Das Kapstadt Projekt

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 18. November – In jeder Bandgeschichte gibt es die magischen Momente, in denen kreative Ursuppe konkretere Formen annimmt… Augenblicke des Aufbruchs, in denen erkennbar wird, wohin die Reise geht – und dabei doch immer das Gehen, der gemeinsame Weg als solcher im Vordergrund steht – und nicht das finale popkulturelle Hochglanzprodukt. Wir sind also besonders stolz darauf, mit einem sympathischen Trio aus Salzburg ein Stück miteinander zu wandern und so an der Entwicklung ihrer zarten und leidenschaftlichen Songs teilnehmen zu dürfen. Auf den Ausflug nehmen wir euch gern mit, weil Pseudofixfertiges aus dem teflonlackierten Placebokasterl gibts eh schon zum Saufuadern. Freut euch mit uns – live & unplugged – auf die netten Herren Javi und Manu Rodaro sowie Felix Donnerbauer. Freundschaft!

Das ist eigentlich genau das, was uns interessiert und neugierig macht, wenn wir jemand aufsuchen oder zu uns ins Studio einladen: Was sind das für Menschen, wenn sie nicht auf der Bühne stehen oder von Fotos lächeln? Also wie sind die quasi privat – live und unmittelbar. Zum Beispiel Ja, Panik – wie gehen die backstage miteinander um, wie reagieren sie auf filterlose Fragen, was erfinden sie für Geschichten über sich – das war spannend. Oder Thomas Oberender – wie tickt der Schauspielchef hinter den amttlichen Statements und Zeitungszitaten, kann man mit dem lachen, philosophieren oder ihm einfach nur beim Denken zuhören? So etwas wollten wir immer herausfinden…

Die Medienwelt ist ohnehin zum Brechen voll von inszenierten und interpretierten Auftritten – und wir alle sind ein Teil dieser Öffentlichkeit, mit oder ohne Facebook-Profil. Wenn wir allerdings die einzigartige Chance eines wirklich freien Mediums wie der Radiofabrik nicht dazu nutzen würden, etwas wesentlich Anderes darzustellen als das allgemein übliche und aus berechneten Interessen schon x-fach vervielfältige Zeug, dann könnten wir uns ja gleich selbst zu Tode langweilen. Das ist die tödliche Gefahr des „Mainstream“ (auch in alternativen Subkulturen!), dass einfach alles so lange redundant wiederholt wird, bis es jede(r) für die Wirklichkeit hält – und halt glaubt.

Genau so funktioniert das Konzept unseres etwas anderen Kunnst-Biotops eben nicht! Wir begegnen Menschen, die von vornherein ihre höchst eigene Version der Wirklichkeit etablieren wollen – und begeben uns mit ihnen auf die Suche nach entsprechenden Möglichkeitsformen. Was dabei heraus kommt, das kann man nie vorher wissen. Ideologischer Dogmatismus ist sowieso ein Pfuigack, egal ob er jetzt religiös oder wirtschaftspolitisch daherkommt! Wir wollen lieber dem, was sich da zwischen uns im kreativen Prozess des Selbstausdrucks ereignet, einen Raum eröffnen, damit es bewusster werden kann, sich zunehmend verdichtet und dadurch Gestalt gewinnt.

In diesem Sinne ist es geradezu eine glückhafte Fügung und zudem auch eine schöne Bestätigung, dass wir uns gleich mit drei hoffnungsvoll kreativen Vertretern der Gattung „engagierter Mitmensch“ in den Spontanreaktor des Schöpferischen einrühren können. Wo sich mehrere Exemplare radikal selbst-gestaltender EigenArt zur Gruppe versammeln, da möchte man noch der unfreundlichsten Bedienung voller Begeisterung zurufen: „Ich nehm den Individuensalat!“ Das gilt umso mehr für Kunstschaffende, die (noch) keine Ausstellung bestritten, kein Buch, keine CD, keinen Film veröffentlicht und auch an keiner Castingshow für den nächsten Salzburger Festspielaugust teilgenommen haben. Damit ist nun wirklich Jedermann/frau gemeint, der/die etwas genuin Eigenes bebrütet und erschafft. Es geht um den Funken, der überspringt, sobald wir einander nahe kommen und uns berühren lassen…

 

