Die tödliche Doris – Das ganze erste Album (30 Jahre Geniale Dilletanten)

Podcast/Download: Das Artarium vom 11. September 2011.

Wieder einmal nach langer Zeit eine Solo-Sendung mit Peter.W., ganz ohne Norbert K. Hund der dieser Tage 50 geworden ist (Wir gratulieren herzlich!) und Christopher Schmall der nicht müde wurde diesen Umstand mit seinem Kompanion feierlich zu begießen. Wem die beiden nun erholungsbedürftigen Edelgruschler fehlen, dem und derjenigen sei nochmal mit Nachdruck die preisverdächtige Episode Das Salzburg Syndrom ans Herz gelegt, ebenso der neue Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog

Am 4. September 1981 fand im Berliner Tempodrom die legendäre große Untergangsshow Festival Genialer Dilletanten statt. Unter den Musikern und Künstlergruppen die dieser Tage die Bühne rockten, waren u.a. später bekannter gewordene Vertreter wie die Einstürzenden Neubauten, FM Einheit, Christiane F. (Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) mit ihrer Band Sentimentale Jugend, Westbam damals noch als Mitglied von Kriegsschauplatz Tempodrom und viele mehr. Außerdem noch Max Müller, der später die Gruppe Mutter gründen sollte und sein Bruder Wolfgang Müller, der eine wichtige Rolle in der Entstehung der Genialen Dilletanten spielte.

Mehr zum Festival und die Genialen Dilletanten: Wikipedia.

Wolfgang Müller heute Autor, Musiker und Kopf der Walther von Goethe Foundation in Reykjavíc war zwischen 1980 – 87 Gründungsmitglied der experimentellen Gruppe Die tödliche Doris (aka. Deadly Doris), die international – auch in den Bereichen Kunst, Fotografie, Filmkunst, Video, Performance und Literatur – aktiv war. Weitere Mitglieder waren zu Beginn Nikolaus UtermöhlenChris Dreier, Dagmar Dimitroff, Käthe Kruse und der bereits erwähnte Bruder Max, bevor sich die endgültige Besetzung um Müller, Utermöhlen, Kruse und Tabea Blumenschein manifestierte. Eine ihrer bekanntesten Nummern war Tanz im Quadrat das 2001 von Stereo Total unter dem Titel Wir tanzen im Viereck gecovert wurde.

Mehr zu Wolfgang Müller und Die Tödlichen Doris: Wikipedia & Youtube.

Im Rahmen des 30-jährigen Jubiläums der Genialen Dilletanten präsentiert das Artarium in seiner Reihe Das ganze Album die erste Langspielplatte von Doris aus dem Jahr 1982, produziert u.a. von Blixa Bargeld. Mit freundlicher Unterstützung von Wolfgang Müller höchstselbst, der uns – und auch euch – den freien digitalen Zugang zu ihrem akustischen Werk gewährt hat, siehe: http://www.die-toedliche-doris.de/mp3/TD001.mp3 bis TD061.mp3 – oder auch etwas detailierter zusammengefasst bei Rattenjule.

Sehr ans Herz legen wollen wir euch auch die Bücher Geniale Dilletanten,  das Feinmotorik Kompendium vom Institut für Feinmotorik und das neueste, noch in Arbeit befindliche Werk von Wolfgang Müller Subkultur West-Berlin 1979–1989.

 

Das Salzburg Syndrom

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 28. August portraitiert Thomas Oberender, den scheidenden Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, im etwas anderen Kunnst-Kontext: Nach einer Interview-Tour de Force stellt sich der Theatermann auch noch dem Spontan-Überfall, aus einer alten Schachtel voller Spielfiguren ein Spontan-Dramolett mit dem Titel „Die Preisverleihung“ zu gestalten – und besteht unsere Piraten-Prüfung souverän. Wie schafft dieser Mensch bloß den Spagat zwischen Kreativität und Machtpolitik? Atmosphärische Annäherung an ein vielschichtiges Phänomen das “Salzburg Syndrom”

Thomas Oberender inszeniert spontanes Tisch-Theater

Mit verwegenem Mut greift der Bühnenautor und Theaterforscher aus der Vielfalt der vorhandenen Möglichkeiten einige prägnante Personen und Requisiten heraus und entwickelt dabei in druckreifer Rede die Dramaturgie für ein Kurzschauspiel mit tieferer Bedeutung. Wir haben es aufgenommen und präsentieren es als Abschiedsgruß an einen Ausnahmekünstler.

