The Pervert’s Guide to Slavoj Žižek

> Sendung: Artarium vom Sonntsg, 23. August Ein Film über Filme für die Menschen, die dem herrschenden Konsumismus kritisch gegenüber stehen – und die den dahinter steckenden Ideologien umfassend auf die Spur kommen wollen. Das Portrait eines Philosophen, dessen provokant zugespitzte Thesen oft in der schieren Masse seiner Veröffentlichungen untergehen. Und dessen unterhaltsame Ideologiekritik gern hinter Jaques Lacans einigermaßen vertrackter Psychoanalyse verschwindet. Wir wollen euch jedoch diesen Film gerade deshalb empfehlen, weil er es auf höchst kunstvolle Weise bewerkstelligtt, etliche der Höhepunkte aus dem atemlosen Schaffen des Slavoj Žižek verständlich zu machen. Zunächst ein Auszug aus unserem Artikel zur Reisen-Nachtfahrt vom Freitag, 14. August als eine erste Inhaltsandeutung:

perverts guideBeim gegenständlichen Filmtipp der Artarium-Redaktion handelt es sich um: The Pervert’s Guide to Ideology von Sophie Fiennes. Wer sich, mit oder ohne sonstige Drogen (siehe Artwork) Slavoj Žižek, einen der letzten freifliegenden Philosophen der Popkultur, in die Pfeife stopfen will, wird und ist hiermit wunschgemäß bedient! Auf seinem Parforceritt durch die Geschichte populärer Filmwerke entlarvt er einige der uns innewohnenden Scheinwelten als das, was sie letztendlich sind – und immer schon waren – Ideologien! Von Leni Riefenstahls “Triumph des Willens” (1936) über den Salzburgschwachsinn The Sond of Music” (1965) oder Michelangelo Antonionis Zabriskie Point” (1970 & geniale Filmmusik von Pink Floyd) bis zu neueren Kinoerfolgen wie James Camerons “Titanic” (1997) sowie Christopher Nolans “The Dark Knight” (2008) zerpflückt er 25 Spielfilme – und einige Werbespots. Besonders gelungen und hier zum Appetitmachen verlinkt: John Carpenters “They Live” (1988). Und jetzt setz die Sonnenbrille auf! Aber auch die Hinterfragung der christlichen Heilslehre anhand von Martin Scorseses „The Last Temptation of Christ“ ist ein paar eigene Überlegungen wert. Hierbei möge die folgende deutsche Übertragung helfen:

„Ich denke aber, man kann die Haltung des Christentums noch viel radikaler verstehen. Genau das vermittelt uns die Kreuzigungsszene in Scorseses Film: Was da am Kreuz stirbt, ist die Sicherheit (der Existenz) eines „großen Anderen“. Hier ist die christliche Botschaft also radikal gottlos, sprich atheistisch. Sie bedeutet, der Tod Christi ist kein Freikauf oder Handel, in dem Sinn, dass er durch sein Leiden für unsere Sünden bezahlt. (Wem bezahlen? Wofür genau? Und so fort…) Sie bedeutet schlichtweg die Auflösung des Gottes, der uns den Sinn unseres Lebens sicherstellt. Das bedeutet auch der bekannte Ausspruch: „Eli, eli, lama sabachthani – Vater, warum hast du mich verlassen?“

analyze slavojIm Augenblick vor seinem Tod erfassen wir, was man in der (Lacan’schen) Psychoanalyse „subjective destitution“ oder „Entmachtung des Ich“ nennt – das vollkommene Heraustreten aus der Herrschaft der symbolischen Autorität, aus dem gesamten Bereich des „großen Anderen“. Naturgemäß kann niemand wissen, was „Gott“ von einem will – weil es keinen Gott gibt. Das ist jetzt der Jesus Christus, der unter anderem sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Wer nicht seinen Vater, seine Mutter,.. hasst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Freilich heißt das nicht, man soll seine Eltern jetzt aktiv hassen oder töten. Ich denke, dass „Famile“ hier alle hierarchischen sozialen Beziehungen repräsentiert. Die Botschaft von Jesus Christus lautet also: „Ich sterbe, aber mein Tod selbst ist die gute Nachricht. Er bedeutet, dass ihr jetzt allein seid – und euch frei entscheiden könnt. Bleibt in diesem heiligen Geist, der eben die Gemeinschaft der Glaubenden ist.“

