähern, als diese auch herzhaft verzweifelnd ad absurdum führen. Quod erat Brimborium oder Bimbes non olet, wie einst der Birnenförmige sagte.

Licht am EndeNichtsdestodessen oder aber auch hinwiedertrotz: Frieden auf Erden und den Menschenähnlichen was Nettes ohne Konsumzwang. Freie Medien bieten auch die Möglichkeit, seine Perlen mal so richtig vor die Säue zu werfen. Und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ruft nicht zum heldenhaften Helfen auf, sondern zum sich Hineinversetzen in die Lage des Bedürftigen. Amen.

 

Back to Front – Live erleben

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. September – Auch unsere Nachtfahrt-Sendereihe geht inzwischen ins 10. Jahr ihres Bestrebens, jenseits des Mainstream das Unterhaltsame mit dem Wissenswerten zu einem freitagnächtlichen Hörtheater zu verdichten. Aus diesem Untergrund gibts diesmal eine sehr spezielle Premiere – auf alle Ohren, die die Welt bedeuten: Wir senden erstmals ein ganzes (über 2-stündiges) Live-Konzert, und zwar, wie der Meister selbst sagt, from top to bottom”. Es handelt sich dabei um den Mitschnitt von Peter Gabriels Auftritt in der Wiener Stadthalle am 3. Oktober 2013 anlässlich seiner “Back to Front Tour”. Viele gute Gründe sprechen dafür, Gehirn und Gefühl mit diesem Ausnahmekünstler zu beschäftigen – einige davon mögen sich auch hier in unserer Sendung offenbaren.

Back to Front Live 1Schon in den 80er Jahren fiel es angenehm auf, dass der ehemalige Leadsänger von Genesis einen etwas anderen Karriereweg wählte als die meisten seiner erfolgreich industriehörigen Rockstarkollegen. Das kommt bereits sehr deutlich in dem Schreiben aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck, in dem Peter Gabriel die Gründe für seine Trennung von der damals gerade zur Weltgeltung abhebenden Formation ausleuchtet. Darin finden sich unter anderem folgende Gedanken: “I had begun to think in business terms; very useful for an often bitten once shy musician, but treating records and audiences as money was taking me away from them. When performing, there were less shivers up and down the spine.” …. “It’s good to see a growing number of artists breaking down the pigeonholes. This is the difference between the profitable, compartmentalized, battery chicken and the free-range. Why did the chicken cross the road anyway?

Back to Front Live 2Darüber hinaus war Peter Gabriel in den nunmehr 4 Jahrzehnten seines Soloschaffens stets kompromisslos und radikal bei der Themenwahl des von ihm dargebrachten Musik- und (vor allem) Bühnenwerks. So verdanken wir ihm bestimmt einige der einfühlsamsten Stücke über seelische Abgründe und fragile Bewusstseinszustände, die sonst von internationalen Größen kaum jemals verhandelt werden (weil sich das im Hinblick auf die Quote nicht rechnet). Anstatt solcherlei psychopathischer Sozialabtötung zu betreiben und sie dabei noch als normal (im Sinne von gesund) zu vertreten, bloß weils normal (im Sinne von allgemein üblich) ist, riskierte er lieber seine eigene Gesundheit, indem er mit Isolationstanks experimentierte und seine inwendige Geisterbahn zu Kunstwerken verschrob. Derlei schaffen – in dieser Bandbreite und über einen so langen Zeitraum – wirklich nur die Wenigsten. Inside Out – oder eben Back to Front.

Back to Front Live 3Naturgemäß ist jede Musikauswahl eine Geschmackssache. Aber wir wissen, was wir der Welt mitteilen möchten und wir können das auch entsprechend begründen. Warum wir nun ausgerechnet ein Konzert der Back to Front Tour auswählen? Weil hier auch noch ein formales Kriterium dessen zu Tage tritt, was Peter Gabriels Musikschaffen über die Jahre hinweg so intensiv inspirierend und überaus unlangweilig macht. Denn im Gegensatz zu unzähligen seiner Alterskollegen erstarrt er nie zur Mumie im Museum der einstigen Erfogsposen. (Wenn ich mir da sonst oft so Untote aus den 60er und 70er Jahren anschaue – DAS ist echt unheimlich!). Folglich stellte er schon 1975 fest: “As an artist, I need to absorb a wide variety of experiences. I felt I should look at/learn about/develop myself, my creative bits and pieces, and pick up on a lot of work going on outside music.”  Und er hat Wort gehalten – das ist heutzutage schon selten genug:

