Feine Verwurstwaren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. FebruarEverything is a Remix! Coverversionen und Verbearbeitungen zwischen inspirierender Interpretation und plakativem Plagiat. Und wo ziehen wir die Grenze  – zwischen Kunnst und Aluhut? Vielleicht beim alten Goethe. “Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt.” Oft hängen sich ja strebsam Musikhampelnde ein Stück größeren Namens zur eigenen Darsingung um, nur damit sie ihren Marktwert erhöhen und sich im Airplayranking ihrer Popkarriere ein paar Leitersprossen hinaufpimpern. Das ganze grausliche Formatgeschäft lebt vom Wiederholwiedern des Längstbekannten. Und bsundas schiach, weil gebührenfinanziert, tut – tut – tut das die Endloswarteschleife namens Ö3 mit ihrer hirnöden Fahrstuhlmusik für weichgespülte Durchschnitten.

introductionSchön also, dass es uns gibt. Sonst wär noch viel mehr zum Speiben als eh schon. Und damit – schwupps – zu den ernsthaften Beiträgern für unser heutiges Verformationsfest. Schon Gottfried Wilhelm Laibach (oder war es doch Slavoj Žižek?) bemerkte ja bekanntlich: “Humor schließt Ernsthaftigkeit nicht aus – und umgekehrt.” In diesem Sinne lassen wir diesmal Künstler_innen zu Wort und zu Geräusch kommen, die sich intelligent-ironisch mit der Endloswelt des Zitierens befassen. Unter einigem anderen auch das slowenische Kunstkollektiv LAIBACH, welches seit seinen Anfängen in den 80er Jahren mit allerlei Coverversionen (Queen, Beatles, Stones…) umgeht – und diesen Prozess noch dazu theoretisch reflektiert. Da ist etwa vom “Übertragen gängiger Formate in den Laibach-Kontext” die Rede. Oder sogar von deren “gewaltsamer Wiederaufbereitung” zum Zweck des “Enthüllens der unterdrückten Wünsche ihrer Kompositeure”. Und was erschließt sich uns, wenn wir diese Arbeiten wieder in einen neuen Kontext übertragen? Zwischen Secret Chiefs 3 und Collide, Eluveitie oder Blackfield ist da gewiss noch genug Hörraum für kreative Ohrrüben

“Nun wäre es zwar möglich, all dies “bloß” als einen Witz aufzufassen. Doch damit würde man die aufgezeigten Themen ignorieren – und die Dominanz der Postmodernen Spaßkultur bestärken! Laibach hingegen finden es lächerlich, die “ursprünglichen Originale” für künstlerisch bedeutsam oder politisch unbedeutend zu erachten. Wenn nämlich die Mythen, die diese Songs umgeben, eine kulturelle Kraft entfalten, dann müssen diese auch politische Macht besitzen. Bei Laibach nur auf den Humor zu achten wäre genauso ein Missverständnis, wie nur das Politische wahrzunehmen.”

(Text: Alexei Monroe – übertragen von Norbert K.Hund)

 

Halleluja Rainald Grebe

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Februar – Er bietet das Vielfältigste, Hintergründigste und Abgedrehteste, das derzeit im deutschen Sprachraum unter den Begriffen Musik, Theater und Kabarett zu erleben ist. Vor allem aber sprengt er die Grenzen der Definitionen – und macht aus allem, was er auf die Bühne stellt, eine noch nie dagewesene Mischform – genau das gefällt uns naturgemäß ganz besonders. Er spricht in Interviews offen über Drogen und seinen Zivildienst in der Psychiatrie, spielt in Jugendzentren, Kellertheatern – und auf der Berliner Waldbühne. Oder im Volkspark Wuhlheide, wo er vor 15.000 Zuschauern die DDR-Weltjugendspiele von 1973 “zum Nacherleben” bringt. Für ihn ist eben alles, was ihm so begegnet, immer auch “Absurdes Theater” – das merkt man seinen Auftritten sogar vollnüchtern an.

WuhlheideDer studierte Dipl. Pup. (Diplompuppenspieler) wird als Dadaist der Kleinkunstszene, als experimentell, eigenwillig und absurd komisch beschrieben. Seine Selbstdarstellung ist aber auch stets eine Fundgrube für Neugierige und Eigenartige. So prophezeit der “Verrückte bei klarem Verstand” über sein (eben auch diese Sendung prägendes) Konzert – oder besser Happening: “Spring nie zweimal in denselben Fluss, sag ich mir gleichzeitig – und werde alles dafür tun, dass Halleluja Wuhlheide kein Aufguss wird, sondern ein Unikat. Monate proben für den einen großen Abend. Mit brandneuen Songs und Klassikern, mit Gästen, Freunden, Wegbegleitern. Die einmalige Verschwendung.”

