Kritische Literaturtage

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. November“Ich hegte die Hoffnung, dass es Hoffnung gibt.” Dieses Zitat stammt zwar von keinem toten Dichter, sondern aus der deutschen Synchronfassung des Actionfilms “The Rock”, dafür passt es aber zur derzeitigen Situation von engagierten Verlagen und kritischen Leser_innen wie der sprichwörtliche Faust aufs Auge. Oder wie der Kern in den Pudel. Weil nämlich Sean Connery damit die Frage beantwortet, wie er überhaupt jahrelang als Gefangener eines korrupten Systems überleben konnte. Womit wir ebenfalls beim Kern dessen angelangt sind, was demnächst als Kritische Literaturtage 2017 in der ARGEkultur stattfindet. Und bei Christian Lorenz Müller, der diese ambitionierte Veranstaltung hier in Salzburg mitveranstalten wird – und der uns so einiges über deren Hintergründe berichten kann.

Der kritische BlickLiteraturkritik hat eben mehr mit Holzspalten zu tun als mit nerviger Besserwisserei. Das altgriechische Wort κρίνω bietet uns hierbei eine Vielzahl von Bedeutungsnuancen wie etwa “trennen, sichten, deuten, auslegen, urteilen, unterscheiden” . Eine kritische Haltung zu haben gegenüber der Welt und auch ihrer Literatur muss nicht zwangsläufig bedeuten, das Kind mitsamt dem Bad auszuschütten, bloß weil einem das irgendwer irgendwann einmal eingesagt hat. Wer sich im Wald der Worte ein Haus baut, weiß ja wohl selbst am besten, was dafür brauchbar ist – und was nicht. Worte wegwerfen oder Perlen vor die Säue? Inwieweit ist so eine alternative Buchmesse auch wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein der kommerziellen Gleichförmigkeit – oder eben doch eine notwendige Ergänzung zum Mainstream des Verlagswesens? To be or not to be, that is the Zerquetschen!

Das Programm dieser etwas sehr anderen Präsentation von über 40 Verlagen und Autor_innen bietet dicht gedrängt ebenso Bekanntes (Fritz Messner, Elias Hirschl) wie auch Entlegenes zum Wieder- oder Neuentdecken. Wir beleuchten in unserer Sendung speziell die “Thomas Bernhard Sprachlandschaften” der SAG und das dieser Arbeit zugrunde liegende Konzept “ins Leben schreiben”. Der “über alle Maßen kritische Salzburgdichter” ist für uns nämlich der ideale Schirmherr jeden kritischen Denkens.

Abgesehen davon lasst euch halt überraschen, wir wollen für nichts garantieren

 

Audiowastecooking

> Sendung: Artarium am Sonntag, 12. NovemberSeit 14:92 Uhr wird jetzt zurück entdeckt! Und seit 15:17 Uhr wird jetzt zurück gethesenanschlagt! 500 Jahre oder 500 Sendungen, Jubiläum hin oder her – wir lassen ungern was verkommen – von dem, was die Kulturgeschichte (geh bitte, ich brunz mich an vor Lachen!) uns an die Ufer des Bewusstseins schwemmt. Auch unter jenen Musikalien, die wir in vielen unserer Sendungen aus Gründen der Spontanität nicht mehr unterbringen konnten und die wir nur allzu gern noch gespielt hätten, finden sich appetitliche Überbleibsel, um die es schlicht zu schade wäre, wenn sie so ganz und gar ungehört verblieben. Daher gibts diesmal “Das ganze Album” zur selbstkreativen Resteverwertung – aus immerhin einer Hand voll “übriggebliebener” Songs und Sounds der Sendungsgeschichte.

AudiowastecookingNun ist ja “Wastecooking” an sich schon eine schöne Wortschöpfung, und ihre artivistische Auslegung durch den Koch- und Filmkünstler David Groß eine hoch ästhetische Ansage (die das Dumpstertum aus seinem Prekariats-Schmuddeleck befreit), aber im Hindenken an ein Hörperlenbuffet aus unberührten Ohrköstlichkeiten MUSS soo ein schöner Begriff geradezu erweitert werden – ins Audiowastecooking! Und deshalb lasst euch überraschen von unserem mehrgängigen Menü zum Hirnhören und Genießen. Nachdem wir ja naturgemäß zur Stunde noch nicht wissen können, was wir an klanglichem Rohmaterial in den Untiefen der Archive aufstöbern werden, seien hier auch weder Interpret_innen noch Songtitel angekündigt. Doch wer uns kennt, weiß längst, wie sich unsere Geschmäcker in ihrer Kombination auswirken: Immer wieder neu zu entdeckende Verbindungen aus Unerhört und Altvertraut bewirken feine Klang-Farben-Harmonien zum Kauen und Verdauen. In diesen Sinnen – “Besten Appetit beim Audiowastecooking-Festbeschmausen!”

