Abrahams Nebenwirkungen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. Januar – Diesmal gehts um religiöse Schriften und ihre Auswirkungen auf die Weltpolitik. Speziell um eine Geschichte, die wir aus dem christlichen Alten Testament, der jüdischen Tora sowie dem heiligen Buch der Muslime, dem Koran kennen. Sie ist in der bildenden Kunst weit verbreitet und wird meist als Abrahams Prüfung oder Opferung Isaaks bezeichnet. Dazu hat das Jüdische Museum Berlin vor einiger Zeit eine mutige Ausstellung mit dem Titel “GEHORSAM” ausgerichtet, in der auch den verschiedenen Interpretationen durch die drei “abrahamitischen” Religionen nachgespürt wird. Mutig war dabei vor allem die Berufung des bildgewaltigen Filmregisseurs und ausgewiesenen Atheisten Peter Greenaway, dieses Thema  gemeinsam mit Saskia Boddeke zu bearbeiten.

Adi Holzer - Abrahams OpferNun ist wieder einmal die Dokumentation jenes Zusammenwirkens aufgetaucht: “Der grausame Gott? – Gewalt, Religion und Kunst” Sie hat mich persönlich mit einigen neuen Erkenntnissen überrascht, weshalb ich sie unbedingt weiterempfehlen möchte. Derlei fundamentalistischer Wahnsinn wie zum Beispiel Menschen auf Gottes Befehl zu opfern war mir schon immer ein Gräuel. Und diese merkwürdige Hochjubelung von Abrahams blindem Kadavergehorsam zum Heldentum der christlichen Tradition fand ich ebenfalls schon lange extrem stinkert … Riecht verdächtig nach Kirchengeschichte, nach “Gott mit uns” und Waffensegnung! Umso erstaunter war ich, zu erfahren, dass im Judentum das Nichtgeopfertwerden Isaaks im Vordergrund steht, Abrahams nebulöse Gehorsamkeit hingegen Anlass zu Hinterfragung und Widerrede ist. Ja da schau her! Den Gipfel der Erleuchtung bescherte mir dann jedoch der Imam Tareq Oubrou, der die entsprechende Passage aus dem Koran interpretierte. Dort TRÄUMT Abraham (Ibrahim) von einem göttlichen Auftrag, seinen Sohn zu opfern, und erzählt diesem am nächsten Morgen verwundert darüber. Der Korangelehrte legt diese Sure dahingehend aus, dass Eltern mit ihren Kindern über alle Themen, die deren Zukunft angehen, reden sollten – und auch mit ihnen zusammen entscheiden, was zu dann tun sei. Respekt! Und das in Zeiten, in denen wir ja gemeinhin fast ausschließlich mit Islamophobie vollgeschwallt werden.

In dem Zusammenhang wollen wir nachdrücklich die Position der Bedrohten und Verfolgten einnehmen, und zwar im Hinblick auf die totalitären Ansprüche in allen Religionen und Ideologien. Gerade rund um den Holocaustgedenktag (Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar) muss uns bewusst werden, wohin so etwas wie “Der Glaube des österreichischen Katholiken Adolf Hitler” geführt hat, und wohin uns der blinde Gehorsam gegenüber jedweder “Obrigkeit” jederzeit wieder führt.

Als Hirnfutter fürs immerwährende Niewieder gibts auch unsere Hörstolpersteine

 

Es gibt, es gibt, es gibt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. September – Es gibt einen geraden Weg, PeterLicht in der ARGEkultur (am Samstag, 30. September) – und überhaupst eine ganze Menge an Interaktion von Dichtkunst und Musik in der kommenden Woche, wovon hier ein Reden (und naturgemäß Hören) sein soll. Ein Kunnst- und Subkultur-Magazin, wie das Artarium seit seinen Anfängen vom Gründer Peter.W. immer so gern bezeichnet ward, darf, kann – ja, muss sogar gelegentlich über bevorstehende Umtriebe der heimischen wie überregional bedeutsamen Kunstschöpferei berichten. Und sich einen kritischen Seitenhieb erlauben auf die Lieb- und Inspirationslosigkeit, mit welcher derlei Veranstaltungen oft “beworben” werden, seitdem “das Internet” zunehmend von Kommerzkasperln durchseucht ist. Geld stinkt eben doch.

