Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Steve Howe Symphony

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. MaiIn Würde altern mit dem Vollblutmusiker und langjährigen Yes-Gitarristen, der bei uns ob seines nunmehrigen Aussehens den liebevollen Spitznamen „Mäusegroßvater“ trägt. Wir gratulieren zum 68. Geburtstag (am 8. April) und wünschen weiterhin gutes Gelingen beim alterslosen Abviechern mit so legendären Zupfrumpeln wie der Gibson ES-175 oder Fender Dual 8 Lap Steel 😉 Wie unschwer zu bemerken, würdigen wir diesmal allerlei Facetten des gepflegten Gitarrenspiels. Dergleichen betreibt gerade Steve Howe rund um das auch von ihm selbst Anfang der 70er mitgeprägte Genre des Prog-Rock bis heute aufs Allerfeinste – sei es gemeinsam mit seinen früheren Weggefährten (Yes Live at Montreux 2003) – sei es zusammen mit seinen Söhnen Dylan und Virgil als Steve Howe’s Remedy

Steve Howe TimeAuch abgesehen von den diversen Bandprojekten hat dieser Vollfreak der Virtuosität und Klangkulissen seit 1975 seine solide Solokarriere. Das erste diesbezügliche Album „Beginnings“ war anstoßgebend für die Musikzusammenstellung dieser Sendung, in der wir seinen Entwicklungsweg von frühen Yes- sowie Soloarbeiten über spätere Live-Interpretationen und ein sehr eigenes Bob Dylan Coveralbum bis zur schon erwähnten, Generationen vereinenden Remedy nachzeichnen:

Die Sätze und ihre Bezeichnungen 😀 lauten also:

01 Artarium – Mäusegroßvater-Signation feat. Jon Anderson „Love is everything“

02 Steve Howe – Lost Symphony (Beginnings 1975)

03 Steve Howe – Will O‘ the Wisp (Beginnings 1975)

04 Yes (Steve Howe) – Clap (Studio Version, Yessongs 1971)

05 Yes – Starship Trooper (Life Seeker; Disillusion; Würm; Yessongs 1971)

06 Yes – And You And I (Keys to Ascension Live 1996)

07 Steve Howe – Don’t Think Twice It’s All Right (Portraits of Bob Dylan 1999)

08 Steve Howe’s Remedy – Lost Symphony (Live 2004)

 

COPY RIOT

Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Mai fand diesmal dem Thema gemäß als ein sich wiederholendes Selbstzitat statt. In aller gebotenen Ironie servierten wir Ausschnitte aus der Gepflegten Koinzidenz sowie aus den Märzhasen. Dazwischen jedoch gab es die Aufzeichnung unserer COPY RIOT Performance vom Donnerstag, von der nunmehr eine soundoptimierte Version (24:59) zum Download bereit steht. 🙂

Im Rahmen der Civilmedia15 präsentierten Norbert K.Hund, Christopher Schmall (Voices) sowie Daniel Danko (Sounds) ein metalogisches Work-In-Progress aus den Bastelköpfen der Ideenanreicherung: Durch Rezitation und Verfremdung wohlvertraut anmutender Textpassagen im Wechselspiel mit unvorhersehbaren Klangräumen entsteht eine Momentaufnahme unseres Umgangs mit dem unsortierten Material der postmodernen Wirklichkeit. Aus Wiederholungen von möglichen wie scheinbaren Zitaten – in ihrem einstweiligen Unzusammenhang – können sich für diejenigen, die sich ungeschützt darauf einlassen, vollends neuartige Formen eigener Sinnstiftung ergeben. Oder auch nicht. Wir übernehem jedenfalls keinerlei Verantwortung für das Erreichen irgendeines Zieles – oder die Erfüllung irgendeiner Funktion

dreiWir sind vor allem da – und wir tun es – öffentlich: In dieser Sendung wiederholen wir die Aufführung vom 7. Mai (bei der Civilmedia15 im Kunstquartier Bergstraße 12, Beginn 18:00 Uhr)  Diese Word & Sound-Performance sollte ein unterhaltsames Statement sein – und zudem noch ein Beitrag zur Diskussion um eine notwendige Neufassung des Urheberrechts, etwa an Werken der Kunst. Die Ursache (sic) dafür war das Verbot einer Thomas Bernhard Lesung im Salzburger Literaturhaus durch den Suhrkamp Verlag, und zwar im Auftrag von Bernhards Halbbruder Peter Fabjan, dem ebenfalls das Testament des Autors ignorierenden Erben der Verwertungsrechte.

