Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Selbstbildung

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Februar – Was ist Bildung? Funktioniert das im Radio? Und wenn ja – wie nicht? Darüber machte sich auch Barbara Frischmuth zum 3. Radiopreis der Erwachsenenbildung im Jahr 2000 ihre Gedanken, welche sie bei dessen Verleihung in Form einer Festrede zum Selbstmitdenken vortrug. So verstehen zumindest wir diesen Umstand, dass nämlich jedwede öffentlich gemachte Überlegung eine freundliche Einladung zum Weiterdenken, Weiterentwickeln und Selbstweiterbilden darstellt. Schon haben wir den Kern der Fragestellung erfasst – “etwas zu bilden” ist ein aktiver Vorgang in der Vorstellung des Publikums. Ganz im Gegensatz zum passiven Belehrt- und Geknetetwerden nach der Vorstellung der Sendenden, als was Informationsvermittlung doch oft missverstanden wird.

radioNehmen wir dieses Thema einmal zum Anlass einer Untersuchung, wieviel “Vorbildung” ein Mensch denn mitbringen müsste, um sich mithilfe dieser Radiosendung eine hirnreichende Befriedigung durch synaptische Neuverschaltung zu besorgen. Wenn da etwa Barbara Frischmuth in ihrer Rede feststellt:

“Damit ist das Dilemma auf dem Tisch. Nämlich das der Erwachsenenbildung im Radio, die immer schon Bildung voraussetzt. Natürlich kann sie auch mit der Suggestivkraft von Stimmen Hörer in ihren Bann ziehen, doch riskiert sie dabei, dass dann das Inhaltliche zur Nebensache wird. Im Grunde ist es wohl so, dass nur Erwachsene, die bereits soweit gebildet sind, dass sie mehr davon haben möchten, sich Sendungen zur Weiterbildung anhören. Wohingegen die anderen bei den Wortsendungen erst gar nicht einsteigen.”,

und wir in unserer Sendung Hip-Hop-Samples aus einem Gespräch mit Rudi Dutschke spielen, dann stellt sich die Frage, ob und inwieweit man die Person Rudi Dutschke vorab kennen muss, um “etwas davon zu haben” im Hinblick auf die eigene Bildung. Zum Hörbeispiel: “Gefängnisrevolte” aus “Echolot” von Syndikat (Albino & Nesti)

Günter Gaus: Ich behaupte nun aber, daß jede ideologisch geprägte Politik in unserer heutigen Zeit, in unseren Industriestaaten, im Grunde menschenfeindlich ist. Sie zwingt den Menschen auf eine vorgezeichnete Bahn, der er folgen muß, damit es den späteren Menschen einmal besser geht.

Rudi Dutschke: Nein, es wird nichts vorgezeichnet. Das Vorzeichnen ist ja gerade das Kennzeichen der etablierten Institutionen, die den Menschen zwingen, etwas anzunehmen. Unser Ausgangspunkt ist Selbstorganisation der eigenen Interessen und Bedürfnisse…

 

Halleluja Rainald Grebe

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Februar – Er bietet das Vielfältigste, Hintergründigste und Abgedrehteste, das derzeit im deutschen Sprachraum unter den Begriffen Musik, Theater und Kabarett zu erleben ist. Vor allem aber sprengt er die Grenzen der Definitionen – und macht aus allem, was er auf die Bühne stellt, eine noch nie dagewesene Mischform – genau das gefällt uns naturgemäß ganz besonders. Er spricht in Interviews offen über Drogen und seinen Zivildienst in der Psychiatrie, spielt in Jugendzentren, Kellertheatern – und auf der Berliner Waldbühne. Oder im Volkspark Wuhlheide, wo er vor 15.000 Zuschauern die DDR-Weltjugendspiele von 1973 “zum Nacherleben” bringt. Für ihn ist eben alles, was ihm so begegnet, immer auch “Absurdes Theater” – das merkt man seinen Auftritten sogar vollnüchtern an.