Es ist falsch, zu meinen, die „Wiederkunft Christi“ würde in der Form stattfinden, dass der irgendwie als menschliche Gestalt in Erscheinung tritt. Christus ist längst anwesend, sobald Glaubende eine emanzipative Gemeinschaft bilden. Deshalb behaupte ich auch, dass der einzige Weg, wirklich Atheist zu sein, derjenige durch das Christentum hindurch ist. Das Christentum nämlich ist viel atheistischer als der übliche Atheismus, der zwar dafür eintreten mag, dass Gott nicht existiert, dessen ungeachtet aber immer ein gewisses Vertrauen in ein „großes Anderes“ beibehält. Dieser oder dieses „große Andere“ kann entweder natürliche Notwendigkeit heißen oder Evolution oder was auch immer. Als Menschen bleiben wir nichtsdestoweniger reduziert auf unsere Stellung innerhalb einer „zusammenstimmenden Aufforderung zur Entwicklung“ oder so etwas ähnlichem. Wirklich schwierig zu akzeptieren ist jedoch – noch einmal – dass es überhaupt nichts „großes Anderes“ gibt, und somit keinerlei Bezugspunkt, der uns Sinn und Bedeutung garantiert.“

Nicht einmal Slavoj Žižek 😉

 

Der Herr Hund

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. August – Es entspricht dem Wesen eines Hundes, dass dieser mehr oder weniger überall seine neugierige Nase hineinsteckt – auch wenns ein Haufen Scheiß ist. Und so gestalte ich in Entbehrung des auswärts abenteuernden Chriss diesmal wieder ein Soloprogramm aus allerlei hier wie dort zusammengeklau(b)ten Duftproben. Von japanischer Popkultur über den Primat der Ökonomie bis zum Gitarrensound der 90er lasse ich ein paar illustre wie obskure Zaunzeugen des Weltgehens ihr Charmebein schwingen: Pizzicato Five, Joesi Prokopetz, Frank Zappa, PeterLicht, Abie Nathan, Hanns Dieter Hüsch, Eroc (Grobschnitt) sowie Busch (die Band). Und weil genug niemals genug sein kann, lass ich auch mich selbst noch auf uns los – und zu Wort kommen. Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Der Herr HundGenial trifft es etwa PeterLicht, der 2006 sein Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ nannte und darin die folgende realexistierende bundesdeutsche Presseaussendung zum Kultsong erhob: „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. BDA-Präsident Hundt sagte: Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.“

Ich für meine Person distanziere mich hier ganz ausdrücklich von jeder Namensvelwechsrung!

Es ist sowieso nicht einfach, das Wesen des Hundes in der Popkultur zu erfassen. Wo riechen wir hin, was brunzen wir an – und wen beißen wir? Die Rolle des Wachhunds (und kommissarischen Hüters) der Errungenschaften des freien Radios erfülle ich ja (nomen est omen) durchaus gern mit Leben – dem, das ich bin. Jedoch worin bestehen diese Errungenschaften – im Gegensatz zum Grund- und Bodensitz privatöffentlich-kommerzrechtlichen Verallgemainstreams? Oder – im Spannungsfeld zwischen der freien Meinung und einem Thema? Lassen wir uns dazu am besten eine Collage dreier Statements aus dem Land der lebenden Phantasie in die Seele sickern: „The Voice of Peace – ein Kunnst-Biotop – zwei Welten, eine Familie“ und machen wir uns wieder einmal in bewährter Weise selbst einen Reim daraus!

Denn solang wir darauf warten, dass uns die Irgendwers den Weg zeigen, solang warten wir darauf

PS. Der gegen Ende der Sendung in Auszügen verlesene Artikel von Erhard Glötzl findet sich übrigens in der Zeitschrift für Sozialökonomie (1999) – hier als PDF-Download.