Unsere These dazu ist einfach, allerdings für die Arbeit in niederschwelligen, nichtkommerziellen Kultureinrichtungen (wie eben auch in Freien Radios und anderen Community Medien) nicht unwesentlich:

zwei Veröffentlichte Werke stehen der Weiterverbreitung sowie interpretativen Bearbeitung unentgeltlich zur Verfügung, und zwar all jenen, die keinen materiellen Gewinn daraus erwirtschaften. Erst ab einem substanziell messbaren Profit seitens der Rechtenutzer sollen diese im Verhältnis zu ihrem Profit abgeltungspflichtig sein. Und solange die bestehenden Gesetze gelten, müssen für den nichtkommerziellen bezw. gemeinnützigen Sektor der Kulturvermittlung entsprechende Sonderregelungen (wie leistbare, gern auch “symbolische” Pauschalen etc.) auf Verbandsebene ausgehandelt werden…

Dieses Handout mit Ankündigung und (obigem) Hintergrundtext gibts hier als PDF 😉 Und wenn wir schon dabei sind, etwas auszuprobieren (von dem wir naturgemäß nicht wissen, wie es sich in der jeweiligen Situation darbieten wird) mashen wirs doch up:

Sprache ist Sprache
Niemand kann sie besitzen
Sie gehört uns allen

einszitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren
wiederholen
zitieren

miserable Drecks-Orte wiederholen
diesen unfeinen Titel zitieren
wenn nicht einen Dreckigeren wiederholen
dieses Rückständige zitieren
Bornierte wiederholen
Hinterwäldlerische zitieren
gleichzeitig wiederholen
geradezu zitieren
abstoßend wiederholen
Größenwahnsinnige zitieren
Land wiederholen
zitieren

nullin dieser Stadt
direkt in die Menschenverzweiflung
Bahnsteigtoiletten
Trümmerfeld
Scherzhauserfeldsiedlung
Vormittag
Gesteinsbrocken
wie ein Tier
die ganze Dummheit
immer geläufig gewesen
ängstigende Kälte
Friedhofsarkaden

Stumpfsinn
Heuchelei
Geistlosigkeit

siehst du, siehst du, siehst du?

perfide Fassade
Todeskrankheit
direkt oder indirekt
langsam und elendig
früher oder später
durch und durch

eine andeutungzur höheren Ehre
des jeweiligen
Adolfjesus Hitlerchristus
oder eines anderen
volksverdummenden
Abziehbildes ihres Gottes
des Marktgottes und Wertgottes
und des Marktwertgottes
besinnungslos Geld und Abgeld,
Scheingeld und Widergeld
herauspressenden
Spießbürger

eine in vollkommener
Unwissenheit und Gemeinheit
undurchdringbare
Menschengestrüpp-
Fortpflanzgesellschaft

Die Sprache
ist die Ursache
aller Andeutungen

Ein Missverständnis

PREIS WERT

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. April – Texte und Töne rund ums Wesentliche. Erlaubt? Verboten? Die Gewinner des Spiels stehen von vornherein fest – die Teilnahme ist aber für alle kostenpflichtig. Auf alles und jedes wird ein Preiszetterl geklebt, Kunst und Kultur werden zunehmend zerkauft. Die Wirrschaft muss wachsen! Und alles wird billiger, weils Geld kostet. Wie bitte? Vor allem das kreative Schaffen der Jugend wird ja dadurch angekurbelt, dass jede Schülerband und jeder Literaturzirkel sich eine Lizenz kaufen muss, sobald sie auch nur ein urheberrechtlich geschütztes Lied oder Gedicht vor mehr als eineinhalb Personen (also öffentlich) darbieten. Erkennen sie die Ironie? Oder die Absicht dahinter? Wir sind darob auf jeden Fall längst verstimmt!

kunstpreiswertDas wollen wir auch am Donnerstag, 7. Mai ab 18 Uhr bei der Civilmedia 15 (im Kunstquartier, Bergstraße 12) dokumentieren. COPY RIOT – A Barely Legal Artists‘ Rights Recycling heißt diese Word&Sound Performance – sie ist ein unterhaltsames Statement und ein Beitrag zur Diskussion um eine notwendige Neufassung des Urheberrechts, etwa an Werken der Kunst. Die Ursache (sic) dafür war das Verbot einer Thomas Bernhard Lesung im Salzburger Literaturhaus durch den Suhrkamp Verlag, und zwar im Auftrag von Bernhards Halbbruder Peter Fabjan, dem testamentignorierenden Erben der Verwertungsrechte (Standard-Artikel). Unser Standpunkt hingegen ist einfach, allerdings für die Arbeit in niederschwelligen, nichtkommerziellen Kultureinrichtungen wesentlich (eben auch in Freien Radios und anderen Community Medien). Veröffentlichte Werke stehen der Weiterverbreitung sowie interpretativen Bearbeitung unentgeltlich zur Verfügung, und zwar all jenen, die keinen materiellen Gewinn daraus erwirtschaften. Erst ab einem substanziell messbaren Profit seitens der Rechtenutzer sollen sie im Verhältnis dazu abgeltungspflichtig sein. Und solange die bestehenden Gesetze anwendbar bleiben, müssen für den dezidiert nichtkommerziellen Sektor in der Kulturvermittlung entsprechende Sonderregelungen (wie leistbare „symbolische“ Pauschalen etc.) auf Verbandsebene ausgehandelt werden.