Es gibt das Sausen der WeltJe mehr wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen, je mehr es um die gewinnbringende Vermarktung der Veranstalterei geht, umso fader, phantasieloser und schlichtweg austauschbarer werden sogleich diesbezügliche Ankündigungen gefühllos automatisiert hingeklopft. Es gibt kaum noch originär eigenes Gedankengut, nur mehr Copy und Basta. Dem gegenüber sei hier nun aus vollstem Engagement für den Sinngehalt der entsprechenden Veranstaltungen eingetreten! So entstammt unser vielsagendes Artikelfoto (von Alexi Pelekanos) dem Kulturblog Mottingers-Meinung.at und zeigt die Arbeiten an PeterLichts “Das Sausen der Welt” im Wiener Schauspielhaus. Und statt der seit Jahren üblichen PeterLicht-Standardvideos (gähn!) könnt ihr euch hier schon mal einen Eindruck von der öffentlichen Zeitauflösung des Lieds “Gerader Weg” machen. Und wenn ihr dem LeseKonzert von PeterLicht am Samstag in der ARGE beiwohnen (was wir durchaus empfehlen) und mit ihm “Die Emotionale” singen wollt, dann vermittelt diese WDR-Sendungsbeschreibung einen zutreffenden Eindruck von manchem, was euch da erwarten könnte. Es gibt nämlich Performance in Progress

Es gibt TauDarüber hinaus gibt es in den nächsten Tagen noch ein paar weitere Termine der gediegenen Art und zur gepflegten Begegnung mit Wort & Klang. So sind bereits am Montag, 25. September von 22 bis 00 Uhr die Jungautoren Thomas Mulitzer und Christopher Schmall in der Radiosendung mit der etwas spezielleren Musikauswahl, dem gehobenen Late Night Talk namens TALK2MUCH, live lesend gut zu hören. Ersterer (nebstbei von Detailsinn dargestellt) präsentiert am Freitag, 29. September um 19:30 Uhr im Salzburger Literaturhaus seinen Debutroman “Tau” (eine Replik auf Thomas Bernhards “Frost”, erschienen bei Kremayr & Scheriau), nicht ohne im Anschluss als TWO ON GLUE (zusammen mit Wolfgang Posch) zu konzertieren. Selbigen beiden verdanken wir übrigens auch eine recht schöne Doppelsendung über Ilija Trojanow. Zweiterer (der Artariumhase), inzwischen Obmann der Salzburger Autorengruppe SAG, tritt wiederum bei deren Anthologie-Vorstellung am Dienstag, 26. September ab 20 Uhr in der Panoramabar der Stadtbibliothek als beitragender Dichtkünstler auf. Viel Spaß mit den vielen Links! Wir wollen unser Publikum ja auch mal überfordern.

 

Herabwürgung religiöser Lehren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. JuliEine intelligente Sendung über das, was geht – und das, was nicht geht. Und darüber, wie man es doch machen und dabei auf der sicheren Seite bleiben kann. Es geht natürlich um die sogenannten No-Gos der Programmgestaltung wie etwa Sexismus, Rassismus, Aufrufe zur Gewalt und das elegante Beleidigen von Religionsvertretern sowie sonstigen Oberhäuptern. Ganz offensichtlich (das legt ja schon der Titel nahe) handelt es sich hierbei um einen satirischen Beitrag, der im Brecht’schen Sinn (unter anderem durch Übertreibung) “die Wirklichkeit zur Kenntlichkeit entstellt“. Oder wie beschrieb einst Karl Kraus den Salzburger Jedermann?“Der aberwitzigste Dreck” – und trat umgehend aus der katholischen Kirche aus. Na also, geht doch. Und jetzt wir: ACHTUNG SATIRE!

HerabwürgungRufen wir also zunächst einmal zum Oralverkehr mit einem Gangsta-Rapper sowie zur Tötung eines populären TV-Moderators auf, verhöhnen wir sodann pauschal alle männlichen Journalisten (das ist doch sowas von sexistisch), bevor wir die christliche Religion schmähen und dabei die geistige Gesundheit des Papstes in Frage stellen, Angela Merkel “ficken” sagen lassen – und darüber nachdenken, warum sich Kurz auf Furz reimt. Alles ganz schön gefährlich – doch im geigneten Kontext, in indirekter Rede, als Satire kenntlich gemacht oder einfach nur mit dem richtigen Konjunktiv geht viel mehr, als man glaubt, können zu dürfen. Denn unsere Inhaltsregeln sind nicht dazu da, bestimmte Themenbereiche insgesamt aus dem Programm zu verbannen. Sie dienen vielmehr dazu, bestimmte Haltungen wie Hetze, Kommerz, Propaganda und überhaupt das Fürdummverkaufen der Hörer_innen hintan zu halten. Genau dafür gibt es auch die Programmkommission. Und nicht dafür, dass hier alle so schön sprechen, wie es einige Wichtigkeiten wohl gern hätten, dass wir ihnen Honig ums Maul brunzen.

