Hakuna Mutanta

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Februar – Die Idee zu dem titelgebenden Wortspiel verdanken wir einer Szene aus dem Disney-Epos “König der Löwen”, die ewig Junggebliebenen werden sich erinnern, “Hakuna Matata” ist Swahili und heißt soviel wie “Es gibt keine Probleme.” Hier zur Entspannung die polnische Variante. Nun mag “Hakuna Matata” für den Hausgebrauch eine ebenso nützliche Philosophie sein wie “Probiers mal mit Gemütlichkeit”, nichtsdestotrotz leben wir in verseuchten Zeiten und draußen vor der Tür mutieren die Viren, dass einem schwindlig wird. Zeit, dem Leben auch unter veränderten Bedingungen wieder eigeninitiativ entgegen zu treten. Etwa mit John Steinbeck, Bruce Springsteen und Tom Morello. “The Ghost of Tom Joad” stellt einmal mehr die Frage: Was will uns der Dichter damit sagen?

Hakuna MutantaUnd überhaupt, was will uns die derzeitige Situation sagen, die wir zwar nicht direkt verändern, aber durchaus wahrnehmen, verstehen und zum Anlass für unsere eigene Geschichte nehmen können? Was mutiert da alles vor sich hin, wenn wir “das Virus” als das begreifen, was es in seinem Wesen zutiefst ist: Information, die bei kleinster Veränderung bereits völlig neue Eigenschaften ausbildet? Die sich, wie im Fall des Influencer (Grippe) Virus jedes Jahr “in einem völlig anderen Gewand” zeigt? Mutieren nicht auch ganze Gesellschaften sowie ihre Staatsformen und Wirtschaftssysteme auf ähnliche Weise? Bisweilen kommt es mal zu einer Revolution gegen Gewalt und Unterdrückung – an der zugrunde liegenden Information wird etwas verändert und schwuppdiwupp – das gewalttätige Machtkonstrukt hat einen neuen Namen, aber es besteht weiter, erzählt viel von Freiheit und unterdrückt andersoder Andere.

Seit Jahrhunderten wird immer wieder aufs neue an einem Impfstoff gegen diese Art von Machtmutation gearbeitet, er heißt Demokratie, und er muss genauso ständig weiter entwickelt werden, wie das Machtvirus, schwuppdiwupp, vor sich hin mutiert. Der Vortrag “Demokratie erneuern” von Prof. Rainer Mausfeld bietet einen Einblick in diese Vorgänge. Sein erster Abschnitt trägt den Titel: “Das gesellschaftliche Gift unersättlicher Machtgier und das zivilisatorische Gegengift Demokratie.” Schön! Und wie wir unter diesen Vorzeichen leben könnenund wollen, das entwickelt Prof. Hartmut Rosa in seiner “Soziologie der Weltbeziehung” rund um den essentiellen Begriff “Resonanz”. Zum Schluss unserer heutigen Mutation noch die entsprechende Literatur/Filmempfehlung: Früchte des Zorns. Macht macht mobil

PS. Das Virus und das Immunsystem. Von Karl Lauterbach auch für “interessierte Nichtspezialisten” empfohlen. Na ja, ein bisserl Fachenglisch sollte man da schon …

PPS. In der Sendung haben wir, als eine Möglichkeit des Perspektivwechsels, davon gesprochen “was uns das Virus erzählen könnte”. Kurz darauf, am 2. März sendete ARTE den Dokumentarfilm “Corona: Sand im Weltgetriebe” von Alain de Halleux, der in seiner Dramaturgie just die Erzählperspektive des Virus einnimmt. Chapeau!

 

Angelo Branduardi

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Februar – Bella Italia! Und überhaupt haben Italiener die schöneren Vornamen. Nicht Sepp (hüstel), Dietmar (gähn) oder Sebastian (würg) – vielmehr Dino (mmmh), Mario (mmhmmmh) oder eben Angelo (leckerlecker). Allein die Vorstellung, in sexueller Extase laut “Franz Ferdinand” zu rufen, sollte uns das verdeutlichen. Dann doch lieber “Michelangelo” – oder seid ihr denn alle komplett unmusikalisch? Wie dem auch sei – Italien gilt jedenfalls nicht grundlos als “Land der Oper” (und ist ob seines musikalischen Reichtums berühmt). Das zeigt sich auch im Klang der Sprache. Die seit Jahrhunderten unerreichtesten Geigen bauten folgerichtig die Herren Stradivari und Guarnieri del Gesù und nicht Niederredner und Klotz. Alles eine Frage der Musik, so wie unser heutiges Album.

