Der Herr Hund

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. August – Es entspricht dem Wesen eines Hundes, dass dieser mehr oder weniger überall seine neugierige Nase hineinsteckt – auch wenns ein Haufen Scheiß ist. Und so gestalte ich in Entbehrung des auswärts abenteuernden Chriss diesmal wieder ein Soloprogramm aus allerlei hier wie dort zusammengeklau(b)ten Duftproben. Von japanischer Popkultur über den Primat der Ökonomie bis zum Gitarrensound der 90er lasse ich ein paar illustre wie obskure Zaunzeugen des Weltgehens ihr Charmebein schwingen: Pizzicato Five, Joesi Prokopetz, Frank Zappa, PeterLicht, Abie Nathan, Hanns Dieter Hüsch, Eroc (Grobschnitt) sowie Busch (die Band). Und weil genug niemals genug sein kann, lass ich auch mich selbst noch auf uns los – und zu Wort kommen. Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Der Herr HundGenial trifft es etwa PeterLicht, der 2006 sein Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ nannte und darin die folgende realexistierende bundesdeutsche Presseaussendung zum Kultsong erhob: „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. BDA-Präsident Hundt sagte: Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.“

Ich für meine Person distanziere mich hier ganz ausdrücklich von jeder Namensvelwechsrung!

Es ist sowieso nicht einfach, das Wesen des Hundes in der Popkultur zu erfassen. Wo riechen wir hin, was brunzen wir an – und wen beißen wir? Die Rolle des Wachhunds (und kommissarischen Hüters) der Errungenschaften des freien Radios erfülle ich ja (nomen est omen) durchaus gern mit Leben – dem, das ich bin. Jedoch worin bestehen diese Errungenschaften – im Gegensatz zum Grund- und Bodensitz privatöffentlich-kommerzrechtlichen Verallgemainstreams? Oder – im Spannungsfeld zwischen der freien Meinung und einem Thema? Lassen wir uns dazu am besten eine Collage dreier Statements aus dem Land der lebenden Phantasie in die Seele sickern: „The Voice of Peace – ein Kunnst-Biotop – zwei Welten, eine Familie“ und machen wir uns wieder einmal in bewährter Weise selbst einen Reim daraus!

Denn solang wir darauf warten, dass uns die Irgendwers den Weg zeigen, solang warten wir darauf

PS. Der gegen Ende der Sendung in Auszügen verlesene Artikel von Erhard Glötzl findet sich übrigens in der Zeitschrift für Sozialökonomie (1999) – hier als PDF-Download.

 

Lieber Griechen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Juli – Verstehen sie denn nicht, dass diese Menschen eine eigene Kultur haben? Ja, das ist dann hier wohl die Frage, wenn wir sprachlos die jeweils neuesten Nachrichten von der Europäischen Finanzplanierung Griechenlands hören und sehen. Weil einem genau das dabei zu vergehen droht, ist – allein schon aus gesundheitlichen Gründen – eine Rückbesinnung auf ein paar Besonderheiten der griechischen Kultur geboten. Und was würde sich in diesem etwas anderen Kafenion dafür besser eignen, als Geschichten darüber zu erzählen? Zum Beispiel die vom Jorgos (ein legendärer Wirt in der Schönbrunnerstraße), bei dem wir einst alle anschreiben ließen, und den es doch immer wieder verwunderte, wenn einer von uns dann seine Schulden bezahlte. Eine ganz eigene Kultur eben…

UND GUSCHOder auch die vom Grosser Michi (mein über alles geliebter Pfadfinder-Gruppenleiter), der zur Zeit der griechischen Militärdiktatur als Jugendlicher in Piräus Spottlieder auf Papadopoulos sang und dafür letztendlich nur fast verhaftet wurde! Warum wohl zog es jahrzehntelang gerade die etwas anderen Kinder nach Griechenland, einem Synonym für Freiheit und Abenteuer? Was war etwa eine Maturareise dorthin – in jenem historischen Zeitalter vor der Erfindung allinklusiver Rundumbehupfung? Darin könnte uns die Episode vom plötzlichen Verschwinden des Schneider Gü (mein Altgriechisch-Professor) wohl einige Einblicke eröffnen. Oder auch eine von Georg Danzer meisterlich selbst erzählte. Naturgemäß dürfen dabei die drei bekanntesten Vertreter der austro-hellenischen Freundschaft nicht fehlen, nämlich Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz. Aus dem wunderbaren zweisprachigen O Xenos (Gert Steinbäcker, Panos Falaras) hier nun die Übersetzung der griechischen Passagen quasi als Einstimmung – oder zum Schluss:

Mein Sohn fragt mich, ob du früher kommst.
Ich sagte ihm, im Mai wird er bei uns sein.
Tausende von Problemen haben wir und Steuern sogar noch mehr.
Aber mit einem Freund bei dir erträgst du das Leben.

