Damalsheutemorgen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. November“Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen – und die Zukunft gestalten.” Dieses Zitat von August Bebel (Schriftsteller und Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie) gibt einen Aspekt der titelgebenden Wortschöpfung wieder. Wobei Damalsheutemorgen durchaus auch den Seinszustand von jemandem beschreiben könnte, für den das heutmorgendliche Aufwachen schon ziemlich lang her ist, aus welchen Gründen auch immer. Merke: Zeit ist ein Phänomen, dass sich oft gar nicht in Stunden messen lässt. Deshalb soll diese Sendung dem Zeitlosen gewidmet sein, das in früheren Zeiten Kultstatus hatte, sowie seiner zeitgemäßen Vermittlung im Hier und Jetzt, auf dass dieses reiche Vermächtnis auch für zukünftige Gestaltungen zur Verfügung stehe.

Damalsheutemorgen - "Der letzte Hahnenschrei" (Arik Brauer Privatsammlung)In würdiger Vertretung des Hasen begleitet mich Timna Pachner, die doch tatsächlich nach Arik Brauers Tochter benannt ist – und zudem in der Radiofabrik-Lehrredaktion das unerhört!-Magazin mit entwickelt. Gemeinsam wollen wir das kultige Erbe der Familie Brauer bereisen und einer der allezeit legendärsten Radiosendungen beiwohnen: dem Schalldämpfer von Axel Corti. Im Hintergrund lauert die Frage, was eigentlich so eine Kultsendung ausmacht, damals wie heute – und morgen. Oder, wie sich ein zeitloses Damalsheutemorgen bewirken ließe, als Gegengewicht zum vergangenheitslosen Aktualitätsgehechel der immer schneller werdenden medialen Beschleuderung… Nicht, dass wir diesen hochphilosophischen Fragenkomplex in der knappen Stunde, die uns zur Verfügung steht, hinreichend gründlich zerantworten könnten. Aber ein paar Gedanken- und (vor allem) Gefühlsanstöße zum Thema sollten sich schon ausgehen. Zwischen den Zeiten, zwischen den Zeilen, hinter den Gründen und auch unterm Bewusstsein. Mir ist es ja längst ein Bedürfnis, womöglich Wesentliches aus diesen Schätzen des Damals zu heben – und so den nächsten Generationen zu vermitteln.

Und deshalb versteht sich das “etwas andere Kunnst-Biotop” namens Artarium oder auch Nachtfahrt-Perlentaucher in seiner Gesamtheit als ein Archiv vieler rundherum angeschwemmter Spezialitäten in oft überraschenden Zusammenhängen. Da lassen sich dann zum Beispiel Sendungen mit Axel Corti oder Zitate von Arik Brauer sowie ein Album der Band Zeitzeuge finden.

 

Diese schamanische Reise

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. November – Dass die Auszeichnung der Radiofabrik heuer zum ersten Mal nicht als Schorsch, sondern als Georgina (also in weiblicher Gestalt) vergeben wurde, das hat viel mit Teresa Lugstein zu tun, der allzu zu früh verstorbenen Mädchenbeauftragten des Landes Salzburg und langjährigen Sendungsmacherin von Teresas Frauenzimmer. Als in der Programmkommission beraten wurde, ihr diesen Radiopreis als Anerkennung ihres medialen Lebenswerks posthum zuzusprechen, da fiel mir sogleich der Chumbawamba-Song “Georgina” ein. Die Parallelen zwischen Teresas Engagement und den Inhalten der britischen Band sind unüberhörbar, etwa bei Gleichberechtigung, Empowerment und Emanzipation. Und dann gibt es noch diese schamanische Reise, über deren Bericht ich stolperte:

Georgina und die schamanische ReiseEs sorgte damals schon für einiges an Aufsehen, dass die als unheilbar krank geltende Frau, die seit Jahren auf einen Rollstuhl angwiesen war, mit einem Mal wieder selbst gehen konnte. Wesentlich für diese, von ihr als “Wunder” erlebte Entwicklung, war eine schamanische Reise, auf die sie sich mit der Fragestellung “Wie kann ich ein stimmiges Leben führen?” begeben hatte. Über diese Form der “Heilung” berichten ein ORF III Beitrag von Bernhard Hain sowie ihre eigene Erfahrungsbeschreibung auf der Homepage der Foundation for Shamanic Studies in Europe. Diese, auf den Prinzipien des “Core-Schamanismus” nach Dr. Michael Harner aufbauende Praxis andersweltlicher Kommunikation unterscheidet sich für uns von den vielerlei eher obskuren Angeboten ähnlicher Namensprägung. Doch wo ziehen wir die Grenze zwischen seriöser Spiritualität und bloßer Gschaftlhuberei? Nach welchen Kriterien beurteilt die Programmkommission Sendungen zwischen persönlichem Empfehlen und kommerzieller Werberei? Wo endet der Bericht vom Interessanten jenseits des Üblichen und wo beginnt der Jahrmarkt der Eitelkeiten, die Abhängigkeit vom Esoterischen – oder das Kasperltum der Missionierung?

Als Beispiel dafür, wie angenehm unaufgeregt Teresa Lugstein eine schamanisch Praktizierende präsentiert hat, sei hier die Folge “Schamanismus als Herzensweg” aus Teresas Frauenzimmer empfohlen. So kann das gehen

 

Dieses seltsame Krimigenre

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. Oktober – Eine Annäherung ans Unendliche durch Weglassen von Vielem und Hervorheben von Einigem. Beispielsweise. Schon das Krimigenre (sei es im Film oder in der Literatur) lässt sich in all seinen Subgenres und Verzweigungen kaum akademisch erfassen, geschweige denn präzise abgrenzen. Muss Blut fließen? Geht es um Mord? Whodunit? Und warum ist jedwede Darstellung von “Crime” beim Publikum offenbar so beliebt? Die Psychologin unseres Vertrauens empfiehlt diesfalls, den Autor von “Schuld”, Ferdinand von Schirach, zu befragen. Und sie verweist dabei auch auf die Ambivalenz des Menschen, die sich speziell in der Spannung zwischen Leben und Tod widerspiegelt. Womit sich das Wesen der Dramaturgie im gesamten Krimigenre erklären lässt. Wir haben eine heiße Spur

Neues im Krimigenre

Quellenangabe: obs/ZDF/Thomas Jahn

…und eine ziemlich interessante These: Im sonst eher nicht so für künstlerische Höchstleistungen berüchtigten Fernsehprogramm (zumindest in dessen öffentlich-rechtlicher Gestalt) tauchen seit einiger Zeit ansprechende, vor allem aber nicht-amerikanische Produktionen auf, wie etwa die neue ZDF-Serie “Professor T.”, welche wir bereits in der letzten Perlentaucher-Nachtfahrt warm empfohlen haben. Des weiteren überrascht uns die Fernseh-Kriminalfilm-Reihe “Tatort” (die es seit 1970 gibt) auch immer öfter mit kunstvollen Eskapaden, was ehedem (ich erinnere mich dunkel) gar nicht in ihrer Art lag. Womöglich lockt ja das kommerziell erfolgreiche Krimigenre künstlerisch ambitionierte Filmemacher und Autor_innen geradezu an, wenn diese sich kreativ austoben – und dabei auch noch Geld verdienen wollen. Zuletzt hat der bekannte Regisseur Dani Levy zum Beispiel den Tatort “Die Musik stirbt zuletzt” im One-Shot-Verfahren gedreht, also ohne Schnitt und in einer einzigen Kamerafahrt. Mit ähnlichen Methoden hat der Großmeister des Suspense, Alfred Hitchcock, in “Cocktail für eine Leiche” (Originaltitel “Rope”) schon 1948 herum experimentiert…

Womit wir beim Literaturhaus und dem dort vom 8. bis 10. November stattfindenden 10. Krimifest angelangt wären. Selbiges wird passenderweise von einer Ausstellung namens “Hitchcock. Vom Buch zum Film“ umrahmt, an deren Gestaltung auch der Studiogast unseres Vertrauens, Emanuel Gauß, mitgewirkt hat. Dazu servieren wir, dem kriminellen Anlass entsprechend, Musik von Element Of Crime – aber nicht nur!

