Das Marko Feingold Projekt

Zum 100. Geburtstag des legendären Zeitzeugen bringt die Artarium Redaktion zwei halbstündige Interview-Beiträge heraus, die Marko M. Feingold, den unverwüstlichen KZ-Überlebenden und langjährigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg ausführlich im Gespräch mit interessierten jungen Menschen portraitieren. Am 21. Mai 2013 erklärte er uns den Jüdischen Friedhof, erzählte von seiner Arbeit mit den „Displaced Persons“ der Nachkriegszeit und beantwortete unsere Fragen bezüglich Antisemitismus und Ungerechtigkeit – nach wie vor erschreckend aktuelle Themen. Nunmehr sind diese atmosphärischen Liveaufnahmen als Stream/Download verfügbar:

> Marko Feingold – Gespräch am Jüdischen Friedhof (Teil 1)

> Marko Feingold – Gespräch am Jüdischen Friedhof (Teil 2)

Marko FeingoldIn diesem Gespräch ging es hauptsächlich um jüdisches Leben in Salzburg und um das Geheimnis des Lebens „danach“ – immerhin überstand Marko Feingold fünf furchtbare Jahre in den vier Konzentrationslagern Auschwitz, Neuengamme, Dachau und Buchenwald. Doch was er nach dem Krieg in Österreich an Abweisung und Verleugnung erfahren hat, das ist nochmal auf andere Art nachhaltig zermürbend und zersetzend – es ist ein Leben mit und in der Lüge. Dabei ist er kein Zorniger, kein Rächer. Um die schlichte Wahrheit ging es ihm, um ein Anerkennen, Bekennen, Eingestehen. Und darum geht es ihm auch heute – mit 100 Jahren – noch immer. „Den jungen Leuten muss ich das erzählen, wie es wirklich gewesen ist.“ Das hält ihn nach wie vor aufrecht, mitsamt all den Erinnerungen, mit denen man eigentlich gar nicht mehr weiterleben kann und will. Und das wollten wir auch in unseren Aufnahmen „einfangen“

Es gab am folgenden Tag noch ein weiteres Zusammentreffen in der Synagoge, wo wir weitestgehend verstummt seiner Höllenreise durch die Vernichtungsmaschinerie der Nazis beiwohnten, einer eineinhalbstündigen vielschichtigen Antwortgeschichte auf die einzige eingangs gestellte Frage: „Wie überlebt man das?“ Auch die dabei gemachten Aufnahmen haben wir mittlerweile hier veröffentlicht. Der ausdrücklich ausgesprochene Austausch über das Unaussprechliche ist es nämlich, der die Begegnung mit Marko Feingold zum elementaren Ereignis macht. Es entsteht dabei gerade auch jenseits des Erzählten eine dialogische Osmose, die sich erst in seinem Zusammenwirken mit jungen Menschen so richtig verdichtet!

Am 9. Juni werden wir schließlich in einer zweistündigen Artarium-Sendung versuchen, unsere zahllosen Eindrücke von dieser beindruckenden Begegnung – in Verbindung mit Interview-Ausschnitten und Musikbeiträgen – zu einem hörbaren Gesamtbild zu bündeln, das dem Anspruch gerecht wird, ein Marko Feingold Portrait zu sein. Etwas davon fassbar zu machen, wie wir und viele andere, die ihm bei Vorträgen und an Schulen zuhören konnten, sein Zeitzeugnis erlebt, empfunden haben. Und auch etwas davon weitergeben zu können…

Dazu empfehlen wir auch das Buch: „Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh – Eine Überlebensgeschichte“ Die Lebenserinnerungen von Marko M. Feingold (nach Tonaufnahmen transkribiert) herausgegeben von Birgit Kirchmayr und Albert Lichtblau im Otto Müller Verlag Salzburg. Diese ausgezeichnete Biographie bildete eine wesentliche Grundlage unserer Gespräche und Fragestellungen – und ist darüber hinaus wirklich gut zu lesen, weil man Marko Feingold darin geradezu live erzählen hört. Würdigung 😉

> Die Aufnahmen der KZ-Überlebensgeschichte (auch in 2 Teilen) sowie mehr Information zur Portraitsendung finden sich hier im Artikel Der Zeitzeuge Marko Feingold im Portrait.