Jenseits von Mainstream, jenseits von Genrezoo – mitten ins Herz der Popkultur

Aus gegebenem Anlass widmen wir diesen Abend einem inzwischen Abgegangenen, dessen Name uns manch blödes Wortspiel entlockte: Moribund the Bürgermeister

 

Wir spielen die Hitz

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. JuliSalzburgs einzigstes Hitzradio aus dem heuer noch nicht klimatisierten Saunabereich der Radiofabrik. Wir schwitzen für euren Genuss und entblöden uns nicht, auch die Fenster zu schließen, wenn im Gastgarten wieder der Grölpöbel stöhnt. Doch womöglich regnets ja eh. Wie dem auch sei, die Doppeldeutung des Titels ist absichtsvoll gewählt. Nicht jeden Preis, der heiß ist, wollen wir auch gewinnen! Und zumeist ist “die beste Musik aller Zeiten” zugleich der größte Scheißdreck aus industrieller Künstlerhaltung. “Die größten Hits” sind es mit an tödlicher Sicherheit grenzender Wahrlichkeit immer. Die größte Hitz hingegen herrscht hier in diesem Brutschrank der Möglichkeiten, sobald es auch nur einen Tag lang Sommer ist…

Österreich Hitz“Ein Musikprogramm abseits des Mainstream” verkündet arbeitsfroh und hoffnungsreich das Leitbild der Radiofabrik. Ein “Audiovergnügen der Extraklasse” wird da verheißen, prophetisch “Der Protection-Plan für EnthusiastInnen & IndividualistInnen” genannt. Und was kann er? “Schützt vor Einheitsbrei.” Alles klar! Das ist schon mal Musik in unseren Ohren und wirkt vorbeugend gegen Kotzen und Hirnbluten. Des weiteren heißt es da: “Neben der inhaltlichen ist die musikalische Vielfalt ein Markenzeichen des Programms von Salzburgs Community Radio. Radiomacher und Radiomacherinnen sowie die Musikredaktion der Radiofabrik achten hier auf Qualität abseits des Mainstream und quer durch alle Genres.” Ob sich jetzt nicht gleich manch eins unter den Kolleg_innen erschrocken an den schweißnassen Kopf greift? Die Hitparade bringt uns nicht in Wallungen – das macht vielmehr die Hitz, ihr Dudelsäcke! Tabularasa in exzentris trihullioh, wie das Patridiotenbrettl nahebleicht.

Musik aus SalzburgEin möglicher Gedankenanstoß aus unserem Gespräch mit dem ehemaligen Schauspielchef der Salzburger Festspiele: Warum hört Thomas Oberender gern die Radiofabrik?

“Mal ganz egoistisch gesprochen, weils die beste Musik ist. Ich bin sozusagen immer mit Shazam bewaffnet vorm Lautsprecher, weil ich auch gemerkt hab, dass viele Musiktitel nicht in der Playlist im Internet stehen, grade beim moderierten Programm müsste man dann auf die eigentliche Website des jeweiligen “Veranstalters” gehen. Es gibt da eine sehr besondere Form von Musik, die selten Mainstream, aber immer aufregend anders und innovativ ist – und ungewöhnlich. Das ist das eine, also jetzt mal der unmittelbare Grund, weil ich das Musikprogramm toll finde und mir das auch zum Teil neue kulturelle Bereiche erschließt. Da ist ja nicht nur europäische, oder sagen wir, westeuropäische Musik, sondern man hört da in alle möglichen Welten hinein. Und ich mag diese Geste “Musik aus Salzburg”, mitten ins internationale Programm gemischt kommen Bands, die man sonst nie wahrnimmtund die gut sind.”

Potzblitz Hitz

Und was sagt unser geschätzter Günther Paal (Gunkl) da dazu?