Die Herzen sind ohne Grenzen, sie haben den gleichen Himmel.
Die gleichen Monde in einer Welt, fremd, leer und dunkel.
Heimat ist der Traum der Menschen, der die Seelen verbindet.
Und die Freunde, wie du weißt, zeigen sich in schwierigen Zeiten.

Darauf erst mal einen Ouzo!

 

Schaffnerlos

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. Juli – Mit dem diesmonatlichen Ganzen Album wollen wir einen wesentlichen Mitverursacher des Phänomens Austropop würdigen – und ihn speziell für die jüngere Generation den allzu schlappen Genrezuordnungen wie etwa „Musiker, Darsteller, Kabarettist“ entreißen. Denn Joesi Prokopetz schrieb nicht nur die Texte der meisten frühen Ambros-Hits (Da Hofa, Es lebe der Zentralfriedhof), sondern erschuf auch (im Produnktionskollektiv Ambros, Tauchen, Prokopetz) bis dato in Österreich einzigartige Konzeptalben respektive Hörspielwelten: „Der Watzmann ruft“, „Augustin“ – und eben das hier nun zu erlebende „Schaffnerlos“. Ein viel zu lang schon auf Kleinkunst und Blödelspaß reduzierer Textdichter, dessen hintergründige Beobachtungen inzwischen endlich auch in einer Dissertation gewürdigt wurden.

schaffnerlos 1978Es ereignen sich so wunderliche Szenen wie zum Beispiel diese: „Passns auf, do kennt jo jeda kumma und ma wos vo seim Sackl vuawanan und donn zwa Stationen umasunst foan! Bei mir lösen sie sich einen Fahrschein und donn kemma weida redn.“ – „Aso, so woin sie des drahn? Sie woin mi bezichtign, vo mia aus bleibns stehn mit ihnan Kibl!“ – „Sogns ned nu amoi Kibl zu meim Beiwogn!“ – „Kibl sog i.“ – „Sogns es ned nu amoi!“ – „Kibl sog i, jawoi, Kibl! Kibl! Kibl! Kibl!“ – „Ka anzichs Moi mea!“ – „Kibl! I hob jo gseng, doss eas gseng hot. Ea hots jo duat hin gstöd, ned.“ – „Jo ich bitt sie, so gehns doch weiter, wie kommt man denn dazu, der Herr Schaffner ist doch auch nur ein Mensch.“ – „Wos is a? A Mensch is a? A Sackldiab is a!“ – „Schauns, dass aussikumman, jo, jetzt is genug!“ – „So gehns doch weiter, sie Rüpel!“ – „Mischns ihna ned dauernd ein, sie Funzn, sie oide. Mundraub is des, jawoi, Mundraub. Mundraub!“ Wen wunderts, dass derlei atemberaubender Disput letztendlich in einem anarchischen Ausbruch der lebenslang unterdrückten Emotion kulminiert: „Von mia aus kennan mi olle umasunst am Oasch leckn!“ Das einfühlsam gezeichnete Psychogramm des echten Wieners zwischen Anpassung und Aufbegehren, oder, wie es Uwe Dick in der Vorrede zum Öd formulierte: „Die Summe derer, die ich täglich aushalten muss.“

Wir wünschen viel Vergnügen!