 

Stimmen aus dem Massengrab

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 28. April (wird als Themensendung am 30. April um 14:06 Uhr wiederholt!) Zur Würdigung des Gedenktags 75 Jahre Salzburger Bücherverbrennung am Residenzplatz. Am Abend des 30. April 1938 fand daselbst nämlich schon kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich die einzige öffentliche Feuervernichtung von im Nationalsozialismus unerwünschtem Schriftwerk und Gedankengut statt. Die „Initiative Freies Wort“ bietet allerdings heuer eine Reihe von Veranstaltungen rund um die nunmehr schon 75. Wiederkehr dieses schaurigen Ereignisses, dessen offizelles Erinnern sich jedoch peinlicherweise erst 2011 (!) in der Anbringung einer schlichten Gedenktafel manifestierte. 😛 Das detaillierte Programm findet sich hier auf der Homepage des Literaturhauses. Und auch wir knüpfen aus gutem Grund bei Erich Kästner an – nicht nur den Sendungstitel betreffend…

Mahnmal 1Denn Erich Kästner war 1933 persönlich beim Verbrennen seiner Bücher in Berlin anwesend und berichtete schon bald nach Kriegsende darüber:

„Dann tauchte Goebbels auf. Er stand auf einer von Mikrofonen belagerten Estrade und gestikulierte vor dem Feuerschein wie ein Teufelchen vor der Hölle. Er zeterte, salbaderte, rief Schriftsteller bei Namen und überantwortete ihre Bücher den Flammen und dem Vergessen. Das war kein Großinquisitor sondern ein kleiner pöbelnder Feuerwerker. Hier rächte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Hier beseitigte ein durchtriebener Politiker für viele Jahre jede intellektuelle Opposition.“ (9. Mai 1947) Derartig Mundtotmachendes soll aber auch künstlerisch keinesfalls unbeantwortet bleiben. Und vor allem niemals ununtersucht! Bedienen wir uns diesfalls bei einem Liedtext von Erblast, einem weiteren Musikprojekt vom Goethes Erben Gründer Oswald Henke:

Pure Aggression (-> YouTube)

Keiner sucht
Keiner weiß
Es ist vorbei
Das Allerlei
Deiner Worte
Falsche Münzen
Spricht dein Mund

Formt er Lügen
Triffst du mich
Treff ich dich
Mit dem Spiegel
Deiner Taten
Jede Wahrheit
Ist mein Preis

Es ist pure Aggression
Pure Aggression
Zu schweigen

Mahnmal 2Erich Kästners Bücher wurden sogar noch ein weiteres Mal öffentlich verbrannt, diesmal 1965 von einer Jugendgruppe des „Bundes entschiedener Christen“ – und wie sichs für solche braven Bürger und anständigen Rechthaber gehört, auch mit einer ornungsgemäßen Genehmigung vom zuständigen Ordnungsamt! Wenn wir also der von den Nazis ausgemerzten Dichter gedenken, dann fragen wir uns schon, inwieweit es nicht heute auch Mechanismen des Zumschweigenbringens gibt – wenn auch etwas andere! Denn der jeweils herrschende Mainstream ist immer und überall. So errichten wir hiermit ein Hördenkmal der Vielen, die innerlich verbrennen, ohne überhaupt jemals gehört zu werden oder irgendwie zur Geltung kommen zu können. Und üben ebenso Kritik an den Konzepten des Gedenkens, die allerlei prominente und etablierte Autor_innen medienwirksam zu Gedächtnislesungen aufmarschieren lassen – und die dabei viel zu wenig Gespür für die Opfer gegenwärtiger Gewalt aufbringen.

