Thomas Bernhard hätte…

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Oktober…geschossen! 😀 So lautet jedenfalls der Titel des vorletzten Solo-Programms für mehrere Persönlichkeiten von Georg Schramm. Der aus eher niveauvolleren TV-Sendungen wie Scheibenwischer (mit Dieter Hildebrandt) und Neues aus der Anstalt bekannte Erregungskünstler ist auch einer der letzten noch lebenden Vertreter der inzwischen beinah ausgestorbenen Gattung des politischen Kabarettisten. Mit seiner eigenen Agenda jenseits von Publikumsdynamik und Humorbedienerei stritt er für eine gerechte Gesellschaft und wider den verordneten Stumpfsinn, speziell gegen den der fortwährend für blöd verkauften Wählerschaft. Dass man in einem solch absurden Theater schon mal auf die Idee kommt, das (Wahl)Volk zu erschießen, führt uns zurück zum Titelgeber der Sendung – zu Thomas Bernhard 😉

Oberstleutnant Sanftleben„Schramm schlüpft während seines Auftrittes in immer wieder andere Rollen, wechselt diese von einer Sekunde auf die andere und hält sogar alleine auf der Bühne Dialoge zwischen den einzelnen Charakteren. Jede dieser Figuren ist ein gut beobachtetes Bild von Teilen unserer Gesellschaft. Ob es nun der revolutionäre Rentner Lothar Dombrowski ist, den Schramm rigoros die Wahrheit gegen unser System aussprechen lässt und der so eine Art extremeres und cholerischeres Alter Ego zum Kabarettisten selbst bildet, oder der abgehackt sprechende Oberstleutnant Sanftleben, der die Maske des Militärs enttarnt, Schramm beherrscht sie meisterlich.

Was nützt aber all diese Genialität im Angesicht des hergebrachten Kabarettpublikums? Lehrer, Ärzte, sogar ein Politiker waren da. Alle gut situiert und jenseits jeglicher Kritik. Sie wollen das System nicht hinterfragen. Sie wollen anscheinend nicht nachdenken. Sie gehen dorthin, weil es Kultur ist, weil man seine letzten Vorräte an Gold mal wieder ausführen kann. Sie wollen den letzten Rest ihres Alt-68er-Gewissens, das irgendwo zwischen Kommerz, Konsum und Profit noch in ihnen ruft, besänftigen, damit sie sich zuhause noch ein schönes Gläschen Wein in ihrem Einfamilienhaus gönnen und dann alles, was Schramm gesagt hat schnell vergessen.

Thomas BernhardIn der Pause habe ich ein paar Leute belauscht. Wir waren hoch motiviert, haben uns nach Schreiben, nach Austausch über mögliche Ansätze zur Weltverbesserung gefühlt (Hochgefühl und Inspiration pur). Und um uns herum standen nur Menschen, die über seine Outfits, seinen nachgemachten Dialekt oder seine Kalauer gesprochen haben. Wörtliches Zitat: “Also dieser Rentner, den er da spielt, der ist ist mir immer etwas zu krass.”

Und Schramm sieht sein Publikum, ist vorher schon darüber verzweifelt, hört wie es bei Kalauern lacht, wie es sich bei billigen Witzen wegschmeißt, mit denen er eigentlich die Dummheit der Leute zeigen wollte. Und was macht er? Nach dem Applaus, kurz bevor alle saturiert nach Hause gehen wollen und ihr Restgewissen zum Schweigen gebracht haben, lässt er einen Text von Thomas Bernhard einspielen (von Dieter Hildebrandt gelesen): „Ein eigenwilliger Autor“

Nun ist auch klar auf wen Thomas Bernhard geschossen hätte. Nicht nur auf die blöden Avatare da oben an der Macht, sondern auch auf uns, weil wir uns berieseln lassen und ständig in Kämpfen untereinander Gesagtes wieder- und wiederkäuen. Schramm ist radikal, Schramm sagt die Wahrheit! Auch, wenn ihr sie nicht hören wollt. Er ist nicht zynisch, die Realität ist zynisch. In seinem Humor fasst er unser ganzes krankes Gefüge zusammen.“

> Thomas Bernhard hätte geschossen – Georg Schramm hätte schießen sollen

 

Rainald Grebe – auch mit Band!

> Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 10. August – „Dem Mann tut eine Band gut“ haben wir erst unlängst konstatiert. Zwar ist Rainald Grebe auch solo am Klavier ein gscheites Kasperltheater, vor allem, wenn man seinen einzigartigen Grimassenfundus dabei auch synchron zu sehen bekommt, wie zum Beispiel in den bekannten Livevideos „Künstler“ oder „Der Kandidat“. Dass der gestandene Schauspieler und Schwurbelkomiker (er trat am Anfang seiner Karriere in Sendungen für brachialen deutschen Plemplemhumor auf) inzwischen auch in den tieferen Themen des Tragikomischen angekommen ist (und dort durchaus der Sozialkritik eines Georg Kreisler nahekommt), das beweisen Nummern wie „Gilead“ und „Auf der Flucht“ in geradezu abgründiger Weise. Unserer Ansicht nach kommt dieser Vollblutmusiker allerdings inmitten des komplexeren Arrangements einer ordentlichen Musikkapelle noch weitaus besser zur Geltung:

rainals grebe massenkompatibelDas hat sich schon bei den ersten fürs Fernsehen aufgezeichneten Auftritten mit dem Duo „Kapelle der Versöhnung“ abgezeichnet, so etwa hier in „Massenkompatibel“, wo es gleich so richtig psychedelisch zur Ursache geht, wenn er da singt:

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, denn wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Dieser Satz von Jesus, der war mir immer schon, der war mir immer schon popelig erschienen. Ich bin massenkompatibel, massenkompatibel, la la la la…“

Doch damit nicht genug, die um einige oder oft auch mehrere Musiker erweiterte Begleitband heißt nunmehr „Orchester der Versöhnung“ und spielt zu jedwedem Anlass meisterlich auf! Das wollen wir gern mit einigen Titeln aus deren gleichlautendem Studioalbum von 2011 unterstreichen. Davor gibts noch ein paar Solonummern aus dem „Rainald Grebe Konzert“ – We show you both best sides of this good man. Das allerneueste Orchesterprogramm „Berliner Republik“ bieten wir hingegen hier als wohlformulierten Audienzbericht zum Lesen an. Und spielen einen einzigen Titel daraus in unserem imaginären Best Of Album, nämlich das Kinderlied Dankwart ist Tankwart: „Bushido, Bushido – Bushido, lutsch meinen Schwanz. Was du kannst, kann ich auch, ich will auf den Index! Tötet, tötet, tötet Markus Lanz!“ 😀

 

Ganz oben – Gar nichts

> Download: Artarium vom Sonntag, 20. Juli – Die Vorstellung von Hierarchie, Obrigkeit und Gehorsam geht (wenn auch unbewusst) stets davon aus, dass „da ganz oben“ irgend etwas sei. Was aber, wenn nicht? Dann rempeln sich die Hinaufstreber eigentlich ganz ohne Grund gegenseitig von der Karriereleiter. Wollen nur deshalb immer höher und höher, um noch mehr Untergebenen die Eigenschaften von etwas Erfundenem zu erklären – und zwar verbindlich, versteht sich! Ganz oben ist aber gar nichts. Oberhalb der obersten Obrigkeit ist bestenfalls dünne Luft – doch die lässt sich vortrefflich zu Gesetzen zerkauen, solang weiter unten noch Menschen daran glauben. Etwa, dass ihnen von oben herab angeschafft wird, wer oder wie sie zu sein hätten. Willkommen in der wundersamen Welt der -ismen – oder gehts noch -tümer?