 

Eine Gesellschaft, die fällt…

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Oktober“Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt. Während sie fällt sagt sie, um sich zu beruhigen, immer wieder: Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut. Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung.” So heißt es am Ende des legendären Spielfilms “Hass – La Haine” von Mathieu Kassovitz. Genauso gut kann dieses Zitat als Motto unserer (der ganzen Welt) Gesellschaft dienen: Während wir längst im freien Fall auf unser Ende zu rasen, ignorieren wir diesen Umstand, und reden uns stattdessen lieber ein, dass bis jetzt eh noch nichts Schlimmes passiert ist. In diesem Szenario sind wir über den beliebten “Point of No Return“ schon hinaus, und da ist Selbstbeschwichtigung bis nach dem Aufprall ja durchaus naheliegend.

Das Ende der menschlichen GesellschaftDoch halt, Moment, wiewohl jede/r von uns individuell endlich, sprich sterblich ist, sind die Möglichkeiten zur Gestaltung des Gemeinwesens Gesellschaft sehr ungleich verteilt. Während uns fortwährend die große Freiheit der eigenen Entscheidung und Verantwortung eingesäuselt wird, scheißt man uns gleichzeitig mit vorgefertigten Umständen zu, an denen wir (als die Betroffenen) genau gar nichts ändern können. Und wir fallen immer weiter – aber bis hierher lief’s noch ganz gut… Irgendwie schon ziemlich verrückt. Geistesgestört, möchte man meinen. Womöglich sind wir alle zusammen psychisch krank? Wer bin ich – und wenn ja, warum nicht? Da trifft es sich doch, dass wieder mal ein Sachbuch zum Thema “Depression und ihre möglichen Ursachen” heraus gekommen ist. Nämlich “Lost Connections” von Johann Hari, worin der Autor eine nicht ganz neue These vertritt (die wir etwa aus der Antipsychiatriebewegung oder den Büchern von Arno Gruen kennen), nämlich, dass Depression in der Mehrzahl der Fälle nicht aus einem gestörten Gleichgewicht von Chemikalien im Gehirn heraus entsteht, sondern vielmehr aus einem gestörten Gleichgewicht von Gegebenheiten in der Gesellschaft. Das inflationäre Verschreiben von Antidepressiva ist somit nur in wenigen Fällen wirksam – und dient wohl eher den Interessen der Industrie.

Zur textmusikalischen Illustration unseres Unmuts über das Unrecht empfehlen sich die feinen Beobachtungen von Früchte des Zorns oder der Kleingeldprinzessin und ihren Stadtpiraten. Es ist doch immer irgendeine Industrie beteiligt, wenn man uns auf den Kopf scheißt.

 

Eine Sendung zum Beispiel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 30. SeptemberUnerhört! Die Jubiläen fliegen einem nur so um die Ohren. Und erst die Zukünfte. Es darf sich wieder besonnen werden: Die Radiofabrik feiert am 5. Oktober ihr 20-jähriges Bestehen. Wenn das mal kein Grund für einen Anlass ist! Doch der Sender unseres Vertrauens will mehr als einfach nur da sein: Im Rahmen der neuen Lehrredaktion soll eine Infosendung namens „unerhört!“ entwickelt werden. Und wie wir aus gut unterrichteten Kreisen (so nennt man das, glaub ich) erfahren haben, werden die Teilnehmer_innen dieses Projekts auch bestehende Sendungen aufsuchen, um Eindrücke und Erfahrungen zu gewinnen. Da trifft es sich doch famos, dass die Perlentaucher-Nachtfahrt-Reihe gerade 10 Jahre alt geworden ist. Dazu gestalten wir eine Sendung – zum Beispiel.