Evanescence – The Open Door

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 11. November – Dieses Mal: Das ganze Album in einer Geschichte, die so persönlich, so individuell, so emotional ist wie eigentlich all unsere Begegnungen mit jener Musik, die uns berührt, fasziniert, begleitet und auch prägt. Musik, die uns Gänsehaut verursacht, weil sie uns in einem besonderen Moment unseres Lebens so wiederspiegelt, dass wir uns in ihr erkennen können. Musik, durch die wir zum Bewusstsein über uns selbst erwachen, weil wir uns durch sie und in ihr auf einmal so spüren wie noch nie zuvor. Ähnlich gelagert war wohl die Grundidee der Ö3-Musicbox-Pioniere, die in ihrer Reihe „Die komplette LP“ jeweils auch Schallplatten vorstellten, die ihnen unmittelbar nahe gegangen waren. Genau jene Musik, die sie persönlich begeisterte, überzeugte, verrückt machte – die sie einfach nicht mehr los ließ. So hat sich das damals angespürt, als Radiomachen auch beim ORF noch lustig und experimentell war und „der kurze Weg von der Operation zum Ergebnis“ (Günther Paal) noch nicht in Professionalismus und Institutionalisierung absoff und erstickte.

Ganz in diesem Sinne servieren wir diesmal das Album „The Open Door“ der amerikanischen (ja,ja!) 😉 Alternative-Band Evanescence. Ein Album, das für den lieben Chriss eine ganz eigene Bedeutung entwickelt hat und ihn seit seiner Entdeckung begleitet und inspiriert. Und genau das beschreibt er hier in seiner Einführung – aus seinem eigenen Erleben:

„Mit 14 (in meiner Emo-Phase) habe ich mich sehr zurückgezogen, war allein, freiwillig allein, und mir ist es gut dabei gegangen. Ich wollte das so. Ich fing an meine ersten Gedichte und Songtexte zu verfassen, war sehr in meinen Gedanken und Träumen versunken. Ich ging oft in der Nacht spazieren, froh darüber niemanden zu sehen und ich mied den Kontakt zu anderen. Bis auf einige wenige bei denen es egal war wie verträumt und verwirrt ich auch war. Unter anderem Sabal, zu dem ich mittlerweile keinen Kontakt mehr habe…

Irgendwann zeigte er mir ein Lied namens Bring Me To Life von Evanescence vom ersten Album Fallen. Das Klavier, die hohe sehr getragene Stimme und dazu die heftig verzerrten Gitarren. Ich hab mich sofort verliebt 😉 Youtube brachte mich dann auf das zweite Album The Open Door und es kam mir vor, die Musik hat mir wirklich eine Tür geöffnet. Zu etwas was ich bisher noch nicht kannte, etwas Neuem, Interessantem; ich konnte mich einfach in diese Tiefe fallen lassen. Also zog ich los in den Saturn und fand die CD, welche mich seither begleitet. Mal stärker, mal schwächer.

Schon allein das Albumcover: Die Sängerin Amy Lee -gekleidet in ein langes, wallendes, weißes Kleid- steht vor einer riesigen geöffneten Tür. Man sieht einen dunklen Himmel und in der Tür sind seltsame Zeichen eingraviert. Sonst ist alles dunkel.

Das war die Ästhetik, die so ganz genau mir entsprach und in die ich mich seither einhülle wenn ich male, schreibe oder singe und die mich so sehr fasziniert. Das Dunkle, Abgründige. Schmerz, Angst, Panik, Verzweiflung, Depression, unerfüllte Wünsche und Hoffnungen, Liebe die nicht existieren kann…

Mich traf das Album sehr elementar. Ganz tief unten in meiner Seele. Das Album spiegelte meine Einsamkeit wider, meine Träume und Vorstellungen, meinen beginnenden Kampf mit dem System, meine erwachende Poesie, meine Bilder die ich sah, wenn ich meine Augen schloss. Und das tut diese CD immer noch. Fünf Jahre später. Und mittlerweile empfinde ich die Musik anders, intensiver, ich lasse mich mehr auf die einzelnen kleinen Details ein, auf den Text, die Art wie Amy Lee singt, diesen einen Klavierton der das ganze Lied trägt, diesen einen Schlussakkord der Gitarre!