Es geht mir gut, ich kann nicht klagen,
auf du und du mit meinen Spareinlagen,
hier im Auenland lächelt die Heidi Klum
und an den Rändern fliegen die Nazguls rum.
Lampedusa, Lampedusa, ich rasier mir die Beine,
und wer Nazis nicht sucht – na, der findet auch keine.
Die Arche Noah ist ein schönes Schiff,
Tina – there is no alternative.
Mein Nachbar schläft auf dem Sofa ein
und der Vettelvettelvettel, der fährt immer im Kreis.
This world is doomed – doch ich denke oft,
solang Roland Kaiser tourt, ist doch alles soft,
im Kokon…

Komm in den Kokon!

PS. Link zur Sendung vom 10. August 2014: “Rainald Grebe – auch mit Band!”

 

Snökuken

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. JanuarSchneepenis, Pflückgedicht und StreetArt. Kunnst, im öffentlichen Raum? Dem Monolog der Mächtigen das Eigene entgegnen, mit Inbrunst. Hinbrunzt! Die uns angeblich allen gehörenden Lebensräume werden zunehmend verprivatisiert, das heißt den wirtschaftlichen Interessen ihrer “Besitznehmer” zweckgewidmet. Zu abstrakt? Dann nochmal langsam zum Mitdenken: Ein gewisser “Staat” in Gestalt von Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung erhebt (auf was hinauf eigentlich?) Eigentumsanspruch auf unser aller Lebensumgebung und Umwelt. Gegen Bezahlung tritt er (der Staat) dann bestimmte Rechte (unsere!) zur Verwertung des Allgemeinguts (unseres!) an “private Investoren” (anonyme Firmen oder geldschwere Einzelpersonen) ab – und verbietet uns dann die weitere Nutzung.

snökukenEin solches Geschäft kann als sittenwidrig und somit als nichtig angesehen werden, zumal es ohne Zustimmung der Miteigentümer zustande gekommen ist. “Aber das ist alles ganz legal”, werden uns die uns (das Volk) vertretenden Volksvertreter sogleich erklären, “und jede Art von Graffiti ist eine Sachbeschädigung und die Benutzung des öffentlichen Luftraums zwecks Meinungsäußerung ist eine Geschäftsstörung.” Das mag schon sein, dass seit der Erfindung der Republik Österreich und ihrer Verfassung ein paar windschiefe Juristen diesbezügliche Gesetze zu Papier geschissen haben – doch ist etwas schon deshalb wahr (und richtig), nur weil es wo geschrieben steht? Und kommen denn die Erträge aus diesen dubiosen Luftgeschäften wenigstens nachweislich “dem Volk” zugute, aus dessen Eigentum sie generiert wurden? Aber nicht doch! Statt sich im Wohlergehen des Gemeinwesens förderlich auszuwirken, verschwinden die uns listig abgeluchsten Gelder im Dickicht der internationalen Finanzwirtschaft – zur Rettung von Banken, zur Stützung von Kursen, zur Verplemperung in dysfunktionaler Repräsentation, kurz zum Sichfickenlassen von allem und jedem, was auch nur entfernt nach Investitionsklima miachtelt. Pfuigack!

barbara jesusLetztendlich wären wir gern gefragt worden, in was für einer Welt wir leben wollen – und zwar bevor man sie “zu unserem Besten” derart verunstaltet, dass wir uns in ihr kaum wiedererkennen. Letztendlich geht es dem Menschenwesen um den Dialog, um Frage und Antwort, um gemeinsames Erarbeiten von Lösungen – und nicht darum, dass uns von oben herab “Wahrheiten” übergestülpt werden, die nichts mit uns zu tun haben, aber erkennen lassen, dass sie den Interessen derer dienen, die da oben sitzen, von wo herab sie uns im Befehlston “den rechten Weg” verordnen. Gehts doch scheißen – aber bitte woanders hin! Es ist ein einziges Propagandagedröhn, das uns permanent zuquasselt, tagein, tagaus, von Schildern und Plakaten, aus Auslagen und Fernsehern, Gasthäusern, Geschäften, Nachrichten, Netzwerken, Popsongs, Radioshows, Universitäten. Die Orgel des Untergangs ist immer und überall! Und der Fleischwolf der Gedankenstopfwurst ist in unseren Köpfen, seit wir auf der Welt sind.

Sich zur erlebten Welt selbst zu äußern (in welcher Weise auch immer) ist gesund! Doch wie kann Eigenes wahrgenommen werden, solang ringsum das Fremde dröhnt? Unsere Ideen dazu: Zettelpoet Helmut Seethaler und StreetArt-Künstlerin Barbara, der Schneepenis von Göteborgoder doch der Graffiti-Krieger KIDULT, dessen brachiales Video “Visual Dictatorship” ganz neue Getreidegassen-Gefühle erzeugt?