“In diesen freien Radios passiert ja auch etwas, das ich sehr schätze, nämlich: Das machen Menschen, weil die das machen wollen. Das ist ein ganz kurzer Weg von der Operation zum Resultat. Wenn jemand, sagen wir mal, Musik präsentieren will, dann will der, dass diese Musik gehört wird. Und dann sagt so jemand: Freunde, da gibts was, das find ich ganz toll. Hörts euch das an, das ist wirklich gut. Man hört sichs an und denkt: “Find i jetzt ned” oder “Bist du deppert!”, irgendwas – aber das IST es. Ein sehr direkter Weg, um etwas zu vermitteln. Und nicht eine Behauptung von einer Gebärde, die vorgibt, etwas heißen zu wollen, mit dem Schielen auf ein Resultat, das wir uns aber alle verheimlichen – damit die Zeit vergeht. Wo ich mir dann denk, Freunde, das rareste Gut, das wir haben, ist Zeit, also tuts jetzt nicht Zeit schinden. Wenns euch um nix geht – gehts weg!

Dem haben wir (abgesehen von unserer Sendung) überhaupt nichts hinzuzufügen.

 

Sammelsurdistan

> SENDUNG: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. FebruarWillkommen in dem Land, das es nicht gibt und für das Google bis dato noch keinen Eintrag fand. Worauf wir übrigens stolz sein dürfen. Inspiriert von “Sammelsurium” (als was unsere Sendungen häufig bezeichnet werden) und der einst legendären Radiofabrik-Sendung namens “Willkommen in Absurdistan” sowie naturgemäß auch von Rio Reiser oder Karl May (Ardistan und Dschinnistan) haben wir dieses Kunnstwort zum Sendungstitel gemacht. Derlei Quellenstudium zwischen Artefakten und Artefiction soll uns ja noch öfter begegnen, wie Figura und Dramaturgia zeigen. Mit dem Affenschrei wird es also Umpf Uhr. Und schon befindet ihr euch gegen alle Hörgewohnheiten in diesem etwas anderen Geschmacksbiotop namens Sammelsurdistan. Mahlzeit und Guten Morgen!

Bettie Serveert Zur Erinnerung: Als Perlentaucher wollen wir aus realexistierendem Informationsvielflat jene seltenen Kleinodien ans Licht befördern, die uns deshalb sinnvoll erscheinen, weil sie nahrhaft, förderlich und inspirierend sind, wenn es um ein friedvolles und gerechtes Leben geht, in einer Welt, die eben auch ein nichtnachwachsender Planet ist. Und als kunnst-schöpferische Menschen mit Ambitionen zur Weltrettung (oder zumindest Verbesserung) wollen wir diese von uns gesammelten Kleinodien in neue Gestalten überführen und in unübliche Zusammenhänge stellen, so dass wir mit euch gemeinsam die Hoffnung hegen und das Plänzchen Perspektive begießen können. Die heiligen Collagen von Sammelsurdistan, nur durch Verwendung zu verehren, ein fröhliches Vernügen inmitten von Dreck und Tristesse. Schpritzmajim und Amen.

SammelsurdistanZudem auch eine etwas andere Spurensicherung quer durch alle Ursachen: “Wollt ihr die globale Seppublik des Humpfhiasltums? Oder darfs a bissal mehr sein?” Wenn Dummheit grenzenlos wird und Ignoranz international, dann ist es höchste Zeit, Inseln des Echten zu stiften, vom Guten, Wahren und Schönen ganz zu schweigen! Oder kreativ zu sein mit dem Eigenen im angeblich Fremden, so wie unsere unendlich produktiven Kollegen von der drittbesten Sendung der Radiofabrik (nach Artarium und Nachtfahrt) “Battle & Hum”, die in ihrer 52. Ausgabe (ab Minute 10 gut zu hören) eine Mundartübertragung des Velvet Underground Klassikers “Venus in Furs” zum Allerbesten gaben, das sich nur vorstellen lässt. Und die zudem einen Sendungsblog haben, der Phantasie und Wortwitz zu literarischer Qualität malmt. Almdudler akbar!