Für mich ist das Album sehr durchkonzipiert, sehr rund, ein ganzes perfektes Werk, großartiger Künstler, die einfach die Schönheit aus ihrer Seele lassen. Und wie ich schon weiter oben geschrieben habe, spricht mir das Album sehr aus meinem Herzen, durch die ganzen Dinge, die es in mir bewusst macht. Ich hab es erst wieder entdecken müssen, beim Malen eines frustrierten und dennoch sehr starken Selbstportraits. Inspirierend, schwarzromantisch, düster und abgründig und dennoch hoffnungsvoll, voller Liebe, nie enden wollenden Träumen und der Suche nach einem Weg…“

Und so wünschen wir euch beide viel  Spaß damit (und auch innere Einkehr) 😀 Wir sind auf jeden Fall ein geiles Institut und das Passwort für die vollständige Sendungskopie (inkl. Musik!) gibts auch von uns. Ach ja – fast hätt ichs vergessen: ACHTUNG – diese Sendung hat ÜBERLÄNGE und dauert daher etwas über 59 Minuten! Und zur Nachtfahrt gehts hier ->

 

Weiherer kocht – und singt!

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 21. Oktober – Wir besuchen den bayerischen Liedermacher bei seinem Salzburg-Konzert am Samstag, 20. Oktober in der Veranda-Bar vom Mostwastl (Beginn 20:15 Uhr, Eintritt frei!) und kredenzen euch Tags darauf einige Spezialitäten aus seinem Liveprogramm. Der Weiherer wäre nämlich nicht der Weiherer, wenn er nur Lieder machte – er ist zudem noch Musikkabarettist, Alleinunterhalter und oha, Kochkünstler! Demgemäß verraten wir euch in der Sendung sein Originalrezept für ein fulminantes „Broguto“, das wir natürlich selbst nachgekocht und verkostet haben. „Rebellion als Grundhaltung“ findet sich also beim kritischen Dialektsänger in bester Hans Söllner Tradition nicht nur im Liedtext, sondern auch in der Lebensgestaltung. Also im Kühlschrank. Im Kochtopf. In der Bratpfanne…

Denn da offenbart sich die Wirklichkeit – in der Nicht-Virtualität des Handfesten und im menschlichen Nährwert des Tatsächlichen. So ähnlich wie bei uns übrigens! 🙂 Wir machen ja nicht nur Sendungen darüber, dass wir keine Ahnung haben, worüber wir eine Sendung machen sollten – nein, wir stehen auch schon mal planlos in der Radio-Lounge herum, wo uns dann aus dem Regal mit den ganzen Promo-CDs die jüngst erschienene DVD „koana von eana“ vom Weiherer entgegen springt. Das müssen wir uns unbedingt anschauen, gute Idee, schon auf „offline live“ waren uns solche Gustostückerln wie „Mei CD beim Saturn“ oder „Scheiß da Hund“ aufgefallen.

Wenn uns jemand eine diesbezügliche E-mail geschrieben hätte – jo, mei – die wäre wohl höchstwahrscheinlich untergegangen. Wir brauchen das Echte und Unmittelbare, den Zufall einer persönlichen Begegnung – oder zumindest den eines physikalischen Bild- und Tonträgers. Wir machen eh schon Radio für Leute, die wir nicht sehen und deren Blog-Likes für uns einen Zahlenwert bilden. Zwischendurch darf es daher zum Ausgleich gern mal wieder zwischenmenscheln – oder riechen – und schmecken! Essts öfter mit einander, dann brauchts euch weniger missverstehn, so könnte man sagen. Oder – Kommunikation kommt von Kommune, nicht von Seminar. Das heilige Ritual gemeinsamen Verzehrs heißt nicht umsonst Kommunion. Auch wenn man berechtigterweise nichts von organisierter Religion hält. Was uns jetzt wiederum direkt zum „Broguto“ führt…

Wir mögen den Weiherer. Denn er ist einer, der uns gut tut. Mahlzeit! 😛

 

Live – Throwing Copper

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 14. Oktober – Weil Ed Kowalczyk so eine geile Sau ist, spielen wir das Album „Throwing Copper“, mit dem die Alternative-Band „Live“ um 1994 weltbekannt wurde. Es geht uns dabei um die innere Stimmung, die Kraft und die Philosophie dieser Musik – auch als antidepressives Therapeutikum in herbstlich eingetrübten Nebeltagen. Und vor allem um jene für den damals gut 20-jährigen Sänger etwas eigenen Textbotschaften! Bereits auf dem 1991 erschienenen Debutalbum „Mental Jewelry“ verarbeitete Ed Kowalczyk spirituelle Erfahrungen und prophetische Visionen, die er als Jugendlicher bei der Lektüre von Jiddu Krishnamurti entwickelte. Mit dessen Philosophie verbindet uns der Grundgedanke „Truth is a pathless land“ – Es gibt keine Methode, keine Religion, keine Theorie, die uns „zur Wahrheit führen“ könnte – wir müssen unsere Wege selbst finden. In eigener Verantwortung…

