Durchs wilde Kurdistan

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. AprilOhne Karl May, dafür mit Teresa Reiter, die uns von ihrer Studienreise durch die Autonome Region Kurdistan (Irak) im März dieses Jahres erzählt. Authentische Berichte und Eindrücke aus erster Hand sind, was die kurdischen Gebiete in der Türkei, in Syrien, im Iran oder im Irak betrifft, ja immer auch mit den Bildern in unseren Köpfen verbunden, und die reichen (je nach Lebensalter) von der Karl-May-Lektüre über die linke Peshmerega-Romantik der 80er Jahre bis zu aktuellen Fernsehberichten vom Krieg gegen die IS-Kämpfer. Freuen wir uns also zur Abwechslung mal auf ein paar atmosphärische Schwänke aus einem Kurdenstaat, der zwar offiziell keiner ist, doch oft besser funktioniert als manch anderer. Die wahren Abenteuer sind im Kopf, wo neue, bislang unbekannte Bilder entstehen.

BekasZur Illustration dieses Artikels haben wir Pressefotos des preisgekrönten schwedisch-kurdisch-finnischen Films “Bekas” ausgewählt, zumal dieser unsere übliche Vorstellung davon, was Kurdistan sei, durch die Geschichte, die er erzählt, gegen den Strich bürstet. Und weil er noch ganz nebenbei allerhand über das kurdische Volk im Irak vermittelt.

BekasUm interkulturellen Austausch ist es uns auch bei der Musiksuche gegangen, einige der populäreren Kulturbotschafter auf dem Gebiet (wie etwa Helly Luv) mochten wir wegen der so abgrundgrausligen Mainstream-Ästhetik ihrer Auftritte allerdings gar nicht erst bemühen! Stattdessen haben wir den in Köln lebenden Weltmusiker Heminderya mit seinem Projekt Nanobeat sowie den Wiener Kult-Elektroniker Karuan aufgetrieben, welche beide auf interessante Weise traditionell kurdische Musikstile mit modernen westlichen Elementen wie Hip-Hop, Jazz, Rock und Electronic zu aufregend neuen Gesamtkunstwerken verschmelzen. Als Einstimmung hier das Session-Video “Hawra” von Nanobeat und die äußerst chillige Rap-SoundCollage “Reflections of a Poem” von Karuan. Naturgemäß lässt sich über den individuellen Musikgeschmack trefflich streiten, doch ersuchen wir mit Nachdruck darum, von eventuellen Verwünschungen unserer Gästin abzusehen, die kann nämlich gar nichts dafür. Und sollte sich doch irgendjemand aus irgendwelchen Gründen auf den Schlips getreten fühlen, am besten in Zukunft einen kürzeren Schlips tragen! Denn wir sind ein geiles Friedensinstitut.

 

Die Krücke als Zepter

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. AprilFrucade oder Eierlikör? Zwanzig Jahre nach Ausstrahlung der letzten Folge im Rahmen der ORF-Reihe kunst.stücke besuchen wir Phettbergs Nette Leit Show abermals – in Gestalt einer für uns nicht untypischen “etwas anderen” Themencollage. Zugegeben, in den letzten Monaten hat der hauseigene Recyclingsender des Medienmarktführers sämtliche Folgen der Show wiederholt, und dazu noch den 2007 erschienene Dokumentarfilm “Hermes Phettberg, Elender” von Kurt Palm gesendet. Das war ein feuchtfrohes Fest für Sentimentalisten und alternativkulturelle Rundumgrantler, so fest steht viel! Doch hat Hermes Phettberg, dieses Schwergewicht unter den Evangelisten der freieren Möglichkeitsform, nicht darüber hinaus bleibende Spuren hinterlassen?