Die in der Sendung gelesenen Texte von Christopher Schmall und Norbert K.Hund sind auch als PDF auf der CBA-Seite zum Download verfügbar ( -> „Dokumente“) 😉

 

Eine Sendung geschenkt

Zum Nachschenken: Artarium vom Sonntag, 23. Dezember – Eine Sendung als Geschenk! Was würde sich denn auch besser für diesen letzten Sonntag im allumverschlingenden Weihnachtscountdown anbieten, als das Angenehme mit dem Kritischen zu verbinden und unsere eigene kleine Bescherung zu veranstalten? Wenn es eine sympathische Tradition in all dem Trullala und Trubel rund um das christentümlich vereinnahmte Mittwinterfest gibt, die wir liebend gern aufgreifen und bewahren, ja für uns selbst weiter entwickeln wollen – dann ist es das Zusammenkommen mit Menschen, die uns lieb und wichtig sind. Das an einander Denken, auch wenn man gerade weit von einander entfernt sein mag – und das einander Beschenken mit Dingen der Freundlichkeit und des Lebens, genau jetzt inmitten der kältesten Zeit, der längsten Nächte und der weitesten Wege zu einander hin. Und so schenken wir euch diesmal eine Sendung – mit uns 🙂

ApfenzAllerleiEine Sendung, die wir mit kleinen Würdigungen für einige dieser „Abwesenden“ gestalten wollen, etwa mit Erinnerungen, Gedichten, Geschichten, mit Grüßen und natürlich mit speziell ausgewählten Musiken. Denn auch wenn man „eh“ miteinander verwandt oder befreundet ist, auch wenn man „eh“ gemeinsam an denselben Projekten werkt, sich regelmäßig trifft und viel miteinander zu tun hat – es ist nochmal etwas ganz Anderes und Besonderes, dem Ausdruck zu verleihen, was das ganze Jahr über tagein, tagaus für so selbstverständlich erachtet und „eh“ vorausgesetzt wird. Das kann einem nämlich ganz schnell und auch unbemerkt aus dem Bewusstsein geraten, was man emotional und sozial an einander hat, man nimmt es halt einfach als gegeben an und verabsäumt gerade dadurch die feine Aufmerksamkeit für den Anderen, ja, auch für sich selbst – und somit für das Lebendige, das wir mit einander haben und das uns verbindet. Wenn ein Kind seine Eltern fragt: „Habt ihr mich lieb?“, würden wir ihm dann antworten: „Du bekommst doch „eh“ jeden Tag dein Essen!“ Hmm? Ihr versteht, was gemeint ist. 😉 Und zur nachhaltig ausdrücklichen Beziehungspflege wollen wir auch den Mitschnitt dieser Livesendung anschließend auf wunderschöne Vinyl-Style-CDs gebrannt unseren Geschenkmenschen in die Hand drücken – mit einem breiten Lächeln. Denn wir sind ein geiles Institut. Also, frohes Fest! 😀

 

The Freelancers – N’Kuti (Das ganze Album)

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 10. Juni serviert eine echte Balkanplatte aus dem Fundus unserer speziellen Freundin Teresa Reiter, und zwar das beachtliche Debut-Album „N’Kuti“ von The Freelancers aus Prishtina/Kosovo. Nicht gerade eine der Weltgegenden, aus denen man wegweisend innovatives Soundschaffen üblicherweise erwarten würde. Nichtsdestoweniger bestechen die Songs der Herren Freelancers (Soundcloud) durch höchst eigenwillige Klangwelten zwischen Resignation und Auflehnung und geben dadurch ein vielschichtiges Stimmungsbild ihrer ambivalenten Umgebungen wieder. Eine echte Spezialität also für all jene, die ihrer Neugierigkeit gern auch ihr Ohr leihen und nicht nur in gewohnten Gehörgängen herum hängen…

Was uns beim ersten Anhören ganz besonders beeindruckt hat, war die hoch professionelle Produktion sowohl des Albums als auch der diversen Videos von Pinkmoon Creative, wie etwa des wunderbar umgesetzten Tracks „Pse?“ (YouTube) den wir ja bereits bei unserer gemeinsamen Live-Sendung mit Teresa vorgestellt haben. Ist irgendwie ist das unser persönlicher Liebling, Ohrwurm (Earcatcher) geworden 🙂 doch lohnt es sich unbedingt, auch die anderen Titel dieses Kunstwerks zu erleben – erst in ihrer lyrischen Gesamtheit entsteht der elementare Eindruck einer Kamerafahrt durch Innen- und Außenwelten einer absurden Realität. Großes Kino für Reisende und Genießer! Und die Texte dazu – auf Albanisch und Englisch – sind sowieso nochmal eine ganz eigene Welt.