Herabwürgung WarnhinweisAuf jeden Fall werden wir in dieser Sendung einige Möglichkeiten des Umgangs mit “schwierigen Themen” exemplarisch anleuchten, naturgemäß auf die uns eigene Art der augenzwinkernden Zwischentöne. Denn zwischen Warz und Schweiß existieren ja unzählbare Schattierungen von Gunkel und Heil. Womit wir beim Antisemitismus angelangt wären, einer der zahllosen Varianten des Rassismus (den wir nicht mögen). Und somit bei einem weiteren Grund, weshalb diese Darbietung keine (nach § 188 StGB strafbare) Herabwürdigung religiöser Lehren ist, sondern die Darstellung genau jener Herabwürgung, die viele Menschen guten Willens Tag für Tag so unsäglich schlucken macht, wenn sie versuchen, zu verdauen, was ringsum vorgeht. Die fortwährende Herabwürgung des Brechreizes, den uns die Hirnblasen der religiösen Leeren verursachen. (Siehe “Die Ursache” von Thomas Bernhard).

Deppert sein sollte man dabei lieber nicht. Aber hört selbst …

 

Querschläger – Schåttseitnkind

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. JuliDie Kultband aus dem Lungau, QUERSCHLÄGER, betreibt die umfangreichste Musikerwebsite Österreichs.” Zumindest laut ihrer Selbstbeschreibung im Suchmaschineneintrag. Wir können ja (Gott und der Tante Jolesch sei Dank) nicht deren sämtliche vergleichend nachmessen. Nichtsdestoweniger endlich einmal ein umfängliches Archiv mit Hintergründen und Hörbeispielen, das einem alle wesentlichen Informationen verabreicht, so dass man nicht stundenlang deppert das halbe Internet durchforsten muss – und sich dabei an aberzig blitzdröhnen Aufdringeln erschöpfendes Hirnbluten einfangt. Chapeau! Wie schon in Schattseitnliacht gesagt: “Deut… nein: Lungauerisch! Dieses Land bietet viel mehr an herauftauchbaren Perlen im Schlamm des Konsumstreams als man glauben mag.”

Querschläger LiveDas Album Schåttseitnkind, das wir in dieser Sendung zur Gänze spielen, ist unter diesen Perlen noch einmal etwas ganz besonderes. Und zwar, weil es derzeit nicht lieferbar ist (wir regen dringend seine Neuauflage an) UND weil es ein rundes, stimmiges Konzeptalbum der Querschläger ist, entstanden aus dem Bühnenprojekt “Die Bettlerhochzeit” (gemeinsam mit der Theatergruppe MOKRIT). Sämtliche Lieder auf diesem Album wurden eigens für das 2004 realisierte Stück entwickelt und erst nachträglich auf CD veröffentlicht. “Ziel der Produktion war es, jenen, die das Stück gesehen haben, einen Anhaltspunkt zur Erinnerung und Wiederentdeckung zu bieten und jenen, die das Stück nicht gesehen haben, einen eigenen Zugang zu ermöglichen.” Letzteres funktioniert beim Zuhören im Kopftheater dergestalt vorzüglich, dass es einem nicht nur alle möglichen Ebenen der Zauberer-Jåggl-Zeit aufklappt, sondern zudem verständlich macht, auf welchem Weg die notorischen Querschläger “der Landesgabi ihre Lieblingsband” geworden sind:

“Da gibt es die historische Ebene des Prozesses von 1688/89, die Ausgrenzung, im wahrsten Sinne des Wortes Verteufelung und Verurteilung einer gesellschaftlichen Randgruppe in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, die aber sofort und unweigerlich eine weitere Ebene öffnet, nämlich die des aktuellen Gegenwartsbezugs. Da gibt es die allgemeine, gesellschaftliche Spannungsfelder wie Machtausübung und Machtmissbrauch, Recht und Gerechtigkeit behandelnde Ebene, die wieder im direkten Zusammenhang mit einer weiteren, nämlich der persönlichen Ebene der Schicksale der einzelnen Charaktere des Stücks steht. Da gibt es die rationale Ebene des täglichen Lebens und Überlebens und die Flucht (davor) in die irrationale Welt von Aberglauben und Hexerei. Die Verknüpfung all dieser Schichten in überleitenden oder unterstützenden Liedern oder Stücken ist eine große Herausforderung, macht aber auch großen Spaß, eben weil es eine so große Palette von Assoziationsmöglichkeiten gibt.” Sänger und Texter Fritz Messner, August 2004

 

Fever Ray

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. Juni Karin Dreijer Andersson ist eben anders – und macht seit jeher auch solche Musik. Ganz besonders anders ist das gleichnamige Debutalbum ihres Soloprojekts Fever Ray, das wir mit Ausnahme des Schlusstracks Coconut (hier zu genießen) in dieser Sendung vorstellen. Sozusagen fast ein ganzes Album, aus Gründen, die alle irgendwie etwas mit Zeit zu tun haben. Jenseits von Zeit und Raum hingegen scheint sich die eigenartige Musikwelt von Fever Ray aufzutun, die sich im besten Sinn mit geheimnisvoll, hypnotisierend und mehr noch als vielschichtig beschreiben ließe. “Wenn Terror ins Vertrauen kippt” oder die gepflegte Verstörung. Von da ist es auch zum Meister des Mehrdeutigen nicht mehr weit – zu Peter Gabriel nämlich und den Fourteen Black Paintings.

Fever Ray AlbumFrom the pain come the dream
From the dream come the vision
From the vision come the people
From the people come the power
From this power come the change

Völlig folgerichtig hat Fever Ray einen Gabriel-Klassiker aus den 80ern in einer Art und Weise gecovert, dass einem die liebe Gänsehaut besonders wohltuend über den Rücken rinnt. Nämlich Mercy Street, das auch in unserer Signation verstörensvoll anklingt.

Und so klingt auch die eine oder andere Stimmung ihres Albums im folgenden Gedicht nach, welches ein etwas anderer Musikredakteur aus unserem etwas anderen Kunnst-Biotop wohl noch unter dem Eindruck desselben verfasst hat:

deine hand weiß
die nackten nächte
am strand am rand
des walds unter sternen
die suchen nach dunkel
im dämmern im glühen
tropfender worte einer
noch zu erdenkenden welt

 

Wirsing Helden

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. MaiGesetzt den Fall, nur die Allerwenigsten kommen als Arschloch auf die Welt – wo um alles in der Welt kommen die dann aber alle her? Hier muss angesetzt werden! Und Bildung ist auch hier das Zauberwort. Bildung macht nämlich auch klug. Ja! Und wir bräuchten natürlich Helden, Helden wie in den Geschichten, Helden, die es richten – wenn die Verantwortlichen schon so schmählich scheitern. Helden – aber woher nehmen? – So formuliert es der von uns immerdar hoch geschätzte Wortakrobat Jochen Malmsheimer in seinem Programm Dogensuppe Herzogin – Ein Austopf mit Einlage, in dem eine Busfahrt nach Venedig naturgemäß psychedelisch entgleist und in letzter Kulmination zum Auflauf sämtlicher Helden aus Jochens literarischen Frühzeit ausufert. Da fragt sich sogar der Doge: “Chi è quello?”

WirsingWirr singt das Volk oder doch das verunglückte Abschiedswort einer Marketenderin: Auf Wirsing (wie in Warschau!), vielleicht ja sogar eine Anspielung auf Judith Holofernes? Wirrsinghelden? Und just darüber werden wir euch selbstredend nicht im Klaren lassen, sondern euch mit An-, Um- und Verdeutungen derart zerwirren, dass ihr sogleich fürs Kilo Wirsing 80 Mark verlangt und dabei auch noch schnippisch guckt!

