Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Another Brick In The Wall

-> Download: Artarium vom Sonntag, 23. Februar – Unlängst war in der befreundeten Radiosendung Hallo Punkerland und PunkerInnenland 😉 ein ganz ungewöhnliches Musikstück zu hören. Was denn, Pink Floyd mit deutschem Anarchotext? Eine kurze Nachforschung förderte sogleich das dazu gehörige Musikvideo zu Tage, „Another Stein in The Wall“ oder so ähnlich – ein vom aktuellen Slime-Schlagzeuger Alex Schwers inszeniertes Cover/Mashup aus deren Uralttext „Bullenschweine“ und der Musik von Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ – unglaublich ironisch und voll abgedreht! Immerhin entstanden beide Titel so um 1979 herum, also vor ungefähr 35 Jahren – doch gibt es dahinter nicht vielleicht noch andere inhaltliche Zusammenhänge? Da holen wir doch gleich mal die vom Ton-Steine-Scherben-Mitbegründer Kai Sichtermann herausgegebene Musikanthologie „Kultsongs & Evergreens“ hervor, für die der hier schon öfter zitierte Autor und Leonard-Cohen-Übersetzer Misha Schoeneberg den Artikel „Das radikalste Schülerlied“ zur eingangs erwähnten Pink-Floyd-Nummer verfasst hat – und lesen wir…

pink_floyd_the_wall…darin Folgendes:

„Es ist alles irgendwie schief gelaufen. Von Anfang an, darüber war man sich einig, damals, Mitte oder Ende der 70er. Man stritt nur darüber, ob das Elend mit dem Verlassen der Bäume, dem Beginn des Ackerbaus oder dem Aufkommen der katholischen Kirche begonnen hatte. In dieser Zeit las Roger Waters Wilhelm Reich, wie so viele in jenen Jahren. „Den Kindern der Zukunft“ widmete Reich sein wohl größtes Werk „Christus Mord“. Er spricht dort von „Panzerungen“ (Angst vor Liebe und Zärtlichkeit), die den Kindern durch die Eltern in Form restriktiver Erziehung verpasst werden. Die Eltern litten unter den gleichen Ängsten, die sie von ihren Eltern eingebläut bekamen, und diese wiederum von ihren Eltern usw. Dass wir uns so weit vom eigentlichen Menschsein entfernt haben, das ist die tatsächliche „Erbsünde“ nach Reich. Und gegen diese Panzerung, in der wir stecken, als wären wir lebendig eingemauert, hilft nur der Weg zurück; ein auf Generationen angelegtes Projekt: Die Kinder müssen sich wieder eigenständig und frei entfalten dürfen.“

Dem haben wir nichts hinzuzufügen! In der Sendung gibt es davon allerdings einiges mehr zu hören – nebst unserer assoziativ-dramaturgischen Musikauswahl rund um den inzwischen 70-jährigen Roger Waters und sein epochemachendes Hauptwerk The Wall. Schauen wir einmal, was wir so einem unverwüstlichen Spürsinn für die Auswüchse des Alltagsfaschismus darüber hinaus noch abgewinnen können. Wir freuen uns… 😀

 

Käptn Peng – das etwas andere Interview

Nachdem wir euch im Januar die Musik von Käptn Peng & Konsorten in unserer Albumpräsentation-Sendung schmackhaft gemacht haben, wollten wir mehr darüber erfahren, was das für ein Mensch ist, der da hinter diesen abgründig intelligenten poetisch-philosophischen Texten steckt – und wie der so tickt in einem spontanen Gespräch. Dazu haben wir das Konzert von Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi im Salzburger Rockhouse besucht – und sind dem multikreativen Wortwetzmeister Robert Gwisdek vorab im Backstage mit dem Aufnahmegerät zu Geiste gerückt. Was dabei Erstaunliches zustande kam, das veröffentlichen wir nunmehr auf vielfachen Wunsch auch allhier zum gefälligen Download – in drei fein garnierten Portionen:

-> Käptn Peng (1) Einfälle (Spontane Textassoziationen und Sockosophisches)

-> Käptn Peng (2) Gedichte (Begriffsklärungen und Wert des Gedichteschreibens)