Soll noch einer sagen, rund um unsere Sendungen komme nichts Neues und Aufregendes zu Tage, so wie hier „Backstage“ in Raschhofers Ideentauschbörse nach unserem letzten Radio-Auftritt. Hey, wir sind doch im wahrsten Wortsinn die Perlentaucher und können auch gar nichts dafür! Neugierig, kindsköpfisch und immer interessiert an irgendwelchen kreativen Ausdrucksmöglichkeiten, die in dieser oder jener Form noch nicht dergestalt dargestellt, gesagt oder gedacht worden sein könnten. In diesem Zusammenhang seien euch ebenfalls Teresas feinsinnige Arbeiten für Kosovo 2.0 (Englisch) ans Herz gelegt – sowie Chrissobert Schmallniggs sprachkritische Nachtfahrt-Sendung „Originale Kopien“ aus der Radiofabrik ihres Vertrauens. Wir sind – in jedem Fall – ein geiles Institut 😉 und gut zu hören.

Alternative kulturelle Schutzgebiete

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 19. Februar – Wir begrüßen nun auch die Hörer_innen von Radio B 138 im Raum Kirchdorf an der Krems (OÖ) als regelmäßige Sendungsgäste! Grund genug, mit einigen persönlichen Anekdoten an Bernhard “Bez” Samitz, den Mitbegründer der Literarischen Nahversorger, und an sein einstmals legendäres Kunnst- und Kulturbiotop, die Käfergrabenmühle in Schlierbach, zu erinnern. Der in vielerlei Hinsicht engagierte und umtriebige Kreativmensch ist leider schon im Jahr 2008 und viel zu jung verstorben. Er hat uns allerdings mit seinem – im wahrsten Sinne des Wortes – Lebenswerk ein Vermächtnis hinterlassen, das es zu bewahren gilt …

Ich selbst lernte den Bez anlässlich eines fröhlichen Flohmarkts in der Käfergrabenmühle 1996 kennen und fühlte mich in seiner sehr besonderen und durchgestalteten Wirkungsstätte von Anfang an wohl. Bald war ich auch an verschiedenen Wochenenden bei Veranstaltungen zu Gast, die man als eine überaus gelungene Mischung aus Grillabend, Jugendparty, Livekonzert und Symposion bezeichnen könnte, was allerdings der hinter diesen Äußerlichkeiten stattfindenden menschlichen Atmosphäre begrifflich nicht wirklich genügt. Vielmehr fand hier tatsächlich etwas von jener Idee eine einstweilige Verwirklichung, die wir alle schon einmal als gut” empfunden haben.

Ein liebenswertes Beispiel dafür war die Getränkebar mit Selbstbedienung – in der kleinen Küche unter seinem Balkon. Dort holten sich die oftmals sehr zahlreichen und zunehmend illuminierten Besucher ihre jeweiligen Flüssigkeiten ab – und bezahlten selbige sodann selbständig in die Küchenlade, in welcher ebenfalls das Wechselgeld aufbewahrt war, und davon zumeist auch nicht eben wenig. Auf meine Nachfrage, ob denn dergestalt nicht ganz leicht Diebstahl und Betrügerei vorkommen könnten, erklärte mir Bez sogleich – und nicht ohne Stolz – dass es eine allgemein anerkannte Ehrensache sei, hier nicht zu übervorteilen. Ich war beeindruckt – und darin bestärkt, dass meine allerverwegensten Phantasien und Wünsche womöglich doch wirklicher sein könnten als die angeblich allgemeingültige gesellschaftliche Realität. Chapeau!

