Wider die Dummheit

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 13. Oktober – Wir lieben Sprache – nicht irgendeine, sondern, sagen wir mal, eine anspruchsvollere welche. Dumpfrestliches Funktionsblabla ist unsere Sache ebensowenig wie aufgebrezeltes Wahlgeschwafel oder alkoholschwangeres Pimperantorülpsen. Für uns besteht ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, sich anderen Menschen gegenüber adäquat nuanciert auszudrücken und der Möglichkeit, etwa seine Sexualität als selbstaussagende Mitteilungsform zu erleben – und nicht als blödsinniges Bodenturnen für ausdrucksarme Flachbildhirne, oder was auch sonst immer aus Plastikpornos Fließbandschas heraus interpretiert werden mag. Niveau ist eben auch in Liebesdingen fürwahr keine Haut- oder Gleitcreme! Wir lernen lieber lebenslang, uns artizukulieren – und setzen hiermit ein unüberhörbares Zeichen, wie wunderbar, vielschichtig, rhythmisch, melodiös, humorvoll, detailverliebt, berührend und ausgefeilt Sprache eben auch sein kann:

Der Salzburger SchmutzengelZum Zweck dieser Übung in angewandtem Ausdruck und hörendem Staunen bemühen wir diesmal drei Herren, die das Metier der Wortkunst in jeweils eigener Weise einem solchen Höhepunkt (jawohl!) zustreben lassen, dass uns die Ohrrüben anschwellen und die Gehörherzen weit aufschmelzen vor lauter Geschmeidigkeit eines solch erbaulichen Wohlgetöns…

Nun genug der Werbung für sprachliche Ergüsse der angenehmeren Sorte und stante pede (schlanken Fußes kopfüber) in medias res der heutigen Programmgestaltung: Zum ersten würdigen wir in Anlehnung an unsere Beat-Poetry-Nachtfahrt den Meister des englischsprachigen Spoken-Word-Vortrags Allen Ginsberg mit dem jüngsten Lyrik-Musik-Crossover „America (The Highs and Lows)“ featuring The Trouble Lights. Zum zweiten eine weitere Episode aus Jochen Malmsheimers Bewusstseinstheater, nämlich das bibliophile Kunststück „Flieg, Fisch, lies und gesunde“  – im Rahmen unseres selbstgewählten Bildungsauftrags der Bücherförderung. Und zu guter Letzt, bevor uns die Herren Brandt und Schneider ebenfalls gewohnt eloquent ablösen, erweisen wir noch PeterLicht die Reverenz der Feinfrequenz und zelebrieren mit „Fluchtstück“ die schönste Verbindung von eingängiger Musik mit anspruchsvoller Sprache, die uns in letzter Zeit zu Gehör gekommen ist…

Ein “ganzes Album” aus eigener Produktion 😉 sind wir nicht alle ein geiles Institut?

 

5 Jahre Nachtfahrt Perlentaucher

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 22. September – „Die Musik- und Literatur-Gefühlsweltreise von Norbert K.Hund + Christopher Schmall aus der etwas spezielleren RADIOFABRIK: Jeden zweiten Freitag im Monat tauchen wir dazu LIVE durch tiefgründige Themen -> Gut zu hören – von 22:00 – 01:00 Uhr!“ Wahrlich, so steht es geschrieben in unserem Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog. Und das ist beileibe keine leere Drohung wie so manches Wahlversprechen heutzutage. Wir meinen nämlich durchaus, was wir da tun und sagen! Nachdem diese illustre Sendung am letzten Freitag dem 13. mit der nunmehr 60. Ausgabe ihren 5. Geburtstag gefeiert hat, wollen wir die sich bietende Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, auch euch, liebe Artarium Hörmuscheln und Ohrrüb_innen auf den Geschmack dieses im Wortsinn tiefgehenden Radioprojekts zu bringen. Denn wir haben – wie ihr wisst – noch lange nicht genug…