WuhlheideDer studierte Dipl. Pup. (Diplompuppenspieler) wird als Dadaist der Kleinkunstszene, als experimentell, eigenwillig und absurd komisch beschrieben. Seine Selbstdarstellung ist aber auch stets eine Fundgrube für Neugierige und Eigenartige. So prophezeit der “Verrückte bei klarem Verstand” über sein (eben auch diese Sendung prägendes) Konzert – oder besser Happening: “Spring nie zweimal in denselben Fluss, sag ich mir gleichzeitig – und werde alles dafür tun, dass Halleluja Wuhlheide kein Aufguss wird, sondern ein Unikat. Monate proben für den einen großen Abend. Mit brandneuen Songs und Klassikern, mit Gästen, Freunden, Wegbegleitern. Die einmalige Verschwendung.”

Es geht mir gut, ich kann nicht klagen,
auf du und du mit meinen Spareinlagen,
hier im Auenland lächelt die Heidi Klum
und an den Rändern fliegen die Nazguls rum.
Lampedusa, Lampedusa, ich rasier mir die Beine,
und wer Nazis nicht sucht – na, der findet auch keine.
Die Arche Noah ist ein schönes Schiff,
Tina – there is no alternative.
Mein Nachbar schläft auf dem Sofa ein
und der Vettelvettelvettel, der fährt immer im Kreis.
This world is doomed – doch ich denke oft,
solang Roland Kaiser tourt, ist doch alles soft,
im Kokon…

Komm in den Kokon!

PS. Link zur Sendung vom 10. August 2014: “Rainald Grebe – auch mit Band!”

 

Exklusiv Inklusiv

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Februar – Es gibt nur zwei Arten von Menschen – Angenehme und Arschlöcher – soviel sei schon mal klar. Diesem Befund nach gibt es auch nur zwei Arten von Darbietungen jedweder Art: Eine einladende – und eine ausschließende. Und somit zwei Grundrichtungen in einer Gesellschaft: Exklusion oder Inklusion. Ersteres ein Untersichbleiben elitärer Kreise auf Kosten aller, die nicht mitmachen können – weil sie aufgrund der Regeln der selbsternannten Eliten nicht dabei sein dürfen. Und zweiteres ein Miteinbeziehen möglichst vieler Einzelgänger und Randgruppen, die mitmachen wollen – weil sie aufgrund ihres Menschseins, mitsamt ihren speziellen Bedürfnissen und ebenso speziellen Fähigkeiten, ebenbürtige Mitgestalter unseres Gemeinwesens sind.

whyWenn man also genau hinspürt (was schon wieder eine recht spezielle Fähigkeit aufgrund von speziellen Bedürfnissen ist), so erschließt sich einem in jeder künstlerischen Arbeit, in jeder Darbietung, Veranstaltung oder Zusammenkunft die eigentliche Absicht, der wahre Beweggrund hinter dem jeweils Stattfindenden. Entweder geht es ums Ausschließen: “Ätsch, bätsch, da darfst du nicht hinein!”, oder Nur, wenn du den festgesetzten Preis bezahlen kannst.”, auf jeden Fall darum, sich klein und ohnmächtig zu fühlen: “Schau, was wir können. Das schaffst du nie!” Oder es geht ums Einladen zu einem selbstbestimmten Mitwirken: “Verdammt, aus denen ihrem Bild, Gedicht, Lied könnt ich was ganz Eigenes machen!” Könntest? Kunnst! Das ist es, was wir meinen. Und was uns anspricht, uns gefällt, uns zusagt. Das können wir alle gemeinsam singen und spielen – oder auch jede(r) für sichüder oberhaupt nicht. Wie es euch und uns halt gefällt! Diesen feinen Unterschieden von Kunnst um des Mit-Einladens willen, des Sich-Verschenkens aus Menschenfreude – und der gängigen Geizhals-, Geldpuff- und Türzuhälterkunst wollen wir nachspüren:

InklusionInklusion ist ein Dialog auf Augenhöhe
in einer gleichberechtigten Gesellschaft.
Menschen mit besonderen Bedürfnissen
bringen ihre besonderen Fähigkeiten ein,

indem sie als ebenbürtige Mitgestalter
unserer gemeinsamen Welt ernst genommen,
und nicht in ihren abgeschlossenen Zonen
bis zur Unkenntlichkeit betreut werden.