Spieglein, SpiegleinEs ist schon so eine Sache mit den immer wiederkehrenden Gedanken, die sich zu roten Fäden und ganzen Themensträngen zusammenzwirbeln lassen – wenn man sie funktional zu einem Antwortende bringen möchte, nur um sie endlich als „erledigt“ zu begreifen, dann entfliehen sie einem sehr schnell – und man ist selbst bald genauso fertig, wie man es mit dem Denken gern gewesen wäre…

Doch diese immer wieder auftauchenden Motive im eigenen wie im gemeinsamen Denken als Fragmente und Teilaspekte eines größeren Gesamtbildes zu verstehen und sie auch immer wieder aufs Neue im eigenen Lebenszusammenhang zu interpretieren, das könnte mit der Zeit zu einer wirklichen Antwort werden, die man nicht bloß so dahermeint, sondern auf die zahllosen Fragen seiner menschlichen Existenz – darlebt. Und so greifen wir wieder einmal eines jener Themen auf, die uns nach wie vor nicht in Frieden lassen, und zwar die leidvolle Erfahrung mit der Machtausübung um der Macht willen (denn ganz oben gibt es ja nichts). Oder anders ausgedrückt – wenn einmal die Herrschaft von Menschen über Menschen beendet ist, dann können wir uns gern auch Gedanken über die Existenz Gottes machen. So rum wird eher ein Schuh draus.

 

Die Sendung mit der Wurst

-> Download: Artarium vom Sonntag, 18. Mai – Da haben wir jetzt also den Wurstsalat: Mal ganz abgesehen vom Neurovisions-Songcontest mit seinem musikindustriellen Massenmulm, sitzen wir auf einmal doch mit dieser verstörend betörenden Kunstfigur namens Conchita in einem Topf – und wundern uns. Nicht etwa darüber, dass wirklich jeder Unjedermann (und sei sie noch so Frau) seinihren Senf dazu quatscht. Das sind wir als gelernte Österreicher ja inzwischen gewohnt! Auch nicht so sehr über die interessante Polarisierung, die sich – von frenetischer Feude bis zu hochkochendem Hass – sogar in den Gesprächen von sonst zumeist schweigenden Mehrminderheiten auszubreiten scheint. Nein, eigentlich erstaunt uns das von Tom Neuwirth intelligent ausgedachte Irritationskonzept, mit dem die Vorstellung von gleichrangig vielfältigen Daseinsformen offenbar gerade bis in die allerhintersten Bewusstseinswinkel dringt.

Conchita WurstDa wollen wir diesmal (bei aller sonst gern geübten Kritik am konsumistischen Mainstream) in den Chor der Glückwünsche einstimmen und ein Lied für (nicht von) Conchita Wurst spielen. Wir sind das freie Radio 😉 Von einem der zahlreichen Gratulanten distanzieren wir uns aber gern und gründlich, denn der hat offensichtlich nichts von dem kapiert, was die Wurst vom Würstl gar so angenehm unterscheidet! Der selbstgebackene Retter des gottgefälligen Abendlandes und diensttuende Patriarch der wenig erfreuheitlichen Partei verfolgt ja ganz andere Ziele, wie Alexander Pollak auf derStandard.at genial ausführt: „Strache braucht Nationalismus und viel Opportunismus, um ausnahmsweise die Abweichung von Normen zu goutieren oder zumindest, wie im Falle von Conchita, schweren Herzens und wohl auch nur temporär, zu tolerieren. Doch die Abweichung von althergebrachten Normen ist nicht das, wozu Strache sie macht, sie ist nicht die seltene Ausnahme, sondern sie ist die Regel. Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, sieht eine Realität, die mit den Normvorstellungen, die in unseren Köpfen verankert wurden, vielfach nichts gemein hat. Das mag Herausforderungen mit sich bringen. Das mag für manche verwirrend sein. In erster Linie sollte es aber etwas ganz anderes sein, nämlich selbstverständlich, oder, wie es Conchita sagen würde, richtig, wurst.“