P1000510blauDer junge Suchende zieht also irgendeine “erwachsene” Ritterrüstung an und stülpt sich dazu noch einen vorgefertigten Helm über (namens Gott, Ehre, Stolz, Heimat,..) Schon lernt er nichts neues und anderes mehr, als mit den bereits vorhandenen Symbolen mehr oder weniger “richtig” umzugehen. Ob man ihm jetzt noch dazu beibringt, die Rüstung schön anzumalen oder sich darin anmutig zu bewegen, ist scheißegal – er hat sie ja längst an! Dazu hat er auch noch den passenden Helm, Hut, Denkschädel auf. Ob er sich an selbigen dann Blumen, Federn oder Würste steckt – das ist ebenfalls wurscht. Denn Hut bleibt Hut, Herrschaft bleibt Herrschaft, und Gewalt bleibt so eben auch. Es kann also nicht darum gehen, den “ein richtiger Mann” werden wollenden Jugendlichen dabei zu beobachten, wie er das “richtige oder falsche Ficken” lernt. Es ginge vielmehr darum, ihm endlich zu erlauben (und ihn dabei auch zu unterstützen), eine Sexualität zu entdecken und zu erleben, die sich mit überkommenen Brutalbegriffen wie “ficken, pudern, schuastern” gar nicht mehr beschreiben ließe… 😀 Denn wer zu sehr danach strebt, zum Abbild seiner Vorbilder zu werden, der sollte sich dann auch wirklich nicht wundern, dass sein Selbst als ein Abziehbild daher kommt. (Norbert K.Hund in „überwinden verwandeln“ vom 13. September 2013)

unterm radWir wachsen so selbstverständlich mit der Sprache auf, dass uns teilweise gar nicht mehr auffällt, wie zauberhaft und magisch sie sein kann. Sie kann Welten öffnen, fantastisch und traumhaft; sie vermag es aber auch uns zu verletzen, hässlich zu sein, widerlich und ekelerregend. Sie ist unendlich weit, farbenfroh und so facettenreich; dennoch stoßen wir hin und wieder an ihre Grenzen. Sprache kann wirklich sprachlos machen. Manchmal verschlagt es uns die Worte, wir können nichts mehr sagen, bringen keinen Satz mehr hervor, als hätten wir verlernt zu sprechen…

Ich als Dichter lebe von ihr. Ich liebe und ich hasse sie; und bin auf sie angewiesen. Es ist schon merkwürdig wie ein Wort den Sinn eines ganzen Satzes verändern kann. Es ist ein ständiges Abwiegen, ein andauerndes Überlegen und Feilen, eine Arbeit, eine Beschäftigung, die niemals aufhört, immer weiter geht. Ich bin im Bann der Worte. Und kann doch über sie bestimmen! Ich glaube, es ist eine Art Symbiose. Ohne Worte könnte ich nicht meine Gedanken nieder schreiben und ohne mich blieben sie nur seltsame Hieroglyphen… (Christopher Schmall in „Dichterwerdung“ vom 8. August 2013)

Also begleitet uns diesmal ein Stück weit durch unsere letzten Perlentauchereien, von welchen wir Auszüge von selbst gelesenen Texten und  dazu passenden Musiken spielen werden. Und erfahrt auch etwas mehr über die Idee hinter den Nachtsendungen und über ihre Geschichte des Geschichtenerzählens. Womöglich bekommt ihr dann ja auch Appetit aufs Nachhören der einen oder anderen Episode – derlei Bedürfnisse lassen sich gut im CBA-Archiv der Sendereihe befriedigen. Den stimmungsvollen Nachtfahrt-Kurzfilm von Markus Huber empfehlen wir euch ebenfalls gern als Vorspiel – ähm – Speise.  Und apropos – wir haben euch lieb! 😉

 

Sexy Songs, seltsam…

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 8. September – Leider, leider zieht Teresa Reiter um – und weiter, nach England an die renommierte Kingston University, um sich dort ihren Master of Journalism zusammen zu brauen. Wir wünschen ihr dabei alles Gute – allerdings auch mit einem weinenden Auge, müssen wir doch deshalb die eigentlich für diesen Sonntag geplante gemeinsame Sendung über den Südsudan bis auf weiteres verschieben. Wir waren schon sehr neugierig auf ihre persönlichen Eindrücke aus dieser erst vor gut zwei Jahren entstandenen Republik in einer nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen immer noch vor sich hin kriselnden Region – zwischen heftigem „United Nation Building“ und möglichem „Failed State Szenario“. Auf ihrem Blog hat sie schon mal einen appetitlichen Artikel darüber veröffentlicht. Auf Englisch natürlich 😉