Freundlich bevormundet und entmachtet,
wird ihnen von oben herab vorgeschrieben,
was für sie gut zu sein hat – und was nicht,
während Städte veröden und Länder verrohen.

Dabei wollen sich viele Menschen gern engagieren,
für eine Welt, die nicht ausbeutet, schändet, verkauft,
wenn man sie nur anhören würde und verstehen und
mit ihnen zusammen ihre Vorstellungen realisieren.

Die Geschichte, die jetzt kommt, wird sich
mit all euren Namen den Arsch auswischen,
mit all euren auf unsere Kosten gemachten
Firmennamen, Produktnamen, Vorteilsnahmen,
denn es ist die Geschichte vom Überleben
entweder aller oder niemandes mehr.
Die noch zu erzählende Geschichte
davon, dass das Ende eurer Macht
nicht das Ende der Welt ist,
sondern ihr Überleben.

 

Snökuken

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. JanuarSchneepenis, Pflückgedicht und StreetArt. Kunnst, im öffentlichen Raum? Dem Monolog der Mächtigen das Eigene entgegnen, mit Inbrunst. Hinbrunzt! Die uns angeblich allen gehörenden Lebensräume werden zunehmend verprivatisiert, das heißt den wirtschaftlichen Interessen ihrer “Besitznehmer” zweckgewidmet. Zu abstrakt? Dann nochmal langsam zum Mitdenken: Ein gewisser “Staat” in Gestalt von Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung erhebt (auf was hinauf eigentlich?) Eigentumsanspruch auf unser aller Lebensumgebung und Umwelt. Gegen Bezahlung tritt er (der Staat) dann bestimmte Rechte (unsere!) zur Verwertung des Allgemeinguts (unseres!) an “private Investoren” (anonyme Firmen oder geldschwere Einzelpersonen) ab – und verbietet uns dann die weitere Nutzung.

snökukenEin solches Geschäft kann als sittenwidrig und somit als nichtig angesehen werden, zumal es ohne Zustimmung der Miteigentümer zustande gekommen ist. “Aber das ist alles ganz legal”, werden uns die uns (das Volk) vertretenden Volksvertreter sogleich erklären, “und jede Art von Graffiti ist eine Sachbeschädigung und die Benutzung des öffentlichen Luftraums zwecks Meinungsäußerung ist eine Geschäftsstörung.” Das mag schon sein, dass seit der Erfindung der Republik Österreich und ihrer Verfassung ein paar windschiefe Juristen diesbezügliche Gesetze zu Papier geschissen haben – doch ist etwas schon deshalb wahr (und richtig), nur weil es wo geschrieben steht? Und kommen denn die Erträge aus diesen dubiosen Luftgeschäften wenigstens nachweislich “dem Volk” zugute, aus dessen Eigentum sie generiert wurden? Aber nicht doch! Statt sich im Wohlergehen des Gemeinwesens förderlich auszuwirken, verschwinden die uns listig abgeluchsten Gelder im Dickicht der internationalen Finanzwirtschaft – zur Rettung von Banken, zur Stützung von Kursen, zur Verplemperung in dysfunktionaler Repräsentation, kurz zum Sichfickenlassen von allem und jedem, was auch nur entfernt nach Investitionsklima miachtelt. Pfuigack!