Doch wir wollen unsere Perlen ja auch nicht einfach verschenken! Die Frage, die uns als gegenkulturell orientierte Gewohnheits-Salzburger bewegte, dem Mann mit dem opulenten Budgetkoffer etwas eingehender auf den Kunst-Zahn zu fühlen, war die Titelgebende: Wie entgeht man der Versuchung, sich mit den jeweiligen Geiselnehmern der Salzburger Geld- und Gewinnspiele als deren gestalterischer Auftragnehmer dahin gehend gemein zu machen, dass man das eigene Ich mit dem der Institution als gemeinsames Image identifiziert, nur um dem immerhin 5-jährigen Aufenthalt in einem „wahnsinnigen Luxusrestaurant“ mit einem letzten Restselbst an Eigenpersönlichkeit hoffentlich doch noch zu entkommen? Oder etwas einfacher gesagt, wie bewegt man Realität, ohne zugleich zum Spielball ihrer Realitäter zu werden?

Thomas Oberender im Weinglas der Wirklichkeit

Also begegnen wir dem in seiner letzten Saison zu beachtlicher Höchstform des Spielens mit Wahrnehmung und Wirklichkeit(en) gelangten Schauspiel-Verführer ebenfalls auf drei verschiedenen Ebenen: In Produktionen des Young Directors Project, im persönlichen Gespräch und bei der Verleihung des Landes-Verdienstzeichens.

Und erst im Zusammenklang der Artarium-Collage mit den vielerlei äußeren wie inneren Impressionen kommt dieser eine, feine rote Faden zum Vorschein, der womöglich die Besonderheit dieses im besten Wortsinn emotionalen Intellektuellen ausmacht: Die Bedeutung der kleinen Gesten, die in ihrer durchgängigen Anwendung auch aus dieser Stadt – und für den einen oder anderen glückhaft fortwirkenden Moment – einen “etwas anderen Erlebensraum” zu zaubern vermögen. Und dies wäre auch für uns das Vermächtnis solch beeindruckender Begegnungen: Das Sein in dieser Stadt als eine Chance für sich selbst zu erfassen, mit der eigenen Lebensperspektive wieder bewusst,  jugendfrisch und auch kreativ umzugehen. Thomas Oberender, wir danken für derlei Anstiftungen!

Das Freie Medium und der rote Fächer der Landeshauptfrau – Frischluft bitte!

Der Worte sind denn allerdings auch schon wieder genug gewechselt bei 30° im Schatten – nun lasst uns wieder Taten säen. In unserem Fall heißt das Interviews bearbeiten, Musik auswählen, Toncollagen schneiden und den roten Fächer – pardon, Faden unserer ganz eigenen Hörwelten-Dramaturgie weiter spinnen. Freut euch jedenfalls schon mit uns auf allerlei Hintergründiges zu: Nervöse Welt, Das ehemalige Haus, A Game of You, Jean Ziegler, Identifikation der (oder mit den?) Aggressoren, Medienpolitik, soziale Verantwortung und individuelle Schuld sowie Off-Mainstream-Musik, die von Shazam schon wieder nicht erkannt werden wird, weil wir die Piraten sind!

Die Fotos zur Vorgeschichte und zur Produktion dieser Sendung haben wir in einem eigenen Facebook-Album veröffentlicht. Guten Appetit allerseits! Die Festspiele sind vorüber – wir haben noch lange nicht genug!

 

Watch – Das ganze Album

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 14. August präsentiert “Watch” von Manfred Mann’s Earth Band im Rahmen seiner Ö3 Musicbox Würdigung als “Das ganze Album” – eine ziemlich zeitlose Perle der späten 70er Jahre aus dem schillernden Subgenre “Eclectic Prog”.

Zudem begrüßen wir unsere neue Radiopraktikantin Marie Louise und brüten gemeinsam ein paar neue Sendungsthemen und Projekte aus.

 

Manfred Mann - Watch (Album Cover)Das 1978 erschienene Album markiert einen Höhepunkt im Schaffen von Multitalent Manfred Mann, verdichtet Einflüsse aus Jazz, Rock und Live-Sessionmusik mit synthetischem Experiment und psychedelischer Stimmung zur grenzgenialen Gratwanderung zwischen Avantgarde und Eingängigkeit, verdichtet all seine Quellen zu airplay- tauglichem Pop mit wegweisend vielschichtigem Art-Rock Anspruch.