Mathias EnardEin weiteres Kleinod werden wir diesmal als Mittsendungseinlage vorstellen, ein Interview aus dem schier unerschöpflichen Fundus von Druckfrisch (ARD Das Erste) dem wir immer wieder inhaltliche wie musikalische Anregungen verdanken. “Sie betreiben hier in Barcelona auch ein libanesisches Restaurant…” Und schon gewinnt ein Gespräch Geruch, Geschmack, Gestalt. Da unterhält sich nämlich der Frontman der deutschen Literaturkritik, Denis Scheck, mit dem französischen Autor Mathias Enard über dessen Roman Kompass – im besten Sinne zur Lektüre appetitanregend. Wir senden dies mit Erlaubnis der Produzenten im Radio – für die Hör_innen unserer Aufzeichnung verweisen wir auf die ungemein übersichtlich gestaltete Mediathek von Druckfrisch sowie den entsprechenden Beitrag allhier. Wie schon gesagt, Mahlzeit

und Guten Morgen!

 

Das Ende der Bescherung

> Sendung: Heilige Nachtfahrt Spezialausgabe vom 24. Dezember – Bimbam Oida, am Heiligen Abend wird fast jedes Programm zum Pogrom. Nur dieses nicht! Verstehen sie mich nicht verkehrt – an keinem anderen Abend einigt sich die heimische Senderlandschaft dermaßen tief aufs kleinste (angeblich) Gemeinsame und verfolgt noch die letzten, die ganz sie selbst und irgendwie anders als die anderen sein wollen, mit der raunzigen Schwammerlsoß dessen, was man gemeinhin für “weihnachtlich” hält. Und an keinem anderen Abend wird die unglaubliche Schändung des Begriffs Gemeinschaft dergestalt offenbar wie an diesem: Wer auch immer unvorsichtig einen Empfängnisapparat anwirft, wird sogleich mit all dem kulturellen Restmüll zugeknallt, auf den sich das postchristliche Konsumabendland statistisch einreduzieren lässt.

BescherungDoch da sei heuer der Hund vor! Im Zuge der Wiederbelebung völlig zu Unrecht vergessener Weihnachtsbräuche kommt derselbe diesmal wieder pünktlich zum Ende der Bescherung über euch – und verspricht bereits jetzt KEINE DIREKTE Bezugnahme aufs gegenständliche Fest. Vielmehr ergeht er sich in Assoziationen und Sub-Ableitungen für intelligente Hörbsen und Ohrrüben. Denn ihr lebt die Radiofabrik sofern ihr sie mit Bedacht eingeschaltet habt.

Darüber hinaus gibts in der Doppelstunde, die an legendäre Wein-Nachts-Liveturnübungen (2008 – 2010) anknüpft, allerhand Abgründiges und Hintersinnliches rund um absolvierte Familienfeiern, ausgepackte Geschenke sowie aufgestoßenes Essen, kurzum, den etwas aufgeweichteren Zustand hernach. Egal woran ihr glaubt – oder auch nicht – rüstet euch mit all dem, was euch bekömmlich scheint – und kommet gewaltig! Denn es steht geschrieben ein großes Geheimnis im Evangelium des Hundes, nämlich die Playlist und Dramaturgie ebendieser Sendung. welche vorab nicht verraten sein soll, jedoch kundgemacht unter Posaunenschall und Brimborium in exzentris Trihullioh allen Hiatamadln und Buam auf dem Felde ihrer Selbstbestaunung. Und es bagab sich das Ende der Bescherung – mit PeterLicht.

ent oder weder
maus oder fleder
veganes leder
ent oder weder

L’chaim!

 

Weihnachtsfeuer

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Dezember von 22 bis 00 Uhr (Teil 1) sowie im Anschluss vom Samstag, 10. Dezember von 00 bis 02 Uhr (Teil 2)

Österreich hat sich zu einem Präsidenten gequält – doch zwischen uns beiden muss sich niemand entscheiden! Denn wir machen schon seit 6 Jahren zusammen Radio – und sind dabei mal die Hasen, mal die Festspielpräsidentin, auf jeden Fall immer ein etwas anderes und überhaupst ein geiles Instut. Diesen Umstand wollen wir in Gestalt einer gedeihlichen Weihnachtsfeier würdigen, deren einzelne Stunden wir diversen Anlässen entsprechend mit Anzünden, Aufregen, Abschaffen und Aushalten betiteln. Naturgemäß drängt sich in dieser “stillsten Zeit im Jahr”, die längst konsumistisch zugeplempert ist wie kaum eine zweite, die eine oder andere Assoziation zu allerlei abendländischem Adventbrauchtum auf, die wir aber allesamt in einen Abgrund aus kreativer Vernunft entsorgen werden. Versprochen!