Kleiner Mann, was nun?Aber verschoben ist nicht aufgehoben, versprochen! Und es wäre beileibe auch nicht das erste Mal, dass wir uns ein Kunnstbiotop quasi übernacht aus den Rippen schneiden. Wir sind nämlich – eh scho wissen – ein geiles Institut. Deshalb verlegen wir die Reisereportage einfach nach innen und berichten zum Beispiel aus der Autonomen Republik Perlentaucher: Für die nächste Nachtfahrt am – jawohl – Freitag dem 13. September haben wir uns schon eine ganze Menge vorgenommen. Zum Thema „verwandeln überwinden“ wollen wir vier Stunden auf den Spuren der Selbstwerdung verweilen – alt und jung, selbst und anders, Paradox und Parzival…

Um aber all den inwendigen Wandlungen auch außenweltlich gebührend Gestalt zu geben, befeiern wir bereits in aller Vorfreude das am 16. September erscheinen werdende Album „Loud Like Love“ von Placebo. EingeweihtInnen wissen, dass es sich hierbei um eine unserer absoluten Lieblingsbands handelt: „Brian Molko, du geile Sau – wir wollen ein Kind von dir!“ Doch auch jenseits bereits bereister Soundpfade und Genregegenden sind wir neugierig geblieben – und so ist es uns ein besonderes Volksfest, euch noch vor der Nationalratswahl Folgendes zu verkündigen: Der deutsche Sprechgesang, auch HipHop oder Rap geheißen, hat sich endgültig aus seinem schwanzschwingenden Herkunftsghetto emanzipiert und ist mittlerweile in den Zwirbeldüsen der Philosophen und Intellektuellen gelandet. Na, wenn das mal keine fette Erleuchtung ist: Shaban & Käpt’n Peng – „Sie mögen sich“ oder auch Käpt’n Peng & die Tentakel von Delphi – „Der Anfang ist nah“ Unbedingt anhören! 😛

 

Aufstand des Gewissens

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 25. August – In einer nie gehaltenen Rede heißt es: Die Musik, das Theater, die Poesie – kurz: die Kunst – transportieren die Menschen jenseits ihrer selbst. Die Kunst hat Waffen, welche der analytische Verstand nicht besitzt: Sie wühlt den Zuhörer, Zuschauer in seinem Innersten auf, durchdringt auch die dickste Betondecke des Egoismus, der Entfremdung und der Entfernung. Sie trifft den Menschen in seinem Innersten, bewegt in ihm ungeahnte Emotionen. Und plötzlich bricht die Defensiv-Mauer seiner Selbstgerechtigkeit zusammen. Der neoliberale Profitwahn zerfällt in Staub und Asche. Ins Bewusstsein dringt die Realität, dringen die sterbenden Kinder. Wunder könnten in Salzburg geschehen: Das Erwachen der Herren der Welt. Der Aufstand des Gewissens!“

Das fatale DuettEine solche Rede hätte der Schweizer Soziologe und Globalisierungskritiker Jean Ziegler zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2011 gehalten, wenn er nicht rechtzeitig und auf die allerpeinlichste Weise daran gehindert worden wäre. „Verhaften sie doch die üblichen Verdächtigen!“ möchte man dem Polizeichef von Kassablanca heute noch zurufen, doch „die höchste Stufe des organisierten Verbrechens ist der Kapitalismus“ wie Jean Ziegler bereits 1999 in einem ORF-Interview feststellte. Und auch die Repressitanten und Repräsidentinnen dieses höchststaatslegalen Geldverschwindungstheaters der globalen „Bank-Halunken und Spekulations-Banditen“ scheinen für das gemeine Traumvolk des Friedens seltsam ungreifbar zu bleiben. Gut, die eine hat sich ja erst kürzlich selbst auch wieder unter die Ausgeladenen eingereiht. Und die andere outet sich seit jenem Sommer mit Sprüchen wie „das ist nicht das Theater, das wir hier in Salzburg haben wollen“ – als eine letzte Ignoranzinstanz gegenüber den gesellschaftlichen Wirklichkeiten in der Kunst.

