Abgehalfterte Staatsgünstler

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. AugustWillkommen in der Fakepublik Östernews, wo die braunen Haufen alles Menschliche niedertrumpeln und dabei so übel riechen wie eh und weh. Wolfgang Ambros zum Beispiel sei ein “abgehalfterter Musiker” und “Systemgünstling”, dem nun in dieser neuen Zeit der schwatzblaunen Volksbeglückung die für ihn einst so lukrativen Staatsaufträge davonschwimmerten. Derlei behauptet ein gewisser Herr Hafenecker von der FPÖ (der bislang weitgehend unbekannt war), aber inzwischen zusammen mit dem renommierten Ischias-Experten Harald Vilimsky deren Generalsekretär gibt. Und einmal abgesehen davon, dass der Wolferl nie irgendwelche öffentlichen Aufträge oder Subventionen erhalten hat, wie sein Manager berichtigt, wer ist hier der von unserem Geld bezahlte Staatsgünstler?

Staatsgünstler“Staatskünstler” hingegen ist ein Hetzwort, mit dem die rechten Ränder schon immer jedwede unbequeme Gesellschaftskritik in der Kunst verunglimpft haben. Es bedeutet, ähnlich den neurechten Kampfbegriffen “Systemmedien” oder “Lügenpresse”, jede gegen sie gerichtete kritische Äußerung auszumerzen. Wobei, so ganz neu ist diese Begrifflichkeit auch wieder nicht, denken wir nur an die “Entartete Kunst”. Entwertende Worte wie “Staatskünstler” und “Systemgünstlinge” vermitteln zugleich auch die Vorstellung, dass bestimmte Kunstformen ohne Unterstützung der Allgemeinheit nicht lebensfähig sind. Zu “lebensunwert” ist es da nur noch ein ganz kleiner (Gedanken-)Schritt. “Wenn wir sie schon nicht umbringen dürfen, dann können wir sie ja verhungern und somit aussterben lassen.” Das lässt sich wunderschön neoliberal verbrämen und als zutiefst wirtschaftsfreundlich verkaufen. Ich erinnere mich an ein recht bierseliges Gespräch mit Jörg Haider, in dem er uns schon 1994 sein Konzept für eine “neue” FPÖ-Kunstförderung erklärte: Jede/r Kunstschaffende hat einen Rechtsanspruch auf Anschubfinanzierung seines/ihres ersten Projekts (unter Umständen noch des zweiten oder dritten) – wenn es sich danach “nicht auf dem Markt durchsetze, sei die Sache für die öffentliche Hand erledigt.” Siehe oben, aussterben. Oder sich sonstwie in den Arbeitsmarkt eingliedern. Das hätte dem Herrn Haider gut getan. Und wohl auch dem Land Kärnten. Aber ein Bärental als Anschubfinanzierung ist halt doch…

An dieser Stelle überlasse ich meine geneigten Leser*innen ihrer eigenen Phantasie. Doch jetzt wieder zurück zum Ausgangspunkt der Geschichte: Der Ambros Wolferl hat nämlich unlängst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung folgendes gesagt: “Ich bin mir sicher, dass es viele braune Haufen in der FPÖ gibt.” Und seither rotiert ein von unserem Geld bezahlter FPÖ-Auftragsrüpel wie zu erwarten vor sich hin. Ein niedersprachlich desorganisierter Staatsgünstler, der sich an einem Fixstern der österreichischen Identität vergreift. Wie das ausgehen wird, dürfte ja klar sein.

Das abgebildete Buch mit dem hierzu passenden Titel ist bei Kremayr & Scheriau zu beziehen, von wo wir auch die Cover-Illustration her haben. Ganz liebe Grüße!

 

The Beatles – Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. AugustDas ganze Album nämlichen Namens, in seiner gesamten Länge sowie als angenehm warmer Stereomix (eine relativ frühe CD-Version), gibt es diesmal bei uns zu erleben. Nicht umsonst gilt “Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band” von den Beatles auch nach mehr als 50 Jahren als ein Meilenstein der Musikgeschichte. Warum dem so ist, erhellt beispielsweise diese Dokumentation “Sgt. Pepper’s Musical Revolution” von und mit Howard Goodall. Sie ist nicht so leicht zu beschaffen (als DVD) und verschwindet auch immer wieder gern aus dem Internet, sobald irgendein Hureber ächzt, nehm ich halt mal an. Wiedemauchimmersei, die Beatles haben da 1967 in den Abbey Road Studios gemeinsam mit ihrem Produktionsteam völlig neue Dimensionen erreicht.