Angelo BranduardiAngelo Branduardi ist ein zutiefst in der Musik beheimateter Künstler, der in Zusammenarbeit mit seiner Frau Luisa Zappa (ja wirklich, und du bist mein Sofa!) ständig neue Einflüsse (oft aus uralten Traditionen) über die Zeitläufe hinweg verschmilzt. So ist “Confessioni di un Malandrino”, seine erste Eigenkomposition (mit 18 Jahren), aus einem Gedicht des russischen Lyrikers Sergej Jessenin (1895 – 1925) entstanden. Eine Zeit lang, speziell in den 80er und 90er Jahren, waren seine Lieder auch hierzulande ziemlich populär. Kritiker sprachen von “weichgespültem Schmusesound” und sahen den spirituell veranlagten Künstler, der seine Arbeit selbst als “schamanisch” bezeichnet, im eher unernsten Umfeld des “esoterischen Wohlfühlkitsch”. Doch das wird der Vielfalt an Themen keinesfalls gerecht, die Angelo Branduardi in seinen nunmehr 50 Jahren als Vollblutmusiker ver- und bearbeitet hat. Der Mann springt aus dem Genreschachterl!

Im Rahmen des Projekts “Futuro Antico” sind inzwischen 8 Alben mit historischer Musik erschienen, darüber hinaus reicht Branduardis Passion für “Musik aus längst vergangener Zeit” von Walter von der Vogelweide über Franz von Assisi bis hin zu Hildegard von Bingen (auf dem aktuellen Album “Il cammino del’Anima” zu hören). Neben dem erwähnten Gedicht von Sergej Jessenin hat er noch zahlreiche Texte von anderen Poeten vertont und vorgetragen, so etwa auf “Branduardi Canta Yeats”.

Wir destillieren allerdings einen Auszug des typischen Angelo-Branduardi-Sounds. Balladen und Motive aus allen möglichen Epochen und Welten in Gestalt moderner Folk-Rock-Performance.

 

Buntes und Feines

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Februar – “Ein Kessel Buntes” hieß eine legendäre Fernsehshow der DDR, in die man alles an Kraut und Ruabn hineinstopfte, von dem man irgendwie annahm, dass es “den Leuten” gefallen würde. Und weil wir, auch im Hinblick auf Mummenschanz und Maskierung oder die inzwischen ganzjährig stattfindende Faschingszeit, ein “Sackerl Gemischtes” unters Volk bringen möchten, haben wir uns an den Titel angelehnt. Rummsdibumsti – doch nicht ganz so stabil wie gedacht, die erwünschte Untenhaltung. Vielmehr ein Kessel Schmutzwäsch, den wir da vor euch ausschütten, aber fein garniert – und mit Musik. Denn wir sind kein Formatradio – wir haben Format! Wir werden euch unterhalten und nicht unten haltenversprochen! Der Unterschied ist mindestens ein Elefant

Buntes und FeinesSo ein Babyelefant hats ja wirklich nicht leicht. Schließlich wächst er und wird immer größer, bis er in die Pubertät kommt und anfängt, sich aufzuführen. Über so etwas hat sich in der Porzellanabteilung vom Kaufhaus Österreich wieder niemand Gedanken gemacht. Über was denken die da überhaupt nach, bevor sie es uns mit Gültigkeit ins Gehirn scheißen? Wir haben wohl eine etwas sehr andere Vorstellung davon, was “denken” eigentlich ist. Von klein auf habe ich Menschen verabscheut, die “berechnend” sind und andere Menschen “manipulieren”, damit die ihnen gehorchen, ohne es aber je zu bemerken. Was für eine widerliche Trickserei – und zugleich die Methode, mit der wir alle derzeit rundum beschwindelt und schwindlig gemacht werden. Entweder wir spielen dabei mit – oder wir sind schon aussortiert. Die freie demokratische Wahl zwischen Pest und Cholera. Missverstehen sie mich richtig – die pseudoalternativen Scheinheilsversprechen der aktuell herumrandalierenden Verschwörungsdiabetiker sind auch keine Lösung des Problems. Der Fisch hört nicht dadurch auf zu stinken, dass man ihm einen anderen Kopf aufschraubt. Das Problem ist, DASS ER STINKT.