 

Wir wiederholen uns. Nochmal.

Artarium am Sonntag, 10. Januar um 17:06 Uhr – Wegen eines technischen Gebrechens meiner Luftpumpe (Lunge) sowie der seltsamen Eingebung diverser „praktischer“ Ärzte, mich in diesem Kontext tagelang auf Expeditionen in die antibiotische Todeszone von über 40° Fieber zu schicken – und weil die damit verbundene Hirnerweichung sowas von kein geeigneter Zustand zum Livesenden ist (jetzt hab ich diesen Satz dreimal gelesen und versteh ihn immer noch nicht), wiederholen wir also heute die Rainald Grebe – auch mit Band – Sendung vom August 2014

„Dem Mann tut eine Band gut“ haben wir erst unlängst konstatiert. Zwar ist Rainald Grebe auch solo am Klavier ein gscheites Kasperltheater, vor allem, wenn man seinen einzigartigen Grimassenfundus dabei auch synchron zu sehen bekommt, wie zum Beispiel in den bekannten Livevideos „Künstler“ oder „Der Kandidat“. Dass der gestandene Schauspieler und Schwurbelkomiker (er trat am Anfang seiner Karriere in Sendungen für brachialen deutschen Plemplemhumor auf) inzwischen auch in den tieferen Themen des Tragikomischen angekommen ist (und dort durchaus der Sozialkritik eines Georg Kreisler nahekommt), das beweisen Nummern wie „Gilead“ und „Auf der Flucht“ in geradezu abgründiger Weise. Unserer Ansicht nach kommt dieser Vollblutmusiker allerdings inmitten des komplexeren Arrangements einer ordentlichen Musikkapelle noch weitaus besser zur Geltung:

rainals grebe massenkompatibelDas hat sich schon bei den ersten fürs Fernsehen aufgezeichneten Auftritten mit dem Duo „Kapelle der Versöhnung“ abgezeichnet, so etwa hier in „Massenkompatibel“, wo es gleich so richtig psychedelisch zur Ursache geht, wenn er da singt:

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, denn wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Dieser Satz von Jesus, der war mir immer schon, der war mir immer schon popelig erschienen. Ich bin massenkompatibel, massenkompatibel, la la la la…“

Doch damit nicht genug, die um einige oder oft auch mehrere Musiker erweiterte Begleitband heißt nunmehr „Orchester der Versöhnung“ und spielt zu jedwedem Anlass meisterlich auf! Das wollen wir gern mit einigen Titeln aus deren gleichlautendem Studioalbum von 2011 unterstreichen. Davor gibts noch ein paar Solonummern aus dem „Rainald Grebe Konzert“ – We show you both best sides of this good man. Das allerneueste Orchesterprogramm „Berliner Republik“ bieten wir hingegen hier als wohlformulierten Audienzbericht zum Lesen an. Und spielen einen einzigen Titel daraus in unserem imaginären Best Of Album, nämlich das Kinderlied Dankwart ist Tankwart: „Bushido, Bushido – Bushido, lutsch meinen Schwanz. Was du kannst, kann ich auch, ich will auf den Index! Tötet, tötet, tötet Markus Lanz!“ ?

Wir wiederholen uns.

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 8. Januar von 22 bis 01 Uhr – Wegen eines technischen Gebrechens meiner Luftpumpe (Lunge) sowie der seltsamen Eingebung diverser „praktischer“ Ärzte, mich in diesem Kontext tagelang auf Expeditionen in die antibiotische Todeszone von über 40° Fieber zu schicken – und weil die damit verbundene Hirnerweichung sowas von kein geeigneter Zustand zum Livesenden ist (jetzt hab ich diesen Satz dreimal gelesen und versteh ihn immer noch nicht), wiederholen wir also heute die Hippie-Nachtfahrt vom August 2014 Turn on, tune in, drop out…

Ein Summer of Love oder Von der freien Liebe zum freien Radio. Die Strandpiraten der spontanen Assoziation plündern kulturelle Überbleibsel aus fast 50 Jahren und suchen nach lebendigen Spuren des einstmals die ganze Welt verändern wollenden Hippie-Spirit. Vom psychedelischen Bewusstseinserweitern übers künstlerische Grenzensprengen bis zum sozialrevolutionären Engagement der 68er-Generation reichen unsere Fundstücke – doch wo verorten wir deren Auswirkungen in der Gegenwart? Etwa im vollmacdonaldisierten Drogenverbrauch, im industriekompatiblen Goa-Eventstadeltum oder im Verschlimmbesserungsmühen altersfrustierter Sozialreformierer? Findet sich jenseits von Kommerz und Verwurst noch etwas Genießbares aus Love & Peace?