 

Lieber Griechen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Juli – Verstehen sie denn nicht, dass diese Menschen eine eigene Kultur haben? Ja, das ist dann hier wohl die Frage, wenn wir sprachlos die jeweils neuesten Nachrichten von der Europäischen Finanzplanierung Griechenlands hören und sehen. Weil einem genau das dabei zu vergehen droht, ist – allein schon aus gesundheitlichen Gründen – eine Rückbesinnung auf ein paar Besonderheiten der griechischen Kultur geboten. Und was würde sich in diesem etwas anderen Kafenion dafür besser eignen, als Geschichten darüber zu erzählen? Zum Beispiel die vom Jorgos (ein legendärer Wirt in der Schönbrunnerstraße), bei dem wir einst alle anschreiben ließen, und den es doch immer wieder verwunderte, wenn einer von uns dann seine Schulden bezahlte. Eine ganz eigene Kultur eben…

UND GUSCHOder auch die vom Grosser Michi (mein über alles geliebter Pfadfinder-Gruppenleiter), der zur Zeit der griechischen Militärdiktatur als Jugendlicher in Piräus Spottlieder auf Papadopoulos sang und dafür letztendlich nur fast verhaftet wurde! Warum wohl zog es jahrzehntelang gerade die etwas anderen Kinder nach Griechenland, einem Synonym für Freiheit und Abenteuer? Was war etwa eine Maturareise dorthin – in jenem historischen Zeitalter vor der Erfindung allinklusiver Rundumbehupfung? Darin könnte uns die Episode vom plötzlichen Verschwinden des Schneider Gü (mein Altgriechisch-Professor) wohl einige Einblicke eröffnen. Oder auch eine von Georg Danzer meisterlich selbst erzählte. Naturgemäß dürfen dabei die drei bekanntesten Vertreter der austro-hellenischen Freundschaft nicht fehlen, nämlich Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz. Aus dem wunderbaren zweisprachigen O Xenos (Gert Steinbäcker, Panos Falaras) hier nun die Übersetzung der griechischen Passagen quasi als Einstimmung – oder zum Schluss:

Mein Sohn fragt mich, ob du früher kommst.
Ich sagte ihm, im Mai wird er bei uns sein.
Tausende von Problemen haben wir und Steuern sogar noch mehr.
Aber mit einem Freund bei dir erträgst du das Leben.

Die Herzen sind ohne Grenzen, sie haben den gleichen Himmel.
Die gleichen Monde in einer Welt, fremd, leer und dunkel.
Heimat ist der Traum der Menschen, der die Seelen verbindet.
Und die Freunde, wie du weißt, zeigen sich in schwierigen Zeiten.

Darauf erst mal einen Ouzo!

 

Schaffnerlos

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. Juli – Mit dem diesmonatlichen Ganzen Album wollen wir einen wesentlichen Mitverursacher des Phänomens Austropop würdigen – und ihn speziell für die jüngere Generation den allzu schlappen Genrezuordnungen wie etwa „Musiker, Darsteller, Kabarettist“ entreißen. Denn Joesi Prokopetz schrieb nicht nur die Texte der meisten frühen Ambros-Hits (Da Hofa, Es lebe der Zentralfriedhof), sondern erschuf auch (im Produnktionskollektiv Ambros, Tauchen, Prokopetz) bis dato in Österreich einzigartige Konzeptalben respektive Hörspielwelten: „Der Watzmann ruft“, „Augustin“ – und eben das hier nun zu erlebende „Schaffnerlos“. Ein viel zu lang schon auf Kleinkunst und Blödelspaß reduzierer Textdichter, dessen hintergründige Beobachtungen inzwischen endlich auch in einer Dissertation gewürdigt wurden.