Buntes und BlödesNichtsdestoweniger werden wir auch in dieser Sendung wieder die Perlen des Überlebenshumors vor die letzten Nichtsäue werfen, die es da draußen noch gibt (und hier drin sowieso). Humor ist ja bekanntlich, wenn man TROTZDEM lacht. Und wir setzen jedes noch so heimliche Kichern und Schmunzeln auf die einzige Karte, die es inmitten der alles zu verschlingen drohenden Strömung ins verplemperte Nichts immer noch gibt: Schpritzmajim, aufs Leben! Danke für die lustigen Elefantenfotos, Judah Lewis! Und danke für dein Lebenswerk voll Phantasie und Schaffenslust, Arik Brauer! Danke für deine Musik und vor allem deine Texte, Tom Liwa! Und überhaupt Peter Klien! Danke für deine Sendung “Gute Nacht Österreich”. Sie werden lachen – jetzt wirds ernst mit dem Quotenonkel vom ORF. Da hat endlich einmal einer den Mut, Satire (gewiss auch von Jan Böhmermann inspiriert) als Entstellung der Wirklichkeit bis zu ihrer Kenntlichkeit aufzubereiten, in einem schmackhaften Potpourri aus Fiktion und (ja gibts denn sowas) Realität (oh mein Gott!), und schon kommt einem ORFloch just das aus, was seit Jahrzehnten Programm zum Pogrom macht: der Quotenschas.

Buntes - und fertig!Jetzt aber genug der Sozialkritik und zurück zum Sendungstitel (der immer auch einiges über den Inhalt verrät). Also – es gibt da die Kunst des Schüttelreims, deren höchste Form ein “echter Vierfacher” ist – wie etwa dieser:

Ein Leibesriese
ging auf Liebesreise.
Er sprach: Reib es, Liese!
Und sie rieb es leise.

Vor vielen Jahren wandte ich mit einem Freund gemeinsam die darin erkennbare Technik auf alles und jedes an, das mir vor Augen (und Ohren) kam, egal ob das Ergebnis dann einen Sinn ergab oder nicht. Eines Tages begegneten wir einer Flasche (mit Waschmittel), auf der “Buntes und Feines” geschrieben stand. Sogleich schüttelten wir (den Text, nicht die Flasche):

Buntes und Feines
Funtes und Beines
Beintes und Funes
Feintes und Bunes

Dadurch wird eines deutlich: Es kommt auf die richtige Mischung an!

Auch in dieser Sendung.

Le Chaim!

 

Pandemie. Nein, Poesie!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. Januar Ein lyrischer Kosmos besteht aus einem Urknall von Ideen sowie seinen zahllosen Möglichkeiten der Gestaltwerdung. Ein lyrischer Kosmos bildet sich durch wiederkehrende Wiederholungen von immer wieder neuen Variationen seiner endgültigen Form, die aber nie endgültig sein wird, zumal bereits wieder eine neue Variation in ihre Verwirklichung drängt. Fortwährend sich veränderndes Schaffen an ein und derselben Ursprungsidee (die zumeist nicht einmal klar erkannt und benannt werden kann), das ist Schöpfung als Dauerzustand. Und jedes einstweilige Endergebnis, das von uns betrachtet und beschrieben wird, ist Poesie. Ist ein Lied, ein Bild, ein Gedicht, ein Musikstück – oder die durchdachte Kombination von Verschiedenem zu der einen gemeinsam lebendigen Darbietung.