Goa GilEine interessante Untersuchung in diesem Spannungsfeld bietet die englischsprachige Dokumentation „Last Hippie Standing“ (Video). Sie folgt der Fährte der allerersten enttäuschten Zivilisationsflüchtlinge, die schon in den 60er und 70er Jahren die Strände des indischen Bundesstaats Goa als Refugium für sich entdeckten – und dort über die Jahrzehnte hinweg ihren eigenen Lebensstil pflegten. Aus den zunächst recht spontan abgehaltenen Strandfesten und akustischen Jamsessions entwickelten sich mehrtägige Full-Moon-Parties mit vermehrt elektrisch verstärkter und dann auch elektronischer Musik, die schließlich zu einem massentouristischen Phänomen mutierten. Kaum jemals hat sich der oft zitierte „Clash of Cultures“ deutlicher als das entlarvt, was er in Wirklichkeit ist: Ein Vertreibungskrieg potenter Geschäftemacher gegen Ureinwohner und Zuwanderer! „We don’t want poor people. We want rich people to come and enjoy. So we want tourists who can spend money. We think of tourism in terms of tourism to generate money.  Soweit Chief Minister Francisco Sardinha (Goa war einst portugiesische Kolonie). Der Mann könnte noch Tourismuslandesrat von Salzburg werden. Oder Festspielpräsidentin.

summer of love tourplakatPolitik als willfährige Handlangerin der Reichen und Machtgeilen. Bäh! Genau dagegen kämpfte doch einst weltweit die Bewegung der Hippies: Autoritäre Bevormundung, Gesellschaftliche Zwänge, heuchlerische Moral, Kriegstreiberei, Umweltzerstörung. Und was tun wir? Lutschen an den Damals-Devotionalien und zelebrieren museumstauben Fan-Folklorismus. Oder etwa doch nicht? Womöglich bröseln wir uns nicht schon wieder den x-ten Aufguss romantischer Nostalgie ins Hirnpfeiferl, sondern lassen die Funken der freien Phantasie aufflackern. Und aus den Artefakten, die heut an unser Inselufer gespült werden, eine ganz neue Geschichte entstehen. Aber vielleicht funktioniert es auch nicht und wir werden noch depressiver. Nur – wenn wir die Idee von Liebe und Freiheit ernst nehmen, dann können auch wir die verklärte Vergangenheit entzaubern, indem wir sie nämlich nicht direkt dokumentarisch, also „eins zu eins“ abbilden – sondern indem wir uns ihr mehr metaphorisch, gleichsam in Gleichnissen, also „abstrahiert“ annähern. Und so spielen wir keinen umfassenden Hippie-Soundtrack zum Film vom nie gelebten Leben, aber ein reichliches Sammelsurium an Eindrücken von unserer Reise durch den Bauch der Zeit. Hermann Hesse trifft auf Rudi Dutschke. Die Punkballade auf Goa. Alte Hadern im neuen Gewand. Syd Barrett neben Käptn Peng. Aktuelle Beatles-Reworks und Neo-psychedelia aus Frankreich. Zu allerüberst Musikkabarettist Rainald Grebe. Und auch wir nehmens mit Humor: Liebe ist eine Frage der Frequenz – nicht des Frequency!

Rapistsophie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. DezemberRap ist Jule: Gregor Gysi interpretiert K.I.Z-Texte (Video). Zum Jahresschluss sprengen wir noch einmal alle Definitionen – und ergehen uns mit starken Frauen im Hip-Hop-Journalismus. Das deutsche Szene-Magazin “Rap Ist” onaniert nämlich nicht nur mit den Parisern des Insiderschmähs, sondern überschreitet auch absichtsvoll die Sprachgrenzen des Eingeweihten. Vor allem die weiblichen Mitglieder (sic!) konfrontieren einerseits die Deutschrapper mit Fragen nach “sexueller Gewalt gegen Frauen” in ihren Texten (ein ganz ausgezeichnetes Video!) und inszenieren andrerseits den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei als politischen Interpreten durchaus derben K.I.Z-Liedguts. Für uns eine Übersetzungsleistung, die längst überfällig war!

