Heather Nova – Redbird

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. November – Als Gegenpol zur schwelenden Herbstschwermut entführen wir uns heute in die lichtdurchfluteten Bermudas. Das Album Redbird von Heather Nova vereint in sich so viele Gefühlsnuancen und Stilrichtungen wie das bisherige Lebenswerk der Dichterin, Malerin, Komponistin und Sängerin sonst auch. Dabei ist es stimmig, rund und ausgewogen, wohl das am meisten “wie aus einem Guss” wirkende Studioalbum der Künstlerin. Das hat auch sehr viel mit der Geburt ihres Sohnes Sebastian während der Entstehung der Songs und Arrangements zu tun. “Ich war das Verwundbarste und zugleich das Stärkste, das ich je gewesen bin.” So beschreibt sie ihren Seinszustand beim Songschreiben, wie es die nachfolgende Interviewpassage (auf Englisch halt) wiedergibt:

redbird“It was probably the most difficult album I have ever made because for the first time I had something else besides music (my baby) taking up my time and attention. So instead of having endless days with nothing to do but write, I had 2–3 hours on a good day. And that meant focusing in and working very intensely in a way I hadn’t done before. It was a challenge, but at the same time I was incredibly inspired to write for this album. I had just had a life-altering experience! I felt like my heart had been blown wide open and I was the most vulnerable and yet the strongest I had ever been…”

Insbesondere der dritte Track “Motherland” (den wir in unseren Sendungen ja schon des öfteren verwendet haben) offenbart eine gefühlsambivalente Grundhaltung, die etwas vom Gesündesten darstellt, das in der Popmusik je über die Beziehung von Müttern zu ihren Kleinkindern ausgesagt wurde: Das Heilsame und Kraftvolle dabei ist das erstaunliche Gleichgewicht von zwei gleichzeitig spürbaren Impulsen – sowohl zum Beschützen als auch zum Freilassen. Und wie in diesem Lied verbinden sich Freude UND Schmerz auf dem Album Redbird (und auch im gesamten Schaffen der schönen Frau mit der schönen Stimme) zu einer ganzheitlichen Gefühlswelt, die dem Frieden in der Seele merkbar auf die Sprünge hilft. Dieses Album ist gute Medizin, sagte der Hund, bevor er schließlich noch die Refrainzeilen aus “Motherland” hinzufügte:

The waves roll in, I help you swim
You take my hand
And through the years and through the fears
I’ll be your rock, the motherland

 

Nur noch Nebel

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. NovemberNebel legt sich über das Land – und oft auch auf die Seele. Der Spätherbst ist eben die Jahreszeit für Depressionen und artähnliche Gefahren. “Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“, schreibt Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht “Herbsttag“, und weithin wohl noch viel geläufiger: “Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr”. Dazu muss man nicht Trakl oder drogentrüb sein, dass man derlei in diesen düsteren Stunden spürt. Oft reicht schon ein gewisses Maß an Empfindsamkeit, um von der eigenen Schwermut so in die Tiefe gezogen zu werden. Nebel verhängt den Blick – und kaum noch Orientierung bietet sich stillschreienden Sinnen. Es ist wie ein leises Verlorensein in der Welt. Allumwattet wandelt selbst Hesse seltsam allein: “Kein Mensch kennt den anderen”

Spaziergänger im NebelWiewohl noch dem dichtesten Nebel recht angenehme Seiten abzugewinnen sind. Das Dämpfen von Geräuschen (des Stadtlärms zum Beispiel) oder das Verhüllen von unschönen Anblicken (wie die Volk genannten Schiachperchten oder die Baukötze der Arschitekten). Sogar der Vereinsamungsaspekt hat eine Kehrseite, denn nebelt man sich ein, kann man nicht mehr so leicht entdeckt werden, entschwindet man elegant der möglichen Belästigung. Ich bin etwas, was du nicht siehst. Ätsch. Auch benebelt zu sein kann einen mit der Gnade impressionistischer Weltbeschau versorgen. Wie man sich dreht und wendet, ist Seelenzustand Wasserdampf oder Grundfarb für ein Gedicht. Daher wollen wir inmitten solch ineinander überfließender Beschleierung den Blick auf jene Kunstform richten, die Lyrik und Musik zu ganz neuen Eindrücken verschmilzt, gemeinhin Word over Music genannt – oder besser noch “Hörtheater”. Beispiele gibts aus dem am 30. November erscheinenden Musiklyrikalbum “tenebra” der ONchAIR Bros sowie aus dem bekannten Hesse-Projekt von Schönherz & Fleer. Was das mit Chriss’ Buch “seelen.splitter” zu tun hat, bleibt vorerst noch nebulos