Blau ist eine warme FarbeWas läge also in dem Zusammenhang näher, als noch ein paar weitere schöne Möglichkeiten auszupacken, mit denen sich die eigenen Normvorstellungen anregend auf den Kopf stellen lassen. Wir wollen euch also von zwei Filmen erzählen und von den Büchern, aus denen heraus sie entwickelt wurden. Zwei verschiedene Geschichten, die aber beide dazu geeignet sind, die Welt des Gewohnten wieder mal anders zu erleben – überraschend, veränderbar, zuversichtlich. Zum einen ist hier die Rede von Jonas Jonassons „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“der jüngst stark gekürzt, doch durchaus sehr unterhaltsam verfilmt wurde. (-> Trailer) Zum anderen vom epischen Liebesfilm „Blau ist eine warme Farbe“, einer dreistündigen Bilderflut frei nach der Graphic Novel von Julie Maroh. Während das Vorstellungswelten sprengende Element in der ersten Erzählung die Aneinanderreihung der aberwitzigsten Wendungen in Geschichte wie Gegenwart des Protagonisten ist, so wird der entsprechende Erfrischungseffekt in der zweiten Story hauptsächlich durch die Darstellung von Sexualität erreicht. Ein Umstand, der bei aller Ästhetik und Intimität nicht unumstritten bleibt, wie dieser Artikel eindrücklich zeigt: “Clem hätte sich auch in mich verliebt, wenn ich ein Junge gewesen wäre.” Und darum scheint es Maroh auch in der Hauptsache zu gehen: Dass Liebe keine Geschlechtergrenzen oder sexuelle Orientierung kennt. “Die Liebe ist etwas so Abstraktes und Unergründliches. Sie hängt von unserer Wahrnehmung und unseren Erfahrungen ab”.

 

Wider die Dummheit

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 13. Oktober – Wir lieben Sprache – nicht irgendeine, sondern, sagen wir mal, eine anspruchsvollere welche. Dumpfrestliches Funktionsblabla ist unsere Sache ebensowenig wie aufgebrezeltes Wahlgeschwafel oder alkoholschwangeres Pimperantorülpsen. Für uns besteht ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, sich anderen Menschen gegenüber adäquat nuanciert auszudrücken und der Möglichkeit, etwa seine Sexualität als selbstaussagende Mitteilungsform zu erleben – und nicht als blödsinniges Bodenturnen für ausdrucksarme Flachbildhirne, oder was auch sonst immer aus Plastikpornos Fließbandschas heraus interpretiert werden mag. Niveau ist eben auch in Liebesdingen fürwahr keine Haut- oder Gleitcreme! Wir lernen lieber lebenslang, uns artizukulieren – und setzen hiermit ein unüberhörbares Zeichen, wie wunderbar, vielschichtig, rhythmisch, melodiös, humorvoll, detailverliebt, berührend und ausgefeilt Sprache eben auch sein kann:

Der Salzburger SchmutzengelZum Zweck dieser Übung in angewandtem Ausdruck und hörendem Staunen bemühen wir diesmal drei Herren, die das Metier der Wortkunst in jeweils eigener Weise einem solchen Höhepunkt (jawohl!) zustreben lassen, dass uns die Ohrrüben anschwellen und die Gehörherzen weit aufschmelzen vor lauter Geschmeidigkeit eines solch erbaulichen Wohlgetöns…

