Unendliche Gedichte …..

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. Februar – Die unendliche Geschichte dieser fast endlosen Gedichte, die uns eine Geschichte erzählen und die wir als Balladen zu erkennen gelernt wurden. Für die gesamte Gattung war es ein fast ebenso endloser Weg von den Tanzliedern der Troubadoure über Francois Villons “Ballade von der Mäusefrau” bis zu Goethes Zauberlehrling und der Taucherglockenbürgschaft von Friedrich Schiller. Auf diesem “langen Marsch durch die Geschichte” haben dann auch sämmertliche Spracheologen des gezupften Worts ihre akademischen Claims abgesteckt, so dass wir heute wissen, was eine Ballade istund was nicht. Oder? Was ist zum Beispiel “Jetzt eine Insel finden” (ein Gedicht von Konstantin Wecker aus den 1980er Jahren)? Und wie ist das mit den “Rock-Balladen” im weitesten Sinn?

Unendliche Grüne HölleSuchen wir dazu als einschlägige Institution das Hotel Rock’n’Roll auf (oder den 3. Teil von Michael Glawoggers posthum vollendeter Spielfilmtrilogie). Hier erscheint uns neben dem notorischen Schorschi auch Sven Regener als Pfarrer, der über das letzte große Gitarrensolo räsoniert. Womit wir schnurstrachs wieder im unwegsamen Sumpf der Genrezuschreiberei unterzugehen drohen. Und das ist noch höflich formuliert für so ein elaberiertes Schachterlscheißen und Gscheitmeiern. Atemlos hechelt das Abendland: “Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los” und versinkt in seiner eigenen Behauptung. Das Unendliche ist was ganz anderes als die Quersumme zweckdienlicher Definitionen. Das Unendliche ist spürbar im Erleben von Liedern und Gedichten: “Das Luftholen im richtigen Moment ist unwiederholbar und verdichtet einen Augenblick zur Ewigkeit” wie Konstantin Wecker bereits bemerkt. Lyrik und Epik schließen einander ja eben nicht aus, ätsch Aristoteles! Und wenn jemand jetzt dies oder das Ballade nennt, unseren Segen soll ersiees haben. Für heute bin ich mal Sven, der Segener. Also wirklich! Es geht immer ums Vollenden – des Unvollendeten. Ums Unvollendliche. Grad im Beethovenjahr.

So wollen wir diesmal den Herren Sven Regener, Konstantin Wecker, Nino aus Wien und Jochen Distelmeyer lauschen – und vor allem Norbert Wally (The Base) mit der überaus passenden Ballade “I bet it rains” aus dem Hotel Rock’n’Roll Soundtrack.

 

Aviv Geffen & Steven Wilson

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. Januar – Die Idee zu einer vertiefenden Sendung über das Zusammenwirken der beiden Musiker Aviv Geffen und Steven Wilson kam uns bereits vor zwei Wochen in den Sinn, als unsere Präsentation des ersten Blackfield-Albums von einigen technischen Schwierigkeiten begleitet wurde. Aus der Notwendigkeit, die ersten 10 Minuten lauter Stille (oder Roaring Silence – danke, Manfred Mann), nachträglich mit entsprechendem Inhalt zu füllen, entstand eine interessante Collage über die traumatischen Erfahrungen von Aviv Geffen sowie seine daraus resultierenden Friedensaktivitäten. Was aber verbindet ihn mit Steven Wilson und worin besteht das Momentum ihres gemeinsamen Schaffens? Wo kommen die beiden her? Eine Annäherung in Anekdoten und Klangbeispielen.