schaffnerlos 1978Es ereignen sich so wunderliche Szenen wie zum Beispiel diese: „Passns auf, do kennt jo jeda kumma und ma wos vo seim Sackl vuawanan und donn zwa Stationen umasunst foan! Bei mir lösen sie sich einen Fahrschein und donn kemma weida redn.“ – „Aso, so woin sie des drahn? Sie woin mi bezichtign, vo mia aus bleibns stehn mit ihnan Kibl!“ – „Sogns ned nu amoi Kibl zu meim Beiwogn!“ – „Kibl sog i.“ – „Sogns es ned nu amoi!“ – „Kibl sog i, jawoi, Kibl! Kibl! Kibl! Kibl!“ – „Ka anzichs Moi mea!“ – „Kibl! I hob jo gseng, doss eas gseng hot. Ea hots jo duat hin gstöd, ned.“ – „Jo ich bitt sie, so gehns doch weiter, wie kommt man denn dazu, der Herr Schaffner ist doch auch nur ein Mensch.“ – „Wos is a? A Mensch is a? A Sackldiab is a!“ – „Schauns, dass aussikumman, jo, jetzt is genug!“ – „So gehns doch weiter, sie Rüpel!“ – „Mischns ihna ned dauernd ein, sie Funzn, sie oide. Mundraub is des, jawoi, Mundraub. Mundraub!“ Wen wunderts, dass derlei atemberaubender Disput letztendlich in einem anarchischen Ausbruch der lebenslang unterdrückten Emotion kulminiert: „Von mia aus kennan mi olle umasunst am Oasch leckn!“ Das einfühlsam gezeichnete Psychogramm des echten Wieners zwischen Anpassung und Aufbegehren, oder, wie es Uwe Dick in der Vorrede zum Öd formulierte: „Die Summe derer, die ich täglich aushalten muss.“

Wir wünschen viel Vergnügen!

 

Frauenfußball? Böhse Mädelz!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. Juni – Was fasziniert am Mädchenfußball? Ein paar Betrachtungen jenseits des Sportkonsums und zwischen den Geschlechtern. Zunächst wollten wir uns ja aus Anlass der in Kanada stattfindenden Frauenfußball-WM über die seltsamen Sehgewohnheiten der immer schon männlich geprägten Sportwelt auslassen – gemeinsam mit kritischen Kolleginnen und/oder weiblichen Fußballfans, allesamt jedenfalls voll biologische Frauen aus unserem Bekanntenkreis. Nachdem die jedoch aus unerfindlichen Abgründen unsere Einladung ignorieren, stellen wir gern wieder einmal unsere eigene Mädchenmannschaft (sic!) auf. Wir können das nämlich! Zumal just dieser Tage und direkt vor unserer Haustür das Bundesfinale der UNIQA MädchenfußballLiga stattfand. Und da haben wir uns dann ein wenig umgesehen:

Die TorfrauDie in der zweiten Halbzeit des Endspiels recht unterbeschäftigte Torfrau der diesjährigen Meisterin Sportmittelschule Graz Bruckner, hier vor dem Hintergrund einiger kaspernd beiwohnender Jungs aus Salzburg. MomentJungs, Mädels, Fußballda war doch was?

Heute am SAK-Platz geschätzte siebeneinhalb Jungpubertiere (Konzept MÄNNLICH!) von der Beislterrasse erfolgreich vergrämt, als diese nicht aufhören mochten, drei Spielerinnen aus Wien sexistisch anzurotzen. Wobei sie sich zunächst über das Rollenkonzept ihrer kritischen Diss-Sonanz gänzlich uneins waren: „Was machst du auf einem Fußballplatz – du hast doch keinen Penis!“ oder aber „Du bist bestimmt kein richtiges Mädchen, weil du Fußball spielst!“. Wen haben die Bedauernswerten eigentlich in Biologie? Doch als es dann gröber wurde, „Deine Mutter ist eine Transe!“ und darüber hinaus, da schwellte ich drohend den Bauch und sprach in meiner vollsten Übelzeugung prophetische Worte: „Hörts auf da zum Stänkern, sonst schmeiß i eich außi.“ Und schwupp – weg waren sie. Norbert K.Hund auf Facebook

Die FrauschaftDie stirnrunzelnden Blicke der Spielerinnen vom drittplatzierten BRG Wien 22 Polgargasse (hier bei der Preisverleihung) sprechen in dem Zusammenhang Bände. Und bestimmt ist da noch viel mehr zu entdecken bei Stimmungsstudien zum Frauen- und Mädchenfußball. Geschlechterrollenklischees und andere Vorurteile haben eines gemeinsamsie stimmen nicht!