Nun genug der Werbung für sprachliche Ergüsse der angenehmeren Sorte und stante pede (schlanken Fußes kopfüber) in medias res der heutigen Programmgestaltung: Zum ersten würdigen wir in Anlehnung an unsere Beat-Poetry-Nachtfahrt den Meister des englischsprachigen Spoken-Word-Vortrags Allen Ginsberg mit dem jüngsten Lyrik-Musik-Crossover „America (The Highs and Lows)“ featuring The Trouble Lights. Zum zweiten eine weitere Episode aus Jochen Malmsheimers Bewusstseinstheater, nämlich das bibliophile Kunststück „Flieg, Fisch, lies und gesunde“  – im Rahmen unseres selbstgewählten Bildungsauftrags der Bücherförderung. Und zu guter Letzt, bevor uns die Herren Brandt und Schneider ebenfalls gewohnt eloquent ablösen, erweisen wir noch PeterLicht die Reverenz der Feinfrequenz und zelebrieren mit „Fluchtstück“ die schönste Verbindung von eingängiger Musik mit anspruchsvoller Sprache, die uns in letzter Zeit zu Gehör gekommen ist…

Ein “ganzes Album” aus eigener Produktion 😉 sind wir nicht alle ein geiles Institut?

 

Der Wahlsongtag

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 29. September – Wer die Wahl hat, hat die Qual! Nie war dieser Satz wahrer und quälender zugleich als vor der heurigen Natiolratswahl. Manche meinen gar, eine nationale Heurigenwahl wäre wohl um einiges bedeutsamer. Und Freda Meissner-Blau, Urgestein und Grande Dame der Grünen in Österreich, überlegt in einem Gespräch mit dem Standard, diesmal aus lauter Überdruss erstmals ungültig zu wählen. Immerhin versteht sie es meisterlich, ihren Abscheu in Thomas Bernhard’sche Sprache zu kleiden: „Ganz Österreich ist eingewickelt in Riesenplakate, wo man wirklich Schwierigkeiten hat, sich zu entscheiden zwischen so vielen schönen Versprechen, so viel schöner Zukunft. Und wir wissen, dass das am 30. September alles wieder heruntergerissen ist und Makulatur ist, weil es immer schon Makulatur war.“

christoph_und_lollo_fpoeUm solchernem uns zäh und klebrig umschleimenden Sumpf wenigstens ein Mindestmaß an gepflegtem Kulturpessimismus mit ironischem Niveau abzutrotzen, nutzen wir halt die einzige Wahl, die uns bleibt: Die Wahl unserer Gäste und die der Musik!

Christoph und Lollo etwa, die von Jahr zu Jahr sozialkritischeren Liedermacher, haben uns in den allerletzten Wochen dieses an unfreiwilliger Einschlafkomik und humpelstilzender Hilflosigkeit überquellenden Wahlkrampfs immer wieder die Lachmuskeln gelockert, indem sie (fast) jeder qualwerbenden Partei eine eigene Wahlkampfhymne widmeten. Die eine oder andere dieser den Parteiquatsch entlarvenden Kleinodien wollen wir uns gleich nach Schließung der letzten strengen Urnenkammer abermals zu Gemüte führen – und unsere Stimmen somit endlich doch noch für etwas entschieden Sinnvolles abgeben…

Dies allerdings nicht, ohne dieselben auch frohgemut zu erheben, denn wir haben uns selbst wackere Musikanten und Sangesgäste zum Lautsein ins Studio gebeten. Im Speziellen unseren Kollegen Alexander Zechbauer, der nicht nur die famose Balkan-Musiksendung „rakija i ruže“ herausgibt, sondern auch beim Radiofabrikfest am 25. Oktober mit seiner Ostbeatbend live zu sehen sein wird. Mit ihnen zusammen arbeiten wir nunmehr an einer Jubiläums-Aufführung der geschütteltsten Hymne aller Zeiten für Chor und Orchester:

Österreichische Hundesbymne

Band der Lerge, Strand am Lome,
And der Läcker, Dandler Ohme,
Hand der Lämmer, kuhzunftsreich!
Greimat hosser Söchter und Töne,
Gnolk, befadet schür das Föhne,
Ölgerühmtes Fiesterreich,
Ölgerühmtes Fiesterreich.