Niveau ist keine HautcremeDie von ihr dergestalt abgefertigte Performance „Das ehemalige Haus“ von SIGNA thematisierte etwa Frauenhandel und Zwangsprostitution. Und Jean Ziegler wollte die Festspielprominenz mit dem tatsächlichen Skandal des Welthungers und der Verteilungsungerechtigkeit konfrontieren. Zudem noch mit gebotenem Realismus: „Aber keine Angst, dieses Wunder wird in Salzburg nicht geschehen! Ich erwache. Mein Traum könnte wirklichkeitsfremder nicht sein! Kapital ist immer und überall und zu allen Zeiten stärker als Kunst. „Unsterbliche gigantische Personen“ nennt Noam Chomsky die Konzerne. – „L’art pour l’art“ hat Théophile Gautier Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben. Die These von der autonomen, von jeder sozialen Realität losgelösten Kunst, schützt die Mächtigen vor ihren eigenen Emotionen und dem eventuell drohenden Sinneswandel.“ 

So billig hätten sie es dann von mir aber nicht bekommen: „Das letzte Licht ist verlöscht. Kein Raunen geht durch die Menge. Regungslos sitzen die Festspielgäste auf ihren Polstersesseln. Sie sind in diesem einzigen, unendlich lang atmenden Augenblick endgültig ganz und gar zu Stein geronnen. Und niemand vermisst sie. Wenn in hundert Jahren ein neugieriger Mensch die Saaltüren öffnen wird und wenn der erste Sonnenstrahl mit einem Hauch frischer Luft ihre erstarrten Körper berührt, dann werden sie zu Staub zerfallen und sich im Wesen ihres Nichts auflösen.“

 

Sommer Textase Reloaded

Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 28. Juli – Ja, liebe Leute, es ist Sommer und wir sollten eigentlich auch schon längst urlaubend unterwegs sein – doch nix da! Aus querwissenschaftlich noch zu untersuchenden Gründen halten wir die eine oder andere Stellung – und beliefern euch auch diesmal wieder livehaftig mit Nektar und Ambrosia aus dem Äther, der die Welt erleuchtet. Immerhin umtoben uns pünktlich zur Hitzewelle nicht nur die üblichen unüberschaubaren Touristenströme, sondern auch die unausweichlichen Sommerfestspiele nebst ihrer ebenso unvermeidlichen weil überallgegenwärtigen Präsidentin. Da ist es dann fast schon verpflichtend für ein „etwas anderes Kunnst-Biotop“, aus den ihm innewuchernden Verschlingpflanzen ein hochpotentes Heiltrünklein zu destillieren – gegen Ekel und Überdruss der schwindligen Hochzeit von Hochfinanz und Hochkultur. Zupfen wir es uns also selbst zurecht…

In vino veritasWohnen wir also einer wunderlichen Weinprobe bei, welche von Jochen Malmsheimer und Thomas C. Breuer als Radioratgeber vorgetragen wird und abschließend (natürlich) illuminös ins Absurde ausartet. Lauschen wir der von Christian Brückner meisterlich rezitierten Übersetzung des Charles Bukowsky Klassikers „The Last Generation“ und beginnen wir dabei zu verstehen, was „unconveyable“ bedeutet. Hören wir ein Streichquartett, das wirklich jeder kennt (weil es Pink Floyd spielt) sowie ein Cello-Solo, das zu den besten der Welt gehört (jedenfalls auf Rockmusik-Bühnen) und lassen wir uns von Lou Reed beraten:

When you’re growing up in a small town
you know you’ll grow down in a small town
there is only one good use for a small town

You hate it and you’ll know you have to leave

In diesem Sinne versuchen wir uns wieder einmal am angewandten Paradoxon des Thomas Bernhard’schen „in die entgegengesetzte Richtung“ Gehens – und bleiben dabei doch, wie wir gekommen sind – erst einmal da. Und wir machen ein wenig Werbung in eigener Sache – für die nächste Nachtfahrt am 9. August nämlich, die irgendwie auch der Dichterwerdung von Sprachfaszinierten gewidmet sein wird. Sind wir nicht ein noch geileres Institut? 😀

 

Woher Wohin (Norbert)