Die mir noch gestern glühten,
Sind heut dem Tod geweiht,
Blüten fallen um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Ich seh sie fallen, fallen
Wie Schnee auf meinen Pfad,
Die Schritte nicht mehr hallen,
Das lange Schweigen naht.

Der Himmel hat nicht Sterne,
Das Herz nicht Liebe mehr,
Es schweigt die graue Ferne,
Die Welt ward alt und leer.

Wer kann sein Herz behüten
In dieser bösen Zeit?
Es fallen Blüten um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Hermann Hesse

 

Wie wir begehren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. Oktober – Die als “Kriegsreporterin” bekannte Carolin Emcke erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, genauer gesagt an diesem Sonntag, zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse und in der dortigen Paulskirche. Da sind wir aber top-aktuell mit unserer Themenwahl – immerhin stellen wir heute ihr 2012 bei Fischer erschienenes Buch “Wie wir begehren” vor, einen feinsinnigen Essay über die subjektive wie die soziale Wahrnehmung von gleichgeschlechtlicher Liebe. “Davon erzählt sie uns durch zahlreiche Zeitsprünge in Gestalt einer kaleidoskopische Collage aus Erlebtem und Erlesenem und verknüpft dabei kunstvoll persönliche Anekdoten mit parallelen gesellschaftlichen Ereignissen.” Dergestalt wurde es bereits für “Mein Bücherschatz” auf Radio B138 beschrieben.

carolin-emckeWofür die Publizistin und Autorin (unlängst ist “Gegen den Hass” erschienen) jetzt genau mit diesem renommierten Preis ausgezeichnet wird, davon quellen die Artikel und Kulturmagazine ja derzeit ohnehin über – wir wollen uns hingegen auf jene Besonderheiten ihrer Person konzentrieren, welche das diesfalls darzustellende Buch so lesens- und erlebenswert machen. “Sie verschmilzt darin sprachliche Präzision mit emotionaler Erschüttertheit zu einem literarischen Ganzen, das ans große Feuilleton der Zwischen- und Nachkriegszeitkriegszeit erinnert (und das im akuten Kommerzhäppchening und Meinungsvielflat so dermaßen “aus der Mode” wirkt, dass es schon wieder Avantgarde sein muss).” Carolin Emcke ragt aus diesem journalistischen Entertainmentsumpf heraus wie ein seltener Glücksfall, der leider längst nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme darstellt. Ein mutiger Mensch mit einer eigenen Meinung, bei dem sich Empathie und Realismus zu einer ganzheitlichen Weltsicht verbinden. Chapeau! Und vor allem – sie scheißt uns nicht zu mit Schachterln und Schubladen, in die wir uns der Reihe nach einsortieren sollten. Nein, sie regt zum eigenständigem Leben an!

Abschließend ein kurzer Textauszug: “Er fremdelte in der Schule, weil ihm nichts von der Materie, die der Unterricht vorsah, über ein Leben erzählte, wie er es sich erträumte. Ihn irritierten die Mitschüler, die schon ihre eigenen Großeltern zu sein schienen. noch bevor sie überhaupt geschlechtsreif waren. Tom hatte etwas Klaustrophobisches, weil er unter jeder Form geistiger oder sexueller Enge litt.”