HermesIch erinnere mich noch gut an meine Begegnung mit ihm, anlässlich der Präsentation seiner Biographie von Klaus Kamolz am 5. März 1996 im Café Berg zu Wien (übrigens das einzige Phettbergbuch, das ich dazumals nicht als verwertwurstend oder voyeuristisch empfand). Während ich dem Meister des Zeremoniums jene spezielle Ermutigung beschrieb, die für mich und viele andere aus den Reihen der Gegenkultur von seiner Arbeit ausging, verleibte er sich feuchten Auges eine Cremeschnitte nach der anderen ein. Zum Schluss bedachte er mich, auch in Form einer Widmung, mit den Worten: “Vielen herzlichen Dank für diese Überfülle an Zuwendung!” Und nicht ohne diesem Ausdruck seiner Rührung noch ein subtiles “Ergebenst, Hermes” hinzu zu fügen. Was für ein riesengroßes und überaus feinfühliges Kind sich mir da doch offenbarte! Der Palm war auch anwesend, und wie verschieden sie dann sind. Gschaftlhuberisch schwurbelte er von Pressekontakt zu Pressekontakt. Dergestalt dargestellt fand ich seinen sprichwörtlichen Geschäftssinn beanstrengend, noch dazu machte er andauernd seichtschlüpfrige Sadomasowitzerl, die mir im Kontext dieser Veranstaltung schlichtweg scheißpeinlich erschienen. “Bad Fucking” halt, neurolinguistisch portioniert. Nichtsdestotrotz waren die beiden eine Zeit lang ein kongeniales Produzentenpaar, das uns mehr als nur eine Inspiration für ein Dauerthema bescherte. So wie eben den Titel der Show vom 17. Juni 1995, des Buchs von Klaus Kamolz sowie dieser Sendung. Oder, wie es Judith Holofernes in The Geek (Shall Inherit) ausdrückt: “Die Verletzten sollen die Ärzte sein…”

 

Philip Glass – Etudes for Piano

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. April – Der inzwischen fast 80-jährige Musiker und Komponist Philip Glass hat wie kaum ein anderer unsere Hörgewohnheiten mit seinem eigenwilligen Stil durchdrungen: Tabus – also Dinge, die eigentlich verboten sein sollten – sind oft am interessantesten. In meinem Fall sind das musikalische Materialien, die im Alltäglichen zu finden sind.” Neben vielen Opern und Symphonien haben speziell seine Filmsoundtracks eine ganze Generation von Zuschauer_innen beeindruckt – und ihn weit über den Liebhaberkreis moderner Musik hinaus bekannt gemacht. So etwa Koyaanisqatsi (1983), Kundun (1997), The Fog of War (2003), Tagebuch eines Skandals (2006) oder Leviathan (2014). Am dichtesten spiegelt sich seine Erfahrung, die Essenz seiner schöpferischen Phantasie, allerdings in den Etuden für Klavier:

etudes booklet

Da fängt es an, fließt und strömt; ein mäandernder Tonfluss im Hörbett seiner Wahl. So streift mich Aprilwind, erdbeerblond, Erinnerungen an Amsterdam und die Zugfahrt dorthin, Bilder von einem Mann ziehen durch mich, ein einsamer Mann auf einem lichten Balkon, welcher das Meer überblickt, während er versucht sein Fühlen in Worte zu kleiden. Was da so aus meinem Kopf hervorkommt, an diesem kühlfeuchten Morgen, diesem wolkengefächerten Tag, was da so herumspukt zwischen dem Pianodonnern. Seifenblasenberührung, Rauchfäden als Ufer oder aufgeblasene Kondomzeppeline in der weltenschwangeren Luft, auch zeigt sich das Glitzern zwischen den Fingerkuppen, vielleicht entzieht es mich der äußeren Wahrnehmbarkeit, ein wankendes Verlangen, doch noch in Decken geschlungen und hungrig, verwehrt sich mir zu Teilen das Eintauchen in die Zerrissenheit, die Ambivalenz, und dennoch erahne ich dieses Splitterland, ein Universum universeller Gleichzeitigkeit.

etudes cover

Oft zeigt sie sich eigenwillig, verwegen, dann eruptiv, gewaltig, heimlich oder hereinbrechend, verträumt, traurig, überlebendig, todessehnsüchtig. Unzulänglich all die Beschreibungen, unzufrieden ob der Grenzen der Sprache; Musik spricht einfacher und bedarf keiner Übersetzung. So frage ich mich, wie könnte man über Musik schreiben ohne zu be-schreiben? Ich erspähe die imaginierte Weite hinter den Mondblüten, stelle mir vor, was Bäume sich zuflüstern wenn sich ihre Wurzeln berühren oder frage mich, ob das Meer die brechenden Wellen beweint. Vielleicht nimmt mich der Sturm als Segel und trägt mich über das unergründliche Blau an die Grenzen der Welt oder ich werde der Blick meines Fensters; ein flammender Handknospenkuss.