barbara jesusLetztendlich wären wir gern gefragt worden, in was für einer Welt wir leben wollen – und zwar bevor man sie “zu unserem Besten” derart verunstaltet, dass wir uns in ihr kaum wiedererkennen. Letztendlich geht es dem Menschenwesen um den Dialog, um Frage und Antwort, um gemeinsames Erarbeiten von Lösungen – und nicht darum, dass uns von oben herab “Wahrheiten” übergestülpt werden, die nichts mit uns zu tun haben, aber erkennen lassen, dass sie den Interessen derer dienen, die da oben sitzen, von wo herab sie uns im Befehlston “den rechten Weg” verordnen. Gehts doch scheißen – aber bitte woanders hin! Es ist ein einziges Propagandagedröhn, das uns permanent zuquasselt, tagein, tagaus, von Schildern und Plakaten, aus Auslagen und Fernsehern, Gasthäusern, Geschäften, Nachrichten, Netzwerken, Popsongs, Radioshows, Universitäten. Die Orgel des Untergangs ist immer und überall! Und der Fleischwolf der Gedankenstopfwurst ist in unseren Köpfen, seit wir auf der Welt sind.

Sich zur erlebten Welt selbst zu äußern (in welcher Weise auch immer) ist gesund! Doch wie kann Eigenes wahrgenommen werden, solang ringsum das Fremde dröhnt? Unsere Ideen dazu: Zettelpoet Helmut Seethaler und StreetArt-Künstlerin Barbara, der Schneepenis von Göteborgoder doch der Graffiti-Krieger KIDULT, dessen brachiales Video “Visual Dictatorship” ganz neue Getreidegassen-Gefühle erzeugt?

 

Crude and unplugged

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Januar – Die Band aus Bürmoos präsentiert ihr Debutalbum “Tied at the end” live bei uns im Studio – und stellt sich als ein etwas anderes Musikprojekt vor. Zum Beispiel antworten sie auf die nicht ganz undepperte Interviewfrage “Warum macht ihr eigentlich Musik?” schon mal großartig lapidar mit: “Weils uns taugt.” Eben! Kunst ist kein Markt und Musik kein Business, auch wenn uns die gekauften Tröten des Weltmarktglaubens ständig das Gegenteil einorgeln möchten. “Ned olles, wos an Wert hot, muaß a an Preis hom” konstatierte ja schon der gar nicht so erfolglose Austropop-Mitbegründer Wolfgang Ambros 1982 in seinem Lied “A Mensch möcht i bleibn”. Demgemäß nunmehr herzlich willkommen, denn hier geht es um das echte Feeling – und, hallo – “der Mainstream is uns wurscht!”

crude“Es geht nämlich darum, ob man etwas glaubhaft vertritt, das für die Zuhörer nachvollziehbar, vor allem nachfühlbar ist – oder ob man nur imitiert, einfach nachkasperlt, damit es beim Zuhörer schnell einmal klingelt oder beim Radioredakteur irgendeine Assoziation hervorruft. Oder, ob es spürbarerweise aus dem eigenen Schaffen kommt und so klingt, wie das, was einem taugt.” Dies ein kurzer Auszug unserer Sumpfblüten-Nachtfahrt vom letzten Oktober, in der wir das vorab veröffentlichte Video von “Tied at the end” bereits vorgestellt haben (hier ab Minute 92 gut zu hören). Dem haben wir nichts hinzuzufügen – abgesehen davon natürlich, was sich bei unserer Begegnung im Studio von selbst ereignen wird…

Manche meinen, wir featuren alles und jeden, wo einen dreiakkordigen Schas lasst und nicht bei drei am Baum sitzt, weil wir nämlich Radio machen und da gehört sich das eben so, dass man irgendwem irgendwie die geheimen Erwartungen massiert. Doch diese Ohrrüben haben den feinen Unterschied zwischen dem freien Rundfunk und einer (gern auch öffentlich-rechtlichen) Medienindustrie noch nicht verstanden. Dem, wovon wir hier begeistert berichten, könnt ihr euch jedenfalls selbst aussetzen, und zwar bei der CD Release Party (5. Februar, 20 Uhr in der Mainbar Oberndorf) oder beim Konzert mit Krautschädl (26. März um 18 Uhr im Jazzit). Zum Wohlsein!