 

Somit sei dieser musikalische Meilenstein auch als ein Statement unserer Philosophie verstanden, Genres und Generationen jenseits von Mainstream und Mozartkugel zusammen wirken zu lassen und dieses Kunnst-Biotop der Möglichkeitsformen weiterhin zwischen den Ansprüchen kapitalschwangerer Kulturvermittlung und pädagogisierender Pseudo-Integration als einen kreativen Freiraum zu erhalten, der für die Entwicklung innovativer Ideenwelten ebenso lebensnotwendig ist wie etwa Essen, Trinken und eine ansprechende Abendunterhaltung. In diesem Sinne…

 

PS. Anmerkung zur Sendungsaufzeichnung: Leider weicht die Reihenfolge der gespielten Titel in einem Punkt von der Tracklist des Albums ab. So wurde Track 01 “Circles” wegen fehlerhafter ID3-Tags an letzter Stelle (nach “Mighty Quinn”) gespielt. Tja, tschuldigung – die Tücken der Technik!

 

KT Tunstall – from D.I.Y. to EMI…

Download/Podcast: Das Artarium vom Sonntag, 31. Juli präsentiert die doch etwas andere Indie-Folk-Performerin KT Tunstall, deren Song „Push That Knot Away“ für uns zur persönlichen Empowerment-Hymne geworden ist. Zwischen ihrem eigenwilligen Songwriting unter intuitivster Ausreizung sämtlicher Segnungen der AKAI-Headrush Loopstation und einer andererseits heftigen Major-Label-Verwertung ihrer Kreativismen am Beispiel von „Suddenly I See“ (The Devil Wears PradaGrey’s AnatomyNestea-Werbung etc.) tun sich allerdings Welten auf. Kann der Spagat auf Dauer gelingen?

Oder besser gesagt – vermögen wir die hinter glamourösem Artwork und tief im PR-Schlamm globaler Vermarktung versteckten Perlen ihrer grundsätzlich emanzipatorischen Aussagen noch zu entdecken und für unser Schaffen nutzbar zu machen? Immerhin bezieht sich KT in ihrer Arbeit auf eine der ganz innovativen und progressiven Rock-Ikonen der Punk-Prähistorie und Spoken-Word-Avantgarde…

Uns jedenfalls überzeugt ihre Patti Smith Coverversion von „Because The Night“ mit Rhythms Del Mundo – und der stellen wir auch gern zum Vergleich der sprachrhythmischer Ausdruckstechnik die „Summer Cannibals“ von Punkgroßmutter persönlich gegenüber. Allerdings bedarf es beim Herausschälen von KT Tunstalls textlichen Botschaften aus diversen kontextlichen Konnotationen doch einer gewissen Anstrengung, der wir uns aber bereitwillig unterziehen, weil wir sie für dementsprechend wertvoll erachten. Sprachen wir nicht erst unlängst einmal von der Provokation auf Samtpfoten?

Nichtsdestotrotz wollen wir bei dieser Tauchfahrt auch den kritischen Kontrast nicht zu kurz kommen lassen. Für den Kontrapunkt bietet sich hier die ebenfalls auf Patti Smith gründende, jedoch stilistisch um einiges abgründigere Kooperation der Lyrikerin und Malerin Joolz Denby (Hex, 1987) mit New Model Army an. Wieder ein weites Land…

Nervöse Welt – das ganze Album

Podcast/Download der Sendung: Nervöse Welt – das ganze Album feat. Teresa Reiter

„In einer Welt aus Papier will ich Flammenwerfer sein!“ Dieser programmatische Satz vom Promo-Sticker zum neuen Album von the who the what the yeah möge uns als Motto für unsere pfingstsonntägliche Artarium-Ausgabe dienen – drückt er doch „in a nutshell“ all das aus, weswegen Mann & Frau räudig, rebellisch und ja, revolutionär Rockmusik hören, machen und erleben! „Wenn dir etwas nicht gefällt, versuch es vielleicht zu verstehen ABER schreib auf jeden Fall einen Song darüber!“ Keine Ahnung? Am Sonntag, 12. Juni ab 17:06 sorgen wir für Aufklärung:

Ein Album mit einigem an Vorgeschichte: Nachdem das Erstlingswerk blackbox von Sandra Bernhofer auf thegap mit den Worten „Wütend, tanzbar, wortgewaltig!“ willkommen geheißen ward, folgte dortselbst nunmehr die von Teresa Reiter verfasste Ablehnung von Nervöse Welt, die im Urteil „Zehnmal derselbe Song“ kulminierte. Da mag man sich nun welcher Erlebniswelt oder Geschmacksrichtung auch immer zugehörig fühlen – diese (im besten etymologischen Wortsinn) Provokation sowie die nicht minder provokanten (teils durchaus geschmacklosen) Reaktionen darauf haben doch ganz ordentliche Wellen geschlagen – und zwar weit über den Kreis der üblichen Verdächtigen hinaus. Tsunami wirds (leider) trotzdem keiner!