Es sind wohl nicht die Etüden selbst, sondern deren innere Zusammenhänge und Verästelungen miteinander; sie erzählen Geschichten, die man nicht aufschreiben kann. Man muss schon hinspüren und –hören, um Philip Glass’ Poesie zu erkennen, sein Worte zu verstehen, seine Bilder zu schauen. Es ist eine Reise, eine Fahrt durch wundersam surreale Traumlandschaften.

Ein Hörbericht von Christopher Schmall

 

Halleluja Rainald Grebe

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Februar – Er bietet das Vielfältigste, Hintergründigste und Abgedrehteste, das derzeit im deutschen Sprachraum unter den Begriffen Musik, Theater und Kabarett zu erleben ist. Vor allem aber sprengt er die Grenzen der Definitionen – und macht aus allem, was er auf die Bühne stellt, eine noch nie dagewesene Mischform – genau das gefällt uns naturgemäß ganz besonders. Er spricht in Interviews offen über Drogen und seinen Zivildienst in der Psychiatrie, spielt in Jugendzentren, Kellertheatern – und auf der Berliner Waldbühne. Oder im Volkspark Wuhlheide, wo er vor 15.000 Zuschauern die DDR-Weltjugendspiele von 1973 “zum Nacherleben” bringt. Für ihn ist eben alles, was ihm so begegnet, immer auch “Absurdes Theater” – das merkt man seinen Auftritten sogar vollnüchtern an.

WuhlheideDer studierte Dipl. Pup. (Diplompuppenspieler) wird als Dadaist der Kleinkunstszene, als experimentell, eigenwillig und absurd komisch beschrieben. Seine Selbstdarstellung ist aber auch stets eine Fundgrube für Neugierige und Eigenartige. So prophezeit der “Verrückte bei klarem Verstand” über sein (eben auch diese Sendung prägendes) Konzert – oder besser Happening: “Spring nie zweimal in denselben Fluss, sag ich mir gleichzeitig – und werde alles dafür tun, dass Halleluja Wuhlheide kein Aufguss wird, sondern ein Unikat. Monate proben für den einen großen Abend. Mit brandneuen Songs und Klassikern, mit Gästen, Freunden, Wegbegleitern. Die einmalige Verschwendung.”

Es geht mir gut, ich kann nicht klagen,
auf du und du mit meinen Spareinlagen,
hier im Auenland lächelt die Heidi Klum
und an den Rändern fliegen die Nazguls rum.
Lampedusa, Lampedusa, ich rasier mir die Beine,
und wer Nazis nicht sucht – na, der findet auch keine.
Die Arche Noah ist ein schönes Schiff,
Tina – there is no alternative.
Mein Nachbar schläft auf dem Sofa ein
und der Vettelvettelvettel, der fährt immer im Kreis.
This world is doomed – doch ich denke oft,
solang Roland Kaiser tourt, ist doch alles soft,
im Kokon…

Komm in den Kokon!

PS. Link zur Sendung vom 10. August 2014: “Rainald Grebe – auch mit Band!”

 

Snökuken

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. JanuarSchneepenis, Pflückgedicht und StreetArt. Kunnst, im öffentlichen Raum? Dem Monolog der Mächtigen das Eigene entgegnen, mit Inbrunst. Hinbrunzt! Die uns angeblich allen gehörenden Lebensräume werden zunehmend verprivatisiert, das heißt den wirtschaftlichen Interessen ihrer “Besitznehmer” zweckgewidmet. Zu abstrakt? Dann nochmal langsam zum Mitdenken: Ein gewisser “Staat” in Gestalt von Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung erhebt (auf was hinauf eigentlich?) Eigentumsanspruch auf unser aller Lebensumgebung und Umwelt. Gegen Bezahlung tritt er (der Staat) dann bestimmte Rechte (unsere!) zur Verwertung des Allgemeinguts (unseres!) an “private Investoren” (anonyme Firmen oder geldschwere Einzelpersonen) ab – und verbietet uns dann die weitere Nutzung.