-> Käptn Peng (3) Kreativität (Kindliches und Erwachsenes im Produktionsprozess)

käptn_peng_liveDer Natur unseres etwas anderen Kunnst-Biotops gemäß wollten wir sowieso kein weiteres alltägliches 0815-Interview erzeugen, sondern vermittels eigens zubereiteter Textzitate und durch assoziatives Nachfragen dem Wesen hinter all den Masken und Verwandlungen auf die Spur kommen. Chapeau! 😀 Der Käptn erwies sich dabei als kongenial verspielter Gesprächspartner, der voll spontanistischer Denk- und Gestaltungsfreude ein verbales Feuerwerk aus ironischem Wordrap und tiefsinniger Betrachtung entzündete, dass es eine wahre Freude war. Dies sei euch hiermit nicht mehr länger vorenthalten – und zum gedeihlichen Nachhören wie auch zum fröhlichen Weiterverwursten entschiedenst anempfohlen! Denn die letzten Interviewgäste, die uns auf vergleichbarem sprachlichem Niveau soviel (im besten Sinne) Spaß machten, waren der Dramatiker und Festspielintendant Thomas Oberender (Kulturgespräch 2011) sowie die Regie-Abschlussklasse der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ aus Berlin (Gastspiel 4.48 Psychose 2009). Und Niveau ist – wie wir wissen – keine Hautcreme!

Für das feine Live-Foto danke an Ohrenkitsch vom Blog Die Welt ist mein Zuhause

fuchs_sein_fetztZum Schluss verweisen wir noch auf unsere letzte Nachtfahrt-Perlentaucher-Sendung mit dem sinnigen Titel „Zwischen Leben und Überleben“, in der alle drei Interview-Teile erstmals dramaturgisch einverwoben wurden. Und auch auf Robert Gwisdeks am 8. März erscheinenden Debütroman „Der unsichtbare Apfel“, über den man bereits folgendes erfährt: Igor ist ein merkwürdiges Kind. Er berührt Dinge, um sie zu verstehen, malt Kreise auf Hauswände und sortiert Schachteln in Schachteln ein. Während er älter wird, übt er das Schmelzen, entdeckt das Nichts und bezweifelt die Endlichkeit. Er verliebt sich und trägt eine Last, die zu schwer ist, er trifft auf den Tod und versucht schließlich, hundert Tage ohne Licht und Geräusche zu verbringen. Seine Reise führt ihn an die Grenzen der Vernunft und verändert seine Wahrnehmung der Welt für immer.

„…und verstand, mein Gott, ich bin der Fluss nicht das Floß!“ (Käptn Peng)

Gunkl – Ein ganzes Album

-> Download: Artarium vom Sonntag, 16. Februar – „Die großen Kränkungen der Menschheit – auch schon nicht leicht“ heißt das neueste Programm des Kabarettisten, Musikers, Philosophen und leider dann doch nicht Lehrers Günther Paal (Gunkl). Letzterer Umstand hat den versessenen Wissensvermittler allerdings einem viel größeren Publikum zugänglich gemacht, als dies jemals in einem Klassenraum oder Hörsaal möglich gewesen wäre. Gern hätte er ja schon interessierte und mitdenkende Jungmenschen beim eigenständigen Forschen geistig auf Hochtouren gebracht, wie er uns einmal in einem Interview verriet. Doch nebst seinem unleugbaren Drang zur freien Themenwahl stand diesem Lebensweg auch ein Bildungssystem dawider, welches mit „verknöchert“ noch recht euphemistisch umschrieben ist. Daher freut es uns ganz besonders, dass der rastlose Aufklärungsapologet bald auch wieder in Salzburg live zu erleben sein wird – nämlich am 20. März um 20 Uhr in der ARGEkultur. 🙂

GunklWas an Gunkls aktuellem Programm auffällt, ist die Konzentration auf das Vermitteln von Wissen. Diesen Lehrer hätte man sich in allen nur erdenklichen Lerngegenständen gewünscht – eloquent vortragend, eine Assoziation nach der anderen erweckend, dabei jedoch immer nachvollziehbar und der besseren Verständlichkeit halber nachgerade hochmusikalisch pantomim. Seine altbekannten Abschweifungen ins Spaßettlhafte (wie etwa multiple Persönlichkeiten und anderes virtuelles Bühnenpersonal) bleiben hier zur Gänze aus, besser gesagt, sie treten dergestalt in den Hintergrund, dass sie gerade noch erkennbar den Vortrag bebildern, eben so, wie bei einem begnadeten Pädagogen anschauliche Anekdoten und lebensnahe Beispiele den Informationsgehalt mit der Wirklichkeit verbinden können. Ein durchaus empfehlenswerter Abend vor allem für Menschen, die mit Wissensvermittlung in welcher Weise auch immer zu tun haben, denn er ersetzt meines Erachtens eine ganze Reihe von didaktischen und dramaturgischen Lehrveranstaltungen. Praxisnäher wäre da eigentlich nur noch die Gastronomie 😉

Doch damit wir hier nicht bloß über zu habende Mahlzeiten schwadronieren, seid herzlichst zum hörenden Vorkosten in unserer Sendung eingeladen! Wir präsentieren ein mehrgängiges Menü, bestehend aus einem Interview-Ausschnitt, zwei Highlights des Programms „Grundsätzliche Betrachtungen“ sowie gut 20 Minuten aus den „Großen Kränkungen“. Den Hauptgang bildet jedenfalls das Finale furioso dieses Bildungswerks, das mit den folgenden Worten beginnt: „Dass wir Religion immer noch brauchen, das kränkt mich. Was mich aber stört, ist, dass das schon wieder so ein Thema ist.“ Dem haben wir jetzt auch wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Außer der musikalischen Garnierung, um unsere Verdauung anzuregen.