Und so habe ich in den folgenden Jahren bis 2004 immer wieder einmal gern beim Bez Station gemacht zwischen Steiermark und Salzburg, mit ihm und seinen Freund_innen, Gästen, Mitbewohnern diskutiert und gegessen, philosophiert und getrunken, spontan gedichtet und gebadet, ein klein wenig gut” gelebt …

Ein paar meiner Erinnerungen an ihn und an die speziellen Momente in seinem sympathischen Kunnst-Biotop werde ich also in dieser Sendung erzählen und gemeinsam mit dem Chriss reflektieren. Mit der Moral von den Geschichten sollten wir danach aber alle selbst schwanger nach Hause gehen – vielleicht sei jedoch soviel hier noch angemerkt: Derartige Myzelstifter und Synapsenknüpfer, wie der Bez einer war, sind überaus kostbar – und selten! Jedes Gemeinwesen ist wohl gut beraten, ihr fruchtbares Wirken anzuerkennen und nach Kräften zu fördern. Und von solchen Menschen belebte, frei kreative Gestaltungsräume müssen vor Vernutzzweckung geschützt werden und dem Erhalt geistig-seelischer Artenvielvalt gewidmet bleiben.

Zum Wohl!

 

…& NOBODY ELSE

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 12. Februar widmet sich dem sehr speziellen Live-Album NEW MODEL ARMY …& NOBODY ELSE und stellt aus einem Gutteil der 16 Tracks von der 2. CD ein ganz neues Konzert-Erlebnis zusammen. Dieser leicht unübliche Vorgang, der uns andernorts schon mal als Autorenschändung und Werkzertrümmerung ausgelegt wurde, hat genau 3 gute Gründe: Auf der Strange-Brotherhood-Tour trat die Band rund um Justin Sullivan nicht nur in einem Double-Set als ihr eigener Support-Act auf, es wurden zudem alle Abende live mitgeschnitten und danach die jeweils stärksten Takes aus verschiedenen Städten zur nämlichen Doppel-CD zusammen gestellt. Derlei lädt geradezu auf eine etwas individuellere Edition ein…

Zudem sind New Model Army für mich persönlich nach wie vor eine ganz wesentliche Live-Band, deren Auftritte eine Atmosphärik zu erzeugen vermögen, in welcher die bessere, friedlichere und gerechtere Welt um einiges leichter vorstellbar wird als sonst meistens. Zum Beispiel zwei Video-Aufnahmen von No Pain (Text) – die etwas lebhaftere und die etwas meditativere Version.

Und abschließend hat mich diese Musik und auch die untrennbar mit ihr verbundene Lebenshaltung recht gut durch die jüngst vergangenen Tage des Trauerns getragen. Ich erinnere mich noch allzu gut an mein letztes NMA-Konzert Ende 2007 im Rockhouse, wo ein ganzer Saal voller dampfender, schwitzender, tanzender und unrasierter Herren mit reichlich Bauchpolsterung und spärlichem Haupthaar – trotz Salzburg im Spätherbst – eine solch sagenhaft kraftspendende Stimmung voller Zusammengehörigkeit und Zuversicht aufkommen ließ, dass ich mich für Stunden überall sonst wähnte als im nebelig trüben Salzachsumpf – und zwar ohne die Einnahme irgendwelcher wie auch immer gearteter Flughilfen.

Lasst euch also etwas von dieser unverfälschten Lebensenergie ins heimatliche Hirn zaubern – und wenn ihr wollt, besucht uns beim gefühligen Nachspüren in die nahe bei einander liegenden Kraftfelder von Leben und Sterben – in unserer Perlentaucher-Nachtfahrt „Verlust und Versöhnung“ mit Texten und Tönen zum Thema. Live am Freitag, 10. Februar ab 22:00 Uhr und anschließend hier als Download.