Wir sind ein geiles Institut.

 

Jazz erst recht

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. Oktober – Unlängst – oder war es neulich – wurde auf 3sat der saugute Dokumentarfilm “Der Preis der Anna-Lena Schnabel” gezeigt. Und dadurch wurden wir schon wieder einmal in die – zugegeben eigenartige – Welt des Jazz hineingesaugt. Denn das rundum gelungene Filmportrait bietet nicht nur eine höchst zugängliche Darstellung des inneren wie äußeren Werdegangs der jungen Solistin (Saxophon, Querflöte), sondern auch erschreckende Einblicke in die Gepflogenheiten der Musikindustrie sowie in den peinlichen Eiertanz der öffentlich rechtlichen Sender zwischen Bildungsauftrag und Massengeschmack. Alles weitere dazu lässt sich in diesem erfrischend spitzzüngigen Artikel von Ulrich Stock nachlesen. Jazz ist also ein Minderheitenprogramm. Doch findet er im Freien Radio genug Platz?

jazz erst recht professor kerschekZur näheren Beleuchtung dieser Umstände haben wir den Radiofabrik- Musikredakteur und ausgewiesenen Jazzdoktor Nikolaj Fuchs ins Studio eingeladen. Und gemeinsam mit ihm wollen wir die diesbezügliche “Luft nach oben” einmal versuchsweise ausloten. Dem Thema entsprechend spielen wir dieses Mal ausnahmslos Virtuos_innen der etwas anderen Blasmusik, und zwar Herbert Könighofer mit K3, Anna-Lena Schnabel und ihr Quartett, den Soundrevolutionär Nils Petter Molvaer sowie Ian Anderson (von Jethro Tull) auf seiner legendär queren Flüüte, ein lebendes Relikt jener höchst ungrauen Vorzeit, in der die Musikgenres noch viel einträchtiger beisammen wohnten als dies heutigentags marktkonform zu sein hat. Viel Harmonie!

Es sei unserem Publikum hier nicht vorenthalten, wie der im eingangs erwähnten Film kritisierte NDR reagiert. Darauf kann man sich einen Reim machen – oder auch nicht. Ein gewisser medienpolitischer Nachgeschmack (wie von allerlei Wahlkrämpfen her) bleibt im Abgang haften. Irgendwie metallisch, so zwischen Kleingeist und Kleingeld. Wir jedenfalls finden die Zweckzwangsjacke merkantiler Verbenutzbarkeit scheiße.

Stattdessen wollen wir Projekte wie die Radiofabrik-Jazznacht weiter ausbauen, und setzen in dem Zusammenhang auf die Unterstützung unserer Hörer_innen, die das Freie Radio beim Wort nehmen – und selbst produzieren, was sie gern hören wollen.

Wir sind nämlich ein geiles Institut.

 

Bist du moped

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Oktober – Wir haben die Wahl überstanden, mit einem weinenden und einem blauen Auge. Und mit ganz viel Humor, den braucht man grad jetzt wie einen Bissen Moped. Die nämlichen Gebrüder waren sogleich als Kommentatoren des austriakischen Volksaufstoßens im ARD-Morgenmagazin zu erleben, was dem hierorts stattgehabten Kasperltheater durchaus gerecht wurde. Auch ihre satirischen “Wahlplakate, die fehlen wie ein Bissen Brot” wurden dadurch einer um diese Uhrzeit gewiss ziemlich breiten Öffentlichkeit bekannt. Auf die Frage, was sie dem Wahlsieger jetzt empfehlen, kam reflexhaft die Antwort Stimmbruch”. Da wurde mir schlagartig bewusst, welch hohe Kunnst es erfordert, die Wirklichkeit (im Brecht’schen Sinn) bis zu ihrer Kenntlichkeit zu entstellen. Herzliche Glückwurst!