rapistjule1Ist es nicht ein Kennzeichen der etablierten Hoch- und Geldkultur, dass sie nur von Eingeweihten, die den vorherrschenden Code auch verstehen, konsumiert werden kann? Wo verläuft in der Hip-Hop-Szene die Grenze zwischen Selbstironie und Anpassung ans Geschäft mit der sehr elitärenrapistjule2 “Ich kann etwas, was du nicht kannst”- Kunst? Und, tut es bei solch Überlegung nicht unendlich gut, zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der/die immerhin eine Möglichkeit zum Erkennenkönnen eröffnet – auch für Außenstehende, auf dass sich die Welt wieder reime? Zum Glück haben wir hier in Salzburg ebenfalls rapkundiges Fachpersonal am Start, und so können wir euch einige Ausschnitte aus ein paar legendären Rap-Ist-Interviews zu Gehirn bringen, naturgemäß remixed und in den Kontext der jeweiligen Musik gesetzet. Damit nicht genug, wollen wir über diese herzliche Empfehlung hinaus noch auf einige vernachlässigte Aspekte des Rap-Genres, des Hip-Hop und Rock Crossovers und des unverständlich Fremdssprachigen verweisen, was uns gröbere Freude bereitet:

NoizeMC - Rap aus RusslandIn Deutschland sowie auch in Österreich ist ganz leicht blöd daherreden und sich dann im selbstgelassenen Darmwind des bildungsbürgerlichen Skandälchens interviewgebend zu sonnen. Hierzulande wird einfach niemand bloß wegen seiner/ihrer Texte verfolgt! Anders in Russland oder im Iran – also wo finde ich die Gespräche mit Shahin Najafi (der ja in Deutschland lebt) oder die Übersetzungen von Noize MC (der wegen seiner Aussagen bedroht wird)? Die üblichen Verdächtigen sind noch längst nicht “die Szene”, auch wenn sie Crack Ignaz dissen und “klaut Rap” so buchstabieren. Folgerichtig erweitern wir unsere Sendung um eine Koproduktion von Noize MC und Lyapis Trubetskoy “Bolt” – doch MÜSST ihr euch den Track als Video von Alexey Terehoff anschauen – erst dann werdet ihr auch unsere Visionen haben.

Käptn Peng: “Das O ist durchsichtig” (Artarium-Interview)

 

Es darf gezupft werden

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Dezember – Liebe Weihnachtsochs- und Eselinnen, an diesem 4. Adventsonntag packen wir noch einmal unseren Bastelsack aus und dübeln uns ein Synoptikum zusammen für eine behelfsbessere Welt. Denn nichts hilft gründlicher gegen die vorweihnachtliche Feuchtfröhlichkeit als eine gute Portion selbstkritischen Humors. Von den alsbald dräuenden Bescherungsbrimborien und Familienfestorgien einmal ganz zu schweigen – die übersteht ohnehin nur, wer sich rechtzeitig dagegen immunisiert, unterm Grüßgottbaum zum Christgsindl zu werden. “Schrille Nacht, eilige Nacht”, der Zwerg ruft, schon bald schauen wir alle drein wie Luis Trinker im Schnee. Oder wie Karl Heinrich, der nach Hause waggerlt. “Event, das ist die billigste Zeit im Jahr.” Und wir basteln uns eine Schutzimpfung!

painted structuresStill, still, still,
weil’s Kindlein schlafen will.
Maria tut es niedersingen,
ihre keusche Brust darbringen.
Still, still, still,
weil’s Kindlein schlafen will.
Schlaf, schlaf, schlaf,
mein liebes Kindlein, schlaf!
Die Englein tun schön musizieren,
vor dem Kripplein jubilieren.

Schon dieses “alte Salzburger Volkslied” offenbart erheblich Widersprüchliches, geradezu himmelschreiend Ungereimtes. Oder wie soll das arme Kindlein endlich einschlafen können, wenn es ringsumher alles andere als still zugeht? “Niedersingen” ist ja an und für sich schon eine Ausdrucksweise, die Helmpflicht für Neugeborene nahelegt. Aber dann die “Englein”, und man weiß doch, dass das Chöre waren, ganze Heerscharen sogar, wie um Himmels willen oder in drei Teufels Namen soll man bei dem ganzen Gedröhn auch nur im entferntesten an Schlaf denken? Hä? Und so sind viele der Bilder und Vorstellungen (und Weihnachtslieder, verdammt!), mit denen wir aufgewachsen wurden, voll von doppelten Böden und hintersinnigen Botschaften. (Siehe das Bild oben). Doch wie können wir nun diese Scheinwelt wieder entzaubern?

Indem wir die Wirklichkeit, die wir vorfinden, bis zu ihrer Kenntlichkeit enstellen. Oder lassen. Zerlegen wir also Weihnachtslieder, Volksmusik, Waldorfkindergärten und die Unkultur des Fernsehens. Und lassen wir uns dabei untermalen von Die Roten Rosen, Jazzkantine, Potentia Animi und vor allem Jochen Malmsheimer, der dem Format im Fernsehen eine Bußpredigt hält, dass es die postmodernen Spritzbeutel verstopft.