 

Frauenfußball? Böhse Mädelz!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. Juni – Was fasziniert am Mädchenfußball? Ein paar Betrachtungen jenseits des Sportkonsums und zwischen den Geschlechtern. Zunächst wollten wir uns ja aus Anlass der in Kanada stattfindenden Frauenfußball-WM über die seltsamen Sehgewohnheiten der immer schon männlich geprägten Sportwelt auslassen – gemeinsam mit kritischen Kolleginnen und/oder weiblichen Fußballfans, allesamt jedenfalls voll biologische Frauen aus unserem Bekanntenkreis. Nachdem die jedoch aus unerfindlichen Abgründen unsere Einladung ignorieren, stellen wir gern wieder einmal unsere eigene Mädchenmannschaft (sic!) auf. Wir können das nämlich! Zumal just dieser Tage und direkt vor unserer Haustür das Bundesfinale der UNIQA MädchenfußballLiga stattfand. Und da haben wir uns dann ein wenig umgesehen:

Die TorfrauDie in der zweiten Halbzeit des Endspiels recht unterbeschäftigte Torfrau der diesjährigen Meisterin Sportmittelschule Graz Bruckner, hier vor dem Hintergrund einiger kaspernd beiwohnender Jungs aus Salzburg. MomentJungs, Mädels, Fußballda war doch was?

Heute am SAK-Platz geschätzte siebeneinhalb Jungpubertiere (Konzept MÄNNLICH!) von der Beislterrasse erfolgreich vergrämt, als diese nicht aufhören mochten, drei Spielerinnen aus Wien sexistisch anzurotzen. Wobei sie sich zunächst über das Rollenkonzept ihrer kritischen Diss-Sonanz gänzlich uneins waren: „Was machst du auf einem Fußballplatz – du hast doch keinen Penis!“ oder aber „Du bist bestimmt kein richtiges Mädchen, weil du Fußball spielst!“. Wen haben die Bedauernswerten eigentlich in Biologie? Doch als es dann gröber wurde, „Deine Mutter ist eine Transe!“ und darüber hinaus, da schwellte ich drohend den Bauch und sprach in meiner vollsten Übelzeugung prophetische Worte: „Hörts auf da zum Stänkern, sonst schmeiß i eich außi.“ Und schwupp – weg waren sie. Norbert K.Hund auf Facebook

Die FrauschaftDie stirnrunzelnden Blicke der Spielerinnen vom drittplatzierten BRG Wien 22 Polgargasse (hier bei der Preisverleihung) sprechen in dem Zusammenhang Bände. Und bestimmt ist da noch viel mehr zu entdecken bei Stimmungsstudien zum Frauen- und Mädchenfußball. Geschlechterrollenklischees und andere Vorurteile haben eines gemeinsamsie stimmen nicht!

Ja, ich finds traurig, wenn ´ne Frau sich selber Kaufmann nennt
Und bin ich Sänger oder Sängerin?
Ja, ich find es nicht normal, dass man nicht mensch ist
Ein herrlich auf die jungen Herrn, wir Fräuleins sind nur dämlich

Ich scheiss drauf, ob´s normal ist oder wichtig
Ich scheiss auf diese Art von Sprache, aber richtig
Ich scheiss drauf, ob´s normal ist oder wichtig
Ich scheiss auf rosa oder blau, aber richtig!

Katriana

 

Sonnwendsendung

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Juni – Eine kritische Einlassung zu diversen Volksbrauchtümern – und unserem eigenen Erleben! Sommerliches Sonnenanbeten sowohl dies- wie auch jenseits von Christendumm, Ahnenerbsen und Esoterroir. Ein Potpourri aus Information und Nachdenklichkeit, zudem fein garniert mit Musik von Daisy O’Hara und Mystik aus den Alpen. Unter anderem. Denn die Beforschung des vermutlich schon uralten Fests zur Sommersonnenwende (also zum längsten Tag und zur kürzesten Nacht im Jahreskreis) stellt uns halt noch immer vor Rätselhaftes: Sich vorzustellen, wie zum Beispiel die bronzezeitliche Bevölkerung unserer Breiten das signifikante jahreszeitliche Ereignis begangen oder „gefeiert“ haben könnte, das erfordert ein Einfühlen in deren Lebenswelt ohne ideologisch interpretierende Brille.