Pandemie. Nein, Poesie!Vor langer Zeit suchte mich einmal ein junger Mensch auf, um seine Sprachlosigkeit zu überwinden, die ihn immer dann befiel, wenn seine Freundin ihn fragte: “Was denkst du gerade?” Ich riet ihm, in diesen Augenblicken alles zu vergessen, was er sein wolle oder von dem er glaubte, es sein zu sollen oder zu müssen – und statt dessen einfach das zu sagen, was ihm als erstes in den Sinn käme. “Aber wie find ich das?”, war die berechtigte Nachfrage darauf. “Stell dir vor, du kannst mit deiner Hand durch deinen Mund ganz weit in deinen Bauch hinunter greifen. Dort packst du dann das Gefühl, das du gerade hast, holst es wieder durch den Mund heraus – und beschreibst es ihr.” Die beiden hatten daraufhin, wie ich erfuhr, überaus intensive romantische Erlebnisse. Und so gesehen ist jeder Mensch ein Dichter (eine Dichterin!). H. C. Artmann hatte umfassend recht: “Der poetische Act”. Die Güte und Gediegenheit des Gefühlten, Gedachten, Gedichteten erwächst aus der zunehmend bewussten Wiederholung. Und dann gibt es auch noch Sprachbegabung, Sprachverliebtheit und die sich bis zur Bessenheit steigerbare Ausdruckslust – in den unendlichen Weiten der Poesie.

An der Selektionsrampe des Warenhaus International stehen schon die Schergen der Marktwirtschaft und sortieren unsere Äußerungen nach deren Verwertbarkeit. Während sie sich durch unser Intimstes wühlen, erkennen wir einander und das Leben, das wir sind. Der, den mein Freund kannte begleitet uns dabei. Und mit ihm viele, deren Dichtung Wahrheit ist und nicht zum Kommerz verzweckt sein soll

 

Wunst kommt von wönnen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Januar“Kunst kommt von können, wenn sie von wollen käme, würde sie Wunst heißen.” Dieses Zitat, das allen möglichen Hervorhebern zugeschrieben wird, hörte ich einst aus dem beruflichen Mund des Kunstprofessors Oswald Oberhuber. In dem Fall vom oberlehrernden Hervorhuber höchstselbst. Vom Urhuber sozusagen. Was auch immer man vom staatsamtlich verbrämten Gschaftln und Hubern halten mag – mich erzürnt diese oberheblich herabgelassene Innungsmeierei grundsätzlich. “Kunst ist, was wir mit unserer Oberschrift als Kunst beglaubigen. Alles andere ist von Dilletanten und wird röcksächtslos ausselektiert!” Hätten die alten Herren von der Akademie das 1907/08 anders interpretiert, dann wären uns wohl Millionen Tote erspart geblieben…

Wunst Bonusmaterial“Als glöckliche Bestämmung gält es mir heute, dass das Schäcksal mir zom Gebortsort gerade Braunau am Inn zowies.” Der Sprachkunstpreis für geschriebene Hörbarmachung geht hiermit an Walter Moers, heute als Schöpfer von Zamonien weithin berühmt, dem wir darüber hinaus so legendäre Figuren wie das Kleine Arschloch, Adolf die Nazisau oder Käpt’n Blaubär verdanken, was wir in dieser Sendung würdigen wollen. Als Begröndung sei hier ein Artikel der Mainpost zitiert, der Lust und Tücke des Autors auf den sprachlich springenden Punkt bringt: “Walter Moers hat die Gabe, menschliche Verhaltensweisen, fast bis zur Unkenntlichkeit zugespitzt, in die Region der Groteske zu katapultieren. Wer über seine Karikaturen und Texte lacht, lacht eigentlich über die wirkliche Welt und – vielleicht ohne es gleich zu merken – auch über sich selber. Moers ermöglicht eine Art von intuitiver Wahrheitserkenntnis unter Umgehung des rationalen Großhirns. Genau so muss gute Satire funktionieren.” Die Wirkung aufs Publikum ist damit beschrieben…

Naturgemäß interessiern wir uns noch viel mehr für das innere Wirken im Gehirn des Autors, also zwischen den Kontinenten Ganglien und Neuronien, wo das verborgene Zamonien vermutet wird. Dort, wo das geheime Volk der Synapsen haust und braust. Um diese kreative Welt querassoziativ hervorsprudelnder Neurologismen näher zu beleuchten, haben wir die Bildergeschichte “Der Fönig” ausgewählt, die von Michael Krowas kongenial umtont und behörbart wurde. Die hierzutage tretende Sprachlust bewirkt, dass Haschisch ficken im Reich des Fönigs meist ganz Andreas bedeutet. So wie bei uns etwa wönnen. Das kann ein Verb zu Wunst sein (wie gönnen ja auch zu Gunst gehört). Es könnte allerdings genauso gut (reflexiv) von Wonnen kommen. Ob es das Wort wirklich gibt, ist dabei egal. Wir betreten den Kosmos der Phantastik

Ob wir uns da etwas abgewönnen?