Zwei Herren hauen auf die Mozartkugelkacke – und werden dafür ausgerutscht. Bei der Kritik dieser Kritik im Rahmen der Skaverda-Sendung am 8. Mai explodieren die Emotionen und gipfeln in eher geschmacksfernen Unterstellungen persönlicher Motivationsschieflagen seitens der Autorin, was zur sofortigen Absetzung der Sendungsübernahme der gesamten Artarium-Reihe bei Radio FRO in Linz führt, und zwar mit der Begründung eines angeblich in dieser Sendung stattfindenden „massiven Sexismus“. In weiterer Folge kommt es dann – in eigentlich fast schon Thomas Bernhard zur Ehre gereichender Manier – zu diversen Erregungen, Gegenerregungen und anderen, der Sache selbst gar nicht mehr angemessenen Holzfällereien. Was lernen wir da jetzt daraus?

Wir leben wirklich in einer nervösen Welt. Denn sowohl Titel wie Texte dieses Albums beziehen sich auf unseren Umgang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Machtstrukturen, in denen wir tagtäglich zur Gleichförmigkeit animiert, gesachzwängt und hineinvergewaltigt werden – und nicht etwa auf irgendeine „Teenage Angst“ vor dem naturkatastrophalen Weltuntergang. Eine dieser Unterdrückungsmechanismen ist Sexismus, und zwar besonders perfide, weil schwer zu entlarven, in seiner uns allen von Anfang an gefickt eingeschädelten Form der Heteronormativität, gegen welche wir, das nämlich auch nicht ganz zufällig so heißende „etwas andere Kunnst-Biotop“, nicht bloß gehirnlich Stellung beziehen, sondern schon immer und in jeder Hinsicht gesamtbiographisch anleben. Der Rest ist Queer oder Punk oder einfach nur Sex jedenfalls aber Rock’n’Roll – however scheiß ich persönlich einen von mir aus auch Schokoladehaufen drauf, wem das vielleicht nicht gefällt!

Und ja, Teresa Reiter ist eine liebenswert engagierte und emotional sprachbegabte Kollegin, die nicht nur Verrisse sondern auch Lobeshymnen zu schreiben weiß, wie hier auf thegap zu Johnny von Petsch Moser (auch da gehen ja die Geschmacksmeinungen auseinander, lieber Niklas). Zudem ist sie im Management des Club Nolabel für junge und unbekannte Bands aktiv und überhaupt eine ziemliche Hänsin Volldampf in vielerlei Fachgassen, wie sich bei näherer Betrachtung ihres Autorenprofils unschwer hätte feststellen lassen. Und auch live kommt sie cool rüber, wovon ihr euch in dieser Sendung ebenfalls werdet überzeugen können. Wir entschuldigen uns hiermit für unsere diesbezüglichen früheren Fehlschlüsse und daraus resultierenden Missverständlichkeiten. Doch genug davon – einfach zuhören, mitleben, aufatmen!

 

Salon Helga – Von hinten

Podcast/Download: Das ganze Album – Spezial (2 Stunden!) vom Sonntag, 15. Mai – Peter.W. präsentiert das ebenso rare wie relevante Frühwerk seiner langjährigen Lieblings-Inspiratoren Hans-Christoph und Hans-Herbert, allgemein bekannt unter den Pseudonymen Stermann & Grissemann (oder Sternrahm & Grüß-Sie, Mann – wie Museau & Sternenhund zu sagen pflegen würden).