A Mensch mecht i bleibn
und i wü net verkauft werdn
wie irgend a Stückl Woar
net olles wos an Wert hot
muaß a an Preis hobn
owa moch des amoi wem kloar

Wolfgang Ambros

 

Urheber rechts!

Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. April – Am 1. 1. 2016 endet die Regelschutzfrist von Adolf Hitlers “Mein Kampf” (üblich sind 70 Jahre nach dem Tod des Autors). Dann gilt der sonderliche Text nämlich als gemeinfrei und kann ohne Einspruchsmöglichkeit seiner derzeitigen Rechteinhaber (diesfalls nicht unlustigerweise des bayerischen Finanzministerums) von jederwem nachgedruckt oder sonstwie verwurstet werden. Entgegen weit verbreiteter Meinung ist der bizarre Pseudobestseller aus den 20er Jahren weder in Deutschland noch in Österreich gesetzlich verboten, es wurden nur nach geltendem Urheberrecht illegale Nachdrucke/Neuauflagen gerichtlich verhindert. Ein jahrzehntelanger Eiertanz der bayerischen Staatsregierung steigert sich angesichts des nahenden Ablaufdatums zu einem bigott-absurden Insichselbstwiderspruch. Die ARD-Doku “Countdown zu einem Tabubruch” bietet (soweit das geht) Überblick.

futsches reichWir erreichen hier offenbar die Grenzen und Fragwürdigkeiten geltender Gesetze. Soll das Buch des Braunauer Volksverdrehers (das ja ohnehin jederzeit im Internet gelesen werden kann) wieder offiziell in den Handel kommen – oder sollen sich die Nazinachfolgestaaten dafür einsetzen, dass man es möglichst nur in entsprechend antiquarischen Hinterzimmern zu kaufen bekommt? Mit dem „Schutz der Jugend“ wird hierbei argumentiert und mit dem „Ansehen der Deutschen im Ausland“, auch mit „Volksverhetzung“ oder „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“, denen man keinen Vorschub leisten möchte. Andererseits ist aber auch zu hören, dasss man es uns durchaus zutrauen kann, uns selbst eine Meinung über die Inhalte dieses Mach(t)werks zu bilden. Sogar Neonazi-Aussteiger („die saufen doch lieber, bevor sie so ein Buch lesen“) und einzelne Holocaust-Überlebende („die sollen nur begreifen, was das für einer war, der ihre Großeltern zu Mördern gemacht hat“) befürworten die freie Verfügbarkeit des – mir fehlen grad die beschreibenden Worte…

Vergleichen wir in dieser Sendung einmal zwei Vorträge von Auszügen aus dem Originaltext: Erstens Helmut Qualtingers genial unterschwellige Lesung aus den 70ern sowie zweitens Serdar Somuncus brachial überbordende szenische Version von 1996. Und hinterfragen wir eine gern mit Urheberrechtsgesetzen bemäntelte Machtpolitik. „Es gibt ja diverse kommentierte Ausgaben seit 1945, die Aufklärung geleistet haben. Hier geht es doch auch um das Monopol des Freistaats Bayern, für uns, die wir nicht Bayern sind, stellvertretend Gedankenpolizei zu spielen.“ (Serdar Somuncu in einer Diskussion).