snökukenEin solches Geschäft kann als sittenwidrig und somit als nichtig angesehen werden, zumal es ohne Zustimmung der Miteigentümer zustande gekommen ist. “Aber das ist alles ganz legal”, werden uns die uns (das Volk) vertretenden Volksvertreter sogleich erklären, “und jede Art von Graffiti ist eine Sachbeschädigung und die Benutzung des öffentlichen Luftraums zwecks Meinungsäußerung ist eine Geschäftsstörung.” Das mag schon sein, dass seit der Erfindung der Republik Österreich und ihrer Verfassung ein paar windschiefe Juristen diesbezügliche Gesetze zu Papier geschissen haben – doch ist etwas schon deshalb wahr (und richtig), nur weil es wo geschrieben steht? Und kommen denn die Erträge aus diesen dubiosen Luftgeschäften wenigstens nachweislich “dem Volk” zugute, aus dessen Eigentum sie generiert wurden? Aber nicht doch! Statt sich im Wohlergehen des Gemeinwesens förderlich auszuwirken, verschwinden die uns listig abgeluchsten Gelder im Dickicht der internationalen Finanzwirtschaft – zur Rettung von Banken, zur Stützung von Kursen, zur Verplemperung in dysfunktionaler Repräsentation, kurz zum Sichfickenlassen von allem und jedem, was auch nur entfernt nach Investitionsklima miachtelt. Pfuigack!

barbara jesusLetztendlich wären wir gern gefragt worden, in was für einer Welt wir leben wollen – und zwar bevor man sie “zu unserem Besten” derart verunstaltet, dass wir uns in ihr kaum wiedererkennen. Letztendlich geht es dem Menschenwesen um den Dialog, um Frage und Antwort, um gemeinsames Erarbeiten von Lösungen – und nicht darum, dass uns von oben herab “Wahrheiten” übergestülpt werden, die nichts mit uns zu tun haben, aber erkennen lassen, dass sie den Interessen derer dienen, die da oben sitzen, von wo herab sie uns im Befehlston “den rechten Weg” verordnen. Gehts doch scheißen – aber bitte woanders hin! Es ist ein einziges Propagandagedröhn, das uns permanent zuquasselt, tagein, tagaus, von Schildern und Plakaten, aus Auslagen und Fernsehern, Gasthäusern, Geschäften, Nachrichten, Netzwerken, Popsongs, Radioshows, Universitäten. Die Orgel des Untergangs ist immer und überall! Und der Fleischwolf der Gedankenstopfwurst ist in unseren Köpfen, seit wir auf der Welt sind.

Sich zur erlebten Welt selbst zu äußern (in welcher Weise auch immer) ist gesund! Doch wie kann Eigenes wahrgenommen werden, solang ringsum das Fremde dröhnt? Unsere Ideen dazu: Zettelpoet Helmut Seethaler und StreetArt-Künstlerin Barbara, der Schneepenis von Göteborgoder doch der Graffiti-Krieger KIDULT, dessen brachiales Video “Visual Dictatorship” ganz neue Getreidegassen-Gefühle erzeugt?

 

Crude and unplugged

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Januar – Die Band aus Bürmoos präsentiert ihr Debutalbum “Tied at the end” live bei uns im Studio – und stellt sich als ein etwas anderes Musikprojekt vor. Zum Beispiel antworten sie auf die nicht ganz undepperte Interviewfrage “Warum macht ihr eigentlich Musik?” schon mal großartig lapidar mit: “Weils uns taugt.” Eben! Kunst ist kein Markt und Musik kein Business, auch wenn uns die gekauften Tröten des Weltmarktglaubens ständig das Gegenteil einorgeln möchten. “Ned olles, wos an Wert hot, muaß a an Preis hom” konstatierte ja schon der gar nicht so erfolglose Austropop-Mitbegründer Wolfgang Ambros 1982 in seinem Lied “A Mensch möcht i bleibn”. Demgemäß nunmehr herzlich willkommen, denn hier geht es um das echte Feeling – und, hallo – “der Mainstream is uns wurscht!”