Stream/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Juli – Das Triumvirat der Möglichkeitsformen begibt sich auf Reisen und entspricht somit der Sommerszeit. Bombastisch überfrachtet mit Erwartungen von Glückseligkeit und Offenbarung muss diese allzu kurze Saison des Kurzärmeligen unsere sonstige Alltagsverhaftung und Eingesperrtheit mit nichts Geringerem kompensieren als mit – Freiheit. Jawohl, Freunde und Dinnen, jetzt wollen wir aber alles auf einmal und das bitteschön augenblicklich! Man gönnt sich ja sonst eh viel zu wenig und lässt sich auch meist allzu leicht in Sachzwänge und Betriebsamkeiten einteilen. Doch jetzt wird endlich gelebt, und zwar mit Vollgas! Der Ernst des Lebens kann warten – und zwar genau bis zum nächsten….. Wie bitte? Hallo Hamsterrad, Hamsterdam, Hamster denn ins Hirn gschissen? Wir wären jedoch nicht wir, wenn wir dem Konsumwichteltum nicht hinter seine gelackmeierte Grinsmaske zu schauen versuchten. Und da fängt das Abenteuer auch schon an…

Gußwerk, SteiermarkWer bin ich überhaupst? Und wenn nicht, wann dann! Kein Scheiß, es gibt einen tiefen Zusammenhang zwischen Unterwegssein und Selbsterkenntnis. Zwischen dem „sich selbst in anderen Situationen als den üblichen gewohnten erleben“ und der Möglichkeit, diese Erfahrung als Spiegel der eigenen Persönlichkeit zu nutzen. Und es gibt darüber hinaus so etwas wie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen „woher und wohin“. Formulieren wir es einmal als These des Reisenden: Je weniger mir klar ist, woher ich komme, desto unklarer bleibt mir auch, wo es mich eigentlich hin treibt. Das wirkt sich dann allerdings wiederum auf mein Verständnis über mich selbst aus – je weniger mir bewusst ist, woher ich komme und wohin ich gehe, desto verborgener bleibt mir auch, wer ich etwa wirklich bin. Wir spielen mit diesen Ideen von Anfang und Ziel auch vor dem Sinnbild des gesamten Lebenswegs als einer Wanderung voller Visionen und Umwege, plötzlicher Wettereinbrüche, spontaner Abzweigungen…

Am Fuß des UntersbergsDenn das Wohin ist auf dieser Lebensreise oder einer Selbsterfahrungsfahrt nie so klar definiert wie etwa bei einem Urlaubsflug in den All-Inclusive-Club in Animateuer am Idiotischen Meer. Wir sollen das bloß alle glauben! Dass die Welt beherrschbar, berechenbar, bezahlbar und einklagbar ist. Und ja, kontrollierbar! Aber sicher doch, es gibt keine Unfälle und Krankheiten, nicht einmal behinderte Kinder. Es gibt auch keine Armut, nur Faulheit! Es gibt höchstens Hochglanzversprechen von der schönen neuen Welt – dazu viel zu viele, die einfach herumsitzen und darauf warten. Wenn wir jedoch aufbrechen, vom Erwartbaren Abschied nehmen und einen neuen Weg beginnen, dann kommen nicht nur wir in Bewegung, sondern auch unsere Umgebung. Und wenn wir das kreative Vakuum des noch Unbestimmten auf uns wirken lassen, dann können sich aus unseren Ideen auch konkretere Perspektiven entwickeln. Hier bekommen wir es also mit der anderen Seite zu tun, dem vertrauenden Weitergehen. Der Weg ist das Ziel…

Mondsee um 1960Doch wenn wir nicht wissen, woher wir kommen und wer wir sind, dann werden wir es viel schwerer haben, unsere Richtung zu finden. Wenn unsere Eltern etwa früh gestorben sind oder so traumatisiert waren, dass sie uns nur einen zurecht interpretierten Ausschnitt ihrer Gefühlswirklichkeit mitteilen konnten, dann fehlt uns schnell einmal die halbe innere Selbstwahrnehmung. Und damit auch die nötige Gelassenheit, unsere Gefühle und Bedürfnisse im Bedarfsfall deutlich genug wahrnehmen zu können. Es macht wahrlich den einen wesentlichen Unterschied im Leben aus, wie sehr man sich selbst von Anfang an spüren konnte und in welchem Ausmaß man dabei auch Aufmerksamkeit und Resonanz erfuhr. Dieser Mangelzustand betrifft allerdings den größten Teil der „zivilisierten“ Menschheit. Was einiges zu erklären vermag, aber noch nichts verändert, solange es uns nicht mehrheitlich bewusst wird. Doch wir arbeiten daran! Wir sind freiwillig seelenverwandt. Im Fluss des Lebens entsteigen wir dem Land… 😉