 

 

Es war einmal die Musicbox

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. OktoberNachruf auf eine ORF-Sendung, der viele vieles verdanken. Vor genau 49 Jahren entstand die Musicbox mitsamt ihrem dazugehörigen Sender. Vor gut 22 Jahren verschwand sie aus dem Programm von Ö3. Was bleibt, ist Erinnerung. Und Bedeutung für Unzählige, die Popkultur nicht nur konsumieren, sondern erforschen, definieren und so selbst mitgestalten wollten. “Wenn um 15 Uhr, präziser: fünf Minuten nach 15 Uhr, die Signation der Musicbox ertönte, schaltete halb Österreich auf die Regionalwellen um. Die andere Hälfte aber lauschte entweder gebannt oder irritiert dem Wort- und Musikschwall, der da folgte.“ Soweit Ex-Musicbox-Redakteur Walter Gröbchen, zitiert in diesem hilfreichen Artikel des Kulturpool zur Veröffentlichung einiger Cassetten-Mitschnitte aus den 80ern.

musicboxMmmm, “Wort- und Musikschwall”, das gefällt uns eh schon mal gut! Auch wenn man mit derlei nicht mehr die Radionation in zwei Hälften spalten kann (dieses Zeitfenster ist längst wieder zu), so knüpfen wir doch gern immer wieder daran an, diese Art einer “Wall of Sound” entspricht der Gestaltung unseres zweisamen Kopftheaters

Nicht nur eine ganze Kultur des Musikjournalismus hat das längst legendäre Magazin hierzulande befruchtet, auch Kunstschaffende jedweder Richtung und Staatsnähe (oder -ferne) zur fortwährenden Verbearbeitung der Wirklichkeit zwischen allen Genres und Generationen angestiftet. Literaturen entdeckt, Musikstile hinterfragt, politische Entwicklungen verfolgt, Geschmäcker und Gewohnheiten kritisiert, Neues begeistert vorgestellt und Zeitloses wieder hervor gekramt. Was hat diese Sendung in den 27 Jahren ihres Gehörtwerdens eigentlich nicht angefasst, ausgespuckt, oder einfach gegen den Strich gebürstet? Weshalb sollten wir da versuchen, dem recht reichlichen Œvre der Herren Gröbchen (Blog), Blumenau (Blog) oder Ostermayer (Portrait) hier noch Fußnoten hinterher zu schreiben? Sie alle waren ja die Musicbox.

Wollen wir also bei unserem Leisten bleiben und euch eine schöne Andenkensendung schustern. Mit eigenen Anekdoten vom damals durchaus prägenden Hinhören und mit Beispielen dafür, wie dortselbst einst Vorgebrachtes die Zeitgrenzen zur Gegenwart überspringt und – verbearbeitet – weiter wirkt. Unter Beihilfe von Michael Köhlmeier & Reinhold Bilgeri, Bob Dylan, Patti Smith sowie naturgemäß Laibach. Allesamt einst vehement vertreten in und von jenem Höreignis, man frage bloß mal die Archivpiraten!

 

Das Lied von Buch und Serie

> Sendung: Artarium am Sonntag, 25. SeptemberHinter dem weltweiten Hype rund um die Serie Game Of Thrones steckt das intelligente Werk eines Schriftstellers. George R. R. Martin entwickelt in seiner Romanreihe “Das Lied von Eis und Feuer” eine hochkomplexe Welt, die das Genre Fantasy aus dem Verwertungskrampf der Geschwindprodukte wieder auf seine eigentlichen Ursprünge zurück bezieht – auf eine ebenso schwelgerisch ausufernde wie nachfühlbar menschliche Phantasie. Nicht umsonst singt selbst Denis Scheck, unser aller “Streiter für das Gute, Wahre und Schöne”, in der ARD-Büchersendung Druckfrisch das Hohelied auf die literarische Qualität dieses einzigartigen Opus perpetuum. Und nicht umsonst wird dessen Autor ob seines überbordenen Detailreichtums als “Tolkien der Gegenwart” bezeichnet.