sonnwendfeuerAllen bisherigen Deutungen des ursprünglichen Gehalts solcher Riten ist nämlich eines gemeinsam: Das nachträgliche Vergewaltigen aller Artefakte und Zeugnisse im Sinne ihrer jeweiligen Weltanschauung. So unterscheiden sich die bekannten Erklärungsansätze immer nur in den Ergebnissen und nie in ihrem Zugang zum Gegenstand an sich. Die katholische Weltdeutung etwa sieht in „extatischen Veitstänzen heidnischen Götzendienst“, der durch religiöse Überformung sogleich „unschädlich gemacht“ werden muss. Die germanenspinnerten Nationalsozialisten hingegen interpretierten in dieselben spärlichen Quellen eine „urmächtige Erscheinung des reinsten völkischen Brauchtums“ hinein. Zuletzt die esoterisch verquast neuheidnisch-spiritualistische Sicht der (kaum bezeugten) Dinge, die uns ein überquellendes Eintopfgericht voller „außerirdischer Offenbarung und naturmystischer Geheimlehren für Eingeweihte“ zu servieren trachtet. Puuuh, sagte der Bär – und hieß doch nicht Harry Rowohlt

feuertanzDabei lässt sich der Feuertanz auch ohne ideologisches Brimborium ganz und gar selbst vollführen – als ein Würdigen des Werdens und Vergehens – in allem dauerhaft Bestehenden. Als fortwährende Wiederverinnerlichung dessen, was sich in der Natur zyklisch von der Geburt über den Tod bis zur Wiederkehr stets erneuert – ganz im Gegentum zu den behaupteten Ewigkeiten menschlicher Erfindung. Da ist kein großer Unterschied zwischen dem Himmelreich und dem tausendjährigen – oder der kostengüstigen Reinkarnationstherapie. Wie gesagt, es ist wahrscheinlich kaum je möglich, derlei Vorvergangenes wie die Sonnenrituale der Ureinwohner überhaupt nachzuvollziehen, weil wir alle immer unbewusst die Kulturbrille unserer Zivilisation aufhaben. Und dennoch gibt es Möglichkeiten, das Phänomen Sommersonnenwende annähernd zu verstehen, vielleicht auf dem Umweg über vorzivilisatorische Kulturen außerhalb Europas – oder bewusstseinsverändernde Surrealismen in der Kunst.

sonnwendfeierBestes Beispiel für so einen echten Tanz mit dem Feuer ist dieses Lied:

Just learn to hide the way that you really feel
Never let them know that you’re scared
But understand that you’re not the special only one
Watch us now, watch us real close

How we all dance with this fire ‚cause it’s all that we know
And as the spotlight turns toward us, we all try our best to show
We are lost, we are freaks, we are crippled, we are weak
We are the heirs, we are the true heirs, to all the world

Let’s go build a fire down on the empty beach when the waves are crashing high
White heat purify, as the sparks fly up into the great black sky
Sacrifice these crutches to the crackling flames
Stand as silhouettes against the dawn
It’s far too late to try to sleep now, seems I’m never tired any more

I want to dance with this fire ‚cause it’s all that I know . . .
We are lost, we are freaks . . .
And we try our best to show . . .
I am lost… I’m a freak… ha ha ha

New Model Army – Ballad of Bodmin Pill

Und wir bedanken uns bei Till Westermayer für seine Feuerfotos auf flickr 😉

 

Αγγελική Ιονάτου

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Juni – Wir spielen das ganze Album O Erotas der griechisch-französischen “Compositrice et Chanteuse” Angélique Ionatos, das der gute Christopher unlängst im H.C. (Artmann) Café des Literaturhauses zu Salzburg entdeckt hat. Die bei uns weithin unbekannte Künstlerin verbindet in ihrem musikalischen Werk verschiedenste Einflüsse mediterraner Kulturtradition zu einer ganz eigenen, berührend faszinierenden Klangwelt. Wir fühlen uns da in einen lyrischen Kosmos entführt, in dem „das Bittere stets mit dem Süßen vermengt ist“, wie es bereits in einem altgriechischen Sprichwort heißt. Das titelgebende Lied des Albums O Erotas ist übrigens ein von ihr vertontes Gedicht des griechischen Literaturnobelpreisträgers Odysseas Elytis. „Kunst und Liebe sind stets auch politisch“, so empfinden es wir…

o erotas cover„Die Schwarzweiß-Photographie einer herzhaft lachenden Frau mit lockigem Haar und Lederjacke. Darunter blassblaue Zeichen, die einen Namen formen: Angélique Ionatos. Die Engelhafte.

Und daneben in kleiner weißer Schrift: O Erotas. Die Liebe. Ich stöberte im Regal mit den CDs, die über die Jahre von verschiedenen Menschen zusammengetragen worden sind und entdeckte dabei dieses sommernachtstraumhafte Album.