Sergeant Pepper's Lonely Hearts Club BandEigentlich begann alles damit, dass die vier Herren aus Liverpool kurz zuvor beschlossen hatten, nie mehr live aufzutreten, weil sie sich wegen des (als “Beatlemania” bekannten) lautstarken Gekreisches ihrer Fans selbst nicht mehr hören konnten, was naturgemäß nicht so ideal ist für jedweden Musiker beim Konzert. Somit erübrigte sich schon einmal die Notwendigkeit, die Aufnahmen für ihr nächstes Album derartig zu gestalten, dass diese danach auch live aufzuführen gewesen wären. Die damals verfügbare Technik setzte jeder Livedarbietung von Pop/Rockmusik so dermaßen enge Grenzen, wie wir sie uns heute nur noch schwer vorstellen können. Doch schwuppdiwupp, wurde aus der Einschränkung eine Gelegenheit (gemacht) und das legendäre Soundbasteln für dieses klangkomplexe Konzeptalbum konnte beginnen. Man muss sich einmal vergegenwärtigen, dass sogar im renommiertesten Aufnahmestudio jener Zeit bloß 4-Spur-Tonbandmaschinen zur Verfügung standen und auch die Ausstattung mit Effektgeräten aus heutiger Sicht “vorsintflutlich” war. Umso beeindruckender ist demnach das Endergebnis der zeitintensiven Sessions sowie der anschließenden planvollen Montagearbeit: Eine wundersame Collage aus vielfach ineinander geschichteten textlichen wie musikalischen Eingebungen

Das Album wird zudem vielfach als “Soundtrack zum Summer of Love” bezeichnet, was auch durch das erstmalige Verwenden von originär indischen Klängen in der “westlichen Popmusik” (seitens George Harrison und Ravi Shankar) zu erklären ist. Zur Einstimmung hier das Stück “Within You Without You”.

 

Dummer August

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. August – Ein dummer August kann einerseits eine bestimmte Figur im Ensemble von Zirkusclowns sein, ein sogenannter Rotclown (wegen der Nase), soweit die wissenschaftliche Einsicht zur Eröffnung unserer einstweiligen Betrachtung. Ein dummer August (mit Betonung auf der zweiten Silbe) kann aber auch ein missratener Sommermonat sein, der nicht nur viel zu schwülwarm daherwettert, sondern auch sonst allerlei Unannehmliches mit sich führt, wie etwa Fernsehnachrichten oder Studioumbau. Sobald der August (beliebig betonbar) also ein richtiger Ungustl wird, hilft nur noch eine Rot(z)nase, um sie ihm aufzusetzen, damit es vielleicht wieder lustig wird in dieser Rundumsauna des schweißtreibend erschöpfenden Vielzuviel, Vielzuschnell und Vielzunochmehr

Dummer Hund“I dagrei de Hitz neama” sprach heut schon der Hase – und sprang in den Swimmingpool seines benachbarten Freundes. Dem Hund bleibt da nur Nina Hagen: “Ich war zuhause unter meiner kalten Brause”. Das erfrischt immerhin auch, wenn es einem viel zu HEISS wird. “Ich brauche mehr Wasser”. Soweit die Haushaltstipps der Redaktion. Es folgt die übliche Drogenwarnung. Gegen Abend ist zudem mit Bevölkerungszunahme zu rechnen, die breite Masse breitet sich aus oder so, wahnsinnig witzig. Ich bin halt auch schon weitgehend verdunstet. Was also soll das alles? In feuchtfroher Erwartung des Endes der Hitzewelle bespaßen wir sämtliche Aspekte des Unvermeidlichen – wie einst der liebe Augustin: “Alles ist hin!” Die allmächtige Liaison von Penis und Kapital. Und noch einmal setzen wir dem Unerträglichen unser Erlesenstes zuwider.