Bist du mopedWobei, manchmal besorgts einem die Wirklichkeit selbst, wie diese Momentaufnahme des Wahlabends illustriert, welche hier auch nicht weiter kommentiert werden muss. Die Realitäter entlarven sich ja selbst und ringsum gegenseitig. Was nichts daran ändert, dass man mitunter doch ein Schauferl Satire nachlegen muss, um das eh schon Offensichtliche noch zu verdichten. An die AfD-geschockte deutsche Politlandschaft: “13 Prozent Rechtspopulisten – das wäre in Österreich der reinste Linksruck.” Und erst das geniale Video “Sebastian” mit dem Refrain “Ich will ein Kind von dir!” Dort heißt es: “Die inhaltliche Linie kann ich ihnen sagen – der erste Punkt ist Sebastian Kurz…” Die Gebrüder Moped kann man einfach nur liebhaben. Wir werden einiges von ihnen zu Gebräu bringen, bevor uns das Ohrenlicht ausgeht. Apropos, naturgemäß haben die Nebenwirkungen dieser Nationalratswahl (fragen sie doch ihren Wahlarzt) gerade auch bei uns ihre seelischen Spuren hinterlassen, weshalb wir versuchen, dagegen im Sinne erfolgreicher Verdauung anzudichten. Dazu haben wir den legendären Fred Sinowatz ausgegraben, weil ja oft alles noch viel komplizierter ist, als man es jemals nicht erklären kann…

WARNHINWEIS: Die Sendung enthält Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, wodurch humorallergischen Person_innen das Lachen im Hals stecken bleiben kann. Wie heißt es bei Apocalypse Now: “Das Grün ist gegangen – der Schmerz bleibt.”

 

Unendlichkeitsversuch

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Oktober – Diese wunderschöne Wortanstiftung soll Anlass dafür sein, wieder mal etwas über unser Sendungskonzept auszusagen, verkörpert sie doch mit sich selbst genau jenen Unendlichkeitsversuch, den wir allmonatlich unternehmen – und der wir auch sind! Lässt man sich diesen Begriff sozusagen auf der Seele zergehen, dann schillert er sogleich in den verschiedensten Farbenund Bedeutungsnuancen. Ähnliches versuchen wir ja auch jedesmal mit unseren vielschichtigen Freitagnachtcollagen auszulösen. Deshalb passen sie auch nicht wirklich in irgendein Genreschachterl. Kommunikationswissensgschaftliche Formatradiozuschreibungskategorien haben in unseren Phantasieweltbildern sowieso überhaupt nichts zu suchen. Pfuigack!

RauchpauseDabei gibt es schon Hintergründe, die hier erhellt werden können: Zum einen der Ausstrahlungstermin in der Nacht von Freitag auf Samstag, wo zumeist eher fortgegangen als daheimgeblieben wird. Und zum anderen die erklärte Absicht, just zu dieser Partynacht der Jungnation definitiv KEIN für irgendein Festl hintergrundtaugliches Hullatrulla zu produzieren. Folglich richten sich unsere Schwebwelten eher an den einzelnen Kopf von inmitten des Jubeltrubels Alleinseienden. Was nicht heißt, dass sie nicht auch gemeinschaftlich zu genießen wären. Wir halten damit eine der Grundideen unseres Freien Radios hoch, dass es nämlich nicht darum geht, immer noch mehr Publikum zu erreichen, indem man auf Durchschnitt und Üblichkeit abzielt, sondern darum, dass vor allem das Eigenartige, das etwas Andere wie das sehr Spezielle seinen prominenten Platz haben muss. So erreichen wir in dieser ersten Wochenendnacht zum Beispiel Menschen, die gerade im Auto unterwegs sind, krank zu Hause liegen, genüsslich in der Badewanne knotzen, sich sonstwie verkrochen haben, die zu alt oder zu jung sind fürs Geschubse ums Bierhäusl, einfach Menschen, und denen sagt das was…