Ja, ich finds traurig, wenn ´ne Frau sich selber Kaufmann nennt
Und bin ich Sänger oder Sängerin?
Ja, ich find es nicht normal, dass man nicht mensch ist
Ein herrlich auf die jungen Herrn, wir Fräuleins sind nur dämlich

Ich scheiss drauf, ob´s normal ist oder wichtig
Ich scheiss auf diese Art von Sprache, aber richtig
Ich scheiss drauf, ob´s normal ist oder wichtig
Ich scheiss auf rosa oder blau, aber richtig!

Katriana

 

Sonnwendsendung

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Juni – Eine kritische Einlassung zu diversen Volksbrauchtümern – und unserem eigenen Erleben! Sommerliches Sonnenanbeten sowohl dies- wie auch jenseits von Christendumm, Ahnenerbsen und Esoterroir. Ein Potpourri aus Information und Nachdenklichkeit, zudem fein garniert mit Musik von Daisy O’Hara und Mystik aus den Alpen. Unter anderem. Denn die Beforschung des vermutlich schon uralten Fests zur Sommersonnenwende (also zum längsten Tag und zur kürzesten Nacht im Jahreskreis) stellt uns halt noch immer vor Rätselhaftes: Sich vorzustellen, wie zum Beispiel die bronzezeitliche Bevölkerung unserer Breiten das signifikante jahreszeitliche Ereignis begangen oder „gefeiert“ haben könnte, das erfordert ein Einfühlen in deren Lebenswelt ohne ideologisch interpretierende Brille.

sonnwendfeuerAllen bisherigen Deutungen des ursprünglichen Gehalts solcher Riten ist nämlich eines gemeinsam: Das nachträgliche Vergewaltigen aller Artefakte und Zeugnisse im Sinne ihrer jeweiligen Weltanschauung. So unterscheiden sich die bekannten Erklärungsansätze immer nur in den Ergebnissen und nie in ihrem Zugang zum Gegenstand an sich. Die katholische Weltdeutung etwa sieht in „extatischen Veitstänzen heidnischen Götzendienst“, der durch religiöse Überformung sogleich „unschädlich gemacht“ werden muss. Die germanenspinnerten Nationalsozialisten hingegen interpretierten in dieselben spärlichen Quellen eine „urmächtige Erscheinung des reinsten völkischen Brauchtums“ hinein. Zuletzt die esoterisch verquast neuheidnisch-spiritualistische Sicht der (kaum bezeugten) Dinge, die uns ein überquellendes Eintopfgericht voller „außerirdischer Offenbarung und naturmystischer Geheimlehren für Eingeweihte“ zu servieren trachtet. Puuuh, sagte der Bär – und hieß doch nicht Harry Rowohlt

feuertanzDabei lässt sich der Feuertanz auch ohne ideologisches Brimborium ganz und gar selbst vollführen – als ein Würdigen des Werdens und Vergehens – in allem dauerhaft Bestehenden. Als fortwährende Wiederverinnerlichung dessen, was sich in der Natur zyklisch von der Geburt über den Tod bis zur Wiederkehr stets erneuert – ganz im Gegentum zu den behaupteten Ewigkeiten menschlicher Erfindung. Da ist kein großer Unterschied zwischen dem Himmelreich und dem tausendjährigen – oder der kostengüstigen Reinkarnationstherapie. Wie gesagt, es ist wahrscheinlich kaum je möglich, derlei Vorvergangenes wie die Sonnenrituale der Ureinwohner überhaupt nachzuvollziehen, weil wir alle immer unbewusst die Kulturbrille unserer Zivilisation aufhaben. Und dennoch gibt es Möglichkeiten, das Phänomen Sommersonnenwende annähernd zu verstehen, vielleicht auf dem Umweg über vorzivilisatorische Kulturen außerhalb Europas – oder bewusstseinsverändernde Surrealismen in der Kunst.

sonnwendfeierBestes Beispiel für so einen echten Tanz mit dem Feuer ist dieses Lied:

Just learn to hide the way that you really feel
Never let them know that you’re scared
But understand that you’re not the special only one
Watch us now, watch us real close