Jedenfalls “von hinten” mit Musik – oder auch eine Art “Schrägst Of” und aus dem von mir einst ebenfalls geschätzten Format “Salon Helga”, liebevoll umrahmt, gestreichelt und mit ornamentalem Mundwerk beschmissen von den lieblichen Kollegen Christopher Schmall und Robert Presslaber

Dirk Stermann und Christoph Grissemann sind der breiten Öffentlichkeit spätestens seit Willkommen Österreich und der Deutschen Kochschau ein Begriff. Weitere ORF-Machwerke waren u.a. ihre Sendungen Blech oder Blume, Suite 16 und Frau Pepi und die Buben (wozu Entweder Broder womöglich auch gewisse Parallelen hat). Aber ihr eigentliches “Baby“ war und ist die seit 20 Jahren von ihnen gestaltete Kultradioshow Salon Helga auf FM4 – vor Gründung des Senders (1995) sogar noch auf Ö3 im Rahmen der Jugendschiene ZickZack -> Flashback von Martin Blumenau.

Als sie noch nicht von Funk und Fernsehen kaputt gemachtwaren, bildeten „Gags Gags Gags“ nur einen Bruchteil ihres verfügbaren Repertoires. Was Stermann & Grissemann – oder Hans-Christoph und Hans-Herbert, wie sie sich damals noch nannten – zu Beginn ihrer Karriere verbrachen, war zwar nicht unbedingt immer massentauglich, dafür innovativ, anders, gewagt, und hatte auf gewisse Weise sogar Anspruch. Der Salon Helga von damals war eine Mischung aus dilletantistischer Satire, bewusst schleißiger Doppelconférence, viel wechselseitiger Selbstironie und tragikomischen Hörspielen mit durchaus literarischem Charakter. Zudem war es diese Sendung, die in ihren ersten 10 Jahren viele Vertreter der alternativen deutschsprachigen Musik wie Stereo Total, Rocko Schamoni und nicht zuletzt PeterLicht in Österreich „salonfähig“ machte.

1994 brachten sie die leider fast schon in Vergessenheit geratene und zur Rarität verkommene CD Von Hinten heraus, die im Stil eines „Best of-Salon“ gehalten ist. Die Musik stammt von den Fabulösen Thekenschlampen, Stoppok, Bobbe Jaan sowie den Lassie Singers.

Alles in allem der frühe Querschnitt einer Sendung, die nicht nur eine lose Szene begeistert, sondern vor allem Autor und Artarium-Erfinder Peter.W. in jungen Jahren inspiriert hat, was sich auch heute nicht selten in seinen Texten, als auch in seiner eigenen Art der Sendungsgestaltung wiederspiegelt. Auch Robert Presslaber (Fondue) ist mit Stermann&Grissemann quasi aufgewachsen und wurde von ihrem anarchischen Humor geprägt. Vor zwei Jahren lasen er und Peter die alten Salon Helga-Geschichten im Rahmen der Lesereihe READ THIS im Denkmal Salzburg.


Der Lurch legt die Eier!

Das Artarium vom Sonntag, 17. April – hier als Podcast/Download – legt euch frischen Lurchlaich ins Osternest und präsentiert Musik und mehr aus der St. Eiermark. Wenn einen die allzu naheliegende Betriebsamkeit einzuspinnen und zu zerwuzeln droht, sollte man doch mal wieder unters Bett hinein greifen und einen echt fetten Lurch hervorzaubern…

Wenn also ringsumher alles grünt, blüht und ausbricht und einem die eigene Aufmerksamkeit ausgeht, wendet man sich gern einmal ab, um, nach innen oder auch einfach etwas ganz anderem zu. Da kommt uns ein Packerl voller erlesener Eigenartigkeiten aus dem ambitionierten steirischen Produktionskollektiv gerade recht. Eigendefinition von denen ihrer Philosophie: “Das 2007 gegründete Label derLurch steht für künstlerisch besonders wertvolle Produkte (vor allem der Sparte Musik), die auf eine dem Staublurch vergleichbare Weise gewachsen und dementsprechend unverwechselbar sind.“

Lurch mit LaichWobei sich mir bei Lurch schon eher amphibischere Assoziationen aufdrängen, was wohl mit meinen pubertären Ambitionen in der Verhaltensbiologie zu tun hat, man denke nur an sowas wundersames wie den Grottenolm. Und schon wieder einmal reißen mich meine Gedankensprünge metakausal mit sich fort…

Womit wir folgerichtig mitten im Thema wären. Hören wir also einfach hinein in das eigenwillige, spielfreudige und vielschichtige Oevre aus diesem kreativen Lurchhaufen: In die Schattenstadt, das aktuelle Album der Kings of Austrobilly Mad Town Dogs oder ins Wirtshaus, dem abgefahrenen Soundtrack zum gleichnamigen Film feat. Loungepaket, Krinner und Kultfiedler. Wohnen wir der Hakkaapäälle in all ihrer funkigen Heftigkeit bei und erleben wir, wie schließlich die völlige Maul & Trommelseuche ausbricht. Und wer oder was sind eigentlich Zuzu & Zuwi? Darüber könnte man zwar so manches schon vorab verraten, was dann jedoch wiederum die Überraschung verdürbe. Und darum ginge es doch eigentlich zu Beginn der Osterferien – ein Artarium zum auf andere Gedanken kommen!