UnendlichkeitsversuchUnd so stiften wir unsichtbare Verbindungen zwischen vielen Molekülen in einem Germteig der Gesellschaft, bilden wir ein Myzel zwischen den zahllosen vereinzelt erscheinenden Schwammerln, die ja doch allesamt das große Ganze des Lebens sind. Darüber hinaus sprechen wir mit unserer äußerst weit gespannten Musikauswahl auch möglichst unterschiedliche Einzelgeschmäcker an, so dass gleichermaßen Wiedererkennen wie Neuentdecken über einen längeren Zeitraum des Zuhörens hinweg stattfinden kann. Des weiteren ermöglichen unsere immer live und spontan zu allen möglichen Themen stattfindenden Zwischengespräche sowohl Zustimmung als auch Ablehnung. Wie ebenfalls die mit Bedacht eingestreuten Statements und Zitate von Gastautor_innen, die zusätzlich das Gehirn massieren und so unweigerlich zum Denken anstiften. Ganz zu schweigen von unserer Sendungsdramaturgie, die sich stimmungsabhängig in die eine oder andere Richtung entwickelt, je nach dem… Doch das sind auch nur die ohrenfälligsten der vielen Schichten, die wir seit fast sieben Jahren zu immer neuen Nachtfahrten verweben. Ein echter Unendlichkeitsversuch.

 

Fünfhundert Sendungen!

Sendung: Artarium Feierstunde vom Samstag, 7. Oktober – Alle reden von Wahlen. Wir nicht. Oder vielleicht doch? Aufgrund eines 17-tägigen Programmschwerpunkts namens #Stimmlagen durften wir jedenfalls schon mal unseren gewohnten Sendeplatz (am Sonntag um kurz nach 17 Uhr) räumen. Unter anderem deswegen werden wir auch Georg Kreislers prophetisches Psychogramm “Bundeskanzler Irgendwer” darbieten. Nicht wenigen Mensch_innen war nämlich die Radiofabrik jahrelang eine willkommene Abwechslung zum tagesaktuellen Gleichstream der Lechzer und Hintnachhechler. “Wenn alle es machen, müssen wir es auch tun.” Solche Gedanken sind die Einführung des Quotentums durch die Hintertür, ärgert sich Sendungsgestalter Norbert K.Hund: “Das Wetteifern um Marktanteile widerspricht der Grundidee der Freien Medien.”

FünfHUNDert SendungenWir wollen ungeachtet dessen den Umstand würdigen, dass der alte Hund (anbei ein römisches Mosaik) in seiner fast 10-jährigen Präsenz auf diesem Sender immer wieder die entlegeneren Köstlichkeiten aus dem Sumpf der Kultur hervor geschnüffelt und daraus inzwischen zum 500. Mal eine Radiosendung zusammengerührt hat. Nicht ohne die Hilfe des treusorgenden Hasen, mit dem dies nunmehr auch schon über 350 mal gemeinsam gelungen sein wird. Und quasi zur Eröffnung der “selbstreferenziellen Wochen” im Artarium und in der Nachtfahrt nennen wir einige statistische Daten aus unserem Schaffensrausch, die man allerdings (mit was auch immer) vergleichen kann, die man jedoch keineswegs zu einem Wettbewerb um den jeweiligen “Marktwert” missbrauchen darf: Demnach existieren 500 ausgestrahlte Sendungen, 656 individuelle Signations, Jingles und Audiocollagen, 491 Beiträge im CBA-Archiv (mit 643 Dateien), von dort aus 7.829 Downloads und 12.708 Streams. Der Artariumblog umfasst heute 342 Artikel, der Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog 95, und beide zusammen haben mittlerweile über 2,1 Millionen Aufrufe. – Das alles sagt naturgemäß nichts über den jeweiligen Inhalt aus – genau das sollte uns doch zu denken geben. Also: Wählt uns!” Oder auch nicht: “Bundeskanzler Austauschbar”

 

Es gibt, es gibt, es gibt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. September – Es gibt einen geraden Weg, PeterLicht in der ARGEkultur (am Samstag, 30. September) – und überhaupst eine ganze Menge an Interaktion von Dichtkunst und Musik in der kommenden Woche, wovon hier ein Reden (und naturgemäß Hören) sein soll. Ein Kunnst- und Subkultur-Magazin, wie das Artarium seit seinen Anfängen vom Gründer Peter.W. immer so gern bezeichnet ward, darf, kann – ja, muss sogar gelegentlich über bevorstehende Umtriebe der heimischen wie überregional bedeutsamen Kunstschöpferei berichten. Und sich einen kritischen Seitenhieb erlauben auf die Lieb- und Inspirationslosigkeit, mit welcher derlei Veranstaltungen oft “beworben” werden, seitdem “das Internet” zunehmend von Kommerzkasperln durchseucht ist. Geld stinkt eben doch.