 

David Bowie – ein Vermächtnis

Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Januar – Kein Trauerspiel, kein Nachruf, keine Sendung über David Bowie! Vielmehr für und mit ihm… Die Musik spricht, wir geben ihr Raum, verlieren nicht allzu viel Worte. Zumal uns ohnehin die Luft weg zu bleiben droht und die Traumbilder uns überholen. Wir laden euch also ein auf eine Fahrt in dunkelbunte Betrachtungen:

back in…da war plötzlich dieses Pochen, dieser Herzsprung, tausendfarbige Funken, die im Raum schweben blieben, während das Zwielicht des dämmernden Morgens mir Labyrinthe auf die Haut malte. Da war auch ein gewisser Rausch, eine Art Berauschung, ein Fluten und Stöhnen, schlußendlich ein Begreifen und Spüren; ein in Rot getünchter Moment.

„I’m floating in the most peculiar way“ – es traf mich zwischen den Augen. Er traf mich. Ich träumte nicht. Es regnete Perlen. Es regnete Masken. Ich kleidete mich in Klänge. Mosaike aus Spiegelscherben, eine samtene Geste, vielleicht eine Ahnung oder unendliches Weiß, der Schnitter Tag und Zigaretten zwischen den Zeilen. Es ist mehr, sagte ich, es ist mehr da, sagte ich, warf mich durch die Bildschirmwunder und schrieb taumelnd die Blässe vom Himmel.

Der Tod leuchtet matt in unsre Leben : ein schwarzer Stern.
Da waren deine Augen. Da war wieder das Pochen; feine Brüche und Disharmonien. Nichts geht mehr unter die Haut. Ich wechsle das Gesicht, die Farbe, den Schein; trete nach außen, pflücke den Mond, lege ihn dir auf die Stirn. Wir streifen die Zeit ab, wir stehlen die Zeit, wir wanken von Zeit zu Zeit. Zaghaft dein Blick, meine Hand noch zögernd; zusammen, einen Tag, für einen Tag, was für ein Tag, nur dieser eine Tag… 

 

Wir wiederholen uns. Nochmal.

Artarium am Sonntag, 10. Januar um 17:06 Uhr – Wegen eines technischen Gebrechens meiner Luftpumpe (Lunge) sowie der seltsamen Eingebung diverser „praktischer“ Ärzte, mich in diesem Kontext tagelang auf Expeditionen in die antibiotische Todeszone von über 40° Fieber zu schicken – und weil die damit verbundene Hirnerweichung sowas von kein geeigneter Zustand zum Livesenden ist (jetzt hab ich diesen Satz dreimal gelesen und versteh ihn immer noch nicht), wiederholen wir also heute die Rainald Grebe – auch mit Band – Sendung vom August 2014

„Dem Mann tut eine Band gut“ haben wir erst unlängst konstatiert. Zwar ist Rainald Grebe auch solo am Klavier ein gscheites Kasperltheater, vor allem, wenn man seinen einzigartigen Grimassenfundus dabei auch synchron zu sehen bekommt, wie zum Beispiel in den bekannten Livevideos „Künstler“ oder „Der Kandidat“. Dass der gestandene Schauspieler und Schwurbelkomiker (er trat am Anfang seiner Karriere in Sendungen für brachialen deutschen Plemplemhumor auf) inzwischen auch in den tieferen Themen des Tragikomischen angekommen ist (und dort durchaus der Sozialkritik eines Georg Kreisler nahekommt), das beweisen Nummern wie „Gilead“ und „Auf der Flucht“ in geradezu abgründiger Weise. Unserer Ansicht nach kommt dieser Vollblutmusiker allerdings inmitten des komplexeren Arrangements einer ordentlichen Musikkapelle noch weitaus besser zur Geltung:

rainals grebe massenkompatibelDas hat sich schon bei den ersten fürs Fernsehen aufgezeichneten Auftritten mit dem Duo „Kapelle der Versöhnung“ abgezeichnet, so etwa hier in „Massenkompatibel“, wo es gleich so richtig psychedelisch zur Ursache geht, wenn er da singt:

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, denn wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Dieser Satz von Jesus, der war mir immer schon, der war mir immer schon popelig erschienen. Ich bin massenkompatibel, massenkompatibel, la la la la…“

Doch damit nicht genug, die um einige oder oft auch mehrere Musiker erweiterte Begleitband heißt nunmehr „Orchester der Versöhnung“ und spielt zu jedwedem Anlass meisterlich auf! Das wollen wir gern mit einigen Titeln aus deren gleichlautendem Studioalbum von 2011 unterstreichen. Davor gibts noch ein paar Solonummern aus dem „Rainald Grebe Konzert“ – We show you both best sides of this good man. Das allerneueste Orchesterprogramm „Berliner Republik“ bieten wir hingegen hier als wohlformulierten Audienzbericht zum Lesen an. Und spielen einen einzigen Titel daraus in unserem imaginären Best Of Album, nämlich das Kinderlied Dankwart ist Tankwart: „Bushido, Bushido – Bushido, lutsch meinen Schwanz. Was du kannst, kann ich auch, ich will auf den Index! Tötet, tötet, tötet Markus Lanz!“ ?

Wir wiederholen uns.

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 8. Januar von 22 bis 01 Uhr – Wegen eines technischen Gebrechens meiner Luftpumpe (Lunge) sowie der seltsamen Eingebung diverser „praktischer“ Ärzte, mich in diesem Kontext tagelang auf Expeditionen in die antibiotische Todeszone von über 40° Fieber zu schicken – und weil die damit verbundene Hirnerweichung sowas von kein geeigneter Zustand zum Livesenden ist (jetzt hab ich diesen Satz dreimal gelesen und versteh ihn immer noch nicht), wiederholen wir also heute die Hippie-Nachtfahrt vom August 2014 Turn on, tune in, drop out…

Ein Summer of Love oder Von der freien Liebe zum freien Radio. Die Strandpiraten der spontanen Assoziation plündern kulturelle Überbleibsel aus fast 50 Jahren und suchen nach lebendigen Spuren des einstmals die ganze Welt verändern wollenden Hippie-Spirit. Vom psychedelischen Bewusstseinserweitern übers künstlerische Grenzensprengen bis zum sozialrevolutionären Engagement der 68er-Generation reichen unsere Fundstücke – doch wo verorten wir deren Auswirkungen in der Gegenwart? Etwa im vollmacdonaldisierten Drogenverbrauch, im industriekompatiblen Goa-Eventstadeltum oder im Verschlimmbesserungsmühen altersfrustierter Sozialreformierer? Findet sich jenseits von Kommerz und Verwurst noch etwas Genießbares aus Love & Peace?

Goa GilEine interessante Untersuchung in diesem Spannungsfeld bietet die englischsprachige Dokumentation „Last Hippie Standing“ (Video). Sie folgt der Fährte der allerersten enttäuschten Zivilisationsflüchtlinge, die schon in den 60er und 70er Jahren die Strände des indischen Bundesstaats Goa als Refugium für sich entdeckten – und dort über die Jahrzehnte hinweg ihren eigenen Lebensstil pflegten. Aus den zunächst recht spontan abgehaltenen Strandfesten und akustischen Jamsessions entwickelten sich mehrtägige Full-Moon-Parties mit vermehrt elektrisch verstärkter und dann auch elektronischer Musik, die schließlich zu einem massentouristischen Phänomen mutierten. Kaum jemals hat sich der oft zitierte „Clash of Cultures“ deutlicher als das entlarvt, was er in Wirklichkeit ist: Ein Vertreibungskrieg potenter Geschäftemacher gegen Ureinwohner und Zuwanderer! „We don’t want poor people. We want rich people to come and enjoy. So we want tourists who can spend money. We think of tourism in terms of tourism to generate money.  Soweit Chief Minister Francisco Sardinha (Goa war einst portugiesische Kolonie). Der Mann könnte noch Tourismuslandesrat von Salzburg werden. Oder Festspielpräsidentin.