gemuetlichkeit“Den Baum anzünden” zum Beispiel. Wem kämen dazu nicht geradezu katastrophalste Szenarien in den Sinn? Hab ich als Kind auch tatsächlich einmal erleben dürfen, dass der Christbaum exakt zum familiären Heiligabend in Brand geriet. Welch ein jede Weihnachtsfeier zum Weihnachtsfeuer uminterpretierendes Vollspektakel! Der Jahreshöhepunkt des sonst so pflichtfriedlichen Beisammenseins – er zerplatzt zum bloßen Beschwörungsritual und gibt für einen Augenblick die eigentlichen Verwerfungen der hier Versammelten frei: Eine immerwährende Flucht, aus Furcht vor dem Weltenbrand. Einfach großartig – für ein Kind, das zwar alles erspürt, dem aber stets nur die übertünchte Version der Wirklichkeit vermittelt wird. Oder für die Familientherapie. Ob nun Advent oder Event, Kranz oder Krampf – Kerzen sind nicht zum Scherzen, wiewohl es mannigfach Gründe fürs Anzünden geben mag. Und auch fürs Aufregen, in Zeiten wie diesen, wo eine derartige Vollverdodlung um sich greift, dass wohl bald auch die Schneeräumung mit dem Laubbläser erfolgt. Halleluja! Was ganz oben sitzt und allen auf den Kopf scheißt, das ist in jedem Fall ein Arschloch, ganz egal welche Weltanschauklung, Religwution oder Idiotologie es auch immer vertritt. Auf den Kopf scheißen ist niemals gut. No No Keshagesh!

weihnachtsfeuerWas war nun die ursprüngliche Fehlentscheidung des Menschen, die letztendlich zu solch bizarren Blüten der Staatsabsurdität (wie der hier abgebildeten) führte? Etwa der aufrechte Gang oder doch die katholische Kirche, wie manche meinen? Ein Wirtschaftskreislauf, der ca. die Hälfte aller produzierten Lebensmittel wegschmeißt, um den Profit zu maximieren, gilt als legal und wird von uns subventioniert. Das Entnehmen von noch Essbarem aus Müllcontainern hingegen gilt als Diebstahl und wird daher mit Strafe bedroht. Gehts noch? Ein besinnliches Weihnachtsfest zu wünschen, während weltweit täglich 24.000 Menschen verhungern. Das wäre in etwa so, als würde die gesamte Stadt Salzburg in einer Woche komplett aussterben. Vielleicht ist es doch die Idee der Herrschaft (von Menschen über Menschen), gepaart mit der seltsamen Vorstellung, irgendwas Bestimmtes sei speziell verehrenswürdig und somit unhinterfragt zu befolgen. Was auch immer uns allen von oben herab auf den Kopf scheißt … Aber das haben wir ja bereits besprochen. Derlei “herschende Verhältnisse” bringt dieses “Gebet” famos auf den Punkt: “Lieber Gott, wir danken dir, dass die Neger hungern und nicht wir.”

weihnachtshaseAbschaffen oder Aushalten? Wärmen wir uns doch am inwendigen Weihnachtsfeuer – und zünden wir einander ein Licht des Lächelns an. Advent, Advent, der Hase rennt. Wir sind doch Verfechter des Weihnachtshasen und des Wintersonnwendfeuers, da bleibt kein Ros entsprungen und kein Zusammenhang logisch. Die Poesie vermag die Dinge dieser Welt so auf den Kopf zu stellen, dass sie auch noch in den verdrehtesten Epochen der Zivilisationskultur als richtigrum erahnt werden können. Wir sind entlegene Ursassen des Immerdaren – und uns ist nichts heilig außer dem Leben an sich. Daher verdichten wir auch diesmal wieder den ganzen Sauhaufen angeschwemmter Gesternreste zu einer Trotzdemzukunft aus Leidenschaft und Wortspielerei, der nichts Allzumenschliches fremd ist außer der industriellen Unmenschlichkeit. Dicht ins Dunkel sozusagen, mit Wortspenden von Tom Liwa, Karl Merkatz, Ernst Jandl, Josef Hader, Loriot, Helmut Qualtinger, Arno Gruen, Jochen Distelmeyer sowie Aufgezeichnetem von Werner Schwab, Konrad Bayer, Robert Adler, Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter – nebst Live Gelesenem aus unserer eigenen Textwerkstatt. Kurz und gut, wir setzen uns zusammen, auch als Hoffnung inmitten der Trümmer, feiern das Leben – und erinnern uns an unserer Anfänge. (Ein Kurzfilm)

Sehr zum Wohlsein!