“Ich schloss für einen Moment entmutigt die Augen. Und riss sie sofort wieder auf. Jetzt nur nicht einschlafen! Es schlug eben 8 Glasen. Was?” Wie gesagt, wir befinden uns in einem vollbesetzten Bus auf der Nachtfahrt nach Venedig – und die Phantasie beginnt soeben all das, was wir uns als sogenannte Realität haben einpflanzen lassen, mehr und mehr zu durchdringen – und aufzulösen: Ein wortlos geblinzelter Befehl, und schon schallen die vertrauten Kommandos zum augenblicklichen Ablegen über das Deck: “Los Männer, entert auf in die Wanten! Hisst Rah- und Topsegel! Setzt Klüver und Fock! Bratzt die Zossen, lüpft die Brunzen! Vergesst mir auch den Rimper nicht, den Stramel und die Pölm! Spieht die Mampfen! Klofzt die Klöten an den Sparrer und versäumt mir ja das Riepelzulpen nicht! Und bimst mir brav auch den Besan! Hepp, hopp, ans Werk!”

 

was für beschissen ist das

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Mai – Zu außerirdischer Verschwörung wie innerseelischer Verblödung stellt sich gern die Frage: “Was für beschissen ist das?” Doch diese Antwort wird kein Leichter sein, es sei denn geistreich – und sprachgewitzt. Dessen geachtet drücken wir unsere persönliche Empörung wie Betroffenheit durch Darbietungen von Günther Paal (Gunkl) sowie Jochen Malmsheimer wortvoll aus. War die Mondlandung eine großangelegte betrügerische Inszenierung, mittels der von den eigentlichen über- und außerirdischen Aktivitäten abgelenkt werden soll? Wie ließe sich das überprüfen? Weshalb sollte man das überhaupt hinterfragen wollen? Sind wir nicht längst beschissen worden, etwa mit sogenannter Bildung, die nichts weiter bezweckt, als uns zu verwirren, damit wir besser regiert werden können?

was für beschissen ist dasDer Verschwörungsverein grüßt und lädt ein zur Dooferneuerung! Wir indes locken zu den eigensten Geistesübungen wider das Dumm- und Ferngedachtsein. “Weicht auf, Verkrampfte dieser Erde!” Unseres Erachtens ist der Gefühlsbefund, andauernd von allen Seiten belogen und betrogen zu werden, durchaus zutreffend. Er hat seine Ursache in einer “Erziehung”, deren Hauptziel die Anpassung ist, und zwar durch das verordnete Hervorbringen von erwünschten Gefühlen, gleichzeitig durch das ebenso vorgeschriebene Unterdrücken von unerwünschten. Diese erlernte Selbstverstümmelung führt unweigerlich zu Verdrängung und Verleugnung, ja sogar zu regelrechtem Selbsthass. Diese allgegenwärtige Deformation menschlichen Seins pflanzt sich zudem noch in allen gesellschaftlichen Strukturen wie eine ansteckende Krankheit fort und erzeugt bei allen von derlei Gewalterfahrungen Betroffenen ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Empfinden von Ohnmacht und Ausgeliefertsein. Die nun mögliche Wahrnehmung, dass man ein Opfer der ungerechten Verhältnisse ist, kann kaum je anerkannt werden, zumal sie mit Scham- und Schuldgefühlen einher geht, und es überdies als allgemein anerkannter Ausweg vorgezeichnet ist, selbst zum Täter zu werden, damit man das eigene Opfersein nicht mehr so spüren muss

Die Hinwendung zu “höheren Wesen” hingegen, die Heilserwartung gegenüber einem “Erlöser” oder die Hoffnung auf den “Endsieg des Guten über das Böse” halten wir schlicht für Projektionen des Verdrängten. Richtiger Ausgangspunkt, falsche Schlussfolgerung. Da wird man schon eher die eigenen “unerwünschten” (gefickt als “negativ” eingeschädelten) Gefühle aushalten – und sich dann ohne Abspaltung des Empfindens zu Fuß auf die Suche nach der eigenen Wahrheit (?) machen müssen. Was unsere Beiträge auch befördern wollen. “Ey, was für beschissen ist das?”