 

Wortfront: Freilandherz!

Download/Podcast: Artarium – Das ganze Album vom Sonntag, 10. April: Freilandherz von Wortfront – Die aktuelle Neuerscheinung anstelle des abgesagten Konzerts in der ARGE – zur Ehrenrettung aller Inspiranten und Neugierinnen in diesen Zeiten von Kernschmelze und Käfighaltung. Emo Cremissimo & Museau Chocolat präsentieren ihre neue Lieblingsstimme:

Wortfront in KäfighaltungSandra Kreisler, die in kongenialer Kooperation mit Roger Stein und unterstützt von einer überaus individualkreativen Kapelle schrägzarter Zwischentöner einen großen Wurf wagt, nämlich das Genre Chanson generationen-übergreifend zwischen Zitaten aus zwei Jahrhundert(tausenden!) auszuspannen und dabei herznah und modern – zu bleiben.

Auch wenn wir diese wunderlich behutsam kraftvolle, hintersinnig direkte und lebensleicht tiefgründige Performance heuer nicht live miterleben konnten, sei sie euch nun doch noch in Form dieser Albumpräsentation ans – ja, hoffentlich – Freilandherz gelegt. Es tut einfach so gut, in dieser „etwas anderen“ Gefühlswelt zu tauchen…

Minimalbewegung

Download/Podcast Artarium vom Sonntag, 20. März: Drei ganz und gar uneilige Könige legen auf ihrer Sternenreise einen Zwischenstopp im Studio ein. Die Herren Aron De Lima, Emanuel Syn und Royal Ruv von der Salzburger Minimalbewegung gewähren uns einen Einblick in ihr vielseitiges Schaffen und präsentieren höchstselbst ihre neuesten Projects in Progress. Die etwas minimalistischere Betrachtungsweise mit maximaler Sound-Philosophie-Verdichtung!

In einem Kunnst-Biotop kann es bei allen möglichen Ableitungen und Assoziationen rund um Minimal Music, Produktionstechnik oder Tanzgewohnheiten wohl nur um eine emotional-existenzielle Grundfrage gehen: „Wer bist du?“ Und hinter dergestalt tiefsinnig-federleichten Musenküssen wollen wir Vampire des Nachtlebens wieder ein neues „Ich bin ich!“ ins Tageslicht hervor verzaubern.

Soviel zu unserer Philosophie. Und wer nicht dichtet, hat andere Möglichkeiten! Womit wir bei unseren Gästen und ihren hypnotisch tanzbaren Klangverdichtungen angelangt sind.

Während Minimal Techno oder eben „Neue Minimal-Bewegung“ seit Ende der 90er Jahre und Mitte der 00er Jahre (Freude am Tanzen – Label) als Genrebezeichnung international zum Begriff geworden ist, definiert sich das Salzburger DJ/Producer-Kollektiv Minimalbewegung (Facebook) innerhalb des Subgenres durch sein Musikschaffen wiederum selbst. Ihre Tracks und Remixes stehen mittlerweile nicht nur auf Myspace oder Soundcloud zur gefälligen Verfügung bereit, sondern beleben auch immer öfter Salzburger Veranstaltungen wie etwa diese Woche (Freitag, 25. 3.) im Republic featuring Elay Lazutkin. Gut möglich, dass hier nach dem Overdose-Team wieder eine höchst engagierte Crew aus heimischen Gefilden zum Sprung in die „überregionale Bedeutung weit über Salzburg und den südbayerischen Raum hinaus“ ansetzt. Wir freuen uns jedenfalls schon auf ein phantasieanregendes Hintergrundgespräch nebst inspirierender Studiobeschallung! Anschließend gibts die Sendung auch wieder als Download via CBA.

The Creeps of Spring

Das aktuelle Radiohead Album „The King of Limbs“ als Empfehlung der Woche.

