Abgehalfterte Staatsgünstler

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. AugustWillkommen in der Fakepublik Östernews, wo die braunen Haufen alles Menschliche niedertrumpeln und dabei so übel riechen wie eh und weh. Wolfgang Ambros zum Beispiel sei ein “abgehalfterter Musiker” und “Systemgünstling”, dem nun in dieser neuen Zeit der schwatzblaunen Volksbeglückung die für ihn einst so lukrativen Staatsaufträge davonschwimmerten. Derlei behauptet ein gewisser Herr Hafenecker von der FPÖ (der bislang weitgehend unbekannt war), aber inzwischen zusammen mit dem renommierten Ischias-Experten Harald Vilimsky deren Generalsekretär gibt. Und einmal abgesehen davon, dass der Wolferl nie irgendwelche öffentlichen Aufträge oder Subventionen erhalten hat, wie sein Manager berichtigt, wer ist hier der von unserem Geld bezahlte Staatsgünstler?

Staatsgünstler“Staatskünstler” hingegen ist ein Hetzwort, mit dem die rechten Ränder schon immer jedwede unbequeme Gesellschaftskritik in der Kunst verunglimpft haben. Es bedeutet, ähnlich den neurechten Kampfbegriffen “Systemmedien” oder “Lügenpresse”, jede gegen sie gerichtete kritische Äußerung auszumerzen. Wobei, so ganz neu ist diese Begrifflichkeit auch wieder nicht, denken wir nur an die “Entartete Kunst”. Entwertende Worte wie “Staatskünstler” und “Systemgünstlinge” vermitteln zugleich auch die Vorstellung, dass bestimmte Kunstformen ohne Unterstützung der Allgemeinheit nicht lebensfähig sind. Zu “lebensunwert” ist es da nur noch ein ganz kleiner (Gedanken-)Schritt. “Wenn wir sie schon nicht umbringen dürfen, dann können wir sie ja verhungern und somit aussterben lassen.” Das lässt sich wunderschön neoliberal verbrämen und als zutiefst wirtschaftsfreundlich verkaufen. Ich erinnere mich an ein recht bierseliges Gespräch mit Jörg Haider, in dem er uns schon 1994 sein Konzept für eine “neue” FPÖ-Kunstförderung erklärte: Jede/r Kunstschaffende hat einen Rechtsanspruch auf Anschubfinanzierung seines/ihres ersten Projekts (unter Umständen noch des zweiten oder dritten) – wenn es sich danach “nicht auf dem Markt durchsetze, sei die Sache für die öffentliche Hand erledigt.” Siehe oben, aussterben. Oder sich sonstwie in den Arbeitsmarkt eingliedern. Das hätte dem Herrn Haider gut getan. Und wohl auch dem Land Kärnten. Aber ein Bärental als Anschubfinanzierung ist halt doch…

An dieser Stelle überlasse ich meine geneigten Leser*innen ihrer eigenen Phantasie. Doch jetzt wieder zurück zum Ausgangspunkt der Geschichte: Der Ambros Wolferl hat nämlich unlängst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung folgendes gesagt: “Ich bin mir sicher, dass es viele braune Haufen in der FPÖ gibt.” Und seither rotiert ein von unserem Geld bezahlter FPÖ-Auftragsrüpel wie zu erwarten vor sich hin. Ein niedersprachlich desorganisierter Staatsgünstler, der sich an einem Fixstern der österreichischen Identität vergreift. Wie das ausgehen wird, dürfte ja klar sein.

Das abgebildete Buch mit dem hierzu passenden Titel ist bei Kremayr & Scheriau zu beziehen, von wo wir auch die Cover-Illustration her haben. Ganz liebe Grüße!