 

ERINNERN VERGESSEN

> Die Sendungen: Artarium Double Feature vom Sonntag, 1. Mai – Wir erinnern an die Salzburger Bücherverbrennung von 1938 und wundern uns über das seltsame Vergessen, das im Hinblick auf die NS-Vergangenheit dieser Stadt jahrzehntelang wie der Sarkophag von Tschernobyl auf dem Gedächtnis ihrer Einwohner lastete – und das nach wie vor erstaunlich weit verbreitet ist. Zu diesem Behufe senden wir 2 (in Worten ZWEI) Stunden ins Gewissen dieser kleinen Welt (in der die große ihre Probe hält). Und freuen uns auf so unterschiedliche Beiträge wie die Live-Statements jugendlicher Radiokollegen von SwitchON oder ein Hörbild zur Literatur von Ö1-Programmchef Peter Klein (welches er uns für diesen Anlass zur Verfügung gestellt hat). Naturgemäß alles fein garniert mit schräger Musik und ein paar selbstgesägten Hörcollagen

 

SPURENSUCHE IN SALZBURG   (zur 1. Sendungsstunde)

 

Berlin Mahnmal
ICH
MAHN
MAL

 

DU
DENK
MAL

 

HEUTE SCHON GELEBT ?

 

Es ist also wieder mal soweit (zum unendlichsten), die Stadt Salzburg (wer sind das eigentlich?) will den Residenzplatz neu gestalten und im Zuge dessen auch ein “in den Boden integriertes” Mahnmal errichten (lassen). Also eines (so steht zu befürchten), das niemanden stören wird, weil es nicht im Weg steht, und das man auch nur dann findet, wenn man eh schon Bescheid weiß. So ähnlich, wie das oben abgebildete Mahnmal zur Bücherverbrennung 1933 in Berlin. Na ja, vielleicht ganz passend zum Begriff des “Unterbewussten” – oder anders ausgedrückt, unser Staatsfeiertag heißt sowieso längst “Maria Verdrängnis” und findet seit 1945 an genau 365 Tagen im Jahr statt. Was? Nationalsozialismus?  Das hat doch hier niemand wollen, das ist uns mit dem Anschluss alles aufgezwungen worden, Österreich ist das erste Opfer und blablabla.”

ICHMAHNMALIn einer vielsagenden Kurzdoku von Raphael Steiner zur Salzburger Bücherverbrennung sowie zur Frage nach einem entsprechenden Gedenk-Mahnmal kommentiert der Historiker Gert Kerschbaumer souverän die üblichsten Argumente gegen ein solches. So auch jenes einer Schülerin: “Ich fänds traurig, wenn es in unserer Gesellschaft heutzutage noch notwendig wäre, so etwas aufzustellen. Weils jeder wissen sollte. Und in der Schule lernen wir auch über diese Zeit.” Gert Kerschbaumer: “Sowas sollte man eigentlich wissen. Doch wissen wir, dass das nicht so ist.” Echt jetzt? Was haben unsere jungen Sendungsgäste im Schulunterricht erfahren? Betrüblich finden wir es auf jeden Fall, dass selbst in spezialisierten Kunstschulen keinerlei Projektarbeiten zum Thema Mahnmal stattfinden. Ausgehend etwa von Max Rieders Entwurf einer Lichtskulptur könnte man doch aus dem kreativen Potenzial Heranwachsender geradezu eine Vielzahl an Ideen schöpfen – und somit auch diesen hoffnungsfrohen Zukunftgestaltern die Aufgabenstellung der Erinnerungskultur im öffentlichen Raum nahebringen. Dazu müsste man sie allerdings als ebenbürtige Projektpartner ernst nehmen – und sie nicht wie kleine Kinder behandeln, die mit den “ach so erfolgreichen” internationalen Künstler_innen überhaupt nicht mitreden können. So scheißt die Politik laufend auf eine Generation nach der anderen und opfert sie zum eigenen Machterhalt dem Moloch einer fragwürdigen Hierarchie.

 

DER VATER UND DER SOHN (SPRINGENSCHMID)   (zur 2. Sendungsstunde)

 

GRABMALUnd während die Stadt Salzburg sich wieder einmal in ihrem Herumgezicke ergeht (und es noch immer keinen Ort des Gedenkens für die Opfer dieser NS-Ausmerzung gibt), thront das Grabmal des Täters Karl Springenschmid als prominenter Ort des Erinnerns an ihn hoch über dem Aigner Friedhof. Dabei ging es den Veranstaltern des ersten Gedenkens (Ludwig Laher, Christine Haidegger und anderen von der Salzburger Autor_innen Gruppe) 49 Jahre nach dem Anschluss in erster Linie nicht um ein statisches Erinnern und Mahnen, sondern vielmehr um die Herstellung eines Bezugs zur jeweiligen Gegenwart. Das zeigte schon 1987 die berühmte Rede von Erich Fried über das Verbrennen der Welt, gehalten ganz im Eindruck der Atomkatastrophe von Tschernobyl, die sich heuer zum 30. Male jährt. In diesem Sinn wollen auch wir in der Sendung einen Zusammenhang spürbar machen, zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem. Wer sind etwa heute die “zum Schweigen Gebrachten”? Wie funktioniert Volksverblendung und Massenaufhetzung im großen Stil? Gegen wen richten sich die selben Mechanismen, derer sich die Nazis vor 80 Jahren bedienten, in unserer Zeit? Und welche innerfamiliären Probleme mit der Generation der zumeist schweigenden Kriegsteilnehmer wirken heute wie damals auf Politik und Gesellschaft ein? Dies zeigen vor allem die radikalen Selbstzeugnisse des Künstlers und Schriftstellers Ingo Springenschmid (des Sohnes vom oben erwähnten Karl).