Aviv Geffen und Steven Wilson - Kongeniale KollegenBeleuchten wir dazu einmal die Väter dieser zwei Künstler und wie verschieden sie doch sind. Der eine ist Dichter und Liedermacher, war zunächst Offizier in der israelischen Armee und wandte sich danach so radikal der Friedensbewegung zu, dass sein Werk aus einigen Medien des Landes sogar verbannt wurde. Dabei ähnelt Yehonatan Geffens Frühwerk (ganz im Geist der 70er Jahre) den damals in Österreich populären Liedern von Arik Brauer – witzig, verspielt, sozialkritisch. So etwa sein Klassiker “Hatsarich Haze” (hier mit Textübertragung aus dem Hebräischen). Ein Dichter und Dissident also. Durchaus eine Inspiration. Der andere wollte, dass sein Sohn schon als kleines Kind Gitarre lernt, Steven Wilson aber mochte das gar nicht. “Erst” mit 11 Jahren interessierte ihn das Instrument und dessen Klang wieder: Er schrubbelte mit einem Mikrofon an den Saiten entlang und stellte aus diesen Sounds erste übereinander geschichtete Aufnahmen her. Daraufhin baute ihm sein Vater eine Mehrspurmaschine – und gleich auch noch einen Vocoder. Er war nämlich Elektronikingenieur. Auch ein Glück! Wozu das letztendlich (nach gut 30 Jahren) führen sollte, konnte damals keiner wissen. Heute ist es gut zu hören!

Seit 2009 arbeitet sich der multiple Autodidakt nun schon an den progressivsten Alben der 70er und 80er Jahre ab – als ein bis in ultimativste Feinheiten mehr als nur originalgetreu remixender Tontechniker. Seine diesbezügliche Arbeitsweise sowie das Verzeichnis der von ihm bearbeiteten Werke sind höchst beeindruckend. Und wenn ich das grandiose “Würm”, den finalen Part von “Starship Trooper” vom “The Yes Album”, in der Steven-Wilson-Version höre, nein, vielmehr erlebe, dann…

Eure Ohren werden Augen machen!

PS. Naturgemäß noch einmal das legendäre Video zu “The same asylum as before“ von Steven Wilsons Soloalbum “To The Bone” (zudem als Visual auf seiner Tour).

 

Mundartcoverversionen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. JanuarDie Erkenntnis, dass sich Lyrik oftmals viel besser im jeweiligen Dialekt “übertragen” lässt als in einer Hoch- oder Schriftsprache, die zieht sich schon seit Jahren durch unser Radiomachen wie ein roter Faden. Speziell bei “Lyrics”, also bei Songtexten, bewirkt die Mundart eine “Übertragung” von Stimmung und Atmosphäre in den heimischen Kulturkontext. Bestes Beispiel hierfür sind die kryptisch surrealen Texte von Bob Dylan, die vielen nach wie vor als (hochsprachlich) unübersetzbar gelten. Ihre Interpretationen durch die zwei Wolfgänge Ambros (auf wienerisch) und Niedecken (auf kölsch) haben seine Songs jedoch schon längst in den deutschsprachigen Gefühlsraum eingepflanzt. So vermitteln “Mundartcoverversionen” zwischen den Kulturen – und zwar unmittelbar.

MundartcoverversionenDieses Bild passt ungemein, soll uns aber nicht in die Irre führen. Ernst Molden & Der Nino aus Wien ergehen sich auf ihrem Album “Unser Österreich” naturgemäß auch in Mundartcoverversionen – halt von eh schon heimischen “Fundstücken des Austropop”. Wir dagegen wollen uns den heimischen Interpreten zuwenden, die aus den Abgründen internationaler (meist englischsprachiger) Musikkunst aufgetauchte Perlen in ihren jeweiligen Regionalsprech überführen. Wie fühlen sich Stücke von Tom Waits, Billy Joel, Michael Jackson, Donovan, Bob Dylan sowie Lou Reed an, wenn sie in einem Wiener, Salzburger oder Vorarlberger Dialekt vorgebracht – und zudem noch musikalisch daran angepasst werden? Eine volkskundliche Studie im Dienste der Aufmerksamkeit frei nach Thomas Oberender: “Hören sie genau hin!”

Wo aber bleiben die * und -innen? Genau – bis jetzt keine einzige Frau, geschweige denn… Um diese Unwucht zu beheben, erweitern wir das ursprüngliche Konzept und präsentieren immerhin EINE Coverversion eines Mundarttitels: Conchita Wurst & Ina Regen mit “Heast as net”, ursprünglich vom salzkammerguten Weltmusikmeister Hubert von Goisern. Die Freibeuter der Heimat und das etwas andere Jodelbiotop. Bei uns spielts eben – und daher stammt auch die Idee zur heutigen Betrachtung – in jeder Hinsicht Granada. Wir sind ein geiles Institut.