thron-der-serieDoch erstmal genug der globalen Informationen, ist doch das halbe Internet voll von Klugscheißenden, die einander ihre Theorien über den möglichen weiteren Verlauf dieses Endlos-Epos um die Ohren bröseln. Wenden wir uns lieber den Aspekten unseres eigenen Erlebens zu, wie der nachhaltig süchtigmachenden Serie, der dazugehörigen Filmmusik von Ramin Djawadi, der Beziehung zwischen Romanvorlage und TV-Adaption – oder der allgemeinen Frage, weshalb auch denkende Menschen oft lieber in Phantasiewelten leben als im Realitäterbüro ihres Arbeitsallerleis. Man muss durchaus kein flachgetrottelter Nachzuckzombie sein, um hier dem Charme einer niveauvollen Fantasy anheimzufallen. Und es liegt wohl an der eminent durchdachten Geschichte, die sich der Herr Martin über die Jahre erarbeitet hat, dass sogar in der kritischen Kulturwissenschaft das Mainstream-Erfolgs-Produkt des Pay-TV-Anbieters HBO als “eine Serie von beachtlicher künstlerischer Qualität, jedenfalls für u.s.-amerikanische Privatfernseh-Verhältnisse” gilt. Zur Erörterung solcher und ähnlicher Umstände haben wir zwei ausgewiesene Expertinnen eingeladen, die sowohl mit der Materie vertraut als auch in der Welt der Phantasie heimisch sind…

 

Ingeborgs Flachmann

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. September – Wir basteln uns schnell auch noch ein Wettlesen. Und widersprechen der weit verbreiteten Vorstellung, man könne sich Sprache einfach so aufsetzen wie einen Hut. Oder sich von den Fachoberuhus der Literaturverwaltung das Gute, Wahre und Schöne vorsortieren lassen, damit man dann eine Bildung haben tut. Die Richtige natürlich. Kennst dich aus? Einbildung ist auch eine. Ätsch! Denn Sprache ist nicht bloß eine ganze Welt, auf die man sich Hals über Kopf einlassen muss, sie ist zudem noch weitgehend unerforscht und ob ihres ständigen Wandels schlechterdings nicht kartographierbar. Die Sprachwissenschaft kann nur beschreiben, was bereits entdeckt ist, jedoch nicht, was darüber hinaus neu entsteht. Die Sprachwelt erschafft sich ständig selbst – durch ihren Gebrauch.

flachmannSo lassen wir diesmal zwischen Bachmannpreis und Bücherflohmarkt ein paar auserwählte Kandidierte gegeneinander aufmarschieren – und um einen Preis wetteifern, den es genauso sicher gibt wie den finalen Schluck aus Ingeborgs Flachmann. Na, dann Prost!

Wenn jetzt noch wer daherkommt und meint, dass es bei sowas Veränderlichem wie Sprache objektive Kriterien zur sportlichen Beurteilung oder Leistungsmessung geben könnte, dann gehen wir zwei zwischenzeitlich in aller Höflichkeit laut lachen. Ob nämlich ein Text oder sein Vortrag irgendwie beliebt, erfogreich, populär ist, das hängt vom Zusammenwirken so vieler verschiedener Faktoren ab, dass es sich genausogut erwürfeln ließe.

Folgende Interpreten und ihre Beiträge wurden auf geheime Weise für das Finale nominiert (in der Reihenfolge ihres Auftretens). Es singen, spielen und ergehen sich in Collagen (wir finden, das gehört sich längst – bloß keine fade Buchstabensuppe):

Loriot (als Lothar Frohwein) – Melusine (Krawehl, Krawehl)

Josef Hader (als er selbst) – Atonales Lied

Ernst Jandl (auch als er selbst) – Kunstvaterland (aus “Die Humanisten”)

Angela Merkel (sie selbst) – Nein (Yung Hurn remixed by DJ Karl the Dog)

Loriot (als Der große Diktator) – Almduludl (Rede)

Bagher Ahmadi (als Ernst Jandl) – schtzngrrrmm

Christian Brückner (als er selbst) – Hitlers Hitlerhitler

Die musikalische Umrahmung besorgen uns im Sinne niveauvoller Textverbratung Käpt’n Peng und die Tentakel von Delphi (Signation), Catharina Boutari (covert Das Bo), Rainald Grebe (Guido Knopp) sowie PeterLicht (Fluchtstück). Und wenn wir hier schon in der Jury sitzen, dann würdigen wir gleich auch noch die Wettrapper und Lyrizisten von Battle & Hum, die edlen Gewinner des heurigen Radioschorsch, mit einer eigenen Laudatio.