How we all dance with this fire ‚cause it’s all that we know
And as the spotlight turns toward us, we all try our best to show
We are lost, we are freaks, we are crippled, we are weak
We are the heirs, we are the true heirs, to all the world

Let’s go build a fire down on the empty beach when the waves are crashing high
White heat purify, as the sparks fly up into the great black sky
Sacrifice these crutches to the crackling flames
Stand as silhouettes against the dawn
It’s far too late to try to sleep now, seems I’m never tired any more

I want to dance with this fire ‚cause it’s all that I know . . .
We are lost, we are freaks . . .
And we try our best to show . . .
I am lost… I’m a freak… ha ha ha

New Model Army – Ballad of Bodmin Pill

Und wir bedanken uns bei Till Westermayer für seine Feuerfotos auf flickr 😉

 

Deine Stimme, die zählt!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. MaiJournalismus und Märchenwelt, passt sowas denn zusammen? Romana Stücklschweiger geht diesmal mit uns auf die Suche nach ein paar magischen Geheimnissen zwischen Phantasie und Professionalität, die das Selbstsenden im freien Medium gar wundersam verzaubern. Denn das, was uns als Community der vielen verschiedenen Stimmen ausmacht, das entzieht sich seiner systematischen Dingfestmachung oft ähnlich wie die überraschenden Wendung eines Märchens – oder Traums. Sind wir also auch so etwas wie eine andersweltliche Erscheinung inmitten des Realitätsalltags, die sich nur durch ihr Dazwischensein definieren – und so von den anderen Erscheinungsformen abgrenzen kann?

Machtkunst„Wer kann beweisen, dass der sogenannte normale Zustand nicht ein Wahn ist – ein süßer Wahn vielleicht, aber ein Wahn. Dass ich in Wahrheit verzaubert oder gar verflucht bin. Dass ich weit von mir selbst entfernt, also verwandelt, bin?“ So formuliert es Michael Köhlmeier im Vorwort zu einem Kapitel seiner „Märchenwelt“. Und wie definieren wir „Wirklichkeit“? Etwa als Sachzwang oder Gewohnheit, als das normative Gewicht des Faktischen? In dem Zusammenhang fragen wir uns zum Beispiel auch, ob nicht mit dem Begriff „Journalismus“ im freien Radio noch etwas Anderes gemeint sein könnte als das im allgemeinen Sprachverbrauch weithin Übliche. Oder wie das engagierte Eintreten für lokale Musiksschaffende hinter den Kulissen funktioniert. Zwischen Handwerk und Idealismus. Zwischen Tagtraum und Technik. Zwischen Weltverbesserung.

KunstmachtDazu wollen wir von Romana einiges erfahren, ist sie doch ihres Zeichens Mitgestalterin des ab Oktober in der Radiofabrik angebotenen Lehrgangs für Musikjournalismus. Überhaupt ist sie ja auch selbst eine seit Jahren erfahrene Musikredakteurin und als solche der geneigten Gehörschaft aus diversen Sendungen stimmlich wohlbekannt. Ja, diese Stimme… Damit kommen wir zurück zu einem wesentlichen Merkmal der freien und selbstbestimmten Community-Radios: Hier ist die Vielfalt der unterschiedlichsten Stimmen in ihrer ganzen Bandbreite zu erleben. Und man merkt, es sind die Stimmen der Menschen, die man auch beim Einkaufen und beim Spazierengehen antreffen kann. Deine Stimme, meine Stimme, unsere Stimmen. Echtheit, nicht Verkaufsprodukt. Das ist das Geheimnis. Denn „Something is happening here, but you don’t know what it is. Do you, Mister Jones?“ (Bob Dylan)

 

Alles Gute!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Mai„Ja, so sind die Menschen, sie sind unterschiedlich – manche sind zart, und andere sind unverwüstlich.“ Mit diesem Zitat der Wiener Kapelle Das trojanische Pferd eröffnen wir die heutige Veranstaltung der Aktion „Das Gute Lied“. Darüber hinaus wollen wir uns ganz entschieden dem Guten, Wahren und Schönen in unserer eigenen Welt zuwenden, allein schon aus Gründen gesundheitlicher Generalprävention, in diesen Zeiten, wo die Euro-Video-Songcomtess ausgerechnet in Wien hofhält UND dazu noch ringsum das katholische Firmbimbam vor sich hin dröhnt. Jössasmarandjosef, da werden einem zwischen Parfum und Pailetten, Pfingstochs und Pfaffenspray die Außenweltnachrichten einfach zu unschön. Also ziehen wir uns zurück – auf ein gutes Buch, eine gute Idee, einen guten Menschen.