 

Blackfield

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. Januar – Es war einmal ein Musiker. Und der war richtig berühmtin Israel. Leider war er auch an jenem 4. November 1995 zugegen, als ein religiös-fundamentalistischer Rechtsextremer (diesen Begriff kann man sich auf der Zunge zergehen lassen) den damaligen Regierungschef Jitzak Rabin ermordete. Das hat unseren Musiker verstört, wie sich gewiss denken lässt. Trotzdem hat er weiter Musik gemacht – und dieses traumatische Erlebnis auch immer wieder in seiner Kunst verarbeitet. Doch nichts ist seitdem wie es vorher war, nicht nur für den Musiker Aviv Geffen, sondern auch für die gesamte Nahostregion sowie für den Weltfrieden an sich. Einige Jahre nach diesem “Incident” gründeten der Frontmann von Porcupine Tree, Steven Wilson und besagter Aviv Geffen ihre Band Blackfield.

BlackfieldDie Musik von Blackfield eignet sich hervorragend zur Untermalung jeder Winterdepression. Oder einfach nur Schwermut, Sehnsucht und all das, was sich als Melancholie verstehen lässt. Dabei schwingt allerdings stets auch die Perspektive des “trotzdem Weitermachens” mit, die hier bereits angeklungen ist. Keine Aufforderung zu Scheißdrauf und Suizid – wiewohl es etwa im Song Cloudy Now heißt: “We are a fucked-up generation!” Nein, vielmehr jene geniale Melange aus Traurigkeit und Freude, die wir als speziell für die jüdische Kultur charakteristisch ansehen. Diese emotional intensive Gleichzeitigkeit von einander eigentlich widerstrebenden Eindrücken erfährt durch die Zusammenarbeit mit dem ausgewiesenen Soundtüftler Steven Wilson eine ungemein dichte Präsenz, hat der als “Prog-Wunderkind” gepriesene Vielschaffende doch schon eine gehörige Anzahl von Alben aus der Blütezeit des Art- und Progressive Rock wiederaufbereitet, von Jethro Tull über King Crimson und Roxy Music bis Yes (um einige der bekannteren Bands zu nennen). Darüber hinaus tritt Steven Dampf in allen Klassen bei Blackfield auch noch als zweiter Sänger und Gitarrist in Erscheinung, und zwar keinesfalls nur nebenbei. Seine diesbezügliche Herkunft sei durch das über 2-minütige Gitarrensolo aus Time Flies vom Porcupine-Tree-Album The Incident deutlich gemacht. Legendär.

Zur Herkunft von Aviv Geffen möchten wir das Video zur frühen Solo-Version von Cloudy Now (auf hebräisch) empfehlen. Da haben sich jetzt zwei gefunden, die ihre Welten miteinander verschmelzen, dass es gut tut – und weh! Wir spielen daher das erstaunliche Erstlingswerk ihres gemeinsamen Bandprojekts – und freuen uns traurig.

 

Bombast Kontrast

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. JanuarBombast, Opulenz, Cinemascope! Wir senden die Neujahrsandacht des Hundepräsidenten aus dem etwas anderen Hasenbiotop zu Salzburg – und wünschen viel Verglühen. Thema unserer textmusikalischen Rundumverdichtung ist das Reichhaltige, das Unerwartete und das Vielschichtige. Ein zeitloser Spazierflug durch Gegenwart und Vergangenheit von Kunst und Kultur. Die Zukunft dazu ist jeglichenkopfs wie immer selbst zu erfahren, dem entsprechend, was sich darin daraus so entwickelt. Wir stellen ein zwirbeliges Geflecht aus Klangraum und Sprachzeit zur Verfügung und laden zu dessen Bereisung ein. Querassoziative Empfindungen, urplötzlich hervorquellende Bilderfluten oder einfach nur weltumspannende Einsichten