ingo springenschmidHier lassen wir ihn im historischen Feature von Peter Klein selbst zu Wort kommen, kontrastiert von den Zitaten seines Vaters und von der Erzählung ihrer beider Biographien. Zwischen den Zeilen wird das Ringen um seine eigene Identität – und mit den Illusionen des übermächtigen Vaters verständlich. Ausgezeichnet! Und im Zitat spiegelt sich auch die Vergiftung der Heimat durch die Verstopfung der Zwiesprache. “Das hängt für mich auch mit dem Problem Salzburg zusammen, mit der Struktur Salzburg, das ist ja auch genügend dokumentiert, bis zu Trakl, wenn man so will bis zu Mozart. Diese Hierarchien, die auf der Stadt lasten wie eine Hypothek in Form der Festung. Und immer diese künstliche Situation des Aufschauens und Aufblickens, dann die Festspiele, und so wie man früher zu den Bischöfen (aufsah), so war es dann der Karajan, immer diese Künstlichkeit. (…) Und ich empfinde die Stadt also als sehr hinterhältig.” Seine ehemaligen Schüler sagen: “Ingo hat mir das sprichwörtliche Brett vom Kopf wegmontiert.” Oder: “Er hat Schüler gefördert, wo er gemerkt hat, die haben ein Talent. Es war eine totale Freiheit.” – Ein weites Land, dieses Thema, so fest steht viel!

 

Happy Birthday, Lemmy

> Sendung: Artarium Weihnachtsspecial 24. Dezember – Ist uns heute der Heiland geboren? Damit es nicht allzu heilig (und zu still und zu leise) wird an diesem Abend, bescheren wir uns eine Geburtstagsfeier der etwas spezielleren Art: Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger (sowie Erfinder und überhaupt Mastermind) der einigermaßen sehr harten Rockgruppe Motörhead, wird haargenau heute 70 Jahre alt. Oder auch jung, je nachdem. Wir gratulieren jedenfalls schon mal heftiglich – und bedröhnen euch mit Auszügen aus seiner Autobiographie “White Line Fever” nebst insgesamt 6 (in Worten Sex) launigen Musikstückerln aus Lemmys frohem Schaffen sowie seinem lauthalsen Umfeld. Es darf also gekracht und gescheppert werden, liebe Heiligabendgemeinde der aufmüpfigen Kinder und junggebliebenen Großeltern. Lassen wir die Sau raus!

lemmy christLemmy Christ by Carny-Kapturek. Die Zeichnung ist nebenbei das einzig wahre Bild für den heutigen Anlass, nämlich den zufällig auch am 24. Dezember geborenen Religionsverweigerer namens Ian Fraser Kilmister hochleben zu lassen, der für nicht wenige Hardrock- und Metal-Afficionados selbst so etwas wie Heilandsstatus besitzt. Und ein guter Hirte seiner Schäfchen ist er allemal, wie die Anekdoten aus seinem bewegten und kaum jemals nüchternen Leben uns beweisen. Zudem gibts die Fortsetzung (den Schluss) der Artarium-Weihnachtsgeschichte vom “barmherzigen Rumänen” zu hören, was also will das bescherungsschwangere Herz zur Feier des christlich-alpenländischen Eilighabens mehr? Vielleicht einen kleinen Vorgeschmack auf die heiligabends zu hörenden Musikalien? Also gut, dann will ich mal nicht so sein – und ergehe mich knietief im Kryptischen. Auf 3 von 6 (Sex!) Liedern singt Lemmy selbst, aber nur 2 gemeinsam mit Motörhead, eins davon ist noch dazu ein Cover. Hähähä, weiter mit der Verwirrung! Apropos, 3 von 6 (you know) Musiktiteln heißen aus Anlass des Abends “Sympathy for the Devil”, doch keinen davon spielen die Rolling Stones. Einen jedoch (sowieso das genialste Cover) Daniel Kahn, Psoy Korolenko & Oy Division (aus ihrem Album The Unternationale). Hähähähähä! Den könnt ihr euch gleich reinziehen. Und Lemmy singt wieder einmal (no, na!) vom Ende der Welt. Dann passt doch alles wunderbar zum Thema, oder?