Es gibt das Sausen der WeltJe mehr wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen, je mehr es um die gewinnbringende Vermarktung der Veranstalterei geht, umso fader, phantasieloser und schlichtweg austauschbarer werden sogleich diesbezügliche Ankündigungen gefühllos automatisiert hingeklopft. Es gibt kaum noch originär eigenes Gedankengut, nur mehr Copy und Basta. Dem gegenüber sei hier nun aus vollstem Engagement für den Sinngehalt der entsprechenden Veranstaltungen eingetreten! So entstammt unser vielsagendes Artikelfoto (von Alexi Pelekanos) dem Kulturblog Mottingers-Meinung.at und zeigt die Arbeiten an PeterLichts “Das Sausen der Welt” im Wiener Schauspielhaus. Und statt der seit Jahren üblichen PeterLicht-Standardvideos (gähn!) könnt ihr euch hier schon mal einen Eindruck von der öffentlichen Zeitauflösung des Lieds “Gerader Weg” machen. Und wenn ihr dem LeseKonzert von PeterLicht am Samstag in der ARGE beiwohnen (was wir durchaus empfehlen) und mit ihm “Die Emotionale” singen wollt, dann vermittelt diese WDR-Sendungsbeschreibung einen zutreffenden Eindruck von manchem, was euch da erwarten könnte. Es gibt nämlich Performance in Progress

Es gibt TauDarüber hinaus gibt es in den nächsten Tagen noch ein paar weitere Termine der gediegenen Art und zur gepflegten Begegnung mit Wort & Klang. So sind bereits am Montag, 25. September von 22 bis 00 Uhr die Jungautoren Thomas Mulitzer und Christopher Schmall in der Radiosendung mit der etwas spezielleren Musikauswahl, dem gehobenen Late Night Talk namens TALK2MUCH, live lesend gut zu hören. Ersterer (nebstbei von Detailsinn dargestellt) präsentiert am Freitag, 29. September um 19:30 Uhr im Salzburger Literaturhaus seinen Debutroman “Tau” (eine Replik auf Thomas Bernhards “Frost”, erschienen bei Kremayr & Scheriau), nicht ohne im Anschluss als TWO ON GLUE (zusammen mit Wolfgang Posch) zu konzertieren. Selbigen beiden verdanken wir übrigens auch eine recht schöne Doppelsendung über Ilija Trojanow. Zweiterer (der Artariumhase), inzwischen Obmann der Salzburger Autorengruppe SAG, tritt wiederum bei deren Anthologie-Vorstellung am Dienstag, 26. September ab 20 Uhr in der Panoramabar der Stadtbibliothek als beitragender Dichtkünstler auf. Viel Spaß mit den vielen Links! Wir wollen unser Publikum ja auch mal überfordern.

 

Buchhändler unseres Vertrauens

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. September“Er hat meinen Einband geknickt! Er hat meinen Einband geknickt!“ So lamentiert ein aus dem Regal gefallenes Bändchen von Alfred Döblin eines Nachts laut und vernehmlich in Jochen Malmsheimers Bibliothek. Was sich dortselbst des weiteren abspielt, sobald seine Bücher (die ja ihrer Natur nach von Leben erfüllt sind), auch noch zu sprechen und miteinander zu streiten beginnen, das ist hier und heute im titelgebenden Auszug aus dem Programm “Flieg, Fisch, lies und gesunde…” gut zu hören. Was jedoch einen Buchhändler unseres Vertrauens genau ausmacht, das wird sich dem geneigten Ohre erst in der Zusammenschau eröffnen! Denn wie beim Lesen können auch beim Hören hirneigene Bilder und Assoziationen entstehen – sofern der dazu nötige Freiraum nicht vom dichten Gedudel verstopft wird.