Ronnie Urini OpulenzAlles ist möglich! Kunst geschieht eben immer “im Kopf” derer, die sich ihr hingeben. Und dann ereignet sich Kunnst im Sinn von “könntest” im Leben derer, die sich das zu tun trauen. Wie bei diesem Herrn hier, der uns einstmals in Gestalt von Ronnie Urini & Die letzten Poeten mit den untergründigsten Textvertonungen erfreut hat, zum Beispiel mit H.C. Artmann “1001 Nacht”. “Seine unergründliche Opulenz” möchte man sagen. Bombast und Cinemascope sind da im Lebenswerk Programm. Und Robert Fripp (zu dem wir auch noch kommen werden) spielt auf diesem Stück das Mellotron – auch kein ganz kleines Gulasch. Was uns sogleich wieder zur Menschheizgeschichte an sich führt. Oder zu dem, was wir ja längst als “Quotentrotteltum” identifizieren. Ein System, das durch und durch “dem Erfolg” als “möglichst immer noch mehr Geld herauspressen” gewidmet ist, zerstört seiner Natur gemäß alles Individuelle und Nichtangepasste, also jedwede Regung des menschlichen Geistes jenseits des funktionsoptimierten Durchschnitts. Poeten, Propheten und andere Visionäre werden dadurch eiskalt ausgemerzt: “Das ist lustig und das ist schön – das ist das Zugrundegehen.”

King Crimson BombastDennoch stolperte ich beim Hupfen unlängst über ein bemerkenswertes Videoding aus der neueren Neuzeit: King Crimson – Starless (2016) ist nun wirklich Bombast in Reinkultur. Doch gar keine deppert zuckende Lasershow, dass es dir die Augen raushaut vor Schreck. Und schon gar nicht 100 synchronhampelde Duracelltrottel, dass du dich grad anspeibst vor lauter Üblichkeit und Bühnenshow. Nein, ernste Musik mit DREI Schlagzeugern, in einer hoch komplexen Verdichtung zu Gespür gebracht, dass dir nicht vom Scheinweltbeplempern schwindlig wird, sondern vom Inhalt. Es gibt noch Hoffnung! Doch seien wir uns ehrlich – etwas anderes hätten wir uns von Robert Fripp (da ist er also wieder) nicht erwartet. Und auch nicht von Tony Levin, der uns über die Jahre seiner Zusammenarbeit mit Peter Gabriel heftig ans Herz gewachsen ist. Das Stück “Here comes the Flood“ vereint die drei auf Gabriels erstem Soloalbum (Car 1978), dem der Meister im nachhinein auch schon einmal “zuu viel Bombast” bescheinigte.

Waluliso KontrastWollen wir uns zuletzt noch einer Verkörperung des “Wiener Originals” zuwenden, an dem sich die vollendete Perversion dessen, was “allgemein” als bedeutend, relevant oder wichtig angesehen wird, vornehm verdeutlichen lässt. Wer oder was war jener Waluliso wirklich, der oft als Friedens- und Umweltaktivist, als spinnerter Nudistenfreak, als nicht ganz dichter Selbstdarsteller oder was auch immer beschrieben wurde? Nach dem eine Brücke über die Neue Donau benannt ist und dem die Stadt Wien ein Ehrengrab am Zentralfriedhof gewidmet hat? Was wissen wir über die Innenwelt des öffentlichen Außenseiters? Und warum wird dieser zutiefst eigensinnige und im schönsten Sinn eigenArtige, sich selbst zum Kunstwerk machende Elementarmensch posthum derart gewürdigt? Weil man ihn so halt gut vereinnahmen und dadurch auch vermarkten kann. Ernst genommen hat seine Aussagen zeitlebens kein Politiker, kein Unternehmer, kein Medienkasperl. Die waren alle viel zu sehr mit der Aufblähung ihrer eigenen Wichtigkeit befasst. Einzig die Band Blümchen Blau hat ihm ein akustisches Denkmal gesetzt – mit einigen seiner eigenen Botschaften.

Fazit? Die herrschende “Ordnung” ist vollkommen verkehrtherum. Ich schließe meine heurige Andacht nun mit dem angeblichen Zitat eines jüdischen Wanderpredigers:

“Die Letzten sollen die Ersten sein.”

 

Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. Dezember – ACHTUNG: Dieses lustige Wortfeuerwerk erscheint unpünktlich zum Jahresschluss, es kann daher auch als verspätete Geschichtensammlung unter einen sterbenden Baum gepackt werden. Geschichten nämlich kann Torsten Sträter, der sich selbst als Autor, Vorleser und Poetry-Slammer beschreibt, richtig gut, weshalb wir ihn gern einige derselben aus seiner letzten Sammlung hier erzählen lassen. Gute Unterhaltung ist derzeit ja nicht wirklich flächendeckend. Da ist es durchaus erbaulich, gut verdichtete Geschichten aus der Wahrnehmung des Weltgedümmels anzuhören, die in ihrer Beschaffenheit zugleich vermitteln, dass Dichtung etwas mit dicht und Geschichten etwas mit dem Schichten von mehreren zu tun haben soll. Alles andere wäre das übliche Geblah.