crude“Es geht nämlich darum, ob man etwas glaubhaft vertritt, das für die Zuhörer nachvollziehbar, vor allem nachfühlbar ist – oder ob man nur imitiert, einfach nachkasperlt, damit es beim Zuhörer schnell einmal klingelt oder beim Radioredakteur irgendeine Assoziation hervorruft. Oder, ob es spürbarerweise aus dem eigenen Schaffen kommt und so klingt, wie das, was einem taugt.” Dies ein kurzer Auszug unserer Sumpfblüten-Nachtfahrt vom letzten Oktober, in der wir das vorab veröffentlichte Video von “Tied at the end” bereits vorgestellt haben (hier ab Minute 92 gut zu hören). Dem haben wir nichts hinzuzufügen – abgesehen davon natürlich, was sich bei unserer Begegnung im Studio von selbst ereignen wird…

Manche meinen, wir featuren alles und jeden, wo einen dreiakkordigen Schas lasst und nicht bei drei am Baum sitzt, weil wir nämlich Radio machen und da gehört sich das eben so, dass man irgendwem irgendwie die geheimen Erwartungen massiert. Doch diese Ohrrüben haben den feinen Unterschied zwischen dem freien Rundfunk und einer (gern auch öffentlich-rechtlichen) Medienindustrie noch nicht verstanden. Dem, wovon wir hier begeistert berichten, könnt ihr euch jedenfalls selbst aussetzen, und zwar bei der CD Release Party (5. Februar, 20 Uhr in der Mainbar Oberndorf) oder beim Konzert mit Krautschädl (26. März um 18 Uhr im Jazzit). Zum Wohlsein!

 

David Bowie – ein Vermächtnis

Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Januar – Kein Trauerspiel, kein Nachruf, keine Sendung über David Bowie! Vielmehr für und mit ihm… Die Musik spricht, wir geben ihr Raum, verlieren nicht allzu viel Worte. Zumal uns ohnehin die Luft weg zu bleiben droht und die Traumbilder uns überholen. Wir laden euch also ein auf eine Fahrt in dunkelbunte Betrachtungen:

back in…da war plötzlich dieses Pochen, dieser Herzsprung, tausendfarbige Funken, die im Raum schweben blieben, während das Zwielicht des dämmernden Morgens mir Labyrinthe auf die Haut malte. Da war auch ein gewisser Rausch, eine Art Berauschung, ein Fluten und Stöhnen, schlußendlich ein Begreifen und Spüren; ein in Rot getünchter Moment.

„I’m floating in the most peculiar way“ – es traf mich zwischen den Augen. Er traf mich. Ich träumte nicht. Es regnete Perlen. Es regnete Masken. Ich kleidete mich in Klänge. Mosaike aus Spiegelscherben, eine samtene Geste, vielleicht eine Ahnung oder unendliches Weiß, der Schnitter Tag und Zigaretten zwischen den Zeilen. Es ist mehr, sagte ich, es ist mehr da, sagte ich, warf mich durch die Bildschirmwunder und schrieb taumelnd die Blässe vom Himmel.

Der Tod leuchtet matt in unsre Leben : ein schwarzer Stern.
Da waren deine Augen. Da war wieder das Pochen; feine Brüche und Disharmonien. Nichts geht mehr unter die Haut. Ich wechsle das Gesicht, die Farbe, den Schein; trete nach außen, pflücke den Mond, lege ihn dir auf die Stirn. Wir streifen die Zeit ab, wir stehlen die Zeit, wir wanken von Zeit zu Zeit. Zaghaft dein Blick, meine Hand noch zögernd; zusammen, einen Tag, für einen Tag, was für ein Tag, nur dieser eine Tag… 

 

Rapistsophie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. DezemberRap ist Jule: Gregor Gysi interpretiert K.I.Z-Texte (Video). Zum Jahresschluss sprengen wir noch einmal alle Definitionen – und ergehen uns mit starken Frauen im Hip-Hop-Journalismus. Das deutsche Szene-Magazin “Rap Ist” onaniert nämlich nicht nur mit den Parisern des Insiderschmähs, sondern überschreitet auch absichtsvoll die Sprachgrenzen des Eingeweihten. Vor allem die weiblichen Mitglieder (sic!) konfrontieren einerseits die Deutschrapper mit Fragen nach “sexueller Gewalt gegen Frauen” in ihren Texten (ein ganz ausgezeichnetes Video!) und inszenieren andrerseits den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei als politischen Interpreten durchaus derben K.I.Z-Liedguts. Für uns eine Übersetzungsleistung, die längst überfällig war!