“Vorgang, der die Ventilation sexueller Überdruckgefühle in Eigenarbeit zum Inhalt hat.”

Schpritzmajim!

 

Café Unstet

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. DezemberCafé Unstet 1 (Musikjournalismus) und Café Unstet 2 (Todesfuge, Texte). Vier andächtige Stunden rund um Musik mit Migrationshintergrund und vorweihnachtliche Völkerwanderung – ohne Engel, ohne Esel – und nicht auf den Nahen Osten beschränkt. Auf Heimatsuche unterwegs durch die Assoziationen der Adventszeit, gemeinsam mit angehenden Absolvent_innen des Radiofabrik-Lehrgangs für Musikjournalismus sowie allerlei Bild-, Text- und Tonbeiträgen von freundlichen Fluchthelfern, Künstlern und Pfarrersköchinnen. Wir fühlen uns ein, ins eigene wie ins fremde Unbehaustsein, und laden zur Einkehr ins Café Unstet, unserer winterlichen Wärmestube für alle, die sich noch nötig haben im globalen Plemplem des Kaufrumpels. Umgeben wir uns doch einmal mit Musik und Gedanken, die alltogether einen weiten Weg hinter sich haben…

alleingemeinsamallein – die erste Stunde greift das Thema des Musikjournalismus-Moduls Musik mit Migrationshintergrund auf und nimmt einzeln nachhaus Flüchtende mit auf die Überfahrt durch die Untiefen der “Stereotypen, Missverständnisse und Worldmusic”. Es mag an der Weltpolitik liegen oder am Besinnlichkeitsterror der ringsum in Glühweingeldflut versinkenden Vorweihnachtsgesellschaft – auf jeden Fall bringt das Thema “Musik aus aller Welt” heuer kaum feuchtfröhliche Reisegefühle mit sich, stattdessen Abgründiges aus dem Unterwegs in Ungewissheit und Angst. Doch wie sollten wir nicht auch noch aus dieser Not eine Jugend machen, indem wir das vielfältige Angebot weltweiter musikalischer Interaktion zum Vehikel erklären? Um nämlich darzustellen, was “einmal um die ganze Welt” in Krisen wie diesen eigentlich bedeutet, nämlich viel mehr Flucht zu Fuß als christliche Seefahrt. Die Ausflugsreisen sind wegen der vielen Ertrinkenden bis auf weiteres eingestellt. Gehen sie nach Hause, nehmen sie brav ihre Drogen – und warten sie auf die Anweisungen der Regierung

hungerder hunger im herz – in der Zwischenzeit stellen wir einige Projekte vor, die sich auf nachfühlbare Weise mit den Themen Alleinsein, Hunger, Krieg – aber auch Zärtlichkeit und Trost beschäftigen. So zum Beispiel die Street-Art-Figur BAMBSY, der uns auch die Illustrationen für diesen Artikel freundlich zur Verfügung gestellt hat. Sie gehören allesamt zum Zyklus “Broken Angelz”, zu sehen via Facebook-Page des Künstlers. Er freut sich sicher über eure Besuche und Likes! Außerdem kann man ihm mit dem Kauf des schon legendären Hero-Bag beim Helfen helfen – sein Schöpfer lebt derzeit in  Mostar (Bosnien-Herzegowina) und unterstützt dort das Waisenhaus. Und er ist auch Teil des jährlichen Street-Art-Festivals (Video), einer höchst ansehnlichen Obdeulung. Wie lassen sich nun Bürgerkriegsflüchtlinge und elternlose Straßenkids musikalisch “illustrieren”? Bap-Sänger Wolfgang Niedecken wäre mal ein Anfang, engagiert er sich doch seit Jahren für die Betreuung ehemaliger Kindersoldaten. Oder Teresa “Ghost” Reiters Balkanplatte von 2012 – echt Alternative aus dem Kosovo? Wir nähern uns der Gegend – und spielen Reuf Sipović mit einem Ausschnitt aus Survival/Sevdah (Video).