 

Sexy Songs, seltsam…

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 8. September – Leider, leider zieht Teresa Reiter um – und weiter, nach England an die renommierte Kingston University, um sich dort ihren Master of Journalism zusammen zu brauen. Wir wünschen ihr dabei alles Gute – allerdings auch mit einem weinenden Auge, müssen wir doch deshalb die eigentlich für diesen Sonntag geplante gemeinsame Sendung über den Südsudan bis auf weiteres verschieben. Wir waren schon sehr neugierig auf ihre persönlichen Eindrücke aus dieser erst vor gut zwei Jahren entstandenen Republik in einer nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen immer noch vor sich hin kriselnden Region – zwischen heftigem „United Nation Building“ und möglichem „Failed State Szenario“. Auf ihrem Blog hat sie schon mal einen appetitlichen Artikel darüber veröffentlicht. Auf Englisch natürlich 😉

Kleiner Mann, was nun?Aber verschoben ist nicht aufgehoben, versprochen! Und es wäre beileibe auch nicht das erste Mal, dass wir uns ein Kunnstbiotop quasi übernacht aus den Rippen schneiden. Wir sind nämlich – eh scho wissen – ein geiles Institut. Deshalb verlegen wir die Reisereportage einfach nach innen und berichten zum Beispiel aus der Autonomen Republik Perlentaucher: Für die nächste Nachtfahrt am – jawohl – Freitag dem 13. September haben wir uns schon eine ganze Menge vorgenommen. Zum Thema „verwandeln überwinden“ wollen wir vier Stunden auf den Spuren der Selbstwerdung verweilen – alt und jung, selbst und anders, Paradox und Parzival…

Um aber all den inwendigen Wandlungen auch außenweltlich gebührend Gestalt zu geben, befeiern wir bereits in aller Vorfreude das am 16. September erscheinen werdende Album „Loud Like Love“ von Placebo. EingeweihtInnen wissen, dass es sich hierbei um eine unserer absoluten Lieblingsbands handelt: „Brian Molko, du geile Sau – wir wollen ein Kind von dir!“ Doch auch jenseits bereits bereister Soundpfade und Genregegenden sind wir neugierig geblieben – und so ist es uns ein besonderes Volksfest, euch noch vor der Nationalratswahl Folgendes zu verkündigen: Der deutsche Sprechgesang, auch HipHop oder Rap geheißen, hat sich endgültig aus seinem schwanzschwingenden Herkunftsghetto emanzipiert und ist mittlerweile in den Zwirbeldüsen der Philosophen und Intellektuellen gelandet. Na, wenn das mal keine fette Erleuchtung ist: Shaban & Käpt’n Peng – „Sie mögen sich“ oder auch Käpt’n Peng & die Tentakel von Delphi – „Der Anfang ist nah“ Unbedingt anhören! 😛

 

Spiel vom Sterben

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 18. August – Die Festspiele gehen in die Verlängerung und wir nehmen Anstoß an ihrem Zentralspektakel. Seit nunmehr über 90 Jahren verstopft uns Hofmannsthals frömmelnd gereimter Holzschnitt-Jedermann allsommerlich Herz, Hirn und Domplatz. Das hätte sich selbst Max Reinhardt in seinen übelsten Albdrücken nicht träumen lassen, dass sich nämlich die tanzenden Grunzbesitzer auf dieser Ganzstadtbühne alljährlich ein immer noch bigotteres Memento mori leisten würden – zu ihrer perpetuierten katholischen Selbstbefriedung. Denn dass man ihn als Begründer der Festspiele damals nie zu ihrem Präsidenten machte, nur weil er Jude war, das wäre allein schon fieberwahnhafte Realitätsübersteigerung genug – für ein einzelnes Vorstellungsvermögen. Ein sehr lesenswerter Artikel dazu ist übrigens hier im profil erschienen! Aber jetzt ist ja eh unsere Zupfhelga die Redundantin der Fett- und Fetzenspiele – und wie man hört, demnächst auch Intendunst 😀 „Ein zänkisch Weib. Ich kann ausweichen.“