Torsten Sträter unpünktlichEinwurf: Wir mögen Dieter Nuhr nicht. Er ist uns unsympathisch. Politisch verkörpert er das, was schon in den 70er Jahren zutiefst konservativ war: Aktenzeichen XY, beige Schnürlsamthosen, den Wackeldackel sowie Gelsenkirchner Barock. Und dennoch präsentieren wir hier einen Künstler, der in dessen monatlicher Fernsehshow regelmäßig als Gast vorkommt. Ja, liebe Freunde und *innen, was hat das zu bedeuten? Man könnte es als Fußnote zur nächsten Sau verstehen, die durchs globale Dorf getwittert wird, was auch immer der Grund für die nächsten “15 Minutes of Empörung” von wem auch immer dann sein mögen. Doch zurück zu den gut abgehangen Geschichten, deretwegen wir Torsten Sträter aus vollster Überzeugung eine Bühne anbieten – und euer Ohr leihen wollen. Denn die sind, für sich genommen, von so herausragend dichtem Witz und abgründiger Formulierungslust geprägt, dass man schlechterdings lachen muss, auch zu Zeiten (und an Orten!), die eigentlich eher zum Weinen sind. Zur Verdeutlichung dieses Zustands seien nunmehr zwei Beispiele angeführt: “Adventskrätze” aus seiner WDR-Show “Sträters Männerhaushalt” und “Hotels” aus dem titelgebenden “Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein”. Speziell bei letzterem kommt die Emotion seiner genial verdichteten Kunstfigur zum Tragen, da schnaubt und rüpelt der Ruhrpott – und man begreift, dass es Dort-Mund heißt.

Wie nun allerdings “unpünktlich” mit “zu sein” zusammen hängt? Well…

 

Brimborium in excelsis

Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. DezemberSo ein schöner Sendetermin! Der 4. Adventsonntag, und Weihnachten steht vor der Tür! Lauert geradezu auf den Höhepunkt seiner Stattfindung, wobei es uns doch längst allerorten umgibt in seiner Unentrinnbarkeit. Weder den Festspielen noch der Touristenflut kann man so kaum ausweichen wie diesem christlich-kommerziell überhöhten Jahresschlussbimbam. Der legendäre Radioaktivist Peter.W. stellte einst eine Spezialausgabe des Artarium unter das Motto: “Diese Sendung widme ich allen Weihnachtsverweigerern.” Was will uns der Dichter damit sagen? Finden wir es heraus! “Der Begriff Brimborium wird allgemein für Nebenumstände, Überflüssiges, unnützen Aufwand, Getue verwendet.” Das sagt Wikipedia dazu. Aber wir wären nicht wir, wenn wir da nicht auch noch

Brimborium…eine Spezialausgabe mit einem diese Geschichte weiterspinnenden Themenschwerpunkt auf die Welt brächten. Zwar nicht so etwas wie den inzwischen zum Kult geratenen Loriot-Kurzfilm “Weihnachten bei Hoppenstedts” – dafür jedoch eine hinterfragende Beleuchtung jener Umstände, die das Brimborium zur Hauptsache erheben – und die das Wesentliche allzu schwer erkennbar machen. Präziser: “Ich widme diese Sendung dem blinden Fleck.” Damit ist alles gesagt – der Rest ist Kunst, und die geschieht bekanntlich in euren Köpfen, genauer gesagt zwischen den Ohren.