BuchhändlerOder vom klebrigen Werbebrei in eigener Absicht, der uns im penetranten Befehlston und mit immer noch supereren Superlativen so derart das Aufmerken zuscheißt, dass gar kein Platz mehr fürs eigene Empfinden bleibt, nur noch fürs Befolgen der Denkanweisung. Diesem Dummtum der digitalen Demagogie setzen wir schön geschichtete Sendungen zuwider, in denen der lyrische Kosmos unserer Mitreisenden aufblühen und wuchern kannSchön geschraubt! Man könnte jetzt einfach auch nur “Scheißkommerz” schreien, jedoch war mir dieser reaktive Flachsprech einer sogenannten alternativen Rebellen- oder Punkszene von Anfang an verdächtig, und im höchsten Maße unsympathisch. Bäh! Sehr sympathisch ist mir im Gegenzug jenes Selbstverständnis, mit dem etwa Klaus Seufer-Wasserthal die Vorstellung “wirklich Buchhändler zu sein” zum Leben bringt. Dass nämlich im persönlichen Gespräch mit den Kund_innen (und das sind ja stets auch Leseinteressierte) die Empfehlungen der von ihm selbst gelesenen Bücher eine ganz wesentliche Rolle spielen. Dieser tröstliche Gedanke erinnert mich an meinen Lehrlings-Ausbildner in der ehemaligen “Buchzentrale”, den nachtaktiven und darob auch legendenumrankten Herrn Huber, der bei jeder Gelegenheit zu sagen pflegte: “Sie wollen ja Buchhändler werden, also müssen sie lesen, lesen, lesen.” Deshalb kam er selbst wohl erst spätnachmittags in die Firma – um nächtelang ungestört zu lesen

Um Ideen und Inhalte zu vermitteln! Auch mein selbstgewählter Bildungsauftrag: PeterLicht am Samstag, 30. 9. in der ARGEkultur – Worte wollen, Worte können. Kunnst?

 

Back to Front – Live erleben

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. September – Auch unsere Nachtfahrt-Sendereihe geht inzwischen ins 10. Jahr ihres Bestrebens, jenseits des Mainstream das Unterhaltsame mit dem Wissenswerten zu einem freitagnächtlichen Hörtheater zu verdichten. Aus diesem Untergrund gibts diesmal eine sehr spezielle Premiere – auf alle Ohren, die die Welt bedeuten: Wir senden erstmals ein ganzes (über 2-stündiges) Live-Konzert, und zwar, wie der Meister selbst sagt, from top to bottom”. Es handelt sich dabei um den Mitschnitt von Peter Gabriels Auftritt in der Wiener Stadthalle am 3. Oktober 2013 anlässlich seiner “Back to Front Tour”. Viele gute Gründe sprechen dafür, Gehirn und Gefühl mit diesem Ausnahmekünstler zu beschäftigen – einige davon mögen sich auch hier in unserer Sendung offenbaren.

Back to Front Live 1Schon in den 80er Jahren fiel es angenehm auf, dass der ehemalige Leadsänger von Genesis einen etwas anderen Karriereweg wählte als die meisten seiner erfolgreich industriehörigen Rockstarkollegen. Das kommt bereits sehr deutlich in dem Schreiben aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck, in dem Peter Gabriel die Gründe für seine Trennung von der damals gerade zur Weltgeltung abhebenden Formation ausleuchtet. Darin finden sich unter anderem folgende Gedanken: “I had begun to think in business terms; very useful for an often bitten once shy musician, but treating records and audiences as money was taking me away from them. When performing, there were less shivers up and down the spine.” …. “It’s good to see a growing number of artists breaking down the pigeonholes. This is the difference between the profitable, compartmentalized, battery chicken and the free-range. Why did the chicken cross the road anyway?

Back to Front Live 2Darüber hinaus war Peter Gabriel in den nunmehr 4 Jahrzehnten seines Soloschaffens stets kompromisslos und radikal bei der Themenwahl des von ihm dargebrachten Musik- und (vor allem) Bühnenwerks. So verdanken wir ihm bestimmt einige der einfühlsamsten Stücke über seelische Abgründe und fragile Bewusstseinszustände, die sonst von internationalen Größen kaum jemals verhandelt werden (weil sich das im Hinblick auf die Quote nicht rechnet). Anstatt solcherlei psychopathischer Sozialabtötung zu betreiben und sie dabei noch als normal (im Sinne von gesund) zu vertreten, bloß weils normal (im Sinne von allgemein üblich) ist, riskierte er lieber seine eigene Gesundheit, indem er mit Isolationstanks experimentierte und seine inwendige Geisterbahn zu Kunstwerken verschrob. Derlei schaffen – in dieser Bandbreite und über einen so langen Zeitraum – wirklich nur die Wenigsten. Inside Out – oder eben Back to Front.