Das gegenständliche Buch ist sowieso das abgrundtief Schlechteste, in dem ich jemals ein Kapitel auch nur zu lesen versucht habe. (Was ich heute im Rahmen der Vorbereitung getan habe – und was mindestens eine Woche Krankenstand zur Genesung erfordert). Die Sprache unfertig, klobig, verkrampft. Die Gedankengänge sprunghaft, abgehackt, sich in einem Absatz gleich mehrfach selbst widersprechend. Der Sinngehalt willkürlich, inkonsistent, mit Gewalt zusammengezwängt, dabei wackelig. Und der Inhalt ein Gebräu aus esoterischem Plagiat (Blavatsky, Liebenfels) und unsympathischem Hausmeister

WÜÜÜRRRG

 

Musenschmusen (Norbert)

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. April – Ein frei umher assoziierender Textmusikreigen quer durch das Spannungsfeld von Schönheit und Schrecken aus dem Salzburger Musentempel der Hoch- und Huchkultur. Ist Volkskultur populär? Oder Popkultur Industrie? Letzteres mit Sicherheit! Hilft uns die Flucht aus der Frustration, die traurige Realität zu bewältigen? Wir retten uns jedenfalls vor aller Ohren in etwas andere Phantasien … Ich wollte ohnehin schon längst wieder einmal einen literarischen (was ist das überhaupt?) Artikel verfassen, der weniger darüber aussagt, was wir hier machen, sondern mehr davon anzufühlen gibt, wie es hinter den Kulissen, unter den Oberflächen und zwischen den Zweifeln so zugeht. Nur soviel sei verraten: Jeder Text, jedes Lied, jedes Bild ist ein Teil von etwas, das noch entstehen wird…

SalzburgIch träumte vom großen Glück, neu anzufangen. Eine neue Stadt, eine neue Umgebung, eine vollkommen neue Gesellschaft. Jauchzend begriff ich, dass hier keines der einst über mich verfügten Vorurteile mehr Gültigkeit besaß – ich war mit einem Mal ein freier Mensch – und ich hatte alle Zeit der Welt. Ich konnte nach Lust und Laune abbiegen, einkehren, verweilen, mir unbekannte Gassen und Plätze vertraut machen – und mit Fremden, die noch nie etwas von mir gehört hatten, Freundschaft schließen. Ich war durch eine glückliche Wendung meines Lebenswegs aus dem Gefängnis der Gerüchte heraus geraten – und begann auf der Stelle wieder mit meinem eigentlichen Menschsein – als ein vom auswendigen Unrecht der Eingefleischten niemals Beschmutzter.

Wie lebensnotwendig ist solch ein mitternächtlicher Musenkuss, insbesonders, wenn ringsum der Terror des Trotteltums tobt. Wenn zwischen der Blödheit und Böswilligkeit der einen tagtäglich Befallenden nicht mehr zu unterscheiden ist. Wenn man nur noch die Macht ihrer Missgunst fühlt, die einem die Mauern des eigenen Luftholens fortwährend enger und enger rückt, dieses Zerquetschenwollen jedlebender Bewegung. Mordlüsterne Kasperltheater verinnerten Wohlanstands taumeln funktionierend durchs Bühnenbild – und erschlagen das eigentliche Befinden erfolgsam mit vorgegaukelten Phrasen. Die vernichtende Nachrede dieser sich Gesellschaft nennenden Automaten brandstiftet noch in den untersten Winkeln des Restbewusstseins den Angsthass (auf sich selbst) und schiebt ihn dann den Anderen unter.

UhrzeitAber du kannst doch nicht so auf die „normalen Menschen“ losgehen! Immerhin ist das die Mehrheit in dieser demokratischen Gesellschaft. Schimpfen auf die Verhältnisse hat auch noch nie was gebracht. Das führt nur wiederum zu noch mehr Verbitterung… Wie bitter? Das sind mir vielleicht so Alles-wird-gut-im-nächsten-Leben-Sätze aus der Dunkelkammer des tausendjährigen Beschwichtentums! Du sollst Vater und Mutter ehren – auch wenn sie dir nach dem Leben trachten. Denn alle Obrigkeit ist von Gott – geschissen. Patridioten aller Vaterländer, hupft euch taubstumm und verblödet zu euren Heimatklängen! Es ist bestimmt keine Industrie, die euch den Abfahrtslauf der Volksmusik listig ins Bewurstsein träufelt. Nein, es sind sicher eure eigenen Gefühle und Bedürfnisse, die so unkontrolliert aus euch hervorbrechen wie Frischgekotztes hinterm Feuerwehrzelt.