 

Fleischeslustgemüse

Download: Artarium vom Sonntag, 23. Juni – Zwischen Fleischeslust und Gemüsewahn suchen wir nach Wegen durch das Dickicht der ethisch bedenklichen Essgewohnheiten und forschen jenseits der Moralinsäure nach lustvoll leckeren Alternativen. Zu Gast ist wieder einmal Sophie, mit der ich bereits vor Jahren das Kriegstagebuch meiner Mutter zu einem Denkanstoß über Kindersoldaten im 3. Reich verfeatured habe. Mittlerweile erfreut sich die wackere Sophie bereits ihrer bestandenen Matura, für welche sie unter anderem eine detailreiche Fachbereichsarbeit in Biologie zum Thema „Fleischkonsum – Massentierhaltung und deren bedenkliche Auswirkungen“ verfasst hat. Und nachdem wir bei aller Kritik an einem fragwürdigen Bildungssystem auch immer gern etwas von dessen sinnvolleren Früchten zur Verkostung anbieten, werden wir in dieser Sendung einigen verdrängten Tatsachen hinter unserem fröhlichen Fleischmarkt nachgehen…

Gemüse der SaisonEs ist ja auch nicht alles so ganz einfach, wie es sich die idealistischen Weltbildner der schwarzweißdenken Missionarsschule oft so zurecht reimen. Denn zum gedeihlichen Gespräch über die reinen Freuden des Fruchtfleischverzehrs und die wohl unbestreitbaren Abgründe der industriellen Tierkörperverwertung gehört sicher mehr als das zeigefingernde Schwingen der Gewissenskeule. Umso mehr noch, wenn einer der drei Gesprächspartner ein überzeugter Allesfresser ist, dem anderen Fleischprodukte einfach nicht mehr bekömmlich erscheinen – und die dritte sich gerade auf dem Entwicklungsweg vom Ovo-Lacto-Vegetarismus zum reinen Veganismus befindet. Derlei unterschiedliche Ansätze erfordern schon ein gewisses Maß an humorvoller Toleranz, wenn es bei solch einem erschreckenden und verstörenden Thema nicht gleich zu zwischenmenschlichen Verbalgewaltausbrüchen kommen soll. Allerdings birgt ja gerade das Spiegeln dieses komplexen Themas in verschiedenen Anschauungen den besonderen Erkenntnisreiz.

Radical AnimalWir leben in einer Welt, in der Menschen aus reiner Macht- und Profitgier die fürchterlichsten Verbrechen an der Natur verüben. Und auch wenn hierzulande keine Wälder großflächig abgeholzt und keine Gebirgszüge nachhaltig umgegraben werden, auch wenn die Vororte unserer Städte keine unkontrolliert wuchernden Giftmüllkippen darstellen – so gibt es doch eine Erscheinungsform dieses weltweit wirklich alles und jedes rücksichtslos zur Ware machen wollenden Vermarktunginteresses, von dem auch wir tagein tagaus betroffen sind – die industrielle Produktion von und der aggressive Handel mit Nahrungsmitteln. In unserem speziellen Fall – die Fleischindustrie – und alle damit verbundenen Erscheinungen wie Hühnerbatterien, Großschlachthöfe, Tiertransporte – und was der dokumentarische Albtraum sonst noch so alles an Fieberphantasien für schlaflose Nächte hergibt! Gesund ist das nicht. Nur – wir kaufen dieses Fleisch, kochen es, lassen es uns zubereiten und – wir essen es. Was aber tun, wenn wir genau das nicht mehr wollen?