Gluckglucksus, Schwuppdiwuppsus – oder einfach nur Flachmann!

 

Let Yourself Be Huge

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. SeptemberGewaltig endet der Sommer, gewaltig geistern die Arme des Herbstes, komm zu mir liebes Kätzchen, ich nehm‘ dir die Furcht, die alte, die gräßliche; fühle mich manchmal als Teschek, indes singen Blätter und Zweige von Tausch und Täuschung, wer pflückt dereinst die Gaben? Wir glätten die Wellen, nein, lass es uns lassen, was mir halt so ein- und zufällt, zufällig auf Zufälle vertrauend, und ihre verwegene Braue, das Herz der Harpyie frisch gebraten, ein Baby im Schlaf, es schmelzen Gesichter unscheinbar, grau melierte Kinder in Armani-Anzügen die hektisch ihre Smartphones betouchen; darf ich mich aufsprengen?

cloudkickerWelch viskoser Fall, mir scheint alles träge und dämmrig, es zirkuliert = heil(ig)e Welt! Schwalbentanz, ein Blick in die Wolken, weit fort zu gehen, oh Lady of Shalott, dein Leib, dein Lied, stets Schatten im Spiegel / Gemütsaquarelle, schleichende Färbung, der gesichelte Mond gleitet aus Baumkronentrichtern, scheue Laternen, das Finster ruft mit wächsernen Stimmen, so seidene Stimmchen : gekrauste Sturm= orchidee. Theodizee zwischen Tür und Engel, oder der Blutakt weicher Uhren, indes nachmittägliche Ausflüchte, umgeben von einem Rauschen unbekannter Art, mehr Holundersaft aus der Bierflasche … Collagenleben und Splitterkunst, unzähmbarer Sanftmut; ich werde gewaltig.

Wie aus alldem unschwer zu erkennen ist, präsentieren wir diesmal das ganze Album “Let Yourself Be Huge” von Cloudkicker, einem One-Man-Projekt von Ben Sharp, der seine mittlerweile 8 Alben und 4 EPs nach wie vor im Eigenvertrieb anbietet. Auf diesem speziellen Album gewährt der sonst im Progressive-Metal beheimatete Musiker allerdings durch diverse Themenskizzen einen geradezu intimen Einblick in das Entstehen seiner komplex geschichteten Klangwelt, was zudem vom Artwork (oben die vergriffene Pink-Vinyl-Version) kongenial begleitet wird. Auch der längste uns bekannte Songtitel vom Album Subsume stammt aus seiner Denkstatt. Es ist ein Zitat aus dem Roman 1Q84 von Haruki Murakami. Dazu fällt mir ja sofort DIE Löffler ein…

„He would be riding on the subway or writing formulas on the blackboard or having a meal or (as now) sitting and talking to someone across a table, and it would envelop him like a soundless tsunami.“

 

Reflecting Autumns

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. SeptemberDer Sommer ging heuer ja schon vor seinem Beginn zu Ende – und danach versuchte er noch den ganzen Sommer hindurch, einer zu werden. Doch jetzt, wo die Schulferien unweigerlich zu Ende gehen und auch die “vorlesungsfreie Zeit” bald keine mehr sein wird, da schieben sich endlich die ersten stabileren Schönwetterperioden in den allenthalben anhebenden Herbst. Wieviel Werden steckt da im Vergehen? Oder wars immer schon genau umgekehrt? Jedenfalls wollen wir diese auffallende Ambivalenz des Herbstsommers zum Anlass nehmen, unser aller Jahreszeitreisen zu würdigen sowie uns dementsprechend in der Schönheit des Vergänglichen zu ergehen. Denn jedem Sterben wohnt ein Herbstlaub inne, und das ist nochmal so richtig farbenfroh!