Eine Menschheit, die sich mit dem Unrecht gemein macht, muss beschimpft werden. Und zwar heftig. Das ist die einzige Möglichkeit, seine Feinde zu lieben – indem man ihnen die Wahrheit eben nicht vorenthält. Schon seit vor meiner Geburt halte ich ihr sämtliche andere Wangen und Arschbacken friedfertig ins Gesicht – und was tut sie? Mich unter Androhung des Ausschlusses aus der Volksgesundheit zum Nahtod erschrecken und mich sodann mit vorgehaltener Macht zu sexuellen Verrenkungen abkommandieren, die ich allein schon aus Gründen des guten Geschmacks niemandem zumuten möchte. Nein, solang die Einwohnergemeinheit dieser Stadt, dieses Landes und dieses Planeten nicht damit aufhört, auch nur einen Einzelnen aus Gewinnsucht und Gier von Kindheit an in ihr zutiefst fragwürdiges Betriebssystem einzugliedern – solange gibt es keinen Frieden auf Erden – und das muss dann auch gesagt werden.

Programm„Lasst ab von eurer Ungerechtigkeit. Verschenkt euren Reichtum an die Armen. Und urteilt nicht über eure Mitmenschen nach deren Ansehen, Ruf oder Stand.“ So etwa klang der Originaljesus, bevor man ihm eine Gewaltkirche übergestülpt und ihn zu deren Heilanstaltsleiter gemacht hat. Und so kann auch der Klang unseres Gemeinwesens sein: Befreiend und ermutigend gegenüber den Armen, Ausgelieferten und Bedrohten – und beinhart gegenüber den Mächtigen, die ihre Macht erst durch deren Angst und Not – und somit völlig zu Unrecht – besitzen. Solcher Einsicht ist allgemein jedes Kind fähig. Damit es aber gar nicht erst dazu kommt, wird ihm schon von klein auf mit der Muttermilch jenes Gewissen eingeflößt, das ihm fortan ungefragt mitteilt, wer es sein darf, wo es hingehört – und was es lieber erst gar nicht denkt.

Und so entstehen sie, die anpassungsfrohen Gerndabeiseier dieser sich immerdar selbst fortklonenden Gesellschaftsmehrheit. Sie sind das statistische Mittelmaß der Demografen und Thermoskannen – in der uns beärschenden Seistadsform der labermentalischen Deppokratiedemokratur. Ihr verzwungener Seinszwick ist die reine Mitmacht auf Seiten des Siegerns, kotze es was es wolle – und das macht sie auch so gefährlich, denn Mehrheitdennje wird von der Meinungsverorschung im Sinne der Gemacht. Und als ob das nicht schon schlimm genug Ware, haben, sein, sie sich ihrer, immer auch nur, Oberhaupt Sache Gewinnst. Die Frühlingsfetzenspiele der Volksdümmlichen im Musekantenstaat. Muse denn, Muse denn, zum Schädeldach hinaus, und du – mein Schatzssssss… Die neun Musen des Olymp. Die Humanisten. Der Hurenchor der Hochkultur.

Wer hats erfunden? Egal, solang du dafür bezahlst!

 

Kaiser Wilhelms Rosa Winkel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. April – Unlängst stolperte ich fernsehend (endlich wieder einmal) über eine etwas SEHR andere Dokumentation. „Des Kaisers schmutzige Wäsche“ beleuchtet die Harden-Eulenburg-Affäre (Eine Medienkampagne mit daraus folgenden Gerichtsverfahren rund um einige homosexuelle Freunde und Berater des deutschen Kaisers Wilhelm II. kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs). Dies gelingt Autor und Regisseur Claus Bredenbrock hier allerdings auf so spektakulär unbelehrende und zum eigenen Weiterdenken anregende Weise, dass er gleich vom Bund Lesbischer & Schwuler JournalistInnen mit dem Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet wurde. Über diese in vielerlei Hirnsicht [sic] Aufsehen erregende Produktion möchte ich also zu Beginn unserer Sendung berichten:

Des KaisersIm deutschen Kaiserreich waren (anders als in anderen Ländern zu dieser Zeit) homosexuelle Handlungen seit 1872 wieder durch den § 175 des Strafgesetzbuchs kriminalisiert. Aufgrund dieser Rechtslage musste sich Wilhelm II. nach wiederholten öffentlichen Bezichtigungen (siehe nebenstehende Karikatur) von vielen seiner bis dahin einflussreichen Berater trennen, um nicht selbst solcher „sodomitischer Schmutzereien“ verdächtigt zu werden. Die geradezu hysterische Abgrenzung von allen auch nur entfernt im Geruch der Unmännlichkeit stehenden Personen führte mittelbar bis zur Abberufung des Reichskanzlers Bernhard von Bülow, übrigens ein Verwandter des von uns hoch geschätzten Loriot (Krawehl, Krawehl). Und schon sind wir mitten in der spannenden These der Dokumentation: Die (zum Teil tatsächlich) homosexuellen Schöngeister aus dem „Liebenberger Kreis“ waren allesamt Teil einer informellen Friedenspartei und strebten die Aussöhnung mit Frankreich sowie ein geeintes Europa an. Durch deren Entmachtung gewannen die Militärs der Kriegspartei nun die Oberhand im Einflussbereich des Kaisers – und steuerten Deutschland zielstrebig in den Ersten Weltkrieg. Doch dieser hätte womöglich überhaupt nicht stattgefundenwenn Homosexualität damals eben nicht strafbar gewesen wäre!