Guter HaseGönnen wir uns eine hasenreiche Auszeit von den vielen Anlässen und Aufmärschen des allweiligen Reizreaktionstrullala. Und widmen wir uns doch den Kunstgenüssen, die so überhaupt nichts mit all dem anstrengenden Plärr, Blink und Blah zu tun haben, dem die volksfesch zurechtgezupften Mitlinge fromm johlend und andachtsvoll nachhupfen. Brimborium in Schubidu Trihulliö! Ob Stadthalle oder Dom, ob Pfarrkirche oder TV – alles ein veritables Hochamt des Mitdazugehörens, des sich Auflösens in der anonymen Knetmasse der allallerweil Gleichklingenden. Nein, wir sind angewidert vom scheinewigen Immerdar und von der jährlichen Wiederkehr des uns zur Hingabe Verordneten. Es ist genug, oder? „Jetzt kann nur noch die Phantasie die Sterbenden vom Eis befrein.“  Konstantin Wecker Zum Schluss die Lesung aus dem Buch der Weisheit. Möge die Wurst mit euch sein!

Ich ziehe meinen Hut vor jedem heterosexuellen Menschen, der bei der Klärung seiner diesbezüglichen Identität/Orientierung einen genauso anspruchsvollen Weg zurückgelegt hat wie etwa ein Homosexueller…

 

PREIS WERT

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. April – Texte und Töne rund ums Wesentliche. Erlaubt? Verboten? Die Gewinner des Spiels stehen von vornherein fest – die Teilnahme ist aber für alle kostenpflichtig. Auf alles und jedes wird ein Preiszetterl geklebt, Kunst und Kultur werden zunehmend zerkauft. Die Wirrschaft muss wachsen! Und alles wird billiger, weils Geld kostet. Wie bitte? Vor allem das kreative Schaffen der Jugend wird ja dadurch angekurbelt, dass jede Schülerband und jeder Literaturzirkel sich eine Lizenz kaufen muss, sobald sie auch nur ein urheberrechtlich geschütztes Lied oder Gedicht vor mehr als eineinhalb Personen (also öffentlich) darbieten. Erkennen sie die Ironie? Oder die Absicht dahinter? Wir sind darob auf jeden Fall längst verstimmt!

kunstpreiswertDas wollen wir auch am Donnerstag, 7. Mai ab 18 Uhr bei der Civilmedia 15 (im Kunstquartier, Bergstraße 12) dokumentieren. COPY RIOT – A Barely Legal Artists‘ Rights Recycling heißt diese Word&Sound Performance – sie ist ein unterhaltsames Statement und ein Beitrag zur Diskussion um eine notwendige Neufassung des Urheberrechts, etwa an Werken der Kunst. Die Ursache (sic) dafür war das Verbot einer Thomas Bernhard Lesung im Salzburger Literaturhaus durch den Suhrkamp Verlag, und zwar im Auftrag von Bernhards Halbbruder Peter Fabjan, dem testamentignorierenden Erben der Verwertungsrechte (Standard-Artikel). Unser Standpunkt hingegen ist einfach, allerdings für die Arbeit in niederschwelligen, nichtkommerziellen Kultureinrichtungen wesentlich (eben auch in Freien Radios und anderen Community Medien). Veröffentlichte Werke stehen der Weiterverbreitung sowie interpretativen Bearbeitung unentgeltlich zur Verfügung, und zwar all jenen, die keinen materiellen Gewinn daraus erwirtschaften. Erst ab einem substanziell messbaren Profit seitens der Rechtenutzer sollen sie im Verhältnis dazu abgeltungspflichtig sein. Und solange die bestehenden Gesetze anwendbar bleiben, müssen für den dezidiert nichtkommerziellen Sektor in der Kulturvermittlung entsprechende Sonderregelungen (wie leistbare „symbolische“ Pauschalen etc.) auf Verbandsebene ausgehandelt werden.