 

Frauentag im Hasenstall

> Sendung: DIE ARTARIA vom Sonntag, 8. März (zum Internationalen Frauentag) – Wir sind nach wie vor die Hasen, doch heut gehn wir als Mädchen! 😉 Wieso nicht einmal andere Assoziationen erzeugen? Ein Neutrum Artarium bleibt zwischen Atrium und Aquarium doch immer „der Raum für“ und „das Ding mit“„Kunnst“, allerdings mit zwei „n“ wie in „Könntestform und Möglichkeit“. Eine Femina Artaria hingegen bewegt den Lufthauch ihres Ausdrucks vom Kunstlied über den Musenkuss bis hin zum Opernsolo. Wohlan, das will uns doch durchaus gefallen! Zumal das Artarium just seinen 8. Geburtstag feiert (es ging am 7. März 2007 mit Peter.W. erstmals On Air) und seither noch dazu bereits in 300 Ausgaben zu hören war. Unsere nunmehr 301. Artarium-Sendung soll deshalb etwas ganz Besonderes sein…

KopflosDazu haben wir als Mitgestalterin unsere höchst umtriebige Kollegin Sabaha Sinanovic eingeladen, die unter anderem seit 2005 im Rahmen der angesehenenen Sendereihe Radiofabrik-Frauenzimmer (CBA) das oft zweisprachige zenska soba betreibt. Sie wird uns etwas über die beklemmenderen Hintergründe dieses eigentlich ganz „normal“ wirkenden Begriffs erzählen, der ja wörtlich übersetzt einfach „Frauenzimmer“ oder „Raum für Frauen“ bedeutet. Dazu passend ein Live-Telefonbericht zur gleichzeitig stattfindenden Frauendemo unter dem Motto „My Body is not your Battleground“ von den Kampfschwimmerinnen des feministischen Frauenkollektivs sisterresist. Das gleichnamige radio ist eine weitere Sendung aus dem Frauenzimmer und widmet sich inzwischen sogar der gepflegten Sportreportage auf unterhaltsamste Weise  > Frauenfußball Sondersendung. 🙂

Kim Gordon

Kim Gordon 2007 wikimedia commons

Doch was ist jetzt das ureigene Interesse von uns zwei Hasen –  am Thema Emanzipation im Sinne von Selbstermächtigung?  Women aren’t allowed to be kick-ass. I refused to play the game.“ Das Zitat aus der soeben erschienenen Autobiographie von Kim Gordon (Sonic Youth) gilt doch gewiss genauso für all die anderen Mitglieder 😛 die sich gegen das Eingepresstsein in gesellschaftliche Stereotype, Normen und Klischees wehren müssen, weil ihnen sonst noch alles Leben abstirbt! Und auch aus dem wunderbaren Gedicht „My Body is not your Battleground“ der syrisch-amerikanischen Autorin Mohja Kahf kann Mann der Befreiung so einiges von den Gewaltbildern „heiliger“ Schriften erfahren, die uns so gern untertan machen. Die Verwandtschaft von Tora, Bibel und Koran tritt hier offen zu Tage, ebenso wie die sexualisierten Besitzphrasen aus den vielen Hoheliedern der Vaterlandsschwüre.

My body is not your battleground
How dare you put your hand
where I have not given permission
Has God, then, given you permission
to put your hand there?

Sich emanzipieren heißt ja im Wortsinn „sich aus der Hand, die Macht hat und somit Gewalt ausübt, heraus zu nehmen“ Allein schon deshalb ist „die Emanzipation“ eine Aufgabenstellung für uns alle. Die Kunnst der Selbstbefreiung hieß denn auch eine frühere Radiosendung zum Internationalen Frauentag 2009. Wollen wir einander dabei weiterhin (und jetzt erst recht) auf Augenhöhe begegnen – und beistehen!