Wir sind übrigens auch ein geiler Gemüsestrudel 😀

 

Monsters of Radiomaching

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 26. Mai – Frischgebackener Sendungsmacher – und gleich auch noch mit Diplom! Nach nunmehr zweieinhalb Jahren Radiopraxis als Mitgestalter der Sendungen Artarium und Nachtfahrt/Perlentaucher begrüßen wir heute unseren allseits beliebten Copiloten Christopher Schmall runderneuert und vollberechtigt zurück an Bord. Fix und fertig ausgebildet im inzwischen noch interaktiver und praxisnäher ausgelegten Basisworkshop der Radiofabrik und somit einigermaßen angefüllt mit allerhand neuen Eindrücken und Ideen. Herzlichen Glückwunsch 😀 Darüber – und was sich daraus noch entwickeln ließe – können wir uns ja gleich einmal live unterhalten. Und über unser anstehendes Oral-History Projekt zum 100. Geburtstag von Marko Feingold, den wir diese Woche zwei Nachmittage lang gemeinsam im Gespräch mit einer Gruppe junger Menschen aufnehmen durften…

Diplom Radio ChrissVielleicht spielen wir dazu Musik aus den kommenden Sendungen. Vielleicht aber auch ein Potpourri unserer Lieblingslieder aus früheren Playlisten. Vielleicht lesen wir ein Beispiel für wirklich informativ-unterhaltsamen Musikjournalismus. Vielleicht stellen wir zwei Versionen vom „alten Wessely“ zur Auswahl. Vielleicht nehmen wir dann die Originale vom Georg Danzer oder die Gecoverte vom STS-Schiffkowitz für unser Marko Feingold Portrait am 9. Juni. Vielleicht. Vielleicht fällt uns aber auch noch ganz was anderes ein. Vielleicht sind wir einfach intuitiv spontan. Vielleicht passen wir einfach gut zusammen. Vielleicht sind wir einfach ein geiles Institut. Und vielleicht hört ihr uns auch dieses Mal wieder zu. Was uns ganz bestimmt freuen würde. Nicht nur vielleicht 😉 denn wir haben euch lieb…

Übrigens ist diese Woche Ray Manzarek gestorben, der geniale Keyboarder und Mastermind von The Doors. Hier sein Nachruf von Markus Lust auf vice.com – nachgerade entzückend!

 

the who the what the yeah

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 19. Mai – Bandportrait mit Nebenwirkungen oder Entwicklung ist ein schwer fassbarer Prozess. Das Artarium Team besucht den Roten Salon im ARGE-Studio und wohnt dortselbst einer bewegenden Livedarreichung bereits bekannter sowie erst im Herbst erscheinen werdender Musikstücke bei. Wiewohl vom Andrang bewegter Massen eher spärlich betroffen und von jeglicher Tanzlust der berufscoolen Salzbürger sowieso weitestgehend verschont, machte uns dieser intime Abend Lust auf mehr – und vor allem neugierig auf das anstehende neue Album von the who the what the yeah, welches inzwischen unter abenteuerlichsten Umständen im winterlichen Vorarlberg aufgenommen worden war, noch dazu produziert von keinem Geringeren als dem österreichen Underground-Urgestein Hans Platzgumer. Also luden wir die Herren Martin und Lukas nach dem Konzert noch zum etwas hintergründigeren Gespräch über die Entstehungsgeschichte eines einstweilen noch namenlosen Werks.

twtwty radioshowWieso also die Arlberghütte ein geeigneterer Ort zur Albumaufnahme sein kann als etwa ein großstädtisches Tonstudio, das erschließt sich erst im Zusammenhang mit der Feststellung, dass ein Tourleben nach dem Motto „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ nicht notwendigerweise hässlich machen muss. Und nachdem uns ohnehin eine gewisse Geschichte von Entwicklung und Erkenntnis mit diesem angenehm ungewöhnlichen Musikkollektiv verbindet, wollten wir eher den künstlerisch-philosophischen Details ihrer Arbeitsweise nachspüren. Anstatt etwa dem redundanten Ranking von Verkaufszahlen Raum zu geben, wie derlei von der angeblich allgemeinen Massenöffentlichkeit kommerziell-rechtlicher Umsatz- und Gewinnmedien als für uns alle irrsinnig interessant dargestellt (und dabei von ihnen selbst hergestellt) wird. Nein, die kritische Würdigung des Schaffensprozesses muss sich jeder marktschreierischen Anbiederung an die global vorherrschende Wachstumsideologie entschlagen, sonst ist sie nichts anderes als Prostitution für internationales Marketendering. Und welche Herangehensweise wäre den Herausgebern von „Nervöse Welt“ angemessener? Eines derartig nervenaufreibend selbstkritischenen wie systemzerfragenden Konzeptalbums, dass es sich sogar Thomas Oberender zur Inspiration seiner letzten Salzburger Festspielaison als Schauspieldirektor angedeihen ließ. (-> Oberender-Portrait mit Statement dazu online)