Bon Appetit!

 

 

Zwischen Leben und Überleben

-> Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Februar – Eine Sound-Themen-Text- und überhaupst Rundumcollage, dass es uns und euch schwindlig werden wird. Versprochen! Eine Nachtwanderung durchs Hochgebirge der Eingebungen und die Abgründe der assoziativen Vielfalt. Bring erst einmal Jello Biafra mit Hermann Hesse, Gunkl und Käptn Peng auf einen Spoken-Word-Nenner! Oder entwickle einen roten Faden – noch besser gleich ein ganzes Knäuel – rund um so verschiedenartige Musikbeiträge wie zum Beispiel von Lehnen, Jefferson Airplane, Hans Zimmer, Chrystal Castles, Xavier Rudd, Steaming Satellites, Arik Brauer, Romy Schneider in Berlin, Tocotronic, Loungepaket, Rainald Grebe und Deadnote.Danse! Werte Hörgemüse und Ohrrüben, an die Empfängnisgeräte, denn derlei verspricht Vielfalt vom Feinsten! Wir schmeißen einfach eins aufs andere und rühren genüsslich darin herum – mit unseren eigenen Gedanken. Was hat übrigens Peter Gabriel zur dräuenden Gemeinderatswahl beizutragen? Richtig, „Moribund the Bürgermeister“ 😀 In diesem Sinne – zum Wohl!

Dunkel. Recht haben.Seltsames, Schräges, Symphonisches, Filmsoundtrack, Acid-Rock, Electronica, Liedermacher (pardon, Singer-Songwriter) Musikkabarett, Dark-Wave, Worldmusic, jede Menge sich jeder Genrebezeichnung entziehendes Klangsubstrat mit und ohne immanenter Botschaft, Fundstücke aus dem fluktuierenden Fundus von 50 Jahren Rock-, Pop- oder auch sonst Geschichte. Wie war das nochmal mit der Philosophie des Perlentauchens? Wir schwimmen rings in schlammigen Gewässern, wir fischen tagein, tagaus im Trüben, in den Kanälen und Kloaken der Zivilisationskultur. Wir stecken bis zum Halsansatz im modern(d)en Sumpf marketingfeiler Wortüberreste, bis über beide Ohren in einem stinkenden Brei aus Billaradio, Dancefloorschas und Warteschleifengeklingel. Und auch wenn uns das Herumtauchen in all dem merkantilen Dreck bis zur Erschöpfung anfäult – es gibt noch zwischen den unnötigsten Trümmern des enttäuschten Zukunftsglaubens der Staatslemminge das eine oder andere Kleinod zu finden und hervor zu holen. Eine Perle des Beschenkens, ein Ring der Begegnungen oder auch ein Schlüssel des Begreifens und Hinterfragens. Egal was – es gehört uns!

Nachttrafik. Sehr wichtig.Wir sind also quasi die letzte Nachttrafik vor der Ausfahrt in die Sackgasse. Deckt euch mit Mut und Spezereien ein, Freunde und Innen des Überlebens in arschkalten Sozialzeiten wie diesen! Was zwischenmenschlich noch nicht aus Pressplastik ist, das wird es demnächst werden. Schön, wenn man sich noch berührt fühlen und verstanden wissen kann, abseits der längst ausgetrampelten Massenpfade. Und dafür wollen wir auch diesmal wieder sorgen – dass euch mitten in der Nacht eine unerwartete Idee anspringt, ein plötzliches Fünkchen Wärme anschmunzelt, ein grimmiges „jetzt reichts mir aber“ auskommt oder einfach dieses so dringend notwendige Gefühl überfällt, doch nicht ganz und gar allein auf der Welt zu sein. So wie bei einem guten Gespräch in einer gescheiten Trafik halt 😉 Wir bleiben die Radio-Nahversorger wider die Einsamkeit.