Dummer KrautschädlSo wird es allerhand Humoreskes wie auch Hintergründiges auf die Ohren geben. Die Darstellung des unerigierten Penis (Hazel Brugger) sowie das Fenster mit dem Hasen (Torsten Sträter), den Todesengel (Lisa Eckhart) und naturgemäß die unter “Drogenwarnung” verlinkte Habakuk-Parodie (maschek). Wir stellen jene 20-Jahre-Radiofabrik-Jingles vor, die wir in diesem Jahr erstmals als Perlentaucher beim Radioschorsch-Public-Voting einreichen – und schwätzen und lesen uns wie immer die Münder wund, dass nur noch massenhaft Flüssigkeit die Selbstentzündung abhüten kann. Selbstredend (sag ich ja) gibts auch die gewohnt außergewöhnliche Musik, durch die uns allen Trost und Rat widerfährt: “Mei Krautschädl is nämlich net deppad!”

Dummer Thomas BernhardOder Thomas Bernhard. Ist man ein dummer Mensch, sobald man in die entgegengesetzte Richtung geht, also nicht der Mehrheit und ihrer allgemein üblichen Denkwelt folgt? Die Führer, die uns heute befehlen, sind die Prinzipien und Sachzwänge des “freien” Marktes. Die Götter, die unseren Gehorsam verlangen, sind komplexe Systeme aus Ursache und Wirkung, die von ihren Betreibern ganz legal gegen uns verwendet werden. Irgendwelche Bundeshutständer und Plakatkasperln sorgen bloß für den gesetzlichen Rahmen, innerhalb dessen wir gewinnbringend verwurstet werden. Und jeder Mensch hat das Recht, ein dummer zu sein und zu jedem solchen Schwachsinn Ja und Amen zu sagen. Da muss man sich doch endlich in die andere, die eigene Richtung aufmachen. Immerhin darüber lachen. Dummer geht nummer

 

Vom Ende des Zuhörens

> Sendung: Artarium am Sonntag, 29. Juli – Wenn das Ende des Zuhörens gekommen sein wird, erübrigt sich auch die Radiomacherei. 20 Jahre sind genug. Oder war da noch was? Justin Sullivan, unter anderem Sänger von New Model Army, schreibt in einem Nachruf auf den Radiopionier John Peel, wie dieser ihm einst “die Idee des Underground nahebrachte, wo seltsame Menschen erstaunliche Aufnahmen aus rein künstlerischer Motivation herstellten”. John Peel vertrat Zeit seines Lebens Ansichten, “die dem Zeitgeist fundamental entgegen strebten”, so etwa, “dass Musik einfach nur Musik ist, und dass jedweder Celebrity-Kult dafür vollkommen bedeutungslos ist, wie übrigens auch für alles andere”. Der Mann hat die Entwicklung der Medien- und Musikkultur immerhin schon seit den Sixties aktiv mitgestaltet…

Vom Ende des ZuhörensWas soll das allerdings heute, wo die einheimische Piratenszene vor gut 20 Jahren ein legal lizenziertes, kommerzfreies Gemeinwesenradio erstritten hat? Was machen wir hier in postmodernen Zeiten, in denen “das dialogische Prinzip” ja kaum noch von Mensch zu Mensch seine Gültigkeit hat? Wo stattdessen der von Pier Paolo Pasolini prophetisch vorhergesehene Konsumismus um sich greift und alles Individuelle zur massenblöden Mitmacherei niedertrumpelt? Wo es nicht mehr darum geht, dass man bekommt, was man braucht, sondern einem nur noch irgendein Event angedreht wird, der den Eindruck vermittelt, man sei irgendwie “Part of the Game”. Verdummt in alle Ewigkeit! Heilsverbrechen, wohin man schaut. Die Menschheit besteht aber nicht nur aus dem, was sich normieren und social engineeren lässt, sie ist so vielfältig wie das Leben selbst. Der Massengeschmack des Mehrheitsmainstream schädigt nicht bloß den Umgang der Menschen miteinander, er korrumpiert zudem das Selbstwertgefühl jedes Einzelnem, indem er uns alle kommerziell zweckwidmet und in die Nutzbarkeit der Gewinnstreber quetscht. Auweh! Viele Jäger waren schon immer des Hasen Tod. Umso wichtiger sind daher heute Überlebens-Soziotope wie etwa das “Freie Radio”.

Oder der erwähnte “Underground”, wo Menschen einfach etwas machen, weil sie es gut finden, und nicht, weil damit massenkompatibel Gewinn erzielt werden kann. Das Freie Underground Radio, wie wir es verstehen, ist eine Schutzzone zur Erhaltung der Artenvielfalt von Kunst und Kultur. Ein kommerziell nutzfrei gestelltes Gebiet, in dem sich der zwischenmenschliche Ausdruck wieder ungehindert entfalten kann. Feiern wir daher den Fortbestand des Zuhörens mit diesem Zitat von John Peel: “…dass das Radio ein viel mächtigeres Medium als das Fernsehen ist (und auch immer sein wird), weil es die Phantasie des Publikums erblühen (im Sinn von gedeihen) lässt.”