 

Spuren suchen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. August – Der Hund sucht nach den Spuren des Hasen. Was bleibt, wenn das Buch fertig gelesen ist, das Literaturfestival seine Pforten schließt und die Stimmung leise verwehtwenn die Träumer wieder erwachen? Wie “erfolgreich” muss ein Dichterleben verlaufen, damit ihm ein Denkmal gesetzt wird? Kann der Pfotenabdruck des Sanftmütigen in den Seelen seiner Nachbarn und Mitreisenden abgewogen, erfasst oder vermessen werden? Kann man den Nutzwert von Dichtung in Reichweiten und Verkaufszahlen darstellen – oder den Nutzwert von Radio in Quoten? “Den ganzen Unsinn werd ich nie verstehn, da hilft nur Einatmen und vorwärts gehn”, stellte Gisbert zu Knyphausen da schon einmal fest, sowie: “Das Leben lebt – es ist ein wunderschöner Sommertag.”

WortspurenIm August 2014 waren wir auf Einladung vom Freien Radio B138 als Gastmoderatoren beim 4553² Literaturfestival in Schlierbach und gestalteten dort eine Livesendung, unter anderem mit der Autorin Brita Steinwendtner im Gespräch über ihren Roman “An diesem einen Punkt der Welt”, in dem sie das Künstlerleben des völlig zu Unrecht so früh verstorbenen Festival-Mitbegründers Bernhard Samitz in der Käfergrabenmühle nachzeichnet – und ihn somit posthum als literarische Figur Tom weiterleben lässt. Der im realen Leben besser als “Bez” bekannte Mensch (und Menschenfreund) hat auch in meinem Leben Spuren hinterlassen mit seinem Wesen, vor allem mit der von ihm so meisterlich verdichteten und inszenierten Begegnungswelt in einem schrägen Haus: “…irgendwann einmal zwischen Nachmittag und Abend kommen dort zwei Verliebte vorbei oder ein Dichterling oder sonst irgendjemand, einfach Menschen. Und die genießen das, und denen sagt das was. Und das ist in keiner Statistik festzuhalten, das kann man in keinem Subventionsansuchen rechtfertigen, das kann man in keiner Weise systematisch dingfest machen. Das ist Lebenskultur.” Und auch darüber gibt es eine Radiosendung.

ArtefaktenSchon vor zwei Jahren geriet uns das Spurensuchen zum Spuren suchen auf verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsebenen. So besuchten wir auch das inzwischen verwilderte Anwesen im Käfergraben, das so viele Jahre lang auch Bühnenbild für das Bez’sche Lebenstheater war. Und wir erfuhren von der darin vor sich hin verwesenden Bibliothek, dem Ergebnis seines lebenslangen Büchersammelns. Bald darauf kam mir noch eine Anekdote aus jener Zeit in den Sinn: “Als sich unser damaliger Mitstreiter Marcello Anfang der 90er Jahre wegen einiger unüberbrückbarer Wehrpflichtdifferenzen mit der Republik Österreich aufmachte, seine Kulturbotschaft zeitweilig nach Triest in Italien zu verlegen, da hatte ich das abenteuerliche Vergnügen, ihn am Tag seiner Einberufung bei Nacht und Nebel über die Schweizer Grenze zu chauffieren. Als wir dort schließlich kurz vor dem Morgengrauen von eidgenössischen Zollbeamten angehalten wurden, dürften wir auf diese einen ähnlich, sagen wir mal, improvisierten Eindruck gemacht haben wie einst die überstürzt flüchtenden Palmers-Entführer aus Wien. Und so durchsuchten die wackeren Grenzer denn auch uns, unser Auto, und vor allem unser Gepäck, mit ganz besonderer Sorgfalt.