kriegder krieg im bauch – naturgemäß nähert sich diese Stunde dem inneren Befinden angesichts des möglichen eigenen Untergangs. Und wir arbeiten mit Texten und Übersetzungen – aus dem Arabischen, aus dem Hebräischen, aus dem Persischen. Denn sei es die gedankliche Zerrissenheit eines Migranten aus dem Maghreb angesichts seiner unmöglichen Arbeitssuche, seien es Perspektivlosigkeit und Depression eines jungen israelischen Friedensaktivisten angesichts des in seinem Land herrschenden Kriegszustands, sei es die permanent lauernde Lebensgefahr jenes iranischen Sängers, der für ein kritisches Lied eine Todesfatwa erhielt, angesichts all der religiösen Fanatiker, die seitdem weltweit hinter ihm her sind – diese doch sehr unterschiedlichen Schicksale bewirken einander verwandte Empfindungen und erinnern uns auch an ein bekannt dunkles Kapitel aus der eigenen Heimatgeschichte. Wir möchten dazu eine geniale Neu-Interpretation des KZ-Überlebensklassikers “Todesfuge” von Paul Celan empfehlen, und zwar die Version aus Das lyrische Wir” von Maik und Pirmin Styrnol, den zwei ONchAIR Bros.

trostzweisammen dann – so geht unsere post-orientalische Herbergsuche quer durch alle Weltgegenden wieder zu Ende. Gewähren wir einander Unterschlupf an den Ufern unserer einstweilenen Zwischenweltinseln – und wenns nur für heut Nacht ist. Begleitet von Boker Tov Iran sowie No No Keshagesh winken wir euch zum Abschied noch einmal nach und wünschen viel Glück beim Selbstsein auf den Wortwogen des Weltblabla! Doch Augenblick mal – was sind das für verwegene Verrückte, die da am Lampedusa-Lagerfeuer noch lang nach der EU-amtlichen Sperrstund Musik machen und Herz und Hirn für die Freiheit der Verfolgten hinhalten? Der Cantautore Giacomo Sferlazzo (hier im Portrait von BQ-Media) mit Wolfgang Maria Gran, dem rasenden Reporter des versammelten Menschheitsblues, und sie reißen gemeinsam eine Session an, dass es nur so scheppert. Mit dieser Phantasie – und dem Ausblick auf Das Ganze Album – Artarium am Sonntag – verbleiben wir auch heuer herzlichst:

EUER GEILES INSTITUT

 

ein so ein riesen haufen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. November – Über die Fremdbeeinflussung zur Selbstbestimmung oder die Macht der Worte zu Christophers Geburtstag. Ein Überraschungspaket. Vervollständige die Gedichtzeile aus folgenden Vorschlägen: Ein so ein riesen Haufen – Knabbergebäck, Scheißdreck, Volltrotteln, Gedanken, Ideen – ist mir noch nie untergekommen, muss erst einmal geschissen sein, verlangt nach guter Bearbeitung, hat seine ganz eigene Dynamik, geht sich jedenfalls nicht auf einmal aus! Der Titel ist immerhin Programm, und so stellen wir wieder einmal experimentelle Texte in einen entsprechenden Zusammenhang, auf dass sich ein Riesenhaufen Inspiration zusammenbraue. Dazu verhelfen uns diesmal die Industrie-Kapelle Laibach sowie die Electronic-Poesie-Pioniere des DJ-Kollektivs Scheiterhaufen aus dem Pinzgau…

riesen haufenUnd naturgemäß Ernst Jandl, der Großmeister der Wortbildgedichte und Klangraumpoeme hinterlistiger Sinnstiftung – sowie Elfriede Gerstl, deren wunderbare Werkausgabe von Christa Gürtler und Helga Mitterbauer zum Wiederentdecken der elegant formulierten Aufmüpfigkeit einlädt. Außen dran, als ein schönes Motto:

„nur wer die unattraktivität des fragmentarischen wählt scheint mir noch glaubwürdig – man muss alles tun um sich die marktchancen zu vermasseln“

Und innen Kulturkritisches von der Hellsicht und Zuspitzung eines Pier Paolo Pasolini:

„Das Potential an Phantasie, Ärger, Widerspruchsgeist der Auftretenden wurde nicht zensiert und beschnitten, doch mussten sie sich an einen vom Subventionsgeber gewählten Ort begeben, zu einer von ihm bestimmten Zeit, das heißt, man hatte sie samt Konsulenten und Klientel unter Kontrolle. ….. Für ein kleines Honorar und ausgestattet mit dem Privileg der Darstellung ihres Abweichens betreiben sie, sich herausgehoben fühlend, ein merkwürdiges Geschäft: die Zähmung Widerspenstiger durch Verlautbarung von Widerspenstigkeit.“

 

Emotional Soundtrack

Nachtfahrt Spezialausgabe von Freitag, 30. Oktober und Samstag, 31. Oktober: Dieser Sendung erster Teil (1968-1984) sowie derselben zweiter Teil (1985-2015)