 

Dunkelbunt Sommertag

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Juli – Seit ich zum ersten Mal von ihm erfahren habe, fasziniert mich der Name eines bestimmten österreichischen Künstlers, und zwar Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser. Vor allem das Wort Dunkelbunt schillert in allen unmöglichen Farben und stiftet so schon ganz von allein unsere Phantasie zum Selbstschaffen an. Dazu gibts noch allerlei Geschichten und Gerüchte, rund um des Meisters Verhältnis zum Abfall an sichhier etwa eine sehr schöne Darstellung seines Manifests “Scheißkultur – die heilige Scheiße”. Das mit der Künstlerkacke “Merda d’artista”, die letzten Endes mehr Wert besitzen sollte als Gold, das war allerdings der italienische Konzeptkünstler Piero Manzoni. Dazu soll ihn sein Vater inspiriert haben, indem er ihm einst vorhielt: “Deine Arbeit ist Scheiße!”

Dunkelbunt SommertagKommen wir nun zum zweiten Begriff in unserem Sendungstitel, dem Sommertag. Der assoziiert ja seit Erfindung der Sommerferien alles Vorstellbare rund um Freibad, Freiheit und Freizügigkeit. Oder lieber Freibier? Was auch immer… Dennoch wohnt dem Sommersein oft nicht nur Schönes und Helles inne, sondern auch Abgründiges. Dann wirds dunkelbunt. Gisbert zu Knyphausen drückt dies in seinem Lied “Sommertag” zum Beispiel ganz vortrefflich aus. Oder aber Volker Strübing, der seinen alten Slamtext “Sommer ist Scheiße” für Kloß & Spinne (feat. Norbert) wieder aufbereitet hat. Ob ironisch überdreht oder dezent angedeutet: Jede Extase trägt immer auch den Absturz in sich, so wie das Bittere auch immer mit dem Süßen vermengt ist. Plattitüdeldüü. Doch was hat das alles mit der Sommersendung” zum kommenden Sonntag zu tun? Schuld ist vor allem wieder einmal der Wetterbericht, der für diesen Stimmungshöhepunkt des Sommergenießens gröbliche Kälte sowie Regen vorhersagt. Wo wir doch eh schon aus dem provisorischen Rumpelkarma der Radiofabrik senden – und zudem an einem erheblichen thematischen Sommerloch laborieren. Was also anfangen mit solch ambivalentem Seinszustand im Zwischen?

Aus der Not eine Tuchent machen (oder wie das heißt) und den Pros and Cons der wortwörtlichen Sommerfrische auf den Grund spüren! Natursache, eine Andeutung. Dunkelbunt, urgemäß.

 

Eric Burdon – Winds of Change

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Juli – In unserer monatlichen Sendereihe “Das ganze Album” greifen wir diesmal besonders tief ins Archiv der Zeitgeschichte und präsentieren ein wegweisendes Werk aus dem Jahr 1967, als sich erstmals der Widerstand gegen den Vietnamkrieg formierte, die Flower-Power-Generation den Weltfrieden anstrebte – und Experimente mit psychoaktiven Substanzen in Kunst und Kultur populär wurden: “Winds of Change” von Eric Burdon und seiner damals oft auch “The New Animals” genannten Band. (Hier die Beschreibung eines Fans). Nachdem wir uns mit der angesprochenen Epoche schon mehrmals befasst haben, vom israelischen Peacenik Abie Nathan bis zum Jahrhundertfilm Apocalypse Now, wollen wir nun speziell den Einfluss von LSD auf die Musikwelt jener Zeit würdigen.