Spätestens als Ionatos den ersten Ton freigab, war ich verzaubert, wurde verwandelt, fiel in ihren Bann. Es liegt auf der Hand: Mischt man eine dunkelwarme Stimme, welche griechische Poesie wie Beschwörungen singt, mit einer eigensinnlichen Musik, die manches Mal auch in den Hintergrund tritt, wie um die Worte zu stärken, so kann daraus eigentlich nur ein außergewöhnlicher Genuss entstehen.

Also, lasst uns ein Stück Hörwelt teilen und gemeinsam Klangwege beschreiten. Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik!

 

Sommernachtstraum

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Juni – Wir eröffnen uns einen H. C. Artmann Platz. Feierlich. Live. Im Radio. Aber sowas von! In diesen Zeiten burgenländlichen Blauweinjuhudelns ist es uns ein besonderes Anliegen, den einzig wahren H. C. (Hans Carl nämlich) hervorzukehren. Dem wird ja heute auch tatsächlich ein amtlicher Platz (der Vorplatz vom Salzburger Literaturhaus) gewidmet, mitsamt den üblichen Ansprachen vom Bürgerschaden abwärts. Das alles auch noch im Rahmen des Aktionstags einer solidarischen Stadt, an sich eine lobenswerte Veranstaltung, die mir aber schon vorab einen unguten Beigeschmack bereitet, zumal dieselbe ach so solidarische Salzstadt ziemlich zeitgleich ein umstrittenes Sektorales Bettelverbot eingeführt hat ? Die Roten purzeln wohl neuerdings überall wie die Dominos aus ihren – ähm – Positionen. Erklären wir uns halt die roten Sitzsteine zum Zeichen der Hoffnung:

1 hansDer poetische act ist dichtung um der reinen dichtung willen. Er ist reine dichtung und frei von aller ambition nach anerkennung, lob oder kritik.

Der poetische act ist materiell vollkommen wertlos und birgt deshalb von vornherein nie den bazillus der prostitution. Seine lautere vollbringung ist schlechthin edel.

Der vollzogene poetische act, in unserer erinnerung aufgezeichnet, ist einer der wenigen reichtümer, die wir tatsächlich unentreißbar mit uns tragen können.

aus proklamation des poetischen actes 1953

Wollen wir also in diesen drei Stunden zum Themenkreis Sommer, Nacht, Traum den Sprachakrobaten höchstselbst zu Wort kommen lassen – ja, wir haben wieder in der Grauzone der Egalität die Archive geplündert – und zudem auch ein paar kongeniale Interpreten und inspiriert Wortene hören, wie zum Beispiel Helmut Qualtinger, Fritz Kohles oder Ronnie Urini & die letzten Poeten. Halleluja, das wird ein Fest, wenn die Jahrhunderte Schlange stehen – und der Artmann-Café-Barherr den Rosé ausschenkt. Wir wünschen uns nach all der offiziellen Daheit dieses Tages eine samtene Nacht!

2 carlliebe ratte, komm zu mir,
gerne spiele ich mit dir,
bind dir engleinsflügel um,
trag dich ins panoptikum,
worein oft die kinder gehn,
und wann die dich fliegen sehn,
rufen alle, alle aus:
so ne große fledermaus!

aus allerleirausch neue schöne kinderreime

Ein bis heute unvergessliches Erlebnis ist mir jene nichtendenwollende Lesung von H.C. Artmann in einem recht schummrigen Gasthof zu St. Pölten, die unser genial vielseitiger Berufsschullehrer für Kunst-, Kultur- und Literaturgeschichte Hugo Schöffer als einen integrierten Bestandteil der Ausbildung zum Buch-, Kunst- und Musikalienhändler  veranstaltete. Ja, so hieß der Lehrberuf damals nicht nur – das war er in dem Fall auch wirklich! Und Anekdoten zu alkoholischen Artmann-Auftritten gibt es mittlerweile wohl genau so viele, wie entsprechende Getränke dortselbst dargeboten und konsumiert wurden. Die FM4-Sendung Chez Hermes etwa brachte den halbamtlichen Mitschnitt einer heillos versoffenen Poesie-Performance im schönen Kärnten zu Gehör. Von den zwischenmenschlichen Aspekten des Grünen Veltliners weiß auch ich zu berichten…

3 artmannich bin die liebe mumie
und aus ägypten kumm i eh,
o kindlein treibt es nicht zu arg,
sonst steig ich aus dem sarkopharg,
hol euch ins pyramidenland,
eilf meter unterm wüstensand,
da habe ich mein trautes heim,
es ist mir süß wie honigseim,
dort, unter heißen winden,
wird keiner euch mehr finden.
o lauschet nur, mit trip und trap
husch ich die treppen auf und ab,
und hört ihrs einmal pochen,
so ists mein daumenknochen
an eurer zimmertür – o kindlein, seht euch für!