Glaube. Unfreiwillig.Interessant sind noch Buchhandlungen, deren Schaufenstergestaltung uns kleine Geschichten zu erzählen vermag. So wie wir ja auch unsere Fundstücke aus dem Gesellschaftsmüll benennen, sie mit Bedeutung versehen und in immer neuen Kombinationen zueinander in Beziehung stellen, auf dass sich im Geist ihrer jeweiligen Betrachter möglichst viele verschiedene Geschichten entwickeln. Im Unterschied zu den Weltbildern jeglicher Faschisten und Fundamentalisten (und da gehören auch die alltagsuniformierenden Zwangsneurotiker und Normsoziopathen in ihrer ständigen Anständigkeit allesamt mit dazu) wird Information keineswegs „von oben nach unten“ verordnet – sondern sie entsteht durch Interpretation der Wahrnehmung in den Gehirnen der Empfänger. Und zwar immer wieder neu und auch immer wieder anders. Genau so wie in der abgebildeten Auslage wollen wir im Radio Geschichten erzählen – damit in jedem einzelnen Kopfempfänger ein ganz eigenes phantastisches wahres Abenteuer entstehen kann. Kunst ist all das, was du kunnst (könntest) und damit herum zu spielen. Sei also eingeladen, uns diesmal zuzuspüren

 

Peter Gabriel Live @ Athens 1987

-> Download: Artarium vom Sonntag, 9. Februar – ZWEI STUNDEN LIVE-KONZERT! Von dieser Sendung stellen wir übrigens auch eine eigene Kurzversion (52:48) für die reibungsfreie Sendungsübernahme von der CBA-Plattform zur Verfügung 😉 Doch nun ans Eingemachte – Peter Gabriel war 1987 in vielerlei Hinsicht auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung, sowohl was seine Bühnenperformance wie auch seinen stimmliche Ausdruckskraft betrifft, allerdings auch in Kategorien wie etwa finanziellem Erfolg oder Popularität. Das 1986 erschienene Album „So“ erwies sich über Jahrzehnte als sein Opus magnum, das Musikvideo zum Titel „Sledgehammer“ wurde bald als ebenso innovativ wie stilbildend für das ganze Genre gehandelt. Kurz gesagt – wir erlebten den Durchbruch des Ex-Genesis-Sängers zum anerkannten Solokünstler. Wir erlebten ihn im besten Sinn des Begriffs – LIVE – und stellen euch deshalb dieses Konzert vor:

Peter Gabriel & Youssou N'DourAufgenommen wurde das von uns darzubringende Live-Doppelalbum beim Abschlusskonzert der fast ein Jahr lang dauernden So-Tour am 15. Oktober 1987 in Athen. Inzwischen ist auch das einzigartige Filmmaterial dieser Veranstaltung aufwändig restauriert und als DVD/Blu-Ray veröffentlicht worden. Zur Einstimmung möge hier eine sprachverliebte Rezensionen -(vom wundersamen Blog „Die Nacht der lebenden Texte“) dienen, mit dem schönen Titel „Kolossale Konzertkonserve“ – sowie eine von Peter selbst mitgestaltete Dokumentation, in der er seine ersten Erfahrungen mit Sampling und Soundscaping auf dem Fairlight CMI erzählt. Des weiteren ein Ausschnitt aus dem erwähnten Konzertfilm, in dem sich der musikalische Erzengel endgültig als Meister der Liveperformance erweist, indem er zum Finale grande von „Lay your hands on me“ das Crowd-Surfen als ultimative Verbindung mit dem Publikum zelebriert. Ein elementares Ereignis, von dem noch zu reden sein wird…

Peter Gabriel - Crowd SurfingKnapp einen Monat vor diesem denkwürdigen Tourneeabschluss in Athen hatte ich nämlich selbst in der Wiener Stadthalle die Gelegenheit, einem von Peter Gabriels Auftritten live beizuwohnen. Und seine Konzerte waren damals auf mancherlei Weise geradezu experimentell und von überbordend kreativem Pioniergeist beseelt. Technische Neuerungen wie die erst kurz zuvor entwickelten „Vari-Lite“ Scheinwerfer wurden auf beweglichen Kränen montiert in die Choreografie eingebunden. Durch die Zusammenarbeit mit Youssou N’Dour und der Super Étoile de Dakar (sowohl als Opener wie auch bei den gemeinsamen Zugaben) setzte man noch vor dem „World Music Boom“ deutliche interkulturelle Zeichen. Und – glaubt es oder nicht – die Atmosphäre auf jenem Wiener Konzert war dermaßen außergewöhnlich, dass ich danach noch längere Zeit rücklings in einem Betonblumenbeet liegen blieb – und dabei die Erdrotation spürte! Wobei ich jedoch an dem Abend vollkommen nüchtern war, wohlgemerkt 🙂