Back to Front Live 3Naturgemäß ist jede Musikauswahl eine Geschmackssache. Aber wir wissen, was wir der Welt mitteilen möchten und wir können das auch entsprechend begründen. Warum wir nun ausgerechnet ein Konzert der Back to Front Tour auswählen? Weil hier auch noch ein formales Kriterium dessen zu Tage tritt, was Peter Gabriels Musikschaffen über die Jahre hinweg so intensiv inspirierend und überaus unlangweilig macht. Denn im Gegensatz zu unzähligen seiner Alterskollegen erstarrt er nie zur Mumie im Museum der einstigen Erfogsposen. (Wenn ich mir da sonst oft so Untote aus den 60er und 70er Jahren anschaue – DAS ist echt unheimlich!). Folglich stellte er schon 1975 fest: “As an artist, I need to absorb a wide variety of experiences. I felt I should look at/learn about/develop myself, my creative bits and pieces, and pick up on a lot of work going on outside music.”  Und er hat Wort gehalten – das ist heutzutage schon selten genug:

Jenseits von Mainstream, jenseits von Genrezoo – mitten ins Herz der Popkultur

Aus gegebenem Anlass widmen wir diesen Abend einem inzwischen Abgegangenen, dessen Name uns manch blödes Wortspiel entlockte: Moribund the Bürgermeister

 

Werbung in eigener Sache

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. August – In unserer nächsten Nachtfahrt werden wir ein Live-Konzert von Peter Gabriel spielen, und zwar in vollster Länge. Dafür – und für jene illustre Sendereihe, die demnächst in ihr 10. Jahr geht – werben wir hier und jetzt einmal so richtig angenehm. Da ist nämlich durchaus ein Unterschied zwischen gepflegter Kundmachung und penetrantem Einidrucken. Einen Eindruck von etwas kann ich mir ja selbst machen, dazu brauch ich keinen Dauerbeschwall von wegen was gerade “in” ist, was “man” heute so hörtund was ich kaufen soll, weil irgendein Oaschlochverein damit sein Geld drucken will. “Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.”  Außer man steht drauf, dass man fortwährend fremderseits eingefickt kriegt, was man denken, fühlen, glauben – was man tun und lassen soll…

Peter GabrielIn Zeiten wie diesen, in denen uns der räudigste Autotunescheiß als ultimatives Live-Erlebnis verkauft wird, in denen die austauschbaren Hupfsackeln uns von oben auf der Bühne herab anschaffen, was wir mit unseren Händen zu tun hätten, in diesen Zeiten der gleichförmigen Grinsklone und profitoptimierten Lächelzombies sehnen wir uns nach dem authentischen Menschen, der einfach seine Musik darbietet, weil sie ihm wichtig ist, weil sie ihn bewegt. “Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht weil ihr es bei mir bestellt…” Dieses Zitat von Konstantin Wecker mag uns als Motto dienen bei der Abgrenzung des Echten vom Scheinbaren. Der seelenleere Industriedreck, der uns massenmedial um die Sinne gehauen wird, kann einfach genau gar nichts. Man wird damit zugestopft und fühlt sich danach noch hungriger als zuvor. Genau darum geht es den Betreibern des Konsumismus oder “Wollt ihr die totale Abhängigkeit?” Doch Schreck beiseite, wir als Bewahrer des Originären stellen den Verdummten dieser Erde sogleich eine Entficklungshilfe für Herz und Hirn zur Verfügung. Und Peter Gabriel, der schon bei seinem Ausstieg aus Genesis das Künstlerische über das Kommerzielle stellte, ist da ein gutes Vorbild.

Wie es dazu kam? Unlängst sah ich Ausschnitte aus seiner Back to Front Tour (25 Jahre nach der erfolgreichen “So” Tornee und wieder in der damaligen Besetzung) Dabei dachte ich: “Was für einen Riesenspaß diese doch schon recht alten Gestalten da offenbar beim Herumhupfen haben. Woran das wohl liegen mag?” Einige mögliche Antworten lassen sich gewiss auch aus dieser Sendung destillieren. So man das mag…

PS. Foto/Lizenz von Jürgen Heegmann (Wikimedia Commons)