Vor allem amerikanische Kritiker nahmen daran Anstoß, dass hier ein junger Mensch in der Pose des Predigers mit abgeklärten Innerlichkeiten vor sein Publikum trat. Das seien doch eher Probleme und Themen für die zweite Lebenshälfte, die so einem heranwachsenden, also „unreifen“ Rockmusiker schlecht zu Gesicht – oder gar nicht erst zustünden. Was? Die haben auch schon länger nicht mehr gut georgelt 😛

Der ebenfalls recht selbstexperimentelle Revolutionär Rudi Dutschke bemerkte 1967 zu solcherlei unhinterfragten Denkvorgaben: „Es wird nichts vorgezeichnet. Das Vorzeichnen ist ja gerade das Kennzeichen der etablierten Institutionen, die den Menschen zwingen, etwas anzunehmen. Unser Ausgangspunkt ist die Selbstorganisation der eigenen Interessen und Bedürfnisse…“ Zurück zu Ed Kowalczyk und warum er für uns eine dermaßen geile (Rampen)sau ist: Indem wir unseren eigenen Eindrücken folgen und dem nachspüren, was er in seinem Schaffen darlebt und verkörpert, können wir uns nur möglichst ohne vorgefertigte Meinungen und Urteile auf seine Live-Darstellung einlassen:

Dazu empfehlen wir unbedingt diese drei YouTube-Videos anzuschauen – vielmehr mit den Augen des Herzens wahrzunehmen: Lightning Crashes vom Tibetan Freedom Concert 1999 – und auch noch I Alone (mit Improvisation) vom selbigen Auftritt – sowie unbedingt die Unplugged-Version von All Over You mit den wunderbaren Lyrics!

Das Passwort für den Sendungsdownload gibts wie immer auf Anfrage – und in der Sendung gibts auch echt kräftig was auf die Ohren 😀 Diesmal von Norbert, Chriss und Flobi-wan. Wir sind ein geiles Institut…

 

Mantus – Requiem (Das ganze Album)

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 16. September (ACHTUNG ÜBERLÄNGE!) – Ganz im Sinne des Work in Progress Schwerpunkts in unseren Sendungsarbeiten präsentieren wir euch diesmal das Konzeptalbum „Requiem“ der deutschen Band Mantus, einem von mehreren Musikprojekten des berufenen Lyrikers Martin Schindler. Vier der Titel dieses stimmigen Liederzyklus fanden nach genussvollen Anhören Eingang in die Playlist der Nachtfahrt-Jubiläumsausgabe „The Soul is a Bird“ – geht es doch um eine Reise in die Abgründe der Innenwelt, um die Begegnung mit dem eigenen Schatten. „Sterne“ – „Labyrinth der Zeit“ – „Klang der Stille“ und „Massiv“ wurden strukturelle Bezugspunkte zur inneren Entwicklung des Reisenden – und sind als wiederkehrende Momente kraftvollen Innehaltens in jeweils einer der vier Stunden zu hören.

Nachdem wir aber nicht nur Einblicke in das Entstehen unserer Sendungen vermitteln, sondern auch Gelegenheiten zum Miterleben und Nachvollziehen schaffen wollen, laden wir euch ein, dieses atmosphärisch dicht erzählende Musikwerk auch nachträglich noch in seiner organischen Gesamtheit – zu bereisen, zu erleben – und einfach zu genießen…

Das zahlt sich nämlich aus, zumal die Texte von Martin Schindler, abwechselnd von ihm selbst und von Sängerin Thalia vorgetragen, in ihrer durchdachten Auswahl und Reihung eine konzeptiv stringente Gefühlsgeschichte von Außenseitertum und Mut zur Verweigerung bilden, die zudem noch in eine dichte klangliche Atmosphäre voll tröstlicher Düsternis und trauriger Weisheit um die Begegnung mit den letzten Dingen eingebettet wurde.

Hier geht es um weit mehr als eine Pose – oder das oft allzu mühsam zelebrierte Bedienen der Befindlichkeiten eines speziellen „schwarzen Menschenschlags“. Natürlich gibt es tatsächlich allerlei Anklänge und Stilzitate zwischen Samsas Traum und Lacrimosa – und in diversen Rezensionen der etwas seichteren Art auch jede Menge Genrezuschreibungen von Goth Metal bis Neue deutsche Todeskunst.