A Mensch mecht i bleibn
und i wü net verkauft werdn
wie irgend a Stückl Woar
net olles wos an Wert hot
muaß a an Preis hobn
owa moch des amoi wem kloar

Wolfgang Ambros

 

Urheber rechts!

Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. April – Am 1. 1. 2016 endet die Regelschutzfrist von Adolf Hitlers “Mein Kampf” (üblich sind 70 Jahre nach dem Tod des Autors). Dann gilt der sonderliche Text nämlich als gemeinfrei und kann ohne Einspruchsmöglichkeit seiner derzeitigen Rechteinhaber (diesfalls nicht unlustigerweise des bayerischen Finanzministerums) von jederwem nachgedruckt oder sonstwie verwurstet werden. Entgegen weit verbreiteter Meinung ist der bizarre Pseudobestseller aus den 20er Jahren weder in Deutschland noch in Österreich gesetzlich verboten, es wurden nur nach geltendem Urheberrecht illegale Nachdrucke/Neuauflagen gerichtlich verhindert. Ein jahrzehntelanger Eiertanz der bayerischen Staatsregierung steigert sich angesichts des nahenden Ablaufdatums zu einem bigott-absurden Insichselbstwiderspruch. Die ARD-Doku “Countdown zu einem Tabubruch” bietet (soweit das geht) Überblick.

futsches reichWir erreichen hier offenbar die Grenzen und Fragwürdigkeiten geltender Gesetze. Soll das Buch des Braunauer Volksverdrehers (das ja ohnehin jederzeit im Internet gelesen werden kann) wieder offiziell in den Handel kommen – oder sollen sich die Nazinachfolgestaaten dafür einsetzen, dass man es möglichst nur in entsprechend antiquarischen Hinterzimmern zu kaufen bekommt? Mit dem „Schutz der Jugend“ wird hierbei argumentiert und mit dem „Ansehen der Deutschen im Ausland“, auch mit „Volksverhetzung“ oder „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“, denen man keinen Vorschub leisten möchte. Andererseits ist aber auch zu hören, dasss man es uns durchaus zutrauen kann, uns selbst eine Meinung über die Inhalte dieses Mach(t)werks zu bilden. Sogar Neonazi-Aussteiger („die saufen doch lieber, bevor sie so ein Buch lesen“) und einzelne Holocaust-Überlebende („die sollen nur begreifen, was das für einer war, der ihre Großeltern zu Mördern gemacht hat“) befürworten die freie Verfügbarkeit des – mir fehlen grad die beschreibenden Worte…

Vergleichen wir in dieser Sendung einmal zwei Vorträge von Auszügen aus dem Originaltext: Erstens Helmut Qualtingers genial unterschwellige Lesung aus den 70ern sowie zweitens Serdar Somuncus brachial überbordende szenische Version von 1996. Und hinterfragen wir eine gern mit Urheberrechtsgesetzen bemäntelte Machtpolitik. „Es gibt ja diverse kommentierte Ausgaben seit 1945, die Aufklärung geleistet haben. Hier geht es doch auch um das Monopol des Freistaats Bayern, für uns, die wir nicht Bayern sind, stellvertretend Gedankenpolizei zu spielen.“ (Serdar Somuncu in einer Diskussion).

Das gegenständliche Buch ist sowieso das abgrundtief Schlechteste, in dem ich jemals ein Kapitel auch nur zu lesen versucht habe. (Was ich heute im Rahmen der Vorbereitung getan habe – und was mindestens eine Woche Krankenstand zur Genesung erfordert). Die Sprache unfertig, klobig, verkrampft. Die Gedankengänge sprunghaft, abgehackt, sich in einem Absatz gleich mehrfach selbst widersprechend. Der Sinngehalt willkürlich, inkonsistent, mit Gewalt zusammengezwängt, dabei wackelig. Und der Inhalt ein Gebräu aus esoterischem Plagiat (Blavatsky, Liebenfels) und unsympathischem Hausmeister

WÜÜÜRRRG