In einer Gesellschaft, die nach wie vor zutiefst gespalten ist zwischen Gut und Böse, und die trotz aller ernsten Probleme noch immer verzweifelt versucht, erwünschtes Verhalten durch Gebote und Verbote herbei zu zwingen, kann es kein Handeln aus Überzeugung geben. Der Erfolg ihrer “Erziehung” zum Guten (vom Schönen und Wahren ganz zu schweigen) besteht bestenfalls in einer lebenslang eingenommenen Pose – gegenüber dem, was als strafdrohende Macht erlebt wird. Um eine solche Anpassung an das jeweils Vorgegebene leisten zu können, ist es für ihre Mitglieder notwendig, die eigene Ambivalenz zu leugnen und den negativen, unerwünschten Teil ihrer Persönlichkeit abzuspalten. So erzeugt jede herrschende Ideologie genau das, was die Einstürzenden Neubauten einstmal als “Halber Mensch” beschrieben.

Ja, und jetzt? Gaudete!

 

Straight Outta Pongau

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Dezember – Seit nunmehr 12 Jahren ironisiern wir hier im Artarium in der Vorweihnachtszeit allerlei alpenländischen Adventsgebrauch. Und wie es sich für ein anständiges Adventsingen geziemt, kommt dabei auch heuer wieder eine traditionelle Tanzlmusi über uns, dass der Erzengel quietscht. Wir spielen das aktuelle Album “Straight Outta Pongau” der “Glue Crew” (früher als “Two on Glue” bekannt). Mit den beiden Innergebirgs-Mundartisten Wolfgang Posch und Thomas Mulitzer verbindet uns mittlerweile auch schon eine gut 5-jährige Radiogeschichte, wie sich in den Sendungen “Ilija Trojanow – Der überflüssige Mensch” sowie “Tau On Tour” einfach nachhören bezw. in den Artikeln dazu nachlesen lässt. Also: Wir sagen euch an den lieben…

Straight Outta PongauMoment. Da gab es doch einstmals noch so eine Musikkapelle aus dem Salzburger Land, die überraschend Hergebrachts und Selbsterdachts zur neuen Eigen-Art verschmolzen: “Rotz(fast Straight Outta Pinzgau). Deren spezielle Musikverbreitung ging als “Ein Abend mit Freunden” in die Annalen des Artarium-Blogs ein. Anlass für diesen Rückblick ist der auch im Pongau nicht unübliche Frauenname “Annamirl”, der von beiden Bands jeweils dialektisch (in Mundart) verbehandelt wird. Gut zu hören! In der Rotz-Version schreibt  sie sich zwar “Anna Mial”, klingt jedoch ähnlich. Und der sie umgebende Musikstil ist bei der “Glue Crew” mehr von Punk, Ska, Reggae geprägt, bei “Rotz” hingegen von Folk, Pop – und vor allem ROCK – womit sich der Kreis schließt, Amen. Apropos, “Ihr Kinderlein kommet”, ist das nicht von Michael Jackson? Unerhört, wie wir werden

Egal, in welchem Setting oder Stil sie beheimatet ist, es geht hier um Sprachkunst. Auch um die uralte Tradition, sich dabei so auszudrücken, “wie einem der Schnabel gewachsen ist“. Uwe Dick etwa spricht in der Vorrede zu seinem Bio-Drama “Der Öd” von ihn umgebenden “Geräuschen, denen ich auch nicht hochdeutsch beikäme”. Und dass sich die notorisch unübersetzbaren Songtexte eines Bob Dylan am ehesten noch auf Kölsch oder Wienerisch abbilden lassen, das haben Wolfgang Niedecken und Wolfgang Ambros hinlänglich bewiesen. Ich habe unlängst im Fernsehen einen kleinen FPÖ-Politiker verknorzt vor sich hin giften gesehen. Da tat er mir so leid und ich wollte ihm (jetzt vor Weihnachten) etwas schenken. Vielleicht ein Lied, im Dialekt, dachte ich, das diese offenbar hasszerfressene Haltung direkt beantworten könnte…

I daschlog di mit am nossn Fetzn,
doss da fia muagn nix mea vuanehma brauchst,
du Weh, du Wimmal, du Krätzn!