Eric Burdon - Winds Of ChangeWie wir unlängst bei Bruce Eder auf Allmusic erfuhren, hat der Englandflüchtling Eric Burdon einige Monate vor den Recording-Sessions zu “Winds of Change” seinen ersten Acid-Trip versucht, was uns den Songtitel “Yes, I am experienced” auch jenseits von Jimi Hendrix begreiflich macht… Des weiteren wiederspiegelt sich diese Eric-Burdon-Experience” sowohl in der Gesamtgestaltung des Albums (dem zeittypischen Psychedelic-Sound), als auch in einzelnen recht experimentellen Spoken-Word oder besser Word-over-Music-Tracks wie etwa “Poem by the Sea” und “The Black Plague”. Herausragend ist zudem sein Rolling Stones Cover von “Paint it Black” mit sitarähnlichen Violinklängen und improvisierten Textpassagen. Das ganze Album ist folgerichtig auch dem großen Inspirator des west-östlichen Musikdiwans, dem inzwischen völlig zu Unrecht verstorbenen Ex-Beatle George Harrison gewidmet. Wie dem auch immer sei – das gegenständliche Werk klingt und spricht für sich selbstes gehört nicht nur (wieder) gehört, sondern es soll in seiner gesamten Anmutung mit allen zur Verfügung stehenden Sinnen erlebt werden. Weshalb wir es in voller Klänge (und originaler Länge) zu Gehör bringen. Hoffentlich auch zu Gespür! Gehen wir also gemeinsam auf eine (eben nicht nur Zeit-) Reise!

Are you experienced?

Yes, I am experienced.

Na, dann…

 

Die Nachtfahrt des Grauens

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. JuliDie Gestalten des Grauens können vielfältige sein. Und auch das Wort selbst bringt auch einiges an Bedeutungen mit sich, vom Grauen des Colonel Kurtz in Apocalypse Now bis zum Morgengrauen nach einer durchtauchten Nacht. Wobei sämtliche Wortbildungen mit Grau (Shades of Grey) wie hier in “Morgengrauen” von einer Wurzel stammen, die “glänzen, leuchten, strahlen” bedeutet, das Grauen im Sinn von sich fürchten wiederum von einer anderen, die zunächst so etwas wie “zerreiben und zerstoßen” vermitteltt, die dabei aber auch Kummer oder Traurigkeit mit anspricht. Grauenhaft. Eine zutiefst depressive Obdeulung. Ich bin schon ganz zerbrieselt davon. Warum ergötzen sich jedoch so viele Menschen an den Darstellungen des Grauens?

Die Nachtfahrt des GrauensAls Kinder liebten wir die Krypta der Herrnauer Kirche mitsamt den dort dargestellten Kreuzwegszenen und gingen uns nach der Schule gern darin gruseln – bis uns der Pfarrer Tomaschek ob solch pietätloser Zweckentfremdung theaterreif hinauswarf. Allerdings denke ich heute, dass wir damals durchaus etwas vom Wesen der kirchlichen “Horror-Stories” erspürt haben – und auf unsere kindliche Art eine Aussage dazu darboten. Auch wenn diese danach im allgemeinen Regelwerk des “Gehörtsichnicht” unwahrgenommen verglomm. Ein langjähriger Freund erzählte mir von einem anderen Erlebnis aus seiner Kindheit, als er nämlich in der Parscher Kirche den Jesus vom Kreuz herunter nehmen wollte, weil der ihm leid tat, so angenagelt, wie er da hing. Der dortige Pfarrer, der ihn dabei antraf, befragte ihn eingehend nach seinen Beweggründen und unterhielt sich dann länger mit ihm über diese Darstellung des Gekreuzigten. Es ist doch immer wieder ein seltsames christliches Abendland.

Der Notausstieg des GrauensHier wird der freie Wille freundlich umgebogen. Und bist du unwillig, so brauch ich Gewalt. “Heinrich! Mir graut’s vor dir.” – Goethes Gretchen nimmt das Wesentliche dieses teuflischen Pakts um die totale Machtausübung emotional wahr – und beschreibt ihr Gefühl zutreffend – mit Grausen. Wem würde bei der Begegnung mit dem Faustischen (dem rücksichtslosen Streben nach Macht und Kontrolle, nach Beherrschung von allem und jedem, das buchstäblich über Leichen geht) nicht im wahrsten Sinne die Grausbirn aufsteigen? Und was erzählt uns die Kirche? Eine Geschichte der Befreiung – oder eine Zurechtschreckung zur Unterwerfung unter die jeweilige Macht, Gewalt, Herrschaft? Die Gestaltungen des Grauens sind wahrlich vielfältig, von der Gleichgültigkeit beim organisierten Menschenzertreten bis zum perversen Glücksgefühl in der Fernsehwerbung. Wenn (nach Arno Gruen) “Terror in Geborgenheit kippt”, dann lässt man sich gern von Mephisto regieren