„Looking for family – looking for tribe.“ Justin Sullivan

Und ja – herzlich willkommen, ihr lieben Hörgemüsinnen und Ohrrüberiche vom wackeren Radio B 138 in Kirchdorf an der Krems und Umgebung! Kommende Woche wollen wir ein paar Geschichten aus der Schlierbacher Käfergrabenmühle hervor kramen und so des Literarischen Nahversorgers Bernhard Samitz gedenken. Man hört sich also 😉

Psychedelische Pilzgeschichten

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 20. November widmet sich diesmal einigen Eigenarten der betrüblicherweise allzu oft übersehenen, allerdings neben Tieren und Pflanzen eigenständigen Lebensform verschiedener Pilze (Fungi) sowie ihren möglichen künstlerischen Anwendungen. Und wir meinen nicht bloß die sprachassoziative Potenz deutscher Pilznamen wie etwa Behangener Düngerling oder Ockergelber Scheidenwulstling. Kein Schelm, wer bei Herrenpilz oder Eierschwammerl an den Besuch beim Hautarzt denkt! Kulturgeschichtlich gäbe es allerdings auch kein Bier ohne Hefe(pilz) und wohl auch keine Graffiti-Schriften ohne Magic Mushrooms.

Ich entsinne mich seit meinen ersten Begegnungen mit psychedelischer Musik (Pink Floyd) und bewusstseinserweiternder Literatur (Hermann Hesse) an die phantasieanregenden Auswirkungen jeglicher Grenzen überschreitender Kunstausübung. Was sich die surrealistischen Maler und Filmemacher von Salvador Dalí bis zu den Wachowski-Geschwistern alles reingezogen haben, darin wollen wir jetzt gar nicht weiter umrühren. Auch die Legende, irgendwer hätte einen letzten Rest von J. R. R. Tolkiens Rauchzeug gefunden, hält sich sympathisch hartnäckig. Es scheint jedenfalls ein gewisser Zusammenhang zwischen aushängigen Seinszuständen und bunten Bildern mit tanzenden Buchstaben ins Auge zu fallen.

Die Idee zu dieser Verknüpfung von Pilzmetaphern, Graffitikunst, psychotroper Musik und angewandter Überlebenstechnik entstand bereits im vergangenen Winter, als auf Salzburger Wänden immer öfter das Motiv eigenartiger Pilze auftauchte und ich mit ihrem Schöpfer Flo Schaubmaier in dem Zusammenhang über Psychedelic Art und ihren Einfluss auf unsere Wahrnehmung diskutierte. So beschlossen wir endlich, unsere diesbezüglichen psychomyzelischen Phantasien zusammen zu tragen und in einer Radiosendung hörbar zu machen. Und glaubt bloß nicht, dass wir euch jetzt auch noch das dauerwaache Seelenheil aus dem Head-Bang-Shop der Konsumwichtelkiffer verkündigen. Viel wichtiger ist uns die wirkliche Veränderung der Wirklichkeit.

Kunst kann nämlich viel mehr, als die herrschenden Verhältnisse wohlfeil zu behübschen und für pralle Kassen bei den Zuhältern der Macht zu sorgen. Deshalb schreiben wir Kunnst ja auch mit zwei N – kunnst dir das vorstellen? Wenn nämlich die menschliche Fähigkeit erlahmt, sich etwas anderes auszumalen und auszudenken, als das, was ohnehin allüberall tagtäglich vorgekaut stattfindet, dann wird auch nie etwas anderes passieren als das Bisherige – also der Sparefroh wird Präsident, Griechenland wird auf eBay verkauft und wir können alle heim gehen…

Zwischenzeitlich gibts noch eine ganze Menge an Inspiration für Schriftarten, Styles, Plakat- und Wandgestaltung aus dem schier unerschöpflichen Fundus des Filmore Auditorium in San Francisco. Guten Appetit – und bloß keine Lackdose-Intoleranz! 😉