twtwty martinFreuen wir uns also auf ein paar lustige wie auch nachdenkliche Einblicke in die Entstehung von Text und Musik des noch unbenannten neuen Albums, das heuer im Oktober oder November veröffentlicht werden soll. Beleuchten wir auch gleich ein paar grundlegende Aspekte ernsthafter Arbeit mit angloamerikanisch geprägter Rockmusik und deutschsprachigen Texten. Und hören wir vor allem die Entwicklung dieser Arbeit in einigen Songs – vom ersten Album „blackbox“ über die gefeierte „Nervöse Welt“ bis zur (uns lieberweise schon vorab zur Verfügung gestellten) Singleauskopplung „Neuseeland“ vom mit Spannung erwarteten „Herbstalbum“ 😉

Wir sind ein geiles Institut. Und sieben Jahre Klavierunterricht sind vielleicht doch genug…

 

Nights from the Alhambra (Part 1)

Download: Artarium vom Sonntag, 12. Mai – Loreena McKennitt Live in der Alhambra

“A good traveller has no fixed plans and is not intend on arriving” (Lao-Tse)

Mit diesem Zitat könnte man das musikalische Schaffen der Kanadierin Loreena McKennitt beschreiben. Ihre Lieder sind eine Reise. Eine Reise in ferne, exotische Klänge und Kulturen. Eine Reise in die mystische Welt der Kelten. Eine Reise in magisch getragene Länder hinter dem Horizont. Aber vor allem sind sie eine Reise zu den eigenen Wurzeln und zu sich selbst. Mich trägt sie mit ihrer Stimme und ihren Texten, welche sie in ein traumhaft schönes Musikbett kleidet, zu einem Ort, der tief in mir lebt und atmet. Sie berührt mich tief unten in meinem Gefühl, tief unten in meinem Herzen.

Alhambra1Ich lasse mich jedes Mal fallen, wenn ich ihre Musik höre. In unerforschte Gebiete meiner eigenen Innenwelt. In weite Wälder. In tiefe Meere. In nächtliche Lichter. In das Atmen des Windes. Sie ist ruhig, innerlich, ohne Hast. Verbindet aber Rhythmen voller Bewegung, Trommeln, die den Rand eines Vulkans umtanzen, Celli, die dunkle Nächte weben, Geigen, welche die Luft durchschneiden.

Die Instrumentierung geht also weit über den Rand der World-Music-Schachtel hinaus und besteht unter anderem aus E-Gitarren, Bouzoukis, Klavieren, Harfen, Akkordeons und noch so einigem mehr. – Wer Loreena McKennitt nicht kennt, der sollte sich sicherlich Zeit nehmen um diese Musik zu erforschen und zu beobachten, was sie mit einem macht oder was sie einem erzählt. Und wenn man dann vielleicht erkennt, dass man in einen Zustand völliger Gelassenheit gerät, kann es durchaus passieren, dass diese besonderen Klänge Spuren im eigenen Verständnis hinterlassen.

Alhambra2Das Album von heute, „Nights From The Alhambra“, wurde im September 2006 im Palast von Karl V. in der Alhambra in Granada aufgenommen und ist für mich zu einem der wichtigsten Alben geworden. Es wurde eine ganz eigene Stimmung aufgezeichnet, welche man fast greifen kann. Dieser Ort strahlt auch nach hunderten von Jahren immer noch viel Kraft und Poesie aus. Und diese Atmosphäre wird eins mit den Klängen, den Worten, dem Stein und den Geschichten, die dieser Ort zu erzählen weiß. Diese Musik ist eine Reise. Dein nie enden wollender Weg. Eine Straße, die beständig fortführt. In Länder, die man sich schöner nicht erträumen könnte. Und eben zu Orten, die auch tief in uns schlummern.

Christopher Schmall