Aber wir haben es ja nicht so mit dem „brav ins Schachterl scheißen“ – uns begegnet hier eine höchst zeitgemäße Interpretation romantischer Bildwelten, wie wir sie etwa aus Gedichten von Lenau oder Eichendorff kennen, sowie auch eine ganz und gar authentische Weiterführung der expressiven symbolistischen Todeskunst von Georg Trakl, dessen „Romanze zur Nacht“ schon früher von Mantus vertont wurde.

In diesem Sinne, lasst die Wichtigpäden nur weiter einsortieren, lest statt dessen lieber eine „Selbstrezension in eigenen Worten“ und hört einfach gemeinsam mit uns zu.  Ach ja, ein Passwort zum Nachhören der Sendungsaufzeichnung gibts gern auf persönliche Anfrage 😉

Französisch – mit Francoise Cactus

Download/Podcast: Artarium vom Sonntag, 22. Juli – Wir lassen es diesmal gemütlich angehen – und so richtig die Frau raus: Francoise Cactus, Autorin, Sängerin, Schlagzeugerin, Hörspielproduzentin, Zeichnerin – und noch so einiges, was in keine Schachtel passt. Eine kleine feine Femmage an eine ebenso umtriebhafte wie uneinteilsame Hansdämpfin in allen Klassen. Haben sie einen Komplex mit dem Sex? Dann fragen sie Frau Francoise – und seien sie gut zu Vögeln! Sie findet Europa neurotisch, häkelt uns mit Wollita ein subversives Sexsubjekt und mag nur eine Brezel: Göring. Mit ihm zusammen ist sie jedenfalls so Stereo Total, dass selbst Mothers Little Helpers noch ganz ungeahnte Polyphonic Size entwickeln. Noch Fragen? Na also…

Es war mein ehemaliger Arbeitskollege René Haas, der mich einst zum Stereo Total Konzert in die ARGE einlud. Er hatte wohl wieder einmal bei einem dieser volkssubventionierten Radiosender angerufen und zwei Freikarten gewonnen – allerdings leider ohne Begleitung! Ich fand das nicht direkt unangenehm, wiewohl ich damals kein eingefleischter Fan der Band war. Das sollte sich jedoch bald ändern, vielleicht nicht gleich durch das Konzert an sich, das immerhin ein für Salzburger Verhältnisse beträchtliches Übermaß an Leichtigkeit, Verspieltheit und Zärtlichkeit versprühte. Nein, es waren die Momente nach dieser fröhlich lebendig machenden Bühnenperformance, als Francoise und Brezel so selbstverständlich selbst hinter ihrer Merchandise-Budel standen und mit uns über Berlin, Wortkunst und antike Sythesizer plauderten. Dieser Augenblick angewandten Punks war wie ein lang entbehrter Schluck frischen Wassers nach einer langen staubigen Reise – und führte mir wieder mal schlagartig vor, wie eingenäht provinziell und peinlich kleinkrämerisch diese Stadt doch inmitten ihres ganzen Eventgetues und Kulturgehabes immer schon war – und immer noch ist.

Es war mein guter Freund und Radiokollege Peter.W. der mich im November 2010 dazu anstiftete, einen jener illustren Vorlese-Abende aus der von ihm initiierten Read This! im Denkmal Reihe zum literarischen Schaffen von Francoise Cactus mit zu gestalten. Ich sollte mich also in Wollita ein- und dann als diverse Stimmen auch aus dem Presserummel drum herum vorlesen. Und wieder wurde es eine äußerst erquickliche und inspirierende Angelegenheit, wie übrigens so vieles, was jenseits von Programmpflicht und Wirtschaftsdruck entstehen darf. Peter ist da sowieso immer einer der fruchtbarsten Anstifter gewesen – und er weiß wohl selbst am besten, warum er nach Wien geht (siehe Artikel/Sendung) – weil eben hier in diesem verklemmt verzweckten Engraum nicht viel Freies möglich ist – und weil das Wenige, das man der zunehmenden Verprivatisierung noch abtrotzen kann, unendlich anstrengend ist. Salzburg ist also nach wie vor für viele „ein Friedhof der Phantasien und Wünsche“ (Thomas Bernhard) – außer natürlich für diejenigen, die aus dem Image und der Kulisse dieser Stadt, die ihren Einwohnern zum Leben vorenthalten wird, ihr ganz privates Kapital schlagen. Die Geldgottesdiener…