Doch höret selbst – und staunet! Wenn auch das Medium Radio beim Vermitteln von Livestimmung an gewisse Grenzen stößt, so wünschen wir euch doch allen ein paar ähnlich berührende Momente der Entrückung. Wir sind ein geiles Institut…

Um eine Peter-Gabriel-Sendung waren wir nie verlegen. Diese gibts ja auch noch:

-> Peter Gabriel – Art Of Inspiration (Juni 2011)

-> New Blood – Das halbe Album (Oktober 2011)

-> Life is Live – 3 Stunden Special (Dezember 2012)

 

100x NIEWIEDER für Marko Feingold

-> Download: Artarium vom Sonntag, 26. Januar – Auf Bernhard Jennys Blog findet sich seit Marko Feingolds 100. Geburtstag folgende Beschreibung: “100xNIEWIEDER ist eine aktion, bei der 100 menschen uns ihr persönliches kurzstatement schenken, in dem sie ihren persönlichen zugang zum NIE WIEDER formulieren. die aktion startet am 28.5.2013 und dauert 100 tage, jeden tag kommt eine aussage zu wort. zum abschluss der aktion werden wir dann die 100 statements gesammelt an marko m. feingold übergeben. mit der aktion 100xNIEWIEDER wollen wir ein zeichen setzen, dass uns die überlebensgeschichte von marko m. feingold und seine unbändige energie, mit der er sich von der ersten nachkriegsstunde an bis heute für das NIE WIEDER einsetzt, ein auftrag ist, dem wir uns verpflichtet fühlen.”

100xniewiederlogoDie persönliche Überreichung der 100 Statements findet sodann am Dienstag, 28. Januar 2014 um 19 Uhr im Literaturhaus Salzburg als eine „multimediale performative Veranstaltung“ statt. Wir haben Bernhard Jenny, den Initator der Aktion, zu uns eingeladen. Mit ihm wollen wir über die Entstehung dieses Projekts sprechen sowie einige Erfahrungen damit austauschen, zumal es sich dabei ja doch um hochaktuelle Fragen nach menschlichem Miteinander in unserer heutigen und zukünftigen Gesellschaft handelt. Auf jeden Fall war es spannend zu beobachten, wie viele unterschiedliche Anregungen so nach und nach zusammen kamen – und aufregend, zuletzt auch noch einen eigenen Gedanken dazu beizutragen. Es lohnt sich bestimmt, das 100xNIEWIEDER auf Bernhards Blog (noch) einmal durchzublättern und sich davon zu einem ganz persönlichen Statement inspirieren zu lassen. Daher werden wir in der Sendung auch einige jener Aussagen vorstellen, die uns besonders angesprochen und zum Mitdenken bewegt haben:

4. 6. 2013 – NIE WIEDER: Dazu haben wir die Pflicht, niemals einen Unterschied zu machen zwischen Menschen verschiedener Herkunft. Niemals Kategorien zuzulassen, die manchen die Existenzberechtigung in diesem Land absprechen. Und immer vehement aufzuschreien, wenn Menschen verhaftet und deportiert werden, nur weil ihre Pässe die falschen Stempel tragen. corinna milborn, autorin, journalistin und moderatorin

17. 6. 2013 – mit dem nie mehr wieder bin ich aufgewachsen. ob ich aber auch damit meine tage beenden werde, wer weiß. das unmenschliche wechselt nur gewand und opfer. livia klingl, journalistin und autorin

9. 7. 2013 – Schreien, sprechen, rufen, tanzen, spielen. Provozieren, argumentieren. Erinnern, Verbindungen herstellen. Erkennen, diskutieren, aufmerksam machen – share. Nicht schweigen, nicht still sein. Riskieren. We are not alone. Also für mich: politisches Tanztheater machen und junge Leute zu beeinflussen versuchen. editta braun, choreographin

17. 8. 2013 – Vergiss nie: der andere ist MENSCH.  daniela krammer, jazzmusikerin

 

Weitere Artikel zum Thema gibts auch hier: Artarium – Das Marko Feingold Projekt

 

Kunnstpause

-> Download: Artarium vom Sonntag, 19. Januar – Schneller, höher, weiter – und vor allem besser, immer noch ein klein wenig besser als beim letzten Mal! Jede(r) Kunstschaffende und Projektgestaltende kennt das doch – und trägt etwas von dieser ewig antreibenden Unzufriedenheit mit sich herum. Die derzeitige Erscheinungsform des von einem selbst und aus einem selbst Hervorgebrachten erscheint schon nach einer Nacht, spätestens aber nach ein paar Tagen erheblich verbesserbar. Schön und gut – sich nie auf den Lorbeeren des bisher Erreichten ausruhen zu mögen und daher stets nach der Erweiterung eigener Ausdrucksmöglichkeiten zu streben, das macht nun einmal eine schöpferische Persönlichkeit aus, das ist auch im Sinne einer eigenen Entwicklung stimmig und sympathisch. Was aber, wenn dieses innere Streben nach Perfektion unter die Zwänge der Burnout-Gesellschaft und zur Selbstausbeutung gerät?