Zum Beispiel unerhörtInhaltlich versammeln wir diesmal ein “Best of Perlen” aus unseren oft aufwändigen Tauchgängen in die Untiefen des angeschlammten Kulturguts: Etwa Audiocollagen aus Wort, Musik und Atmosphäre, Livelesungen eigener sowie auch angeeigneter Texte, Musikstücke, die uns persönlich berührt haben, zudem selbstredend spontanes Gespräch, kurzum, einen Rundflug durch das, was wir unter “Perlentauchen” verstehen. Unsere an jedem zweiten Freitag im Monat erlebbare “Musikliterarische Gefühlsweltreise mit tiefgründigen Themen” (so der Untertitel) stellt sich derzeit auch beim Radioschorsch-Jingle-Contest vor (da könnt ihr noch bis 1. Oktober mitwählen), vertiefende Informationen dazu nebst den Transkripten sämtlicher Textbeiträge findet ihr zum Beispiel in diesem Artikel mit dem Titel “Der Sender mit dem Schorsch”. Naturgemäß dreht sich bei dieser Werkschau vieles ums Zitat oder besser gesagt, ums Zitieren, ohne dem Publikum dabei allzusehr auf die Nerven zu gehen. Besserwisser, Klugscheißer und professorale Rechthaber sind ja allgemein eher unbeliebt – und das wollen wir auch wieder nicht sein. Wie hieß es noch bei den Nazis? “Es zitieren die morschen Knochen.” Na dann, nein danke!

Vor allem gehts doch darum, WAS man auswählt – und IN WELCHEN KONTEXT man es wiederum stellt. Das ist zum Beispiel die inhaltliche Seite von Medienkompetenz.

Was sagst du?

 

Je Geld desto Oasch

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. September – Eine kleine Einführung in die Welt des Mammonismus. Wenn es “über einen gewissen Punkt hinaus” nur noch ums Geld geht, dann sind die Auswirkungen dieser Grundhaltung für alle Beteiligten (mit Ausnahme der wenigen Gewinnler), wie wir hierorts zu sagen pflegen, oasch. Der genauen Herleitung dieses mundartlichen Ausdrucks entschlagen wir uns jetzt aber – und verweisen darauf, dass man derlei einfach “eh” spüren kann. Es geht dabei nicht unbedingt um Geld an sich (und dass es sich oasch anfühlt, wenn man gar keins hat), sondern um die Vermehrung desselben – zum Zweck seiner immer noch weiteren Vermehrung. Oder das Anhäufen von Geld – zum Zweck seiner Anhäufung. Auch die Querschläger bemerken: “Weil da Teife, weil da Teife scheißt en greaßan Haufn.”

Je Geld desto Oasch - Szenenfoto aus Jedermann (stirbt)Womit wir beim Jedermann wären, dieser unvermeidlichen Cash-Cow  der Salzburger Festspiele. Oder auch beim informellen EU-Gipfel, bei dem die Oberhauptdarsteller der Geldmachtwerte im hübschen Bühnenbild ein paar Blasen heißer Luft zerkauen. Danach gehen alle wieder zur Tages(un)ordnung übel, und passt. Der Bundeshutständer schweigt wortreich in die Kameras und verströmt Zuversicht – fragt sich bloß, für wen? Es lebe die gepflegte Koinzidenz! Just zur selben Zeit (wie diese Sendung) findet am Burgtheater eine Aufführung der dramatischen Übertragung “Jedermann (stirbt)” von Ferdinand Schmalz statt. Dieser löblichen Bemühung verdanken wir das passende Szenenfoto. Etwas ähnliches hat Felix Mitterer schon 1991 mit dem Bühnenstück “Ein Jedermann” unternommen. Das wissen aber offenbar nur noch die wenigsten Theaterkritiker. Weils halt nicht mehr im Gespräch ist, und damit nicht mehr aktuell, und damit nicht mehr profitabel, rentabel, Telekabel. Weil es den Quadratkasperln nicht darum geht, was für die Menschen (für die sie doch schreiben, oder?) von Gewinn ist, sondern was Quote bringt, also was den Investoren Profit verschafft. Das ist Mammonismus – und genau das ist oasch!

Schön zusammengefasst. Was das jetzt alles mit dem Außengrenzschutz sowie den politischen Interventionen der EU in Afrika zu tun hat, darüber informiert etwa die hervorragende Dokumentation “Türsteher Europas”ein Zitat daraus: “Mittlerweile sterben wohl mehr Menschen in der Wüste als im Mittelmeer.” Und wie die Zunahme (nicht der Tsunami) des Rechtspopulismus zumeist mit Banken- und Finanzkrisen zusammenhängt, darüber lässt sich in dieser SPIEGEL-Kolumne näheres erfahren.