 

Das goldene Tal

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Januar – “Das goldene Tal” ist eine jener Sagen aus Salzburg, die Michael Köhlmeier nebst zahllosen anderen Märchen und Mythen frei erzählt auf CD herausgebracht hat. Und es ist die perfekte Metapher für eine Gesellschaft, die dem Reichwerden verfällt, sich nach außen abschottet – und schließlich untergeht. Willkommen im 21. Jahrhundert! Auf unserer heutigen Reise besuchen wir einige recht bodenständige Liederdichter und Geschichtenerzähler in ihrer “Heimat”, die ihre Kunst und somit ihre Seele niemals an den meistbietenden Tourismusverein verkaufen würden. Denen es mehr um die Erhaltung unzerstörter Landschaft und Menschlichkeit als um den größtmöglichen Profit auf Kosten der nachfolgenden Generation geht. Denen ein lebendiges Herz mehr bedeutet als eine

Das goldene Tal wird von einem Schattenkönig beherrschtgoldene Uhr oder sonst ein Tinnef mit Lakritz. Und so treffen wir nicht ganz zufällig auf Fritz Messner, der mit seiner Band Querschläger auch diverse Tauerntäler bespielt, sowie auf Toni Knittel, einen Bluatschink aus dem Lechtal, dessen Mundart das heilige Land mit dem Ländle in Verbindung bringt. Und dort waltet wiederum der eingangs erwähnte Meistersinger der erzählten Rede. Ha! Gleich in mehrfacher Hinsicht eine Rundreise also. Mit Abschweifungen, wie es sich gehört: Etwa anlässlich der Frage, was “der Bluatschink” denn eigentlich ist. Die Etymologie dieses dämonischen Wassergeists führt zur klangvollsten Volksgruppe, mit der ich mich je identifiziert habe, nämlich zu den “kärntnerischen Alpenslaven”. Chapeau! Und auch zum “Blutschinkischen Grobianismus” aus der Phantasiewelt Zamonien von Walter Moers, weshalb wir den Herrscher über das goldene Tal hier vorzugsweise durch eine entsprechende Plastik von Carsten Sommer illustrieren. So überaus elegant kann (und sollte man auch!) aus der Abschweifung zurück finden.

Zurück in das goldene Tal, dessen Bewohner ihre Söhne schlachten (ihre Zukunft zerstören), um über die Maßen reich zu werden, den Taleingang (die Außengrenze) mit einer unüberwindlichen Mauer versperren, damit ihnen niemand ihren Reichtum wegnehmen kann, und die am Ende genau den Teufel anbeten, der sie zu diesem herzlosen Tun verführt hat. Doch wer oder was ist dieser Satan? In die Gegenwart übertragen hockt da ein Mammonmoloch auf dem Thron, die Summe aller Absichten und Entscheidungen, das Lebendige hintan zu stellen und den Wunsch nach mehr und immer noch mehr Reichtum (und Macht und Bedeutung und Ruhm) vorzuziehen.

Doch nach wie vor gibt es Propheten, die den handelnden Personen ins Gewissen reden: “Es sitzt ein Mann im Kanzleramt, der hat ein Herz aus Stein.” Kehrt um! Sonst fahren wir noch allesamt zur Hölle, herzlos und schuldig am Tod der Zukunft.

Etwas dagegen tun? Bitte, hier: Courage – Mut zur Menschlichkeit

 

New Model Army

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. Januar

“Sie können sich mit fast jedem meiner Generation darüber unterhalten, der unter diesen Punkumständen aufgewachsen ist, sie alle werden ihnen bestätigen, dass es diese spezielle Haltung gab: Was immer die Welt von dir will, lass mich in Ruhe damit. Wir hatten ungefähr 14 verschiedene Leute in der Band, die uns über die Zeit begleitet haben. Und was sie alle verbunden hat, war diese Punkattitüde. Welche Songs die Zuschauer hören wollen, was die Musikindustrie über uns denkt… lass mich in Ruhe damit! Wir sind New Model Army. Ja, wir sind manchmal scheiße, ja, wir machen Fehler, die wir bedauern, aber wir machen das auf unsere Art und Weise.” Justin Sullivan im Deutschlandfunk – kurz nachdem 2016 ihr 14. Studioalbum “Winter” erschienen war. Inzwischen gibt es mit “From Here” weiteres Nichtangepasstes