Dieses Gedicht hörte ich dabei zum ersten Mal. Es findet sich wie viele andere in der Sammlung ein lilienweißer brief aus lincolnshire. gedichte aus 21 jahren (1969). Womit wir diesen sprachgespielen Exkurs von und zu unserer freitagnächtlichen Perlentaucherei eigentlich gleich abrunden könnten. Und – was lernen wir daraus? Es gibt einen geraden Weg singt PeterLicht. (Ge)dichte Kunnst kann, auch nach Jahrzehnten des Realitätsterrors, die Wirklichkeit der Freiliebenden beschützen. Dass sie oft nicht bei uns ankommt – das ist das Versagen der Politik und nicht der Poesie.

 

Deine Stimme, die zählt!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. MaiJournalismus und Märchenwelt, passt sowas denn zusammen? Romana Stücklschweiger geht diesmal mit uns auf die Suche nach ein paar magischen Geheimnissen zwischen Phantasie und Professionalität, die das Selbstsenden im freien Medium gar wundersam verzaubern. Denn das, was uns als Community der vielen verschiedenen Stimmen ausmacht, das entzieht sich seiner systematischen Dingfestmachung oft ähnlich wie die überraschenden Wendung eines Märchens – oder Traums. Sind wir also auch so etwas wie eine andersweltliche Erscheinung inmitten des Realitätsalltags, die sich nur durch ihr Dazwischensein definieren – und so von den anderen Erscheinungsformen abgrenzen kann?

Machtkunst„Wer kann beweisen, dass der sogenannte normale Zustand nicht ein Wahn ist – ein süßer Wahn vielleicht, aber ein Wahn. Dass ich in Wahrheit verzaubert oder gar verflucht bin. Dass ich weit von mir selbst entfernt, also verwandelt, bin?“ So formuliert es Michael Köhlmeier im Vorwort zu einem Kapitel seiner „Märchenwelt“. Und wie definieren wir „Wirklichkeit“? Etwa als Sachzwang oder Gewohnheit, als das normative Gewicht des Faktischen? In dem Zusammenhang fragen wir uns zum Beispiel auch, ob nicht mit dem Begriff „Journalismus“ im freien Radio noch etwas Anderes gemeint sein könnte als das im allgemeinen Sprachverbrauch weithin Übliche. Oder wie das engagierte Eintreten für lokale Musiksschaffende hinter den Kulissen funktioniert. Zwischen Handwerk und Idealismus. Zwischen Tagtraum und Technik. Zwischen Weltverbesserung.

KunstmachtDazu wollen wir von Romana einiges erfahren, ist sie doch ihres Zeichens Mitgestalterin des ab Oktober in der Radiofabrik angebotenen Lehrgangs für Musikjournalismus. Überhaupt ist sie ja auch selbst eine seit Jahren erfahrene Musikredakteurin und als solche der geneigten Gehörschaft aus diversen Sendungen stimmlich wohlbekannt. Ja, diese Stimme… Damit kommen wir zurück zu einem wesentlichen Merkmal der freien und selbstbestimmten Community-Radios: Hier ist die Vielfalt der unterschiedlichsten Stimmen in ihrer ganzen Bandbreite zu erleben. Und man merkt, es sind die Stimmen der Menschen, die man auch beim Einkaufen und beim Spazierengehen antreffen kann. Deine Stimme, meine Stimme, unsere Stimmen. Echtheit, nicht Verkaufsprodukt. Das ist das Geheimnis. Denn „Something is happening here, but you don’t know what it is. Do you, Mister Jones?“ (Bob Dylan)

 