The Angry BirdSomit setzen wir mit der sonntäglichen Sendung zwischen Weihnachtszeit und neuen Projektideen ein deutliches Zeichen fürs Herunterschrauben eigener Erwartungen und fürs dringende Druckentlüften des inneren Leistungsboilers. Denn kein Mensch kann sich ständig steigern, egal wie selbstbestimmt seine Ziele auch sein mögen… Fortwährendes Wachstum führt unausweichlich zum finalen Zerplatz und andauernde Beschleunigung zum ungebremsten aus der Kurve fliegen. Nicht jede neue Sendung muss intensiver, komplexer, präziser – genau gesagt also besser – geraten als die jeweils vorherige. Nein, eine Sendung ist gut, indem sie stattfindet. Das ist nämlich auch ihr ureigentlichster Zweck! Oder wie wäre etwa ein längerfristiges Liebesleben auch nur ansatzweise vorstellbar, in dem jeder Höhepunkt ein noch höherer und jeder Orgasmus ein noch multiplerer sein MÜSSTE? Auch Sex ist halt gelegentlich nichts anderes als „einander den Rücken kratzen“ – und genau so etwas in der Art wollen wir in dieser Sendung zelebrieren. Ein paar liebenswerte Freundlichkeiten in Wort und Musik austauschen – und einfach mal die ganz großen Ansprüche auf sich beruhen lassen! Werden wir denn nicht alle mit der Zeit älter – und sterben zum Schluss? Na also 🙂

 

Käptn Peng! (Der Anfall ist nah)

-> Download: Artarium vom Sonntag, 12. Januar – „Nein, der deutschen Rap-Gemeinde wird auch dieser zweite Versuch nicht zusagen.“ Dies konstatiert der popkulturell immerhin nicht unversierte MusikExpress am Anfang seiner danach doch zunehmend hymnischen Rezension (5 Sterne) des neuen/ersten Albums „Expedition ins O“ von Käptn Peng und die Tentakel von Delphi. Letztere sind das aktuelle, um drei weitere Musiker verstärkte Bandprojekt der Gebrüder Gwisdek, ehedem bekannt als Shaban & Käptn Peng und mit ihrem Album „Die Zähmung der Hydra“ längst flächendeckend erfolgreicher Geheimtipp unter Genießern des gehobeneren Mundartismus, der auch dem Sprachvermögen seines Publikums mehr abverlangt als ein sonst in HipHop-Kreisen weithin verbreitetes plump-industrielles „HeyHo“-Gepose und andere Abscheulichkeiten pseudomafiösen Hintergrunds wie „Ich fick dich kaputt“ 🙁 Nein, dieser Käptn ist auf  eine erfrischend radikale Art anders peng als die nachgehopsten Ghettomumien – und kommt noch dazu am Montag, 20. Januar ins Rockhouse Salzburg.

expedition_ins_oWir erlauben uns also aus gegebenem Anlass, hier in unserer Reihe „Das ganze Album“ oben erwähntes und nebenan abgebildetes Werk vorzustellen. Weil selbiges allerdings recht überlang ausgefallen ist (wie schon das vorherige, was uns eh freut) werden wir euch eine Auswahl von Tracks aus beiden Alben servieren, beginnend mit dem ersten natürlich, zum besseren Vergleich. Und dazu auch was sagen… 😉

Wir werden schon von all den and’ren Weltraumrassen ausgelacht
als die nichts Checkenden, sich selbst Zerstörenden,
Verrückten, Deprimierten, die nix sehen und nix hören
Die um sich Schlagenden, Verängstigten, Bekloppten
die vergaßen was sie waren und sich selber ständig foppten
und sich toppten in der Disziplin der Selbstverarschung
Unsere Labyrinthe übersteigen die Erwartung
jedes möglichen Meisters, der Labyrinthe-Dichtkunst
(Wir folgen dem Kaninchen!)
Und plötzlich bricht uns der Boden weg

Diese Textkostprobe aus dem Titel Sockosophie stellt schon einmal unmissverständlich klar, mit welcher Gattung gerappten Gesangs wir es hier zu tun bekommen. Und auch was die Musik betrifft, sieht der MusikExpress hier für unsereinigen mehr kosmisches Licht am anderen Ende des Rockhouses als etwa für stylistisch verkrampftere Gemüter: „Die Beats haben die Tentakel von Delphi mit Gitarre und Bass, auf Reisekoffern und Plastikeimern eingespielt. Auch das, so phantasievoll klappernd und krachend zwischen Neo-Folk und Augsburger Puppenkiste, wird den Gralshütern des HipHop nicht gefallen.“ Doch seien wir uns ehrlich – sind wir nicht alle manchmal ein bisschen Peng? 😛

Käptn Bluna

 

Kunnst Amsterdam?

-> Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. Januar – Das etwas andere Städteportrait, die ziemlich hinterrückse Reisereportage, der einigermaßen aushängige Assoziationszirkus. Informationen gibts bei der Auskunft – oder im Büro! Bei uns hingegen mäandern die Anstöße und Erinnerungen rund um eine Metropole, in welcher sich Langsames und Schnelles irgendwie miteinander zu vertragen scheinen. Eine prototypische Phantasiestadt der Weltoffenheit und der sozialen Libertinage, in welcher die Bühnenbedingungen für das Auslebenkönnen der verrücktkreativen Kunst- und Kulturnischenexistenz noch ohne psychiatrische Präventivdiagnose gegeben sind. Und so gibt es in dieser unserer Würdigung der entschleunigten Urbanität anstelle von Coffeeshop-Reviews und Veranstaltungstipps einen unheimlich unsortierten Haufen von Gefühlseindrücken – sowie einige Überlegungen dazu, WAS diese spezielle Stadt (oder eine ihr ähnliche) eigentlich ausmacht – und was DAS für uns bedeuten kann…

RotlichtviertelErgehen wir uns also in jenen Elementen, die für das Gelingen der künstlerischen Lebensweise förderlich erscheinen. Lustigerweise sind uns drei mögliche Bezeichnungen dafür genau bei der Fragestellung eingefallen, wie wir die drei Stunden dieser Sendung titeltechnisch strukturieren könnten: Open Access als Wesensmerkmal einer für verschiedenste Gäste offenen Hafen-, Handels- und Kulturstadt, die nicht nur das Zuschauen, sondern auch das Mitgestalten ihrer Kurzzeitbewohner erlaubt. Open Stage als Ausdruck einer lebendigen und vielseitigen Kunst- und Kulturszene, in der vom Staatsmuseum bis zum kleinsten Alternativtheater eine ganze Menge an Möglichkeiten geboten werden, sich auch selbst einzubringen und aufzuführen. Open End schließlich als symbolische Zuschreibung eines sich unaufhörlich weiter entwickelnden Gemeinwesens, das aus dem Vollen seiner unfertigen Prozesse schöpft und sich nicht (wie etwa Salzburg) aus der Vorstellung von einer endgültigen Bestimmung (zu)definiert. Ja, eine Stadt wie Amsterdam scheint wirklich in vielem das genaue Gegenteil von Salzburg zu sein. Herzlichen Glückwunsch! Zeit also, dass wir uns in nasskalt zugedumpften Wintertagen ein Stück weit wegträumen von dieser unserer hülzern anständigen und katholisch kafkaesken Rundumgebung. Phantasiereisen wir wieder einmal in eine andere, bessere, gedeihlichere Weltgegend unseres Überstehens. Durchwandern wir dabei Klangräume und Textfragmente, die imstande sind, inwendig Erlebensebenen der hier dargestellten positiven Eigenschaften zu erwecken. Und freuen wir uns auf spontanassoziative wie auch verdichtestillierte Mundwerksbeiträge rund um freies Leben in liebesfreundlicher Atmosphäre, dem roten Faden Amsterdam folgend, betrunken auf deutsch, original auf französisch oder genial auf griechisch. 😉

Nun einige Impressionen der Amsterdamreise von Chriss:

sternenerscheinungAmsterdams Lichter

Eine Stadt hat tausend Gesichter. Tausend Geschichten, die sich gegenseitig erzählen. Tausend Stimmen, die wirr durcheinander reden und dennoch versteht man jede einzelne, oder zumindest kommt es einem so vor, bis man bemerkt, dass es bloß eine Stimme ist, die man hört und dass sich all diese unterschiedlichen Stimmen in vollkommener Harmonie zu einen wundersamen Klang vereinen. Sie berichten, beschreiben, beleben die Geschichten; erschaffen neue, jeden Tag, jede Nacht. Es hat kein Ende. Es ist ein Kreis. Immer in Bewegung. Ohne Halt.