„Allons, enfants de la Patrie…“ möchte man singen hören. Oder den Ratten gleich das sinkende Schiff verlassen. Hier herrscht der Mozartkugelfaschismus. Oder der Andenkenständestaat. Die Diktatur des Pollertariats sowieso. Doch seis drum – für diesmal ergehen wir uns in frankophiler Überlebensfreude. Was immer wir daraus lernen können – wir sind ein geiles Institut! 😀

 

Blumfeld – Testament der Angst

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 15. Juli – Das ganze Album im Kontext von Love and Desperation (Nachtfahrt vom Freitag, 13. Juli) – oder halt einfach nur zur gepflegten Sommerdepression? Auf der Suche nach den Möglichkeiten, höchst ambivalente Gefühlswelten textlich wie musikalisch elegant und stilvoll zum Ausdruck zu bringen, landen wir unweigerlich wieder einmal bei Blumfeld und ihrem nunmehr solo werkenden Frontman Jochen Distelmeyer. Auf dem diesmal hier vorgestellten Album „Testament der Angst“ von 2001 wird eine derartige Gleichzeitigkeit von erlebter Liebe, politischem Zorn und selbstkritischer Verstimmung in Szene gesetzt, dass sie einem therapeutischen Manifest emotionaler Authentizität gleichkommt – auch und gerade weil dieses Befinden nach wie vor so charakteristisch für unsere Zeit ist.

Bei unserem Gespräch aus Anlass seines Salzburger Solo-Debuts im Dezember 2009 fragten wir Jochen explizit nach seinen Erfahrungen mit jenem Seinszustand, den man heute allgemein schwammig als Depression beschreibt. Und ebenso elegant, wie er bereits in der gesamten Blumfeld-Zeit diesen Aspekt menschlichen Erlebens verhandelt hatte, verwies er auf den Gesamtbefund der gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten 20, 30 Jahren und konstatierte schließlich, dass aufgrund der massiven Auswirkungen einer in zunehmender Beschleunigung dem Erfolgsstreben gewidmeten Zivilisationskultur wohl immer mehr Menschen ihre umfassenden Empfindungen von Perspektivlosigkeit und Vereinzelung als eine wahrscheinlich behandlungsbedürftige Überforderung wahrnehmen. Einige Ausschnitte aus dieser Unterhaltung könnt ihr im Radioportrait „Jochen Distelmeyer Adventsingen“ nachhören.

Und auch meine damals durchaus erregten Einlassungen auf den wirklich untergründigen Verriss des letzten Blumfeld-Albums „Verbotene Früchte“ durch Doris Knecht im profil (April 2006): „Ich möchte Teil einer Schmetterlingsbewegung sein“. Daraus erwuchs damals die Urform einer gewissen Orgelmetapher, die ab einem bestimmten Grad nicht mehr nachvollziehbarer Abwertung des besprochenen Kunstwerks oder Entwicklungswegs durchaus sexuelle Frustrationen der Poppkritik als Erklärungsansatz unterstellen möchte.

Ganz anders klingt das im Spiegel-Gespräch unter dem Titel „Härte ist ein Aberglaube“ – das entspricht auch meiner Erfahrung mit der Stimmigkeit des Gesamtschaffens, das ich vom ersten bis zum letzten Salzburg-Auftritt erlebt habe. Warum also Blumfeld und Distelmeyer eine Inspiration für junge Salzburger Bands sein sollten? Weil diese spezielle Verbindung von Emotion und Intellekt, von kindlichem Empfinden und literarischer Reflexion in der Diktatur der Mozartkugel und ihrem ewigen Eventsingen praktisch (noch) nicht vorkommt.

Und weil wir ein geiles Institut sind natürlich 😉

Hier also das Video zur Einstimmung: Diktatur der Angepassten (Live) – Gebt endlich auf!!!

Please Madame

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 24. Juni – Schon wieder verwandelt sich unser Studio in das bekannte Künstlercafé mit Livebühne. Zu Gast sind diesmal Please Madame aus Salzburg, fünf überaus sympathische Herren, die es sich nicht nehmen lassen, zwischen ihren Aufnahmesessions und dem bevorstehenden Konzert am Herz-Jesu Gartenfest auch bei uns in der Radiofabrik vorbei zu schauen. Im Gepäck haben sie ihre demnächst erscheinende EP „Hi, Society“ (oder wie immer man das schreibt 😉 ) sowie allerlei Instrumente für einen spontanen Unplugged-Auftritt. Wir interessieren uns natürlich auch dafür, was denn das für besondere Menschen sind, die da auf einmal so laut aufdrehen in unserer schönen Highmatt…