KZ MauthausenWas wir uns da nicht alles erspart hätten! Den zweiten Weltkrieg gleich noch dazu, den Hitler, den Holocaust, überhaupt die Nazidiktatur – und mit ihr die krankhafte Verfolgung von allem und jedem, was nicht in ihre Normvorstellung paste. Nicht zuletzt – und hier schließt sich der Kreis – die Ermordung der sexuell normabweichenden Männer in den Konzentrationslagern. Das Klima gegenüber dieser NS-Opfergruppe ist in unserer Gesellschaft auch 70 Jahre nach Ende dieses speziellen Wahnsinns immer noch verstörend gleichgültig. Am Gelände des ehemaligen KZ Mauthausen wurde immerhin „schon“ 1984 die abgebildete Gedenktafel angebracht. Ein freistehendes Denkmal im öffentlichen Raum für die wegen ihrer Homosexualität Verfolgten ist hingegen nach wie vor nicht verwirklicht (Artikel Verein Gedenkdienst). Und in Salzburg wurden gar erst seit 2012 inzwischen 7 „rosa“ Stolpersteine verlegt. Rosa, weil „Rosa Winkel“ die KZ-Kennzeichen für inhaftierte Homosexuelle waren. Davon berichtet abschließend das gleichnamige Radiofeature von Georg Wimmer, das wir hier auch wegen seines journalistischen Engagements sehr gern wiederholen.

Ach, hätte Wilhelm II. doch nur sagen können: „Das Sexuelle ist reine Privatsache!“

 

Ottos Most

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. MärzAus den Bastelschachteln der Wiederverwurstung. Salzburg biedert sich an – wie eigentlich immer. Aber Achtung: Ab heute herrscht die Sommerzeit und seit zwei Uhr früh wird alles zurück geschossen, was die Technik nur hergibt! „I hea eich scho, es durchrationalisierte Leichenzüg, es Geldfratzen, klapper di klimper di klapper…“ Wobei – vom Schatten der Mozartkugel (demnächst auch der Thomas-Bernhard-Schnitte) aus betrachtet, ist es schon eine Überlegung wert, welche Art von Interpretation bloß der feilen Geldmehrung dient – und welche sich auch in Form des Zitierens vor der Kunnst ihres Schöpfers verneigt. Eine Sendung über Beiträge und Collagen aus dem öffentlichen Allgemeingut unserer Hör-, Seh- und Sprachwelten sowie über Urheberunrecht und Zernutzungszwang.

AnbiederungDie gewählten Formulierungen sagen im Grunde auch schon alles zum Thema aus, was sich durch widmungsgemäßen Gebrauch seines Denkkübels zurechtdichten lässt. Wer allerdings nicht selbst (und somit selbstständig) zu solch eigener Anschauung über die Verfasstheit der Welt kommen möchte, der soll sich doch bitte vom oberen Huhu irgendeine absolute Wahrheit auf den Kopf scheißen lassen! Die gibts bei uns nämlich nach wie vor nicht – und das finden wir auch ganz ausgezeichnet. Vielmehr stellen wir hier wieder einmal eine Reihe von Beispielen zur geneigten Beselbstung in den Ohrzwischenraum, so etwa Remixe, Soundscapes und Spoken-Word-Music aus Berit Fridahls Klangwerkstatt. Oder hausgemachte Bearbeitungen aus Eigenem und Fremdem. Ein festfröhlicher Existenzess am Abgrund des Widerspruchs in sich 😉 Wer hats erfunden? Ja, genau! Aber deshalb der freien Menschheit besitzverkaufen? Schon ertönt inmitten unserer ach so putzigen Marktwirtschaft lauthals Dr. Joseph Klumpfuß-Hupfkasper mit dem knöchernen Jedermannruf: „Wollt ihr den totalen Kommerz?“ Wir halten entgegen: „Des geht überhaupst ned!“ Alles eine Frage des guten Geschmacks. Und pfui 😛

Link zu Berit Fridahls SigneyLimeRemix von Games without Frontiers (Peter Gabriel)

 