Amsterdam LightAmsterdams Lichter sind Wegweiser in dunkler Nacht. Leuchttürme, die suchende Seelen geleiten.    Ich fühle ihre Wärme auch hier, fast tausend Kilometer entfernt. Ich sehe schiefe Häuser, die sich in den Himmel recken, in unzähligen Farben. Sie tanzen auf dem Spiegel der alten Grachten, welche die Stadt durchschneiden. Sie sind die Adern dieser Weltstadt, lebenspendende Wasserstraßen, hunderte Jahre alt. Ich sehe kleine Gassen, breite Einkaufsboulevards, verträumte Wege am Ufer der Kanäle, wie ein Labyrinth in dem man immer irgendwo ankommt. Man kann sich zwar verlaufen, doch nie verlieren. Geschäfte, Märkte, Cafés, Statuen, bronzene Eidechsen, Mahnmale, Huldigungen, Gedenkstätten, Museen, Blumen, kleine Lokale, Irish Pubs, Coffeshops, Smartshops, Menschen, Menschen, unzählige Menschen, Fahrräder, Autos, Straßenbahnen, Schuhe, Koffer, Zigaretten, Sonnenbrillen, Wolken; Stürme, welche das Salz des Meeres durch die Luft wirbeln. Ein Hauch von Weite. Von Aufbruch. Von neuen Ideen und Visionen.
Amsterdam, Stadt der Möglichkeiten! Amsterdam, Stadt der Kunst! Amsterdam, Stadt der Bücher! Amsterdam, Stadt der kreativen Entfaltung!

Ich lege meine Träume in deine vergossenen Tränen, tausend Farben und tausend stumme Worte. Ein Samen, der langsam sprießen lernt. Was mit ihm geschieht wird sich zeigen. Ich werde warten. Auf deinen Ruf, auf deine Stimmen, auf deine Lichter.“

Zum Schluss

-> Download: Artarium vom Sonntag, 29. Dezember – Zum Jahresende hören sie das letzte Wort zum Sonntag von Norbert K.Hund – sowie ein Sammelsurium aus bislang Ungespieltem und anderwärts Verwurstetem. Und nach so viel Axel Corti (der 29. Dezember dieses Jahres ist nun tatsächlich sein 20. Todestag) auch eine Radioglosse im eigenen Stil. Selbstredend zu einem ernsten Thema, das uns immer wieder begegnet, das wir jedoch genauso oft wieder ausblenden, um halt irgendwie weiter machen zu können. Nichtsdestotrotz einer ganz wesentlichen Beobachtung beim Betrachten des Zwischenmenschlichen gewidmet – den lebensentfremdenden Nebenwirkungen von Denkgrenzen, Lustsperren und Selbstzensur in unserer Gefühls- und Phantasiewelt:

„I’m not just another Brick in the Wall“ – A geh, wirklich?

Schräger AbgangWo stehen wir heute, am Abend eines weiteren x-beliebigen Kalenderkapitels der jahrhundert-tausendjährigen Heldensaga unserer Zivilisationskultur?

Woraus bestehen all die Mauern in den Köpfen und Gefühlsleibern der ungezählt aneinander verzweifelnden Liebesentzugspatienten? Was trennt die im Grunde aufeinander zustrebenden Menschentiere so nachhaltig von der Verwirklichung ihrer Bedürfnisse, von der tatsächlichen Begegnung mit einander – und vom Wahrnehmen und Wahrmachen – von sich selbst?

Gibt es sie wirklich, die Standardausstattung aller Insassen „entwickelter“ Staatsgebilde und Staatsbehauptungen, diese „Mauer“ in unseren Herzen und Hirnen, die uns immer und immer wieder am Denken, am Fühlen, am Phantasieren hindert – sobald wir es auch nur ansatzweise und über das Vorgegebene hinaus versuchen? Rennen wir nicht alle mit der von Anfang an vorhandenen Lust des Entdeckens und Erweiterns unserer menschlichen Möglichkeiten tagein, tagaus gegen eine innere Wand – bis uns die Köpfe bluten?

Was zur Hölle geschieht mit uns, dass aus Lust schon Verlust wird, noch bevor wir überhaupt anfangen, sie zu erleben? Was zum Henker verneint uns schon im Ansatz die Ausformung einer Aussage über uns selbst, so dass wir sie nicht einmal mehr im Alleinsein zu denken wagen? Woher kommen all die verinnerlichten Denkgrenzen, Gefühlsbarrieren und Vorstellungsverhinderungen? Wie kann es das geben, dass in unserem Innersten und Intimsten längst der Seistaadstrojaner der vorauseilenden Selbstverödung haust – der uns alles abdreht, was uns zum Sein beflügeln will?