G’söchta

PS. Naturgemäß gibts da auch noch einen Drummer, Bernhard Breidler mit Namen, und darum heißt die Kapelle ja jetzt Glue CREW und nicht mehr TWO On Glue, wie konnte ich das nur übersehen? Nobody is perfect, ned amoi i

 

Allerleih Raunacht

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Dezember (Teil 1) sowie Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Dezember (Teil 2) – Heiliger Bimbam! Was für eine Reise! Quer durch den Gemütsgarten des Adventskrampfs vom Nikolausi bis zum Weinachteln – dann noch nach Silbvesper, nach Neu-Ja und Dreigönning, da verrutscht selbst das rauheste Haus der Nacht in die Allerleih. Denn zu dieser unserer (nun schon) 9. Dezembriade haben wir illustre Gäst*innen aus Wort und Bild eingeladen, uns einige ihrer Werke zur Gestaltung der Sendung anzuvertrauen. Wir leihen uns sozusagen allerlei Kunnst für unsere Themencollage aus – so entsteht Allerleih. Wir lesen Textbeiträge von Salzburger Autor*innen und präsentieren ausgewählte “Glimpfungen” von Helmut Xö. Dafür bedanken wir uns ausgesprochen saftig – speziell bei der SAG sowie bei Helmut Xö (Facebookprofil).

Orkanspende zur Rauhnacht“Here comes two of you. Which one will you choose?” Dieses legendäre Zitat aus dem Velvet-Underground-Cover von Bettie Serveert ist in der diesjährigen Signation gut zu hören. Und auch einige Zitate aus unseren bisherigen adventdezemberischen “Perlentaucher-Nachtfahrereien” seien allhier angefügt. So etwa aus dem Artikel zum Weihnachtsfeuer von 2016: “Ob Advent oder Event, Kranz oder Krampf – Kerzen sind nicht zum Scherzen, wiewohl es mannigfach Gründe fürs Anzünden geben mag. Und fürs Aufregen, in Zeiten wie diesen, wo eine derartige Vollverdodlung um sich greift, dass bald auch die Schneeräumung mit dem Laubbläser erfolgt. Halleluja! Was ganz oben sitzt und allen auf den Kopf scheißt, das ist in jedem Fall ein Arschloch, ganz egal welche Weltanschauklung, Religwution oder Idiotlogie es auch immer vertritt. Auf den Kopf scheißen ist niemals gut.” Oder wie Georg Kreisler sagte: “Jede Macht ist falsch.“

Allerleih Coca-Coala“I have my books and my poetry to protect me.” Von wegen “Niemand ist eine Insel”. Simon & Garfunkel bringen die Selbstverteidigung in Zeiten zwischenmenschlichster Betriebsamkeit auf den Punkt: “I am a rock. I am an island.” Dazu die Gedanken der Inselstifter aus dem Café Unstet (2015) mitten im Mittelmaßmeer der organisierten Durchnittlichkeit: “Gewähren wir einander doch Unterschlupf – an den Ufern unserer einstweilenen Zwischenweltinseln – und wenns nur für heut Nacht ist. Begleitet von Boker Tov Iran sowie No No Keshagesh winken wir euch zum Abschied noch einmal nach und wünschen viel Glück beim Selbstsein – im Wortschwall des Weltblabla!! Doch Augenblick mal – was sind das für verwegene Verrückte, die da am Lampedusa-Lagerfeuer noch lang nach der EU-amtlichen Sperrstund Musik machen und Herz und Hirn für die Freiheit der Verfolgten hinhalten?” Entsetzliche Klischees mit Häschen.

Allerleih Punk Ratius“Ein Faustschlag ins Gesicht der Pietät gehört zu den Taten, ohne welche man nicht von der Schürze der Mutter loskommt.” Meditiert einmal gründlich über diesen Satz von Hermann Hesse, enthalten im Album “Hesse Between Music“. “Hofft eigentlich heute noch wer auf sowas wie eine flächendeckende Volkserleuchtung? Oder befinden wir uns inzwischen alle im Zeitalter individualisierter Erkenntnis? In dem uns zwar noch gelegentlich ein Licht aufgeht, wir aber längst nicht mehr bemerken, dass wir alle Teil einer perfickten Weihnachtsdekoration sind? “So muss Weltherrschaft!” Und der Letzte macht das Licht aus. Nichtsdestodessen oder aber auch hinwiedertrotz: Frieden auf Erden und den Menschenähnlichen was Nettes ohne Konsumzwang. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ruft ja nicht zum heldenhaften Helfen auf, sondern zum sich Hineinversetzen in die Lage des Bedürftigen.” Auf der Suche nach dem Licht (2017)