Neben dem Thron

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. MärzVon der Schwierigkeit, eigene Sendungen für einen Wettbewerb auszuwählen. Ein Präsidentsfall. Irgendwann einmal fliegt einem im Zuge der mehrjährigen Radiomacherei zwangsläufig jeder Überblick um die Ohren. Auch wenn man gerade noch wiedergeben kann, worum es im Gesamtkonzept seiner Sendereihe eigentlich geht, so ist es doch ein annähernd unmögliches Unterfangen, dahingehend eine Entscheidung zu treffen, welche spezielle Ausgabe diesen Sinn und Gehalt am vortrefflichsten darzustellen vermag. Wir sind eben ein etwas anderes Kunnst-Biotop, dessen einzelne Beiträge sich fortwährend collagenhaft in einem Work in Progress zu einer Aussage verdichten. Und die ist naturgemäß wiederum mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Was also tun? 😛

not just anotherMachen wir auch noch aus dieser Not eine Tugend – und entsprechen wir so unserem Selbstverständnis: Berichten wir also über das, was uns gerade beschäftigt – wir sind schließlich weder langweilig noch uninteressant, nur weil wir nie Teil jenes ekelhaft pseudowichtigen Kommerzkasperltums sein wollten, das tagtäglich den Breischleudern der gemainstreamten Medienwelt entschlatzt. Ganz im Gegendings! Bumms! Guten Morgähn 😀 wünsch ich! Aber jetzt mal Ernst beiseite und in medias Residenz – warum die ganze Aufregung mit der Qual der Wahl? Es ist nämlich so: Die CIVILMEDIA – UnConference for Community Media & Civil Society vergibt heuer erstmals den (noch dazu dotierten!) Civilmedia Award für Programme aus den freien österreichischen Radio- und TV-Stationen, und zwar in den Kategorien „Access & Empowerment“ sowie „Entertainment & Arts“. Hier schließt sich der Kreis wieder – mit den oberbei angestellten Überlegungen 😉 Denn beide Begriffspaare beschreiben Wesentliches aus den inhaltlichen Zielsetzungen unserer Sendereihen Artarium und Nachtfahrt/Perlentaucher. Doch in welcher der über 60 möglichen Sendungen kommt das wohl am Besten zum Ausdruck? Eben…

 

Red Sky Coven

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. MärzDas ganze Album diesmal im Zeichen dreier ebenso erlesener wie unterschiedlicher Solokünstler, die immer noch gemeinsam unter dem Namen Red Sky Coven auftreten: Der Folksänger und Geschichtenerzähler Rev Hammer, die Malerin, Autorin und SpokenWordArtistin Joolz Denby sowie der als Frontman von New Model Army bekannte Rocksänger und Songwriter Justin Sullivan. Wir hören die zweite Halbzeit eines jener legendären Liveabende, die gelegentlich mitgeschnitten und veröffentlicht wurden, genau gesagt Volume 2 von ihrem ersten Album Volumes 1&2 (1995). Dies als ein Beispiel dafür, wie sich die jahrelange Zusammenarbeit von so verschiedenen Künstler_innen auf deren jeweilige Entwicklung fruchtbringend auswirkt. So sind hier etwa schon Justin Sullivans spätere Soloprojekte zu erahnen.

zombi_by_joolzBesonders die Sprechstücke von Joolz Denby sind hypnotische Kostbarkeiten, hat sie doch das ursprünglich aus der politischen Punk- und D.I.Y.-Bewegegung stammende SpokenWord-Genre über Jahre hinweg stilprägend mitgestaltet, in Kooperation mit immer wieder neuen Musik- und Medienschaffenden. Einige aktuelle Arbeiten sind hier auf ihrem YouTube Kanal zu sehen. Wie schon auf ihren Alben aus den 80ern und 90ern lässt sich die Fortführung von Patti Smiths Pionierleistung im Bereich der „Word over Music“ Performance politisch bewusster und kreativer Frauen beobachten. Zum Vergleich etwa deren erste Veröffentlichung von „Piss Factory“ (1977). Hier ließe sich noch eine ganze Menge an Material in den Perlenorkus verlinken – doch irgendwann ist auch bei mir Feierabend! D.I.Y. kann ich da nur sagen – Do It Yourself – Macht euch noch einen schönen Sonntag und viel Vergnügen beim zwischen den Zeilen userer Zusammenstellung Zuhören 🙂 denn wir sind sehr gern ein geiles Institut…

 