rapistjule1Ist es nicht ein Kennzeichen der etablierten Hoch- und Geldkultur, dass sie nur von Eingeweihten, die den vorherrschenden Code auch verstehen, konsumiert werden kann? Wo verläuft in der Hip-Hop-Szene die Grenze zwischen Selbstironie und Anpassung ans Geschäft mit der sehr elitärenrapistjule2 “Ich kann etwas, was du nicht kannst”- Kunst? Und, tut es bei solch Überlegung nicht unendlich gut, zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der/die immerhin eine Möglichkeit zum Erkennenkönnen eröffnet – auch für Außenstehende, auf dass sich die Welt wieder reime? Zum Glück haben wir hier in Salzburg ebenfalls rapkundiges Fachpersonal am Start, und so können wir euch einige Ausschnitte aus ein paar legendären Rap-Ist-Interviews zu Gehirn bringen, naturgemäß remixed und in den Kontext der jeweiligen Musik gesetzet. Damit nicht genug, wollen wir über diese herzliche Empfehlung hinaus noch auf einige vernachlässigte Aspekte des Rap-Genres, des Hip-Hop und Rock Crossovers und des unverständlich Fremdssprachigen verweisen, was uns gröbere Freude bereitet:

NoizeMC - Rap aus RusslandIn Deutschland sowie auch in Österreich ist ganz leicht blöd daherreden und sich dann im selbstgelassenen Darmwind des bildungsbürgerlichen Skandälchens interviewgebend zu sonnen. Hierzulande wird einfach niemand bloß wegen seiner/ihrer Texte verfolgt! Anders in Russland oder im Iran – also wo finde ich die Gespräche mit Shahin Najafi (der ja in Deutschland lebt) oder die Übersetzungen von Noize MC (der wegen seiner Aussagen bedroht wird)? Die üblichen Verdächtigen sind noch längst nicht “die Szene”, auch wenn sie Crack Ignaz dissen und “klaut Rap” so buchstabieren. Folgerichtig erweitern wir unsere Sendung um eine Koproduktion von Noize MC und Lyapis Trubetskoy “Bolt” – doch MÜSST ihr euch den Track als Video von Alexey Terehoff anschauen – erst dann werdet ihr auch unsere Visionen haben.

Käptn Peng: “Das O ist durchsichtig” (Artarium-Interview)

 

Happy Birthday, Lemmy

> Sendung: Artarium Weihnachtsspecial 24. Dezember – Ist uns heute der Heiland geboren? Damit es nicht allzu heilig (und zu still und zu leise) wird an diesem Abend, bescheren wir uns eine Geburtstagsfeier der etwas spezielleren Art: Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger (sowie Erfinder und überhaupt Mastermind) der einigermaßen sehr harten Rockgruppe Motörhead, wird haargenau heute 70 Jahre alt. Oder auch jung, je nachdem. Wir gratulieren jedenfalls schon mal heftiglich – und bedröhnen euch mit Auszügen aus seiner Autobiographie “White Line Fever” nebst insgesamt 6 (in Worten Sex) launigen Musikstückerln aus Lemmys frohem Schaffen sowie seinem lauthalsen Umfeld. Es darf also gekracht und gescheppert werden, liebe Heiligabendgemeinde der aufmüpfigen Kinder und junggebliebenen Großeltern. Lassen wir die Sau raus!

lemmy christLemmy Christ by Carny-Kapturek. Die Zeichnung ist nebenbei das einzig wahre Bild für den heutigen Anlass, nämlich den zufällig auch am 24. Dezember geborenen Religionsverweigerer namens Ian Fraser Kilmister hochleben zu lassen, der für nicht wenige Hardrock- und Metal-Afficionados selbst so etwas wie Heilandsstatus besitzt. Und ein guter Hirte seiner Schäfchen ist er allemal, wie die Anekdoten aus seinem bewegten und kaum jemals nüchternen Leben uns beweisen. Zudem gibts die Fortsetzung (den Schluss) der Artarium-Weihnachtsgeschichte vom “barmherzigen Rumänen” zu hören, was also will das bescherungsschwangere Herz zur Feier des christlich-alpenländischen Eilighabens mehr? Vielleicht einen kleinen Vorgeschmack auf die heiligabends zu hörenden Musikalien? Also gut, dann will ich mal nicht so sein – und ergehe mich knietief im Kryptischen. Auf 3 von 6 (Sex!) Liedern singt Lemmy selbst, aber nur 2 gemeinsam mit Motörhead, eins davon ist noch dazu ein Cover. Hähähä, weiter mit der Verwirrung! Apropos, 3 von 6 (you know) Musiktiteln heißen aus Anlass des Abends “Sympathy for the Devil”, doch keinen davon spielen die Rolling Stones. Einen jedoch (sowieso das genialste Cover) Daniel Kahn, Psoy Korolenko & Oy Division (aus ihrem Album The Unternationale). Hähähähähä! Den könnt ihr euch gleich reinziehen. Und Lemmy singt wieder einmal (no, na!) vom Ende der Welt. Dann passt doch alles wunderbar zum Thema, oder?