Wos i (ned) gern hör

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Mai – Wenn man immer wüsste, was die lieben Kolleg_innen mit unserer Studioeirichtung so alles aufführen – dann würde man sich womöglich gar nicht mehr soo unbefangen ans Mikrofongitter schmiegen, wie man das eigentlich gern gewohnt wäre. Gut, die wirklich abseitigen Sachen finden wohl wegen der Videoüberwachung überhaupt nicht statt (und das wär mir hier jetzt viel zu unappetitlich). Nichtsdestoweniger geschehen in unserem Sendestudio und somit auch auf unseren Frequenzen immer wieder recht denkwürdige Seltsamkeiten, wo ich mich dann eigentlich schon frage, wie ich die atmosphärischen Überreste von derlei sagen wir mal spirituellen Sozialorgien wieder aus der diversen Hardware heraus bekomme. Die Stimmen der Anderen, einmal kritisch hinterfragt. Ein Reinigungsritual

Kommissar HundGerade überlegen wir etwa in der Programmkommission, welche Sendereihen wir in den beiden Sparten Kunst/Kultur sowie Gesellschaft/Politik mit dem Radioschorsch 2015 dafür auszeichnen, dass sie den im Radiofabrik-Leitbild formulierten Grundwert des Offenen Zugangs beispielhaft, engagiert und zukunftsweisend verwirklichen. Wörtlich heißt es dort: „Bei uns kann jede und jeder Radio machen, besonders jene, die in anderen Medien unterrepräsentiert sind.“ Das ist eine vorzügliche Zielsetzung, hinter der zu stehen für mich als Sendungsgestalter mehr als nur selbstverständlich ist, nämlich im wesentlichsten Sinn identitätsstiftend. Und das gilt insgesamt für die Institution der Freien Radios an und für sich. „Personen und Gruppen bewusst zu bevorzugen, die beispielsweise aufgrund ihrer Abstammung, ihrer Denkweise, ihrer Hautfarbe, ihrer politischen Einstellung, ihrer Sexualität etc. in anderen Medien diskriminiert werden“ – das ist doch die Grundsubstanz für unser Selbstverständnis. (Zitat sinngemäß wiedergegeben aus der Charta der Freien Radios in Österreich)

ZwischenfragenEs sind also diese Menschen und Gruppen, für die wir einstehen (und die wir ja großteils auch selbst sind), die in den vom gesellschaftlichen Mainstream geprägten Medien gar nicht, und wenn, dann nur am Rande oder verzerrt dargestellt vorkommen. Dies gilt sowohl für den öffentlich-rechtlichen wie auch den privat-kommerziellen Sektor in gleicher Weise, da sie beide dem Einfluss mächtiger Interessensgruppen ausgesetzt sind (Wirtschaft, Parteien, Kirchen…) und diesem auch nachgeben müssen, weil sie ihre jeweilige Position behaupten wollen. Was aber geschieht mit unserem, sich davon in so angenehmer Weise abhebenden Selbstverständnis, wenn sich quasi durch die Hintertür der Meinungsfreiheit genau die selben gesellschaftsprägenden Einflussnahmen auch bei uns einschleichen? Wenn vielleicht esoterische Zirkel den Besuch ihrer eindeutig privatwirtschaftlichen und knallhart kostenpflichtigen „Lebenshilfe“-Seminare im Freien Radio anpreisen? Oder wenn sich gar ein bekannt homophober Hilfsbischof mit seinem ewiggestrigen Menschenbild bei uns ganz nach Laune Witz erzählend und segnend ausbreitet?

Hallo? Was hör ich da? Der hat in MEIN Mikrofon hinein gesegnet? Na, dem werden wir den Teufel schon mit dem Brezelbub austreiben! Holt sofort einen Sexorzisten!

 

COPY RIOT

Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Mai fand diesmal dem Thema gemäß als ein sich wiederholendes Selbstzitat statt. In aller gebotenen Ironie servierten wir Ausschnitte aus der Gepflegten Koinzidenz sowie aus den Märzhasen. Dazwischen jedoch gab es die Aufzeichnung unserer COPY RIOT Performance vom Donnerstag, von der nunmehr eine soundoptimierte Version (24:59) zum Download bereit steht. 🙂