Das Salzburg Syndrom

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 28. August portraitiert Thomas Oberender, den scheidenden Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, im etwas anderen Kunnst-Kontext: Nach einer Interview-Tour de Force stellt sich der Theatermann auch noch dem Spontan-Überfall, aus einer alten Schachtel voller Spielfiguren ein Spontan-Dramolett mit dem Titel „Die Preisverleihung“ zu gestalten – und besteht unsere Piraten-Prüfung souverän. Wie schafft dieser Mensch bloß den Spagat zwischen Kreativität und Machtpolitik? Atmosphärische Annäherung an ein vielschichtiges Phänomen das “Salzburg Syndrom”

Thomas Oberender inszeniert spontanes Tisch-Theater

Mit verwegenem Mut greift der Bühnenautor und Theaterforscher aus der Vielfalt der vorhandenen Möglichkeiten einige prägnante Personen und Requisiten heraus und entwickelt dabei in druckreifer Rede die Dramaturgie für ein Kurzschauspiel mit tieferer Bedeutung. Wir haben es aufgenommen und präsentieren es als Abschiedsgruß an einen Ausnahmekünstler.

Doch wir wollen unsere Perlen ja auch nicht einfach verschenken! Die Frage, die uns als gegenkulturell orientierte Gewohnheits-Salzburger bewegte, dem Mann mit dem opulenten Budgetkoffer etwas eingehender auf den Kunst-Zahn zu fühlen, war die Titelgebende: Wie entgeht man der Versuchung, sich mit den jeweiligen Geiselnehmern der Salzburger Geld- und Gewinnspiele als deren gestalterischer Auftragnehmer dahin gehend gemein zu machen, dass man das eigene Ich mit dem der Institution als gemeinsames Image identifiziert, nur um dem immerhin 5-jährigen Aufenthalt in einem „wahnsinnigen Luxusrestaurant“ mit einem letzten Restselbst an Eigenpersönlichkeit hoffentlich doch noch zu entkommen? Oder etwas einfacher gesagt, wie bewegt man Realität, ohne zugleich zum Spielball ihrer Realitäter zu werden?

Thomas Oberender im Weinglas der Wirklichkeit

Also begegnen wir dem in seiner letzten Saison zu beachtlicher Höchstform des Spielens mit Wahrnehmung und Wirklichkeit(en) gelangten Schauspiel-Verführer ebenfalls auf drei verschiedenen Ebenen: In Produktionen des Young Directors Project, im persönlichen Gespräch und bei der Verleihung des Landes-Verdienstzeichens.

Und erst im Zusammenklang der Artarium-Collage mit den vielerlei äußeren wie inneren Impressionen kommt dieser eine, feine rote Faden zum Vorschein, der womöglich die Besonderheit dieses im besten Wortsinn emotionalen Intellektuellen ausmacht: Die Bedeutung der kleinen Gesten, die in ihrer durchgängigen Anwendung auch aus dieser Stadt – und für den einen oder anderen glückhaft fortwirkenden Moment – einen “etwas anderen Erlebensraum” zu zaubern vermögen. Und dies wäre auch für uns das Vermächtnis solch beeindruckender Begegnungen: Das Sein in dieser Stadt als eine Chance für sich selbst zu erfassen, mit der eigenen Lebensperspektive wieder bewusst,  jugendfrisch und auch kreativ umzugehen. Thomas Oberender, wir danken für derlei Anstiftungen!

Das Freie Medium und der rote Fächer der Landeshauptfrau – Frischluft bitte!

Der Worte sind denn allerdings auch schon wieder genug gewechselt bei 30° im Schatten – nun lasst uns wieder Taten säen. In unserem Fall heißt das Interviews bearbeiten, Musik auswählen, Toncollagen schneiden und den roten Fächer – pardon, Faden unserer ganz eigenen Hörwelten-Dramaturgie weiter spinnen. Freut euch jedenfalls schon mit uns auf allerlei Hintergründiges zu: Nervöse Welt, Das ehemalige Haus, A Game of You, Jean Ziegler, Identifikation der (oder mit den?) Aggressoren, Medienpolitik, soziale Verantwortung und individuelle Schuld sowie Off-Mainstream-Musik, die von Shazam schon wieder nicht erkannt werden wird, weil wir die Piraten sind!