Es begann alles mit diesem nicht gerade alltäglichen Video von „Open Heaven“, auf das uns der rasende Ideenstifter Dima gleich nach dessen Auftauchen auf YouTube aufmerksam machte. Schau an, es bestach sofort durch eine energiegeladene Stimmung ausgelassener Wildheit – und eine eigenwillige, an die Frühzeit des Musikvideos erinnernde Ästhetik. Was allerdings in der Praxis dafür spricht, es funktioniert – auch nach Wochen – immer noch! Die interessieren uns, haben wir gedacht, die haben etwas zu sagen, mit denen wollen wir eine Sendung machen… „Das gute am freien Radio ist der kurze Weg zwischen Operation und Ergebnis.“ (Günther Paal/Gunkl)Hier sind sie also, live und ungefiltert, auf den Wellen, die die Welt bedeuten, mit uns, für euch – und gut zu hören:

Please Madame, das sind Dominik Wendl (Gesang), Benjamin Wendl (Bass), Martin Pöheim und Laurenz Strasser (Gitarre) sowie Merlin Delic (Drums), der zu dieser Vorbesprechung nicht kommen konnte, weil er in der Zwischenzeit noch den Scheich chauffieren durfte. Eigentlich wäre es ja nicht sonderlich zeitaufwändig, den Ablauf und Zeitplan einer solchen Sendung auszumachen und sich auf die üblichen Informationsfragen zu einigen. Doch was von der ersten Begegnung an sofort ins Auge und mehr noch ins Gemüt sprang, war diese besondere Gruppenchemie – als Gemeinschaft wie auch zwischen den einzelnen Bandmitgliedern. Hier hat sich über Jahre hinweg (zum Teil spielen sie schon zusammen, seit sie 13/14 waren) ein kreativer Nährboden entwickeln können, der uns – aber hallo – aufmerken ließ.

Was ist das Verbindende in dieser Band, was ist dieses „zwischen den Menschen Stattfindende“, der zumeist kaum wahrnehmbare schöpferische Prozess? Welche geheimen Vorgänge machen den Freundeskreis zu einem produktiven Projekt? Wie entsteht hier die richtige Mischung aus persönlicher Nähe und professioneller Distanz? Wie halten sich Respekt vor einander und Kritik an einander derart die Waage, dass es nicht angestrengt oder gezwungen wirkt und dabei Musik mit so tiefgründiger Leichtigkeit entsteht? Dies wollten wir ein Stück weit durch eigenes Miterleben erforschen – nicht um es irgendwie definitorisch zusammengefasst wiedergeben zu können, sondern um es auch in der Sendung zwischen den Zeilen spürbar zu machen. In diesem Sinne sind wir auch alle ein geiles Institut! 😀

ACHTUNG! Diese Sendung wird am Dienstag, 26. Juni Uhr im Rahmen des HEIMSPIEL (Tag der lokalen Musikszene) um 19:00 Uhr wiederholt. Gut zu hören…

The Freelancers – N’Kuti (Das ganze Album)

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 10. Juni serviert eine echte Balkanplatte aus dem Fundus unserer speziellen Freundin Teresa Reiter, und zwar das beachtliche Debut-Album „N’Kuti“ von The Freelancers aus Prishtina/Kosovo. Nicht gerade eine der Weltgegenden, aus denen man wegweisend innovatives Soundschaffen üblicherweise erwarten würde. Nichtsdestoweniger bestechen die Songs der Herren Freelancers (Soundcloud) durch höchst eigenwillige Klangwelten zwischen Resignation und Auflehnung und geben dadurch ein vielschichtiges Stimmungsbild ihrer ambivalenten Umgebungen wieder. Eine echte Spezialität also für all jene, die ihrer Neugierigkeit gern auch ihr Ohr leihen und nicht nur in gewohnten Gehörgängen herum hängen…

Was uns beim ersten Anhören ganz besonders beeindruckt hat, war die hoch professionelle Produktion sowohl des Albums als auch der diversen Videos von Pinkmoon Creative, wie etwa des wunderbar umgesetzten Tracks „Pse?“ (YouTube) den wir ja bereits bei unserer gemeinsamen Live-Sendung mit Teresa vorgestellt haben. Ist irgendwie ist das unser persönlicher Liebling, Ohrwurm (Earcatcher) geworden 🙂 doch lohnt es sich unbedingt, auch die anderen Titel dieses Kunstwerks zu erleben – erst in ihrer lyrischen Gesamtheit entsteht der elementare Eindruck einer Kamerafahrt durch Innen- und Außenwelten einer absurden Realität. Großes Kino für Reisende und Genießer! Und die Texte dazu – auf Albanisch und Englisch – sind sowieso nochmal eine ganz eigene Welt.