Im Rahmen der Civilmedia15 präsentierten Norbert K.Hund, Christopher Schmall (Voices) sowie Daniel Danko (Sounds) ein metalogisches Work-In-Progress aus den Bastelköpfen der Ideenanreicherung: Durch Rezitation und Verfremdung wohlvertraut anmutender Textpassagen im Wechselspiel mit unvorhersehbaren Klangräumen entsteht eine Momentaufnahme unseres Umgangs mit dem unsortierten Material der postmodernen Wirklichkeit. Aus Wiederholungen von möglichen wie scheinbaren Zitaten – in ihrem einstweiligen Unzusammenhang – können sich für diejenigen, die sich ungeschützt darauf einlassen, vollends neuartige Formen eigener Sinnstiftung ergeben. Oder auch nicht. Wir übernehem jedenfalls keinerlei Verantwortung für das Erreichen irgendeines Zieles – oder die Erfüllung irgendeiner Funktion

dreiWir sind vor allem da – und wir tun es – öffentlich: In dieser Sendung wiederholen wir die Aufführung vom 7. Mai (bei der Civilmedia15 im Kunstquartier Bergstraße 12, Beginn 18:00 Uhr)  Diese Word & Sound-Performance sollte ein unterhaltsames Statement sein – und zudem noch ein Beitrag zur Diskussion um eine notwendige Neufassung des Urheberrechts, etwa an Werken der Kunst. Die Ursache (sic) dafür war das Verbot einer Thomas Bernhard Lesung im Salzburger Literaturhaus durch den Suhrkamp Verlag, und zwar im Auftrag von Bernhards Halbbruder Peter Fabjan, dem ebenfalls das Testament des Autors ignorierenden Erben der Verwertungsrechte.

Unsere These dazu ist einfach, allerdings für die Arbeit in niederschwelligen, nichtkommerziellen Kultureinrichtungen (wie eben auch in Freien Radios und anderen Community Medien) nicht unwesentlich:

zwei Veröffentlichte Werke stehen der Weiterverbreitung sowie interpretativen Bearbeitung unentgeltlich zur Verfügung, und zwar all jenen, die keinen materiellen Gewinn daraus erwirtschaften. Erst ab einem substanziell messbaren Profit seitens der Rechtenutzer sollen diese im Verhältnis zu ihrem Profit abgeltungspflichtig sein. Und solange die bestehenden Gesetze gelten, müssen für den nichtkommerziellen bezw. gemeinnützigen Sektor der Kulturvermittlung entsprechende Sonderregelungen (wie leistbare, gern auch “symbolische” Pauschalen etc.) auf Verbandsebene ausgehandelt werden…

Dieses Handout mit Ankündigung und (obigem) Hintergrundtext gibts hier als PDF 😉 Und wenn wir schon dabei sind, etwas auszuprobieren (von dem wir naturgemäß nicht wissen, wie es sich in der jeweiligen Situation darbieten wird) mashen wirs doch up:

Sprache ist Sprache
Niemand kann sie besitzen
Sie gehört uns allen

einszitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren

miserable Drecks-Orte wiederholen
diesen unfeinen Titel zitieren
wenn nicht einen Dreckigeren wiederholen
dieses Rückständige zitieren
Bornierte wiederholen
Hinterwäldlerische zitieren
gleichzeitig wiederholen
geradezu zitieren
abstoßend wiederholen
Größenwahnsinnige zitieren
Land wiederholen
zitieren

nullin dieser Stadt
direkt in die Menschenverzweiflung
Bahnsteigtoiletten
Trümmerfeld
Scherzhauserfeldsiedlung
Vormittag
Gesteinsbrocken
wie ein Tier
die ganze Dummheit
immer geläufig gewesen
ängstigende Kälte
Friedhofsarkaden

Stumpfsinn
Heuchelei
Geistlosigkeit

siehst du, siehst du, siehst du?

perfide Fassade
Todeskrankheit
direkt oder indirekt
langsam und elendig
früher oder später
durch und durch

eine andeutungzur höheren Ehre
des jeweiligen
Adolfjesus Hitlerchristus
oder eines anderen
volksverdummenden
Abziehbildes ihres Gottes
des Marktgottes und Wertgottes
und des Marktwertgottes
besinnungslos Geld und Abgeld,
Scheingeld und Widergeld
herauspressenden
Spießbürger

eine in vollkommener
Unwissenheit und Gemeinheit
undurchdringbare
Menschengestrüpp-
Fortpflanzgesellschaft

Die Sprache
ist die Ursache
aller Andeutungen

Ein Missverständnis