Die Fotos zur Vorgeschichte und zur Produktion dieser Sendung haben wir in einem eigenen Facebook-Album veröffentlicht. Guten Appetit allerseits! Die Festspiele sind vorüber – wir haben noch lange nicht genug!

 

Watch – Das ganze Album

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 14. August präsentiert “Watch” von Manfred Mann’s Earth Band im Rahmen seiner Ö3 Musicbox Würdigung als “Das ganze Album” – eine ziemlich zeitlose Perle der späten 70er Jahre aus dem schillernden Subgenre “Eclectic Prog”.

Zudem begrüßen wir unsere neue Radiopraktikantin Marie Louise und brüten gemeinsam ein paar neue Sendungsthemen und Projekte aus.

 

Manfred Mann - Watch (Album Cover)Das 1978 erschienene Album markiert einen Höhepunkt im Schaffen von Multitalent Manfred Mann, verdichtet Einflüsse aus Jazz, Rock und Live-Sessionmusik mit synthetischem Experiment und psychedelischer Stimmung zur grenzgenialen Gratwanderung zwischen Avantgarde und Eingängigkeit, verdichtet all seine Quellen zu airplay- tauglichem Pop mit wegweisend vielschichtigem Art-Rock Anspruch.

 

Somit sei dieser musikalische Meilenstein auch als ein Statement unserer Philosophie verstanden, Genres und Generationen jenseits von Mainstream und Mozartkugel zusammen wirken zu lassen und dieses Kunnst-Biotop der Möglichkeitsformen weiterhin zwischen den Ansprüchen kapitalschwangerer Kulturvermittlung und pädagogisierender Pseudo-Integration als einen kreativen Freiraum zu erhalten, der für die Entwicklung innovativer Ideenwelten ebenso lebensnotwendig ist wie etwa Essen, Trinken und eine ansprechende Abendunterhaltung. In diesem Sinne…

 

PS. Anmerkung zur Sendungsaufzeichnung: Leider weicht die Reihenfolge der gespielten Titel in einem Punkt von der Tracklist des Albums ab. So wurde Track 01 “Circles” wegen fehlerhafter ID3-Tags an letzter Stelle (nach “Mighty Quinn”) gespielt. Tja, tschuldigung – die Tücken der Technik!

 

Blut!!! Ondřej Cikán Live

Zu Gast im Artarium am Sonntag, 29. Mai ab 17:06 Uhr – Ondřej Cikán aus Wien mit einer Liveperformance von Szenen aus seinem Debutroman Menandros und Thaïs. Zur Einstimmung möge sein ironisch mit „Der ärgste antike Liebesroman aller Zeiten“ untertiteltes Promotion Video dienen. Wir versprechen der Techniker-Abteilung hiermit hoch und heilig, KEIN wie auch immer geartetes Blut im Studio zu verschütten…

Der 1985 in Prag geborene Autor ist mittlerweile nicht nur als ein Grenzwanderer zwischen Literatur und Theater bekannt, sondern ebenfalls als Mitbegründer des Vereins zur Unterstützung märchenhaften Theaters sowie neben Anatol Vitouch als eines der beiden Dichterherzen der GruppeDie Gruppe„. Zudem praktiziert er auch noch als Altphilologe, Fiaker und Übersetzer – und er hat uns seine eigene, etwas speziellere Musikauswahl mitgebracht. Für erfrischende Abwechslung im sommerheißen Studio ist also trefflichst gesorgt. Der etwas andere Auftritt – anstelle der zwar geplanten, jedoch leider nicht stattfindenden Aufführung im Denkmal Salzburg – sozusagen die mediale Grenzstation einer Lesereise zwischen Linz und Deutschland. Letzte Ausfahrt Radio?

Und wenn man sich als eh schon von aller Bravliteratur angelangweilter Hörleser die Ankündigungen und Rezensionen von Ondřejs szenischen Lesungen reinzieht, dann möchte man schon wieder mal recht ärgerlich enttäuscht darüber sein, was hier bei uns nicht möglich ist. Verdammt! Wir freuen uns trotzdem.