Märzhasen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. März – Mein Herz schlägt mich innerlich tot. Mein Hasenherz? Mein Fluchtreflex lässt mich überleben. Frühling, Frohsinn, Fruchtbarkeit. Vom Hakenschlagen querfeldhasenein in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus. Angst, Liebe, Drogen. Wollen wir wieder einmal in jene Hirnregionen reisen, in welchen sich die existenzielleren Zustände abspielen, gleichsam erleuchtend wie auch gefährdend. Aus dem Vergehen kommt Neues hervor, das ist ein Geheimnis des Hasen, der als Tsuki no Usagi im Mond sitzt und das Elixier der Unsterblichkeit zubereitet. So wie der Märzhase aus Alice im Wunderland oder das White Rabbit von Collide (Jefferson Airplane Cover), so sind auch wir Hasen Boten von Veränderung – des Bewusstseins, der Lebensumstände, der Wahrnehmung, whatsoever…

Wir HasenHerzrasen. Spürst du schon, wie sich die Welt ringsumher verändert? Ist es plötzlich in dir – das Andere? Vielleicht hättest du doch lieber die blaue anstelle der roten Kapsel nehmen sollen – oder den Keks nicht ganz so intensiv anschauen. Wie dem auch sei – von nun an gibt es für dich kein Zurück mehr. Du bist jetzt bei den Hasen und bleibst daher im Wunderland. Wir führen dich in die tiefsten Geheimnisse deines eigenen, dir unbekannten Innenseins. Herzlich willkommen – bei sich selbst 😀 Der Schleier ist zerrissen, die Schiffe sind verbrannt, die Brücken sind eingestürzt. Wir sind unterwegs. Doch wohin, das bleibt ungewiss. Aber wissen zu wollen und sich fragen zu trauen, das genügt allemal als Eintritt ins magische Theater. „Ich seh dein Hasenherz schlägt bis zum Hals und nasenwärts. Sag, schlägt dein Hasenherz seine Haken nur zum Scherz?“

HerzhasenFluchtreflex und Kaninchenbau. Hasen sind vor allem anderen Fluchttiere. Hier scheint es angebracht, einen wesentlichen Unterschied zu den Kaninchen zu vermerken: Hasen haben keine Höhlen, um sich bei drohender Gefahr zu verkriechen. Ähnlich wie Menschenwelpen sind sie Angriffen schutzlos ausgeliefert. Anders als diese können sie jedoch wegrennen. Was aber machen dann wir als kleine Kinder, wenn wir weder beschützt werden, noch uns verstecken oder verteidigen können? Wir erschaffen uns einfach eine andere Welt, in der wir trotz tatsächlichem Terror sicher sind, in der es weder böse Menschen gibt noch anderes Unheil, statt dessen Märchen und Marzipan und Mehlspeis zum Wohlsein! Ebenso genial einfach wie trickreich vertrackt (was sich aber erst später im Leben zeigt) sind wir Erfindlinge unserer eigenen Einsiedelei. „Ja/ Nein/ Vielleicht stand auf dem Zettel, aber kein Zettel reicht für keine Antwort und ich hab mich erweicht und gab dir Zeit und ein paar Seiten Raum für eigene Notizen. Nicht im Traum dachte ich, du würdest mich gleich siezen. Und zwischen Referenzen und post-postmodernen Witzen mich scheuen Blicks drum bitten, deinen Stift neu anzuspitzen…“ Judith Holofernes

Die HasenWildzärtlich. Warum nun eigentlich diese Hasennachtfahrt? „Wir sind die Hasen!“ ist längst ein Stehsatz in unseren Sendungen geworden. Er beschreibt irgendwie unser Verhältnis zwischen nahem Beschnuppern und freiem Herumsausen. Und als die sich wandelnden Boten eines sich ebenfalls stets verändernden Lebens wollen wir just in dieser zachen Zeit des Restwinters dem schon überall umhier anklopfenden Frühling unsere Vorfreude entbieten. Und ihn begrüßwünschen, vervielzaubern, zubeizelebrieren. Wir würdigen diese mehr als nur das Bewusstsein umwälzende Lebendigkeit mit einer Lesung von Misha G. Schoeneberg aus seinem neuen Manuskript „Das Lied sind wir“, die wir im Nachfeld unserer gemeinsamen September-Nachtfahrt „Poem – Leonard Cohen auf Deutsch“ aufgenommen haben. „Ich seh dein Hasenherz schlägt bis zum Hals und nasenwärts. Sag schlägt dein Hasenherz seine Haken nur zum Scherz? – Mein, was du sagst. Sag, was du meinst. Mein, was du sagst. Sag…“ Judith Holofernes – Hasenherz

Wir sind ein Haseninstitut 😉 Was immer das bedeuten mag. Find es doch heraus