New Model Army…sowie den gleichnamigen Dokumentarfilm zum 40. Geburtstag von New Model Army. Den würdigen wir hier mit Musik aus 4 Jahrzehnten. Und zwar mit einer eigenen Auswahl, die nicht Verkaufszahlen oder Publikumsgunst, also die heute allgemein “Erfolg” genannten “Werte” im Blick hat, sondern den auch von Justin Sullivan oft beschworenen “Spirit”, die Grundstimmung aus Leidenschaft, Scheißdrauf und Trotzdem, das innere Berührtsein von dort, wo das Leben an sich herkommt (und das ist nicht dort, wo die etablierten Andenkenstandler ihren Weihrauch, ihre Rituale und ihre Heiligenbilderln anpreisen). Vielmehr dort, wo Zärtlichkeit und Zorn Frieden finden, weil Gefühl unverstellt ausgedrückt wird.

“Dieser Begriff von Kunst, der von monolithischen Bands wie Pink Floyd oder Yes ausging, die versuchten, mit ihren Monsterproduktionen und technischen Gitarrensolos zu prahlen, war das Hassobjekt. Punk stand dafür, diese Aufgeblasenheit zu vergessen und sich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren und das war der Spirit. Die Leute fingen an, in Pubs Gedichte vorzulesen oder gaben Trommelkonzerte mit Löffeln, alles war erlaubt. Auf einmal waren all die Regeln passé, wie man Musik zu machen hatte. In den frühen 80ern gab es plötzlich viele neue Formen, von der experimentellen Elektronik bis hin zu schrägstem Rock. Zwar hatten wir dieses musikalische Erbe der 60er und 70er, aber wir machten etwas Eigenes daraus. Unser erster Bassist Stuart Morrow war ein echt guter Musiker, im Gegensatz zu mir. Und da er wesentlich besser spielen konnte als ich, übernahm er die Leadgitarre und zwar auf dem Bass. Es gab keine Regeln, also warum nicht? Es ist schade, das viele Menschen heute, 30 Jahre später, von Punk denken, das es laut Gitarre spielen und herumgrölen bedeutet hat.”

Dem ist nichts hinzuzufügen – außer halt diese Sendung …

 

Nacht, Nächte, am Nächsten

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Januar – Nacht uns die Sinnflut! Oder wie es in der Signation heißt: “Die Nacht gehört immer noch uns.” Nachtgebet, Nachtsichtgerät, Nachttrafik. Ein Euphemismus für etwas, das entweder bis Mitternacht oder überhaupt nur in machen Nächten geöffnet hat. In Salzburg ist eben wohl auch das schier Endlose sehr enden wollend. Sperrstund is! Jetzt sogar mit nächtlicher Ausgangssperre. Höchste Zeit für eine kontaktfreie Würdigung des nächtlichen Umtriebs jenseits von Nachtdienst und Schlaflosigkeit. Es gibt nämlich gar nicht so wenige, die auch von sich aus gern “die Nacht durchmachen” oder sich sonstwie “dem Tagesgeschäft entziehen”, sei es aus Lust, aus Selbstschutz oder sonst aus Gründen. Wir fahren mit und für euch gepflegt sendend durch die Nacht.

Nacht 1Nun mag es zwar finster sein in der Nacht (und was immer stockfinster auch bedeuten mag), doch ist das Licht ja nicht völlig verschwunden, es erzeugt nur andere Farben und andere Stimmungen als am Tag. Wer jemals die Dämmerung (den Übergang vom einen ins andere) aufmerksam erlebt hat, der weiß, von welchen Drogen hier die Rede sein kann. Und wer am liebsten in Ruhe gelassen sein möchte vom lauthalsen Geschepper einer beschäftigt g’schaftelnden Gesellschaft, der (oder gern auch die, das, whatever) wird ums achtsame Wachsein in der Stille der Nacht nicht herumkommen. Denn erst dann lassen sich jene Beobachtungen festhalten und ausarbeiten, die tagsüber vom ringsum beanspruchten Geist nicht ausführlich genug aufbereitet werden können. Eine überaus produktive Zeitqualität tut sich da auf, nicht nur im Werk nach außen, sondern auch in im Wirken nach innen. Im Erschaffen wie im Erleben begegnen wir immer auch uns selbst: Das sind die Nächte der Dämonen.