 

Quando sono assente mi manco

Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. Dezember – Allein schon der Titel des Albums von Giacomo Sferlazzo ist eine philosophische Herausforderung. “Wenn ich abwesend bin, vermisse ich mich”, lautet die Übersetzung. Doch abwesend wovon? Von einem Menschen, einer Gegend, geistesabwesend? Vom eigenen Selbst entfernt, entfremdet? Und vermissen? Da fehlt was, geht einem was ab, das tut weh – mir mangelt” ist nicht nur dem Klang nach mit “manco” verwandt, sondern geht tatsächlich aufs lateinische “mancus” für “gebrechlich, verkrüppelt, verstümmelt” zurück. “Wenn ich nicht da bin, fehlt mir ein Fuß“, könnte man also auch sagen. Gäbe es ein besseres Motto für einen Mann, der als Aktivist und als Künstler seine Heimat Lampedusa aufmischt, diesen bizarren EU-Außenposten im längst stattfindenden Krieg Arm gegen Reich?

Giacomo Sferlazzo“Liedermacher Giacomo Sferlazzo aus Lampedusa besingt nicht nur die Tragödien, die sich im Mittelmeer mit Flüchtlingen abspielen. Er hat auf seiner Heimatinsel auch ein Museum eröffnet, das den Besuchern den Atem stocken lässt. Denn die Exponate sind die bescheidenen Habseligkeiten von Flüchtlingen. Nicht nur Wasserflaschen oder Rettungswesten von Überlebenden, sondern auch vom Meer an Land gespülte letzte Erinnerungen an verlorene Seelen, denen das Meer zur Grabstätte geworden ist.” – So beginnt ein feines Portrait dieses mitfühlenden Widerspenstigen, das Wolfgang Maria Gran und Joachim Bergauer unter dem Titel “Der Herr der Dinge” auf ihrer etwas anderen Nachrichten-Agentur BQ-Media veröffentlicht haben. Ihnen verdanken wir nicht nur das obige Foto von seinem Ausstellungsraum aus den Schwemmholzplanken versunkener Flüchtlingsboote (hier ein schon etwas älterer ttt-Beitrag zum Projekt des “Museo delle Migrazioni”), sondern überhaupt das Kennenlernen seiner musikalischen Arbeit – und die hat es ebenfalls abgrundtief in sich! Denn der umtriebige 35-jährige Cantautore (und das ist beileibe mehr als bloß “Liedermacher”) verarbeitet die vielfältigsten Einflüsse

Dazu ließe sich jetzt noch eine ganze Menge daherschreiben, doch wir wollen uns ja nicht überanstrengen (und eine musikwissenschaftliche Arbeit soll das hier auch nicht werden). Ihr könnt als Vorgeschmack auf die Aushängigkeit von Giacomo Sferlazzo, seiner Weltsicht und seiner Musik schon mal dieses Video von Tu e Io aus seinem aktuellen Album würdigen, welchas wir ja in dieser Sendung ausführlich vorstellen…

Oder auch die Ankündigung der Ausstellung ‚HUMAN RIGHTS?‘ #MIGRANTES von 2013 in Rovereto. Dann versteht ihr schnell, warum sich bei ihm auf das Wort Tortura (Folter) der Satz “Io non ho paura” (Ich habe keine Angst) reimt. Und warum ich mir in dieser Kulturstadt Salzburg” am liebsten die Bratpfanne auf den Kopf hauen möcht!

Ihr könnt uns aber auch in unserem Café Unstet besuchen…