Wir wünschen euch guten Appetit. Und einen gesunden Saumagen

 

Der Watzmann ruft

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. September – Jetzt ist schon wieder was passiert. Der Bua ist tot. Weil der Berg, der hot koa Einsehn nit. Und schuld an dem ganzen ist die Gailtalerin, das weiß doch jeder, die tragt auch feuerrote Unterröck. Seit den frühen 70ern begleitet uns “Der Watzmann ruft” nun schon durch das eher spezielle Verhältnis des allgemeinen Österreichers zu seiner ländlichen Volkskultur. Ein vielschichtiges Stück Musiktheater, an dem jede Genrezuordnung zerplatzt, wie sich mit erheblichem Lustgewinn feststellen lässt, wenn man diverse Doktorarbeiten zum Thema besucht. Von einem “Definitionsmoloch” ist da die Rede, und nicht ein Wissensgschaftler kann endgültig sagen, worum es sich dabei genau handelt. Ist es ein Hörspiel, ein Konzeptalbum, ein Popmusical oder eher eine Dialekt-Rockoper?

Der Watzmann ruftDa verrenken sich die lieben Kolleg_innen aber den Hirnarsch beim Schachterlscheißen. Lassen wir doch einen der Hervorbringer dieses über Generationen hinfort wirkenden Kunst-Stücks zu Wort kommen! Herr Ambros, was genau ist denn “Der Watzmann ruft”? “Ein ganz ein eigenes Format. Man kann ja net amoi sogn a Musical, sondern es is a Musiktheater oder ein Theaterstück mit erklärendem Bänkelgesang oder wos a immer. Auf jeden Foi ka richtigs Musical. Es gibt nix Vergleichbares. Und i denk, des hod natürlich a sein Grund.” Aha. Und wie ist das alles zustande gekommen? “Wir haben ein Jahr lang so gredt (“Wie schallts von der Höh? Hollorödulliöö!”), sind dann sogar Bergsteigen gangen und sind total auf den Karl-Heinrich Waggerl und den Luis Trenker abgfahren. Wir haben schon an echten Huscher ghabt. “Der Watzmann ruft”, das ist von einem winzigen Kern ausgangen, von einem Hund namens Watzmann, und dieses Ur-Gerippe hat sich weiter entwickelt zur Plattenversion und zur Bühnenfassung.” Das klingt doch einigermaßen lustig! “Die Geschichte unserer eingrauchten Nächte seit 1972.” (Sämtliche Zitate aus Worte, Bilder, Dokumente von 1987). Was uns die 3 Herren Ambros, Tauchen, Prokopetz hier hinterlassen haben, ist mehr als einfach nur ein “Rustical”. Wir spielen daher die aufgefrischte Original-Version dieses hypnotischen Hörweltspiels.

PS. Einen wohl noch schicksalsträchtigeren Gipfelsturm gibts demnächst in Salzburg zu besichtigen, wenn sich die EU-Staatsoberhäuptlinge zum Thema Migration treffen. Das Thomas Bernhard Institut setzt schon am Mittwoch, 19. September eine Nacht der Künste dagegen. Näheres dazu erfahrt ihr auch in diesem Nachtfahrtblogartikel.

 

Dichtkunst oder Humor?

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. September – Neulich suchte ich in meinem Computer nach alten Tonaufnahmen von Max Goldt – und wähnte diese im Ordner namens Humor. Dort waren sie aber nicht, stattdessen fand ich sie in einem anderen Ordner namens Dichtkunst. Ich glaube zwar nicht, dass dieser Umstand Endgültiges über die Zuordnung von Max Goldts Werken aussagt, aber ein Körnchen Wahrheit wohnt ja in jedem noch so blinden Huhn. So heißt Max Goldt ursprünglich Matthias Ernst und nicht etwa Franz Lustig, was schon mal ein dezenter Hinweis sein könnte. Ganz und gar erschüttert war ich dann allerdings über seinen fast seriösen Auftritt in “Druckfrisch”. Was haben wir uns früher nicht zerpeckt über herrliche Wortgetüme wie Spinnenabdomensalat, Seepockensperma oder Leihmumienanalsex!