Nacht 2Ein paar Beobachtungen von einem, der sich in der Nacht (oh mein Gott, das Abendland geht unter) über den Zustand der Welt seine Gedanken macht: Um die 150 Millionen Euro Förderung für eine nichtfliegende Fluggesellschaft hätte man für alle Klassenzimmer in Österreich die besten infektionsverhindernden Luftreinigungsgeräte anschaffen können. Warum drängt sich mir da beim heutigen Thema der Begriff “Umnachtung” auf? Wes Ungeistes Kind die hinter dem aktuellen Scheinheiland ihre klebrigen Fäden spinnenden Puppenspieler in Wirklichkeit sind, lässt sich leicht an dieser Geschichte erkennen. “Wer in der Früh nicht aufsteht, ist arbeitsscheu und faul.” Oder so ähnlich. Kurzifix nuamoi! “Wer die einfachsten Grundlagen eines für alle gedeihlich funktionierenden Gemeinwesens nicht versteht, ist ein dummer Mensch und sollte nicht daran herum doktern.” Machtphantasien und hohle Phrasen sind fürwahr keine Anzeichen irgendeiner “guten Entwicklung” – oder? Gute Nacht, Österreich!

Nacht 3Im nächsten Jahr wird eh alles besser. Oder halt im übernächsten. Liebe deinen Nächsten. Aber nicht den Nächstbesten. Hienieden im Jammertal musst du alles dulden, die ewige Seligkeit wird erst nach dem Tod ausbezahlt. Brimborium in excelsis trullala. Some animals are more equal than others. Volksabtei, Volksarznei, Verfolgspartei. Amen. Schleich di, du Oaschloch! Keine Macht für niemand. Und alle Nacht den Hasen! Kein schöner Land in dieser zweit. Zweiraumzeit. Mittenzwischendrin. Allnachtsphantasien. Wir laden ein zum Träumen. Wir laden ein zum aus dem Traum hochschrecken. Wir laden ein zum Jenseits – und zwar diesseits! Jenseits von Traum und Schrecken und Realitätern, die uns die Welt verstecken. Wir laden euch ein – und uns aus. Laden wir die Restln von 2020 ab – und laden wir uns wieder auf. Das Leben ist das Leben ist das Leben. Life is live. Hoppelfully yours! Auch und vor allem bei Nacht. Dunkelbunt. Gesangvoll. Wohltemperiert. Ein Märchen aus tausendundeiner

…..

RHYTHM IS IT!

 

Kein Jahresrückblick

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. Dezember – Wenn wir auf das demnächst vergehende Jahr zurückblicken, dann sehen wir da so einiges, das wir lieber nicht gesehen (oder überhaupt erlebt) hätten. Und inmitten des ganzen Schlamms einer zunehmend aus den Fugen geratenen Welt entdecken wir durchaus noch das eine oder andere kostbare Kleinod, das uns wieder aufbaut und uns das Herz wärmt. Also doch ein Jahresrückblick? Derer gibts ja derzeit aufdringlich viele, zumeist klingelnder Quotenbimbam und semantischer Quatsch, aber auch ein paar sehr gelungene, wie etwa der von Jan Böhmermann oder jener von Werner Doyé und Andreas Wiemers. Da wollen wir jetzt aber nicht hintanstehen und auch den einen oder anderen Scheißhaufen prämieren. Oder das eine oder andere Wunderding