VollmondVom Charme des Morbiden, vom Innehalten auf der schiefen Bahn und vom Aufleuchten des Lebens im Totgeglaubten handeln unsere Buchzitate und Filmempfehlungen, unsere musikalischen Fundstücke und Spoken-Word-Fragmentarien. Wir basteln uns eine Welt aus dem Sammelsurium unseres unterwegs Aufgelesenen, nur um sie mit euch gemeinsam wieder zu verzehren:

unzählbare Lichtkaskaden auf den Wellen des Mittelmeeres, mehr als grell, kosmische Gaben, ein Hauch anderen Lebens, und hier auf dem Fels, du malst mir Salzzeichen auf den Rücken, es tropft der Schopf, wir paddeln nicht, wir haben die steinerne Wand umbrochen, vulkanisch fast, Gräben und Schluchten und Armeen von schwarz glitzernden Muscheln; gen Himmel ein Zeichen des Abschieds, wir lieben dich Sonnenkönigin! Auf ewig Kinder des Meeres! Wie kommt man zu Namen oder zu Orten, wie laufen die Bahnen von trunkener Zeugung zu Mord, von Nägellackieren zu Inkontinenz, wie winden sich Wege durch Menschen und Tiere, durch die Natur und das All? Ach, vielleicht ja alles nur zum Amusement anderer Weltraumrassen – welch glorreicher Zoo!

FeuerlichtYou touch me with your light
so different as they say
you touch me with your light
and make me want to stay
you touch me with your light
its running down my skin
you touch me with your light
you touch me from within
you touch me with your light
and bring my soul to ease
you touch me with your light

Wir lassen unsere zwei Welten ineinander fließen wie zwei Feuer aus Wasser und Licht, mögen sie sich mondkühl oder kerzenwarm anfühlen, mögen sie zäh oder zart oder zwirbelig beschaffen sein, sich klopfend, klingelnd oder klagend anhören, just emotional erstarrt oder stimmungseruptiv daher kommen, wie dem auch immer sei, es entsteht wiederum eine neue, ganz eigene Sphäre voller Stimmung und Klang. Und die verschmilzt dann mit eurem Jetztgradesosein, indem ihr uns zuhört und euch auf diesen sanften Urknall aus Gärung und Gebräu einlasst. Es kommt zu einer Art Energieübertragung, wie sie etwa von Musikern und ihrem Publikum beschrieben wird. Doch wir müssen euch nicht einmal sehen, um zu wissen, dass ihr da seid. Darum machen wir auch Livesendungen. Weil dabei so etwas Geheimnisvolles geschieht…

 

Mädchen Überfluss

> Sendung: Artarium am Sonntag, 28. August – Hinter den Kulissen der Radiofabrik werken zahlreiche Weiblichkeiten an ihrem gedeihlichen Stattfinden. Hätten wir hier eine Frauenquote, dann wäre dieselbe längst übererfüllt. Wobei es bei der Myzelpflege eines so vielschichtigen Organismus wie des Radiofabrik-Teams ohnehin nie um willkürlich festgelegte Quoten gehen kann, sondern vielmehr um ein ausgewogenes Funktionieren im Sinne von Vielfalt, Vielseitig- und Vielstimmigkeit. Oder eben auch Vielsprachigkeit, womit wir fast schon beim Kern (nein, nicht beim Bundeskanzler) der heutigen Sendung anglangt wären. Wir wollen euch nämlich unsere neue EU-Freiwillige Kawtar El Moutawakil aus Italien vorstellen, welche nicht nur (wie sich ja denken lässt) Italienisch spricht, sondern darüber hinaus noch Französisch, Englisch und Arabisch.