Soll noch einer sagen, rund um unsere Sendungen komme nichts Neues und Aufregendes zu Tage, so wie hier „Backstage“ in Raschhofers Ideentauschbörse nach unserem letzten Radio-Auftritt. Hey, wir sind doch im wahrsten Wortsinn die Perlentaucher und können auch gar nichts dafür! Neugierig, kindsköpfisch und immer interessiert an irgendwelchen kreativen Ausdrucksmöglichkeiten, die in dieser oder jener Form noch nicht dergestalt dargestellt, gesagt oder gedacht worden sein könnten. In diesem Zusammenhang seien euch ebenfalls Teresas feinsinnige Arbeiten für Kosovo 2.0 (Englisch) ans Herz gelegt – sowie Chrissobert Schmallniggs sprachkritische Nachtfahrt-Sendung „Originale Kopien“ aus der Radiofabrik ihres Vertrauens. Wir sind – in jedem Fall – ein geiles Institut 😉 und gut zu hören.

Renato Unterberg Incontro

Podcast/Download: Artarium am Sonntag, 27. Mai – mit Renato Unterberg als Gast im spontanen Live-Biotop. Wir haben das soeben erscheinende Album „Yelling with the Pantomime“ vorab gehört und wollen nun natürlich auch noch ergründen, worum es sich beim AFPmovement eigentlich dreht. Diese Bewegung, die nicht nur dem mit gut 7 Minuten längsten Track des Albums ihren Namen gibt, sondern auch beim Album-Release am 9. Juni im JazzIt eine erste Exhibition oder auch Performance namens „Silhouettes and Smoke“ abhalten wird. „The AFPmovement can be seen as a political party representing the thoughts of mountains.“ Unter anderem. Wenn das nicht poetisch ist…

Bereits das Debut „The Cinnamon Nights“, ein durch und durch konzipiertes Album mit dem Untertitel „A Fairy Tale“ entführte in geheimnisvoll anmutende Stimmungswelten und verwob Sounds, Songs, Lyrikbeilagen und Artwork zur meditativ mystischen Seelenreise nach sich selbst. Eventuell verwendete Stilzuschreibungen einzelner Fragmente und Zitate mögen der besseren Orientierung einstweiliger Erwartungshaltungen geschuldet sein. Ich als Wortmacher finde ja Begriffe wie „Cross-genred psychedelic folk off the track“ überaus entzückend, meine aber, dass die hier zu Gehirngehör kommenden Klanglandschaften des unmittelbaren Erlebens oder besser Bereisens bedürfen, um sie zu erfassen und ihre Eindrücke in sich aufzunehmen. Dann allerdings inspirieren sie zu individuellem Beschreiben – mit vielleicht ebenso einzigartigen wie noch nie zuvor dergestalt dargestellten Sprachbildern.

Nicht viel anders verhält es sich auch beim aktuellen Album – es entzieht sich ebenfalls gekonnt den allzu einfachen Zuschreibungen. Der Fundus seiner musikalischen Inspiration wirkt eher wie eine ganze Farbpalette, die von den kundigen Händen der Bandmitglieder zu ganzen Bühnenbildern kombiniert werden. Darin spiegeln sich Seelendramen in Gestalt recht eingängiger, oft repetitiv chantender Songs von kindlicher Kraft und hellsichtiger Naivität wieder, die einen dann auf eine noch hypnotischere, konzentriertere und elementarere Reise mitnehmen, vielleicht ohne überhaupt wissen zu wollen, wohin diese gehen wird – wiewohl:

AFP is on my friend
fill your bags with seeds and sand
plant the oak in desert land
just to make sure
all turns out well in the end
simple and just pure

Da scheint schon mehr vom Finden als nur vom Suchen drin zu stecken. Wie dem jetzt aber auf den Grund gehen können? Versuchen wir es einfach mit ein paar Liedern – vom Album und live unplugged – mit der Atmosphäre spontan assoziativer Gedanken dazu im Gespräch, versuchen wir eben, Biotop und Bio-Utopie zu sein, neugierig zu machen, kindsköpfisch zu bleiben, ein geiles Institut und bio-logisch! 🙂