Kein Jahresrückblick

ein passendes Foto von Bernhard Jenny

Einige der vergessenen sowie von der medialen Wichtigwelt oft kaum beachteten Aspekte dieses speziellen Jahres 2020 wiederum ins gemeinsame Bewusstsein befördern, das unternimmt unser etwas anderer Jahresrückblick, der eben keiner (daher der Titel) im herkömmlichen Sinn ist. Vor allem ein solcher Aspekt ist in der überbordenden Pandemie-Panik geradezu “untergegangen” – die eigentliche Bedeutung von Kunst und Kultur für das Wohlergehen der Menschheit. Andauernd wird  fast nur noch von Arbeitsplätzen, Einkommen und wirtschaftlicher Relevanz gesprochen, von “Kunstmarkt” und “Kulturindustrie” – allein die Wortwahl beweist, wie verblendet (oder verbrecherisch?) die offiziell Hampelnden generell sind. Sogar die Kunstschaffenden selbst scheinen ob ihrer Existenzbedrohung schon zu vergessen, was ihre Arbeit für das Menschsein leistet. In der Auseinandersetzung mit Musik, Literatur, Theater, Film, bildender Kunst jeglicher Art, mit Brauchtum wie mit Hochkultur, entwickelt ein Mensch seine Identität, lernt sich von anderen zu unterscheiden und erwirbt somit die Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen. Und pflegt und trainiert dadurch auch sein Leben lang diese Eigenschaften, die ihn (und sie!) erst dazu befähigen, ein für alle gedeihliches Gemeinwesen zu gestalten. Genau diese Lebenskunst brauchen wir doch in diesen Zeiten am notwendigsten!

Wer derart wesentliche Grundlagen – des Einzelnen wie der Gesellschaft – einem obskuren ökonomischen Imperativ unterwirft, ist in keiner Weise geeignet, für das Gemeinwohl Verantwortung zu tragen und sollte sofort aus jedem Regierungsamt entfernt werden. Wer durch politisches Handeln Kunst und Kultur zum optionalen Freizeitspaß herabwürdigt, begeht auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Demaskieren der Gesinnung!

PS. Alles Gute zum 40. Bandgeburtstag, New Model Army!

 

Irgendwas mit Georg Kreisler

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Dezember – Eigentlich wollten wir in unserer vorweihnachtlichen Bastelsendung “Irgendwas mit Texten” machen und hatten dafür schon zwei Ideen des großen Heimatlosen in Vorbereitung. Doch dann entschlossen wir uns angesichts der Überfülle an abgründigem Wortwitz in seinem Lebenswerk, die gesamte Sendung mit musikalischen Sprachspielereien von und mit – und rund um Georg Kreisler zu bestreiten. Und selbst das kann nur eine Andeutung bleiben. Thomas Rothschild schrieb in einem Nachruf in der Zeit, “dass der, neben Robert Gernhardt, die komischsten Reime seit Wilhelm Busch erfunden habe.” Das ist die eine Seite. Die andere beruht auf seiner zutiefst anarchistischen Weltsicht und bringt so eine geradezu prophetische Ablehnung der “herrschenden Verhältnisse” hervor.

Alles nicht wahr - Ein Georg Kreisler Abend

Salzburger Kulturvereinigung 10. 10. 2020 Foto: Franz Neumayr

Man braucht Kesselflicker
und Autobuslenker,
Elektrotechniker
und Serviettenschwenker,
vor Gericht braucht jeder
einen Verteidiger,
dieser Verteidiger
ist Akademiker.
Ich bin kein Zyniker
und kein Polemiker,
ich verehre diese Leute
wirklich sehr!
Aber was für Ticker
ist ein Politiker?
Eines Tages gibts den sicherlich nicht mehr!

Wir beleuchten also einerseits den phonetischen Sprachspaß, wie er in diesem Lied (und auch in anderen) vorkommt, anderseits die radikal zugespitzten Aussagen zum Zustand der menschlichen Gesellschaft. Wir erspüren die vielfältigen Inspirationen des Georg Kreisler, sowohl die ihn prägenden als auch die von ihm ausgehenden, von seiner Zusammenarbeit mit Charlie Chaplin in den 40ern bis zu ihm posthum gewidmeten Bühnenwerken von Nikolaus Habjan und Franui. Und mit dieser dichten Collage möchten wir insgesamt eines bewirken – dass zu diesen heurigen von Corona überwölkten Feiertagen ein altbewährtes Überlebensmittel des Menschseins nicht in Vergessenheit gerät – der Humor. Wir möchten dazu anstiften, Georg Kreisler und seinen Witz als ein Lachenkönnen auch in schwierigsten Verhältnissen zu feiern.

Eigentlich wollte er ja selbst einmal in unsere Sendung kommen. Doch dann ist er unvorteilhafterweise gestorben, bevor wir das realisieren konnten. Traurig besuchten wir sein Grab am Aigner Friedhof. Was uns allerdings immer bleibt, ist sein Humor.

Frohes Fest oder was auch immer …

Schuldig!