Laura und KawtarMa forse ancora non è cominciata
aldilà e di qua della barricata
ci sono mari che non si possono toccare
ci sono lingue che non si possono capire
Tu non conosci il mondo
tu non conosci me
c’è un bene più profondo
nascosto dentro me dentro te
Sia benedetto questo mondo
sia benedetto questo incontro
sia benedetta questa vita
che molti pensano sia infinita

Antonello Venditti (Video)

Endlich können wir wohl auch diesem kryptisch-philosophischen Songtext seine surrealen Geheimnisse entlocken – vielleicht nur, um sie dann erst recht so sein zu lassen, wie sie ursächlich gemeint waren – geheimnisvoll nämlich. Denn genau darum dreht und angelt es sich auch springenden Punkts in unserem “Incontro culturale”, in dem wir dem Geheimnis des Verschiedenen im Gemeinsamen (oder umgekehrt) nachspüren. Unter tatfreudiger Mithilfe der bald schon nicht mehr Auszubildenden Laura Leitner (danke für das geile Foto!), deren engagierte Betreuung uns inzwischen so vertraut geworden ist, dass es ziemlich schräg anmutet, ihrem Lehrabschluss auch nur entgegen zu denken. Und mein Mädchen darf weiterhin Norbi zu mir sagen, es dreht sich hier sowieso mehr um Girlism als um Gender. Oder den Generation-Gap.

Eine Sendung der Herren Hasenhund und Hundehas, gemacht für die Gemeinschaft, der sie stets selig entsprießt.

 

Adriatisches Intermezzo

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. AugustVerträumt zelebrieren wir die altösterreichische Völkerfreundschaft im nordöstlichsten Winkel des adriatischen Meeres. Duino, Sistiana, Miramare, Trieste, Muggia, Izola, Portorož, Piran – und wie die einzelnen Küstenorte daselbst noch alle heißen mögen. Gefühlt ewig und drei Tage waren sie unser” Zugang zur unendlichen Weite der Welt. Bis der dann von den regierigen Schnapsnasen des Großreichtums beim vorvorletzten Machtpoker auf Volkskosten verplempert wurde. Oder so. Wiewohl – trotz all dieses Politikblödsinns aus Beherrschsaft und Unterthanendumm wird uns die ewige Sehnsucht nach dem Salzwasser der See atmosphärisch eingeschrieben bleiben. Und so suchen wir uns immer auch selbst – in einem allsommerlich wiederkehrenden “Incontro culturale”

AdriaSchon seltsam, wenn man sich selbst sogar im eigenen fremd ist. Doppeldeutig wie die Begriffe, die man sich davon macht, strange eben oder strano. So wunderlich, wie es einem beim Selbstversetzen in ein anderes Terroir zumute wird, sind auch unsere Souvenirs aus diversen Begegnungen mit dem eigenartigen italo-slowenischen Mischmenschenschlag “da unten”. Etwa die merkwürdige Partizanen-Marseillaise unter Mitwirkung von Radio Študent aus Ljubljana sowie der Gruppe Laibach (NSK). Ganz zu schweigen vom letzten lebenden philosophischen Hyperaktivisten Slavoj Žižek sowie der Schwierigkeit, mit ihm ein stimmiges Interview zu gestalten (SRF Kultur). Auf jeden Fall verstehen wir jetzt den Unterschied zwischen einem Kaffee ohne Schlag und einem Kaffee ohne Milch. Oder doch nicht? Entschuidigns, aber wir sind das Radio ohne Hitparade. Das Radio ohne Tiefgang ist ein paar Straßen weiter, es besteht ja durchaus ein Unterschied zwischen Pirat und privat. Und als ob das alles nicht schon schrecklich genug wäre, kulminiert unser Widersinn in diesem surrealen Video: Zero Assoluto – Questa estate strana

Everybody’s talking and no one says a word
Everybody’s making love and no one really cares
There’s Nazis in the bathroom just below the stairs

Nobody told me there’d be days like these
Nobody told me there’d be days like these
Strange days indeed – strange days indeed

John Lennon