Den Soundtrack meines ganzen Lebens in 4 Stunden verhandeln? Meine musikalische Gefühls- und Geschmacksbildung anhand von knapp 40 Songs/Titeln darstellen? Ja, geht das denn? Ich glaube, nur sehr bedingt. Es könnten ja einerseits noch viel mehr sein, andererseits aber auch wiederum ganz andere. Auf jeden Fall gibt es sie, diese ganz speziellen Nummern, die einem lebenslang in Erinnerung bleiben, weil sie mit starken Emotionen verbunden sind. Sie können Aufbrüche, Einschnitte, Höhepunkte oder Weichenstellungen bedeuten. Sie können diese sogar mit ausgelöst – oder einfach nur begleitet haben. Das Leben ein Film, kongenial mit dem dazu passenden Soundtrack versehen. Der Selbstversuch einer Chronologie aus Gänsehaut, Nießreiz und Weite

norbert 74Pubertäre Prototypie (1968-1978) Von einigen noch in den Radios der Altvorderen aufgeschnappten oder von bereits in die Weltrevolution aufgebrochenen Verwandten zur Verfügung gestellten Hörstücken entspinnt sich die Lustreise des heranwichsenden Pubertiers zu allerlei selbstentdecktem Soundgut alternativ-emotionaler Ausprägung. Von Sandy Shaw bis Nina Hagen, um es verschärft auszudrücken. Von Wolfgang Ambros bis Pink Floyd. Kann Spuren von Lou Reed, The Byrds, aber auch Schobert & Black enthalten. Zwischen Sex und Selbstmord pendeln die Gefühle in dieser wichtigen Zeit des Ausbrechenwollens aus den überkommenen Verhältnissen. Feuchtfröhliche Erforschung des eigenen Selbst, anschließend Verschleuderung aller Möglichkeitsformen. Here comes the story of the Hurricane, the man the authorities came to blame.

rememberPsychedelisches Panoptikum (1979-1984) Vom Konzeptalbum Spartacus (gern gehört während meiner Unzeit beim Bundesheer) über diverse (im wahrsten Sinn) Film- und Reisemusiken bis zu sozialkritischen Kampfliedern sowie Verdichtungshymnen gegen zernüchternde Salzburgrealität prägten ur- und untypische Titel diese Zeit ersten Berufstätertums inmitten der ARGE Rainberg Proteste. Die Schroeder Roadshow war mit Anarchie in Germoney im Petersbrunnhof zu Gast. Nina Hagen, Herman Brood und Lene Lovich gab es als abgefahrene Punkrockpartie in dem genialen Film “Cha Cha” zu sehen. Mike Batt lieferte mit Tarot Suite den Soundtrack zu den verbreiteten spiritistischen Spinnereien der Späthippiezeit. Überall keimte Hoffnung, und eine offene Gesellschaft schien für kurze Zeit wirklich möglich zu sein. Bierjodlgasse? Hanfjodlgasse!

septemberPostpunkoide Projektpoesie (1985-1999) Oft sind es ja Freunde, Mitbewohner, Bandkollegen, die einen mit für den Lebenssoundtrack unverzichtbaren Musiktiteln versorgen und so die Entwicklung zum eigenen Stil und Geschmack vorantreiben. Von der Wiener Kunststudienzeit über die Kulturfreizone und das Streiklager gegen Schubhaft in Salzburg bis zum Jugendtreff in Mariazell erfuhr ich so immer wieder Anregungen, die bis heute bestimmend blieben. Dazu gehören Manfred Mann’s Somewhere in Afrika ebenso wie Hansi Lang oder x-beliebig. Manchmal bringt einen dazwischen das Interviewtwerden auf den Punkt: Was wir unter Kultur verstehen, ist vergleichbar mit einem Biotop. Irgendwann einmal zwischen Nachmittag und Abend kommen dort zwei Verliebte vorbei oder ein Dichterling oder sonst jemand, einfach Menschen. Und die genießen das, denen sagt das was.

unterführungPerlentaucher Performances (2000-2015) Je kürzer der zeitliche Abstand zu beeindruckender Musik ist, desto schwerer ist es natürlich auch einzuschätzen, ob sie wirklich prägende, bleibende Qualitäten haben wird, denn dies erweist sich eben erst rückblickend und über die Jahre hinweg. Aber stellen wir halt einfach einmal ein paar begründete Behauptungen in die Welt. Denn was sich auf der Anreise zu dieser Nachtfahrt sowie in den Kunnst-Biotop oder Perlentaucher geheißenen Sendungen als wirkungsvoll erwiesen hat, dem dürfte durchaus ein gewisses Potenzial zum Dauerhaften innesein. So beschließe ich meinen Einhandsegler-Runfunkenflug noch mit einigen schönen Entdeckungen von Rotz, Panik, The Waterboys und Wir sind Helden. Habe die Ehre! Die Verletzten sollen die Ärzte sein. Die Letzten sollen die Ersten sein. Sieh‘ es ein…

…the meek shall inherit the earth.