summer of love tourplakatPolitik als willfährige Handlangerin der Reichen und Machtgeilen. Bäh! Genau dagegen kämpfte doch einst weltweit die Bewegung der Hippies: Autoritäre Bevormundung, Gesellschaftliche Zwänge, heuchlerische Moral, Kriegstreiberei, Umweltzerstörung. Und was tun wir? Lutschen an den Damals-Devotionalien und zelebrieren museumstauben Fan-Folklorismus. Oder etwa doch nicht? Womöglich bröseln wir uns nicht schon wieder den x-ten Aufguss romantischer Nostalgie ins Hirnpfeiferl, sondern lassen die Funken der freien Phantasie aufflackern. Und aus den Artefakten, die heut an unser Inselufer gespült werden, eine ganz neue Geschichte entstehen. Aber vielleicht funktioniert es auch nicht und wir werden noch depressiver. Nur – wenn wir die Idee von Liebe und Freiheit ernst nehmen, dann können auch wir die verklärte Vergangenheit entzaubern, indem wir sie nämlich nicht direkt dokumentarisch, also „eins zu eins“ abbilden – sondern indem wir uns ihr mehr metaphorisch, gleichsam in Gleichnissen, also „abstrahiert“ annähern. Und so spielen wir keinen umfassenden Hippie-Soundtrack zum Film vom nie gelebten Leben, aber ein reichliches Sammelsurium an Eindrücken von unserer Reise durch den Bauch der Zeit. Hermann Hesse trifft auf Rudi Dutschke. Die Punkballade auf Goa. Alte Hadern im neuen Gewand. Syd Barrett neben Käptn Peng. Aktuelle Beatles-Reworks und Neo-psychedelia aus Frankreich. Zu allerüberst Musikkabarettist Rainald Grebe. Und auch wir nehmens mit Humor: Liebe ist eine Frage der Frequenz – nicht des Frequency!

Rapistsophie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. DezemberRap ist Jule: Gregor Gysi interpretiert K.I.Z-Texte (Video). Zum Jahresschluss sprengen wir noch einmal alle Definitionen – und ergehen uns mit starken Frauen im Hip-Hop-Journalismus. Das deutsche Szene-Magazin “Rap Ist” onaniert nämlich nicht nur mit den Parisern des Insiderschmähs, sondern überschreitet auch absichtsvoll die Sprachgrenzen des Eingeweihten. Vor allem die weiblichen Mitglieder (sic!) konfrontieren einerseits die Deutschrapper mit Fragen nach “sexueller Gewalt gegen Frauen” in ihren Texten (ein ganz ausgezeichnetes Video!) und inszenieren andrerseits den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei als politischen Interpreten durchaus derben K.I.Z-Liedguts. Für uns eine Übersetzungsleistung, die längst überfällig war!

rapistjule1Ist es nicht ein Kennzeichen der etablierten Hoch- und Geldkultur, dass sie nur von Eingeweihten, die den vorherrschenden Code auch verstehen, konsumiert werden kann? Wo verläuft in der Hip-Hop-Szene die Grenze zwischen Selbstironie und Anpassung ans Geschäft mit der sehr elitärenrapistjule2 “Ich kann etwas, was du nicht kannst”- Kunst? Und, tut es bei solch Überlegung nicht unendlich gut, zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der/die immerhin eine Möglichkeit zum Erkennenkönnen eröffnet – auch für Außenstehende, auf dass sich die Welt wieder reime? Zum Glück haben wir hier in Salzburg ebenfalls rapkundiges Fachpersonal am Start, und so können wir euch einige Ausschnitte aus ein paar legendären Rap-Ist-Interviews zu Gehirn bringen, naturgemäß remixed und in den Kontext der jeweiligen Musik gesetzet. Damit nicht genug, wollen wir über diese herzliche Empfehlung hinaus noch auf einige vernachlässigte Aspekte des Rap-Genres, des Hip-Hop und Rock Crossovers und des unverständlich Fremdssprachigen verweisen, was uns gröbere Freude bereitet:

NoizeMC - Rap aus RusslandIn Deutschland sowie auch in Österreich ist ganz leicht blöd daherreden und sich dann im selbstgelassenen Darmwind des bildungsbürgerlichen Skandälchens interviewgebend zu sonnen. Hierzulande wird einfach niemand bloß wegen seiner/ihrer Texte verfolgt! Anders in Russland oder im Iran – also wo finde ich die Gespräche mit Shahin Najafi (der ja in Deutschland lebt) oder die Übersetzungen von Noize MC (der wegen seiner Aussagen bedroht wird)? Die üblichen Verdächtigen sind noch längst nicht “die Szene”, auch wenn sie Crack Ignaz dissen und “klaut Rap” so buchstabieren. Folgerichtig erweitern wir unsere Sendung um eine Koproduktion von Noize MC und Lyapis Trubetskoy “Bolt” – doch MÜSST ihr euch den Track als Video von Alexey Terehoff anschauen – erst dann werdet ihr auch unsere Visionen haben.

Käptn Peng: “Das O ist durchsichtig” (Artarium-Interview)

 

Happy Birthday, Lemmy

> Sendung: Artarium Weihnachtsspecial 24. Dezember – Ist uns heute der Heiland geboren? Damit es nicht allzu heilig (und zu still und zu leise) wird an diesem Abend, bescheren wir uns eine Geburtstagsfeier der etwas spezielleren Art: Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger (sowie Erfinder und überhaupt Mastermind) der einigermaßen sehr harten Rockgruppe Motörhead, wird haargenau heute 70 Jahre alt. Oder auch jung, je nachdem. Wir gratulieren jedenfalls schon mal heftiglich – und bedröhnen euch mit Auszügen aus seiner Autobiographie “White Line Fever” nebst insgesamt 6 (in Worten Sex) launigen Musikstückerln aus Lemmys frohem Schaffen sowie seinem lauthalsen Umfeld. Es darf also gekracht und gescheppert werden, liebe Heiligabendgemeinde der aufmüpfigen Kinder und junggebliebenen Großeltern. Lassen wir die Sau raus!

lemmy christLemmy Christ by Carny-Kapturek. Die Zeichnung ist nebenbei das einzig wahre Bild für den heutigen Anlass, nämlich den zufällig auch am 24. Dezember geborenen Religionsverweigerer namens Ian Fraser Kilmister hochleben zu lassen, der für nicht wenige Hardrock- und Metal-Afficionados selbst so etwas wie Heilandsstatus besitzt. Und ein guter Hirte seiner Schäfchen ist er allemal, wie die Anekdoten aus seinem bewegten und kaum jemals nüchternen Leben uns beweisen. Zudem gibts die Fortsetzung (den Schluss) der Artarium-Weihnachtsgeschichte vom “barmherzigen Rumänen” zu hören, was also will das bescherungsschwangere Herz zur Feier des christlich-alpenländischen Eilighabens mehr? Vielleicht einen kleinen Vorgeschmack auf die heiligabends zu hörenden Musikalien? Also gut, dann will ich mal nicht so sein – und ergehe mich knietief im Kryptischen. Auf 3 von 6 (Sex!) Liedern singt Lemmy selbst, aber nur 2 gemeinsam mit Motörhead, eins davon ist noch dazu ein Cover. Hähähä, weiter mit der Verwirrung! Apropos, 3 von 6 (you know) Musiktiteln heißen aus Anlass des Abends “Sympathy for the Devil”, doch keinen davon spielen die Rolling Stones. Einen jedoch (sowieso das genialste Cover) Daniel Kahn, Psoy Korolenko & Oy Division (aus ihrem Album The Unternationale). Hähähähähä! Den könnt ihr euch gleich reinziehen. Und Lemmy singt wieder einmal (no, na!) vom Ende der Welt. Dann passt doch alles wunderbar zum Thema, oder?