TischgesellschaftDa schaut sie aber, die Tischgesellschaft! Und der allererste Jedermann, Alexander Moissi, der die Rolle bereits von 1920 an verkörperte? Auch er ein Jude und längst vor Hitlers Machtergreifung aus der Mozartstadt der Ursachen und Andeutungen hinaus gehetzt und – vertrieben. Dazu noch einmal der profil-Artikel von Andrea Hager:

Dass der Antisemitismus in Salzburg erst zu lodern begann, als der „größte Führer aller Zeiten“ …. in unheilvolle und später unausweichliche Nähe rückte, ist dennoch ein Mythos, den man bei der kosmetischen Geschichtsvertuschung der Nachkriegszeit gerne bemühte. Bereits ein Jahr vor dem Beginn des Dritten Reichs und sechs vor dem Anschluss wurde gegen den ersten „Jedermann“-Darsteller, den katholisch getauften Juden Alexander Moissi, in Salzburg eine bespiellose Hetzkampagne eröffnet, die dazu führte, dass er 1932 nicht mehr auf dem Domplatz sterben durfte und unter Baron Puthon hinauskomplimentiert wurde. Reinhardt galt zwar als künstlerische Seele des Festivals, durfte aber als Jude nicht offiziell zum Festspielpräsidenten ernannt werden. Moissis Kommentar, ehe er 1932 von Paul Hartmann ersetzt wurde: „Ich habe den Verdacht, dass die Rufmordkampagne nicht mir alleine gilt, sondern dass auch Max Reinhardt damit getroffen werden soll. Es gibt in Salzburg Kreise, denen Reinhardts Tätigkeit schon lange ein Dorn im Auge ist. Freilich wagt man es nicht, ihn direkt anzupöbeln.“

Ab 17:06 Uhr wird also jetzt zurück gepöbelt. Und zwar auf die kultivierteste Weise! 😉

 

Sommer Textase Reloaded

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 28. Juli – Ja, liebe Leute, es ist Sommer und wir sollten eigentlich auch schon längst urlaubend unterwegs sein – doch nix da! Aus querwissenschaftlich noch zu untersuchenden Gründen halten wir die eine oder andere Stellung – und beliefern euch auch diesmal wieder livehaftig mit Nektar und Ambrosia aus dem Äther, der die Welt erleuchtet. Immerhin umtoben uns pünktlich zur Hitzewelle nicht nur die üblichen unüberschaubaren Touristenströme, sondern auch die unausweichlichen Sommerfestspiele nebst ihrer ebenso unvermeidlichen weil überallgegenwärtigen Präsidentin. Da ist es dann fast schon verpflichtend für ein „etwas anderes Kunnst-Biotop“, aus den ihm innewuchernden Verschlingpflanzen ein hochpotentes Heiltrünklein zu destillieren – gegen Ekel und Überdruss der schwindligen Hochzeit von Hochfinanz und Hochkultur. Zupfen wir es uns also selbst zurecht…

In vino veritasWohnen wir also einer wunderlichen Weinprobe bei, welche von Jochen Malmsheimer und Thomas C. Breuer als Radioratgeber vorgetragen wird und abschließend (natürlich) illuminös ins Absurde ausartet. Lauschen wir der von Christian Brückner meisterlich rezitierten Übersetzung des Charles Bukowsky Klassikers „The Last Generation“ und beginnen wir dabei zu verstehen, was „unconveyable“ bedeutet. Hören wir ein Streichquartett, das wirklich jeder kennt (weil es Pink Floyd spielt) sowie ein Cello-Solo, das zu den besten der Welt gehört (jedenfalls auf Rockmusik-Bühnen) und lassen wir uns von Lou Reed beraten:

When you’re growing up in a small town
you know you’ll grow down in a small town
there is only one good use for a small town