Allerleih Schal und Rauch“Er wüsste wie er geht, der letzte Beweis. Von oben fliegt die Erde einen elliptischen Kreis.” Diese Passage aus dem lieblichen Lied “Sie mögen sich” (ausgefuchste Animation!) von Shaban & Käptn Peng beschließt nun diese erste Etappe der musikliterarischen Gefühlsweltreise. Die zweite gibts als buntes Allerleih: “Alles schläft, einsam wacht – bist du da? Was wird sein am anderen Ende der Nacht, wenn du dir begegnest, gleichsam beschenkt und entblößt? Hast du Angst vor dem Schweigen des Lärms, vor dem Gähnen des Abgrunds, vor dir selbst? Hast du Lust, dich zu spüren und in ein neues Jahr zu springen, einen neuen Tanz zu vollführen, ein neues Bild anzufangen, mit einer neuen Idee ins Bett zu gehen, die dich liebkost – und die du danach nie mehr vergessen kannst? Was also macht diese Nacht mit dir, was machst du mit ihr? Wer bist du – in deiner eigenen Zeit, wenn du sie dir selbst schenkst?”

Christgsindlmarkt (2012)

Und jetzt? Allerleih Rausch!

 

Radio Empfängnis

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. DezemberSeit Jahren (und wenn ich das sage, dann meine ich das auch so) begrüßt der Herr Hase unsere Zuhör*erinnern “an den Empfängnisapparaturen ihres Vertrauens”. Dieses Sprachspiel, das zunächst die Begriffe “Empfang” und “Empfängnis” vertauscht, wurde uns erstmals durch Jochen Malmsheimer in seinem privatradiokritischen “Kochen mit Jochen” dargereicht. Von den Empfängnisgeräten zu den entsprechenden Apparaturen war es dann nur noch ein kleiner (und durchaus logischer) Schritt. Nunmehr feiert sich heutigen Datums eine weitere Empfängnis, die ohne detailliertere Kenntnis katholischer Kirchengeschicht gar nicht so leicht herzuleiten ist: Mariä Empfängnis oder offiziell Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Jössasmarandjosef

Radio EmpfängnisDabei geht es nämlich nicht um die Zeugung von Jesus durch den heiligen Geist (oder das bayrische Weißwurstzipferl), sondern um eine Spitzfindigkeit im theologischen System. Ein letztlich von Papst Pius IX. 1854 verkündetes Dogma, dessen Entstehung gut 750 Jahre an Diskussionen alter Männer mit lustigen Hüten erforderte. Nur gut, dass die damals noch kein Radio hatten, Sender und Empfänger und so. Dieses Programmschema ist jedoch auch seit Jahrhunderten genauso eingefleischt wie deren Kommunion: Mund auf, Hostie rein, Kopf ab zum Gebet – und Amen und aus. Der Sender sagt, was zu tun ist – und die Empfangenden gehorchen. Jesus befiel – wir folgen dir! Wer nicht gehorcht, fliegt raus und wird umgebracht. Mahlzeit! Womit wir beim Höhepunkt menschlichen Fortschritts angelangt wären – der grenzenlosen Freiheit des heiligen Marktes und seiner lieben Frau, der Wirtschaft. Jetzt singen wir alle das Hohelied auf ihr ewiges Wachstum: “Gebeinebreit bist du unter dem Weihrauch und gebeinebreit ist die Frucht deines Treibens, Umsatz.” – Was war das nicht für eine Zeter- und Zerrerei, ob und wie lang die Geschäfte am 8. Dezember geöffnet sein dürfen, um den Gewinn der Eventkrampfstandler noch ins Unengliche zu überhöhen! Wenns dem Wirtshaus gut geht, gehts dem Wirten gut. Alle anderen sind eh blöd genug, sich vom jeweiligen Oberstkellner empfängern zu lassen – und tragen sogar noch ihre Haut zum Markte. Kling, Glöckchen, klingelingeling – kauf, zahl und geh sterben, depperte Menschheit.

Wir aber senden selbst. Und wir kritisieren beides: Den katholischen Hirnbimbam genauso wie den entfesselten Marktwirrwarr. Was immer einem “von oben” gefickt eingeschädelt angeschafft wird, kann allein schon deshalb nicht gut sein. Oder wie es Georg Kreisler ausdrückt: “Jede Art von Macht ist falsch.”