Max Goldt - Dichtkunst UND HumorSelbige finden auch in einer sehr frühen Artarium-Ausgabe statt, in der unser Anstifter Peter.W. 2007 ein paar dadaeske Lesungen von Max Goldt mit Liedern von Funny van Dannen zu einer Art kleiner Hirnfeuerschau montiert hat. Und nun, gut 11 Jahre später, wollen wir dem knallbumsen Frühwerk des einstigen Songschreibers sowie Titanic-Kolumnisten auf ähnliche Weise, jedoch speziell unter dem Aspekt der Dichtkunst, unsere Resonanz erweisen. Dazu schneiden wir Songs seiner legendären Band “Foyer des Arts” ins Programm, vor allem aus dem Album “Ein Kuss in der Irrtumstaverne” von 1988. Dort finden sich Sprachperlen wie zum Beispiel: “Der Islam nervt und meine Hose ist zu eng.” Oder aber: “Zwei Leute heiraten. Die Frau riecht nach Niveacreme und der Mann findet das toll.” Das sind zugegeben nicht die Refraintexte, die damals in Mädchentoiletten gekritzelt wurden und von denen Bettina Dunkel in ihrem persönlichen Statement berichtet. Aber auf jeden Fall Indizien dafür, dass sich im poetischen Gesamtwerk von Max Goldt die Kategorien Humor UND Dichtkunst ganz vortrefflich verbinden.

Und Bettina Dunkel stellt fest: “Nachfolger hat die Band ohne Vorbild nie gefunden. Für mich allerdings wurde sie zum Vorbild in Sachen Selbstständigkeit. Max Goldt, der später als Schriftsteller die Kunst des Abschweifens perfektionierte, ist seitdem mein Zöllner an der Grenze zum guten Geschmack. Und wird es auch immer bleiben.”

 

Das Hazerl kommt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. August – Sie wurde schon früh wegen ihres Namens “gehazelt”, sagt die 24-jährige Sprachspielerin aus der Schweiz. Auch ihr erstes abendfüllendes Solo- Programm “Hazel Brugger passiert” ist voller detailreich wortverliebter Assoziationen aus dem Ab- und Untergrund allzu menschlichen Seins. Selbst Sigmund Freud hätte dabei seine solche, wenn er nur noch erleben könnt, wie sie souverän von der Bühne herab die Psyche der Pandora auseinander nimmt. Auch in Salzburg passiert so ein “Happening of herself” (am 24. November im Republic), welches Hazels Homepage allerdings bereits jetzt als ausverkauft anpreist. Erfolg hat halt verschiedene Nebenwirkungen. Doch unser Wortspiel mit ihrem Vornamen meint eh mehr jenes Böhse Hazerl, das wir selbst gern sind, ob allein oder zu zweit.

Hazerl Brugger by Ornella CacaceWobei, die Verniedlichung hat hier durchaus eine reale Entsprechung in der Kunstperson. Denn eine der von ihr dargebotenen Facetten ist eben das “liebe, arme, herzige Hascherl” als Gegenpol zur brutalen Direktheit, mit der sie uns die Tatsachen unserer Existenz ins Gemüt prügelt. Und das ist beileibe nur ein Aspekt von vielen – dieses Hazerl verkörpert eine Polyvalenz, die so vielschichtig ist, dass sich öfter sogar das Leben selbst anstrengen muss. Genau deswegen stellen wir euch diese junge Künstlerin auch vor: Wir sind nämlich davon überzeugt, dass Hazel Brugger nicht nur ein Gewinn für die niveauvolle Unterhaltung an sich ist, sondern jedem kreativen Gehirn so einiges an Inspiration fürs Eigene bietet. Eine verbaleruptive Sprachmassage, die sogar Hirnregionen stimuliert, von deren Möglichkeiten man bislang keine Ahnung hatte. Um hier einen Großmeister des Kopftheaters zu bemühen: “Kruzitürken, i woa noch nie in meim eigenen Hirn!” Josef Hader – Privat. Was die sich Ereignende wohl dazu sagen würde? “Kulturveranstaltungen gibt es nur, weil wir uns zwei Stunden lang davon ablenken wollen, dass wir sterben. Und das machen sie gerade hier…” Touché.