PhantasienAllein, der Erfolg eines ihrem Verständnis nach “kapitalen Fangs” blieb ihnen gründlich verwehrt. Weder Drogen noch Waffen waren zu entdecken, auch nicht politische Propaganda aus anarchistischem Untergrund – und schon gar kein Bargeld! Stattdessen ergoss sich aus Marcellos diversen Koffern, Taschen und Rucksäcken so ziemlich der gesamte Bestand seiner Bibliothek auf die Tische der darob immer verzweifelter werdenden Fahnder. Dieser Umstand gipfelte, kurz bevor sie uns endgültig, einigermaßen frustriert, zur Weiterfahrt scheuchten, in ihrem erstaunten Ausruf: „Was, nur Bücher?“ Eben. Die erkennbaren Spuren in all den gedruckten Gedanken und erzählten Geschichten sind nämlich die Spuren von Menschen, die uns inspiriert, die unser Leben angereichert und es im besten Fall auch befruchtet haben. “Dort, wo man Bücher verschimmeln lässt, verdrängt man am Ende auch Menschen (welche sie geliebt, gelesen oder eben einfach angesammelt haben)” So mag man Heinrich Heines berühmtes Zitat bösmundig abwandeln. Nichtsdestotrotz versucht sich das heurige 4553³ Oö Literaturfestival zu Schlierbach wieder in einer Gratwanderung zwischen Bedeutsamkunst und Liebhaberei, so liest es sich in den Spuren seines Mitgründers.

 

Mondfallsüchtig – Nachwort

Ein Nachwort zur Nachtfahrt vom Freitag, 10. Juni

Angst vor dem Tod hatte ich eigentlich nie. Angst vor dem Sterben, meine ich, die Straße löst sich, auf unbestimmte Zeit verborgt euer Schöpfen, von Wasser oder betrittst fremde Welt, zum ersten Mal, unbekannt noch, unbefleckt; da hört man das Singen des Schreibens und Pausen wie Perlen aufgefädelt, Korallenkette viel feiner als gedacht, ein Hauch nur / Wimperntäuschung, du schreitest Samt

moonchildkaramellisiertes Schweigen. Vanaprastham. Trommelnde Morgensucht während Radierungen, hier zeigt sich auch wieder meine Liebe : nocturnales Verhalten, vielleicht mehr als Lebensgewohnheit, vielleicht ja Instinkte der Nacht, die sich ergießen, über mich strömen, so glänzend Rabenfedern in erfundenen Gassen. Nicht nur Realität lässt sich biegen, keucht die alternde Entendame, der Kronkorken nickt, als ich mich nähernd : nahtloser Bruch, dass Bäume schweben, Mondhase oh wach über uns! Mein Herz dargeboten auf dem Altar der Sprache, noch schlägt es, vernarbt, zart, wer wiegt mir das Wohl, die Freude, wer die Last, das Fallen? Möglich, dass Schatten hinter mir grinsen, mit wilden Augen; Kopf gehoben und zurück in ein anderes Ich oder wie viele Leben kann ein Mensch füllen? Aufgehört mit dem Denken während des Denkens, so stiehlt sich Zeit, so durch die Finger, bald läuten die Glöckner; angeregt, beschleunigt durch leuchtende Stunden, welch Sturz in den Himmel! Diese stille Sucht, gar mondfallsüchtig, erinnernd an Haikus durch winterliche Flusslande

birthund all das Vergessen, all den Vergessenen, den Verstummten, den Geächteten : was da wuchert in meinem Kopf, neben Lichtmandalas gestreifte Farbandeutung rosé reifblau, das Knistern der Stille vor dem Schlaf, in der Früh vor dem Schlaf, sieben / siegen über Schlafkunst, Versuch einer Feststellung, zu Asche, zu Wasser, kaum saugt man die Gräser, die gläsernen Strahlen, die Schalen in Spiegelung, wohl metallische Klänge sinken ins Ohr … ihre Worte berühren etwas ganz tief in mir, wie Dunkel, das schon wieder strahlend … ich werde bald ruhen, es wandelt sich viel, halbfeuchter Asphalt unter den Kronen der Stadt, der knöcherne Traumfänger in perpetuierendem Kreisen, von Geisterhauch; so manches in regen Zuständen, ein Umwenden und -wälzen bis sich die Wellen dann glätten unter geblümten Himmeln, in Poesie verbunden

– Christopher Schmall