You hate it and you’ll know you have to leave

In diesem Sinne versuchen wir uns wieder einmal am angewandten Paradoxon des Thomas Bernhard’schen „in die entgegengesetzte Richtung“ Gehens – und bleiben dabei doch, wie wir gekommen sind – erst einmal da. Und wir machen ein wenig Werbung in eigener Sache – für die nächste Nachtfahrt am 9. August nämlich, die irgendwie auch der Dichterwerdung von Sprachfaszinierten gewidmet sein wird. Sind wir nicht ein noch geileres Institut? 😀

 

Deutsch für deutsche Ausländer

Zum Download: Artarium vom Sonntag, 21. Juli – Unser sommerliches Sonderservice zur Festspieleröffnung! Das Zitat „Was Deutschland und Österreich trennt, ist die gemeinsame Sprache“ wird nicht nur hierzulande meist Karl Kraus zugeschrieben, dürfte allerdings doch nicht von ihm stammen, wie neuere Forschungen nahelegen. Ob die Feststellung allerdings erst in den 50er Jahren vom Kabarettisten Karl Farkas geprägt wurde, der sie als Abwandlung von George Bernhard Shaws „England and America are two countries divided by a common language“ aus den USA importiert haben soll, das bleibt noch zu überprüfen. Jedenfalls ist es nicht Jedermanns Sache, das jenseits der Hochsprachbühnen hierzulande jeweils gepflogene Idiom zu enträtseln, wiewohl es sich doch jeweiligenfalls um, sagen wir wohlwollend, „Deutsch“ handelt.

Der kleine Wappler„Säckelwart unseres mehr oder weniger schon seit Jahren unter pseudosozialistischer Präpotenz in sich selbst delirierenden Kleinstaates: Thomas Bernhard über Franz Vranitzky, damals (1985) Finanzminister. Vranitzky hatte zuvor die Aufführung von Bernhards Theatermacher bei den Salzburger Festspielen als Skandal bezeichnet.“ Derlei wundersame Perlen gepflegten Geschimpfes typisch österreichischer Gestalt versammelt dieses Bändchen im Taschenwörterbuch-Format zwischen gängigeren Derb- und Direktheiten wie etwa Arsch vulgo Oasch, Beidl oder Fut. Wobei die Stärke des Kompendiums eindeutig in seinen sprachlüsternen Worterklärungen und bildgewaltigen Beispielwendungen liegt…

So unter anderem: „Wenn mei Tant an Beidl hätt, warads mei Onkel, sagt man hierzulande statt eines schlichten Wenn das Wörtchen wenn nicht wär“ – oder auch: „Wann i so an Oasch hätt wia du a Gsicht, tät i hintern Schleier scheißen! ist eine geradezu pittoreske Variante wesentlich simplerer Beschimpfungen mit analoger Aussage wie etwa Arschgesicht oder Arsch mit Ohren“ – Man merkt also schon, es geht hier weniger um dialektologisches Fachwissen oder enzyklopädische Umfassendheit, sondern wohl eher um die freundliche Einladung zur kreativen Selbstanwendung und Weiterentwicklung von dergestalt vielsagenden Wortschöpfungen wie zum Beispiel Kniaschussduttl, Ölbergindianer und Wischerlwasser. Letzteres wird folgendermaßen erläutert: „Alkoholfreies Getränk der unbekömmlicheren Art (wischerln bedeutet urinieren)“ Soviel vorab zum Inhalt 😉

Der nunmehr seit geraumer Zeit im schönen St. Pölten residierende Residenz Verlag hat uns auch freundlicherweise einen kleinen Wappler zum Vorlesen und Besprechen überlassen. Dortselbst ist Selbiger überdies wohlfeil zu erwerben! Und in der Sendung werden wir ihn mit geeigneten Spaßetteln artverwandter deutsch- oder ähnlichsprachiger Mundartisten garniert servieren. Die Festspiele sind also hiermit eröffnet: „Jeeedeeermaaaaann!!!“