Wir wünschen (und haben) viel Vergnügen!

 

Abgehalfterte Staatsgünstler

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. AugustWillkommen in der Fakepublik Östernews, wo die braunen Haufen alles Menschliche niedertrumpeln und dabei so übel riechen wie eh und weh. Wolfgang Ambros zum Beispiel sei ein “abgehalfterter Musiker” und “Systemgünstling”, dem nun in dieser neuen Zeit der schwatzblaunen Volksbeglückung die für ihn einst so lukrativen Staatsaufträge davonschwimmerten. Derlei behauptet ein gewisser Herr Hafenecker von der FPÖ (der bislang weitgehend unbekannt war), aber inzwischen zusammen mit dem renommierten Ischias-Experten Harald Vilimsky deren Generalsekretär gibt. Und einmal abgesehen davon, dass der Wolferl nie irgendwelche öffentlichen Aufträge oder Subventionen erhalten hat, wie sein Manager berichtigt, wer ist hier der von unserem Geld bezahlte Staatsgünstler?

Staatsgünstler“Staatskünstler” hingegen ist ein Hetzwort, mit dem die rechten Ränder schon immer jedwede unbequeme Gesellschaftskritik in der Kunst verunglimpft haben. Es bedeutet, ähnlich den neurechten Kampfbegriffen “Systemmedien” oder “Lügenpresse”, jede gegen sie gerichtete kritische Äußerung auszumerzen. Wobei, so ganz neu ist diese Begrifflichkeit auch wieder nicht, denken wir nur an die “Entartete Kunst”. Entwertende Worte wie “Staatskünstler” und “Systemgünstlinge” vermitteln zugleich auch die Vorstellung, dass bestimmte Kunstformen ohne Unterstützung der Allgemeinheit nicht lebensfähig sind. Zu “lebensunwert” ist es da nur noch ein ganz kleiner (Gedanken-)Schritt. “Wenn wir sie schon nicht umbringen dürfen, dann können wir sie ja verhungern und somit aussterben lassen.” Das lässt sich wunderschön neoliberal verbrämen und als zutiefst wirtschaftsfreundlich verkaufen. Ich erinnere mich an ein recht bierseliges Gespräch mit Jörg Haider, in dem er uns schon 1994 sein Konzept für eine “neue” FPÖ-Kunstförderung erklärte: Jede/r Kunstschaffende hat einen Rechtsanspruch auf Anschubfinanzierung seines/ihres ersten Projekts (unter Umständen noch des zweiten oder dritten) – wenn es sich danach “nicht auf dem Markt durchsetze, sei die Sache für die öffentliche Hand erledigt.” Siehe oben, aussterben. Oder sich sonstwie in den Arbeitsmarkt eingliedern. Das hätte dem Herrn Haider gut getan. Und wohl auch dem Land Kärnten. Aber ein Bärental als Anschubfinanzierung ist halt doch…

An dieser Stelle überlasse ich meine geneigten Leser*innen ihrer eigenen Phantasie. Doch jetzt wieder zurück zum Ausgangspunkt der Geschichte: Der Ambros Wolferl hat nämlich unlängst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung folgendes gesagt: “Ich bin mir sicher, dass es viele braune Haufen in der FPÖ gibt.” Und seither rotiert ein von unserem Geld bezahlter FPÖ-Auftragsrüpel wie zu erwarten vor sich hin. Ein niedersprachlich desorganisierter Staatsgünstler, der sich an einem Fixstern der österreichischen Identität vergreift. Wie das ausgehen wird, dürfte ja klar sein.

Das abgebildete Buch mit dem hierzu passenden Titel ist bei Kremayr & Scheriau zu beziehen, von wo wir auch die Cover-Illustration her haben. Ganz liebe Grüße!