Die Apokalypse des GrauensDie Darstellung des Grauens ist also vielseitig, speziell in der Kunst. Nicht immer geht es dabei um die Angstlust wohligen Gegrusels, wie etwa beim Anschauen eines Horrorfilms aus der Sicherheit seines eigenen Sofas heraus. Unlängst ward die Dichterlesung “Das Grauen” wie folgt beworben: “Es umgibt uns, ist allgegenwärtig, durchzieht sämtliche Bereiche des Lebens, schreit uns ins Denken aus Zeitung, Fernseher und Smartphone. Wird ausgeblendet, aus der Wahrnehmung gestrichen, darf nicht genannt werden. Paradox. Die Auseinandersetzung mit dem Grauenhaften ist jedoch essentiell, wollen wir in einer friedvollen Gesellschaft leben. Man muss ihm schon ins Gesicht blicken, dem Grauen, dieser grauen Eminenz unserer Zeit, um aufzuzeigen, wie Schmerz, Angst, Missmut, Unrecht, Gier, Gewalt die Welt zersetzen, um sich aus Lethargie und Machtlosigkeit zu schrecken, um die versteckten Zusammenhänge zu erkennen – und um Gegen-Sätze zu (ent)werfen.”

 

Fußball, Fußball, Fußball!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. Juli – Hiermit sei auch den hintersten Wäldlern unter unseren Hörerinnyen bekannt gegeben, dass wirklich schon wieder eine akute Fußball-Weltmeisterschaft ausgebrochen ist. Dieses Mal noch dazu im postkommunistischen Russland (Großputinien), was diesen Umstand auch nicht gerade sympathischer macht. Und hätte der Autor der Weltgeschichte noch Johann Nestroy geheißen, könnte man sich auf manch “sprechenden Namen” einen ganz eigenen Reim scheißen: Dann würde nämlich der frühere FIFA-Präsident nach einer ansteckenden Hautkrankheit benannt (Blattern), der aktuelle hingegen nach einer entwicklungspsychologischen Störung (Infantilo). Sofort wirds wieder lustig mit dieser milliardenschwären Verunstaltung einer an sich doch schönen Spielidee

FußballDie FIFA, dieser undurchsichtige Fußball-Weltverband, dient einzig dem Zweck, “den Fußball” überall zu verkaufen (was ihr auch völlig zu Recht oftmals vorgeworfen wird). Lässt sich in so einem immer noch mehr Geld anhäufenden Sumpf aus Kommerz und Korruption gar noch ein Rest Leidenschaft und Kultur entdecken – und somit (im Sinn des Perlentauchens) herausdestillieren? Derweil kann derlei durchaus noch gelingen, sofern man die Freude an spontan-kreativer Spielgestaltung und den Mut zu assoziativen Umwegen nicht schon vollends verloren hat: So habe ich neulich das uruguayische Nationalteam beim Spiel gegen Russland beobachtet und dabei echte Fußballkunst und Spielfreude entdeckt. Abgesehen davon, dass dieser wieselflinke Diego Laxalt auch eine wahrlich fröhliche Frisur zur Schau trägt. Irgendwie wollte ich da gleich mehr erfahren über dieses sympathische Land zwischen Argentinien und Brasilien, in dem anscheinend doch eine “etwas andere Kultur” gepflogen wird. Und siehe da, bei meinen Nachforschungen stieß ich auf eine der populärsten Rockbands des Landes, La Vela Puerca. Ob deren Name jetzt “Riesenjoint” bedeutet oder was auch immer, das bleibe dahingestellt – halluzinogen sind speziell ihre Texte allzumal.

Am berührendsten war für mich der Umstand, dass mitten in einem über 2-stündigen Livekonzert zum 20-jährigen Bandjubiläum urplötzlich ein Gedichtvortrag stattfand, was mir den hohen Stellenwert der Dichtkunst in der uruguayischen Populärkultur verdeutlichte. Es handelt sich dabei um die spanische Version einer Ode des großen portugiesischen Schriftstellers Miguel Torga von 1946, “A los poetas”. Ein irrer Text, den mir die gute Cristina Colombo für unsere Sendung ins Deutsche übertragen hat.

Für Überraschendes ist jedenfalls gesorgt, so dass sogar Fußballgleichgültige oder Fußballablehnende dieser Themenstellung etwas abgewinnen können. Toooooooor!

I werd narrisch!