Mir ist neulich etwas echt Eigenartiges passiert – und zugleich war dieses Etwas auch noch was sehr Seltenes. Daher rührt nun mein dringendes Bedürfnis nach Berichterstattung und Mitteilung an die Mitwelt: Die Herren Yorke und Greenwood haben nämlich gemeinsam mit den drei anderen Radioheads wieder einmal ein Klangwerk erschaffen, das sich der vorschnellen Kategorisierung durch Hörgewohnheit mal Erwartung dividiert durch Befriedigung listig zu entziehen vermag. Dieser Umstand an sich ist ja nun nicht wirklich überraschend, wenn man die stilistischen Brüche, Sprünge und Weltverschmelzungen im Werkverzeichnis dieses Klangkunst-Kollektivs seit ihrem umfänglich gecoverten Hit „Creep“ von 1992 auch nur ansatzweise mitverfolgt hat.

Und damit kehre ich auch schon wieder zum Subjektiven zurück – ich bin schließlich nicht die Musikredaktion, sondern das etwas andere Kunnst-Biotop. Ich lud mir also die neue Erscheinung herunter und hörte hinein, ging dann Tee aufgießen, begann einen Text zu schreiben, telefonierte zwischendurch, checkte meine E-mails und Facebook-Nachrichten, telefonierte abermals, begab mich ins Bad, schrieb an meinem Text weiter – und bemerkte plötzlich, dass meine Viktualienhandlung demnächst die Sperrstunde ausrufen würde und ich mich folglich beeilen müsste.

Moment mal – es war also kurz vor 7 Uhr abends und seit dem frühen Nachmittag lief „The King of Limbs“ ununterbrochen im Hintergrund – ohne dass es mir aufgefallen wäre! Das verwunderte mich jetzt schon einigermaßen, bewegen sich doch üblicherweise an die 30.000 mp3s mittels ausgeklügelter Algorithmen von Assoziation bis Zufall in meiner Musik-Maische zwecks Vorgärung von emotionalen Essenzen und ähnlichen Ohrdestillaten, welche von gefühlsleeren Ödschnöseln aus der Unterwelt des Rundfunkpopulismus zur schlichten „Playlist“ herab qualifiziert – aha, ich schweife!

Um es also auf zumindest ein paar Punkte zu bringen: Ein Lokal, in dem diese Musik als Bühnenbild, Knotzmöbel und Wandbrunnen selbstverständlich ist, gibt es in Salzburg sträflicherweise noch nicht – aber ich wäre dort Stammgast! Und zwar weil diese Klangwelten in genial angewandter Paradoxie Unaufdringlichkeit mit Intensitätssteigerung verbinden, so dass echte Gespräche als hochdramatisch entspannende Gefühlsdialoge, wie sie für mein Arbeiten grundlegend sind, befördert werden. Ein solcherart breitwandepischer Soundtrack zum ambivalenten Innenleben des Baumes kurz vor der Austriebsphase im Vorfrühlig erfüllt auf unheimlich anheimelnde Weise alle Bedingungen einer C. G. Jung’schen Synchronizität, zumal er mit Ende Februar punktgenau mitten ins mitteleuropäische Frühlingserwachen hinein veröffentlicht wurde, in welchem wir alle noch traumverloren unter der Auszehrung vermeintlich ewigen Wintertums vor uns hin vegetieren. Es erscheint mir mit einem Mal röntgenhaft die Innenansicht vom Aufsteigen meiner Säfte. Sehr seelenschmatz!

In diesem Sinne soll also ein weiteres einstweiliges Zwischenprodukt des seit Mitte der 80er Jahre baumartig wachsenden, myzelhaft wuchernden und vielschichtig sich verzweigenden Schaffens von Radiohead am Freitag, 11. März im Rahmen der Radiofabrik Reihe „Hörenswert – Das Album der Woche“ ab 14.08 Uhr zu Gehör und Gespür kommen, wohingegen wir selbst ab 22:00 Uhr die Perlentaucher-Nachtfahrt zum Thema „Frühlings Erwachen“ zelebrieren werden. Wie geheimnisvoll und dabei doch voll bio-logisch sich auch unsere inneren Themen, Träume und Turteltauben zu einander fügen! Schlussendlich zusammengefasst: ein Album zum mit den Ohren spüren und Bildwelten in sich hoch steigen lassen, die man auch nur mit dem Herzen gut sehen kann. Viel Vergnügen!