 

Eric Burdon – Winds of Change

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Juli – In unserer monatlichen Sendereihe “Das ganze Album” greifen wir diesmal besonders tief ins Archiv der Zeitgeschichte und präsentieren ein wegweisendes Werk aus dem Jahr 1967, als sich erstmals der Widerstand gegen den Vietnamkrieg formierte, die Flower-Power-Generation den Weltfrieden anstrebte – und Experimente mit psychoaktiven Substanzen in Kunst und Kultur populär wurden: “Winds of Change” von Eric Burdon und seiner damals oft auch “The New Animals” genannten Band. (Hier die Beschreibung eines Fans). Nachdem wir uns mit der angesprochenen Epoche schon mehrmals befasst haben, vom israelischen Peacenik Abie Nathan bis zum Jahrhundertfilm Apocalypse Now, wollen wir nun speziell den Einfluss von LSD auf die Musikwelt jener Zeit würdigen.

Eric Burdon - Winds Of ChangeWie wir unlängst bei Bruce Eder auf Allmusic erfuhren, hat der Englandflüchtling Eric Burdon einige Monate vor den Recording-Sessions zu “Winds of Change” seinen ersten Acid-Trip versucht, was uns den Songtitel “Yes, I am experienced” auch jenseits von Jimi Hendrix begreiflich macht… Des weiteren wiederspiegelt sich diese Eric-Burdon-Experience” sowohl in der Gesamtgestaltung des Albums (dem zeittypischen Psychedelic-Sound), als auch in einzelnen recht experimentellen Spoken-Word oder besser Word-over-Music-Tracks wie etwa “Poem by the Sea” und “The Black Plague”. Herausragend ist zudem sein Rolling Stones Cover von “Paint it Black” mit sitarähnlichen Violinklängen und improvisierten Textpassagen. Das ganze Album ist folgerichtig auch dem großen Inspirator des west-östlichen Musikdiwans, dem inzwischen völlig zu Unrecht verstorbenen Ex-Beatle George Harrison gewidmet. Wie dem auch immer sei – das gegenständliche Werk klingt und spricht für sich selbstes gehört nicht nur (wieder) gehört, sondern es soll in seiner gesamten Anmutung mit allen zur Verfügung stehenden Sinnen erlebt werden. Weshalb wir es in voller Klänge (und originaler Länge) zu Gehör bringen. Hoffentlich auch zu Gespür! Gehen wir also gemeinsam auf eine (eben nicht nur Zeit-) Reise!

Are you experienced?

Yes, I am experienced.

Na, dann…

 

Fußball, Fußball, Fußball!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. Juli – Hiermit sei auch den hintersten Wäldlern unter unseren Hörerinnyen bekannt gegeben, dass wirklich schon wieder eine akute Fußball-Weltmeisterschaft ausgebrochen ist. Dieses Mal noch dazu im postkommunistischen Russland (Großputinien), was diesen Umstand auch nicht gerade sympathischer macht. Und hätte der Autor der Weltgeschichte noch Johann Nestroy geheißen, könnte man sich auf manch “sprechenden Namen” einen ganz eigenen Reim scheißen: Dann würde nämlich der frühere FIFA-Präsident nach einer ansteckenden Hautkrankheit benannt (Blattern), der aktuelle hingegen nach einer entwicklungspsychologischen Störung (Infantilo). Sofort wirds wieder lustig mit dieser milliardenschwären Verunstaltung einer an sich doch schönen Spielidee

FußballDie FIFA, dieser undurchsichtige Fußball-Weltverband, dient einzig dem Zweck, “den Fußball” überall zu verkaufen (was ihr auch völlig zu Recht oftmals vorgeworfen wird). Lässt sich in so einem immer noch mehr Geld anhäufenden Sumpf aus Kommerz und Korruption gar noch ein Rest Leidenschaft und Kultur entdecken – und somit (im Sinn des Perlentauchens) herausdestillieren? Derweil kann derlei durchaus noch gelingen, sofern man die Freude an spontan-kreativer Spielgestaltung und den Mut zu assoziativen Umwegen nicht schon vollends verloren hat: So habe ich neulich das uruguayische Nationalteam beim Spiel gegen Russland beobachtet und dabei echte Fußballkunst und Spielfreude entdeckt. Abgesehen davon, dass dieser wieselflinke Diego Laxalt auch eine wahrlich fröhliche Frisur zur Schau trägt. Irgendwie wollte ich da gleich mehr erfahren über dieses sympathische Land zwischen Argentinien und Brasilien, in dem anscheinend doch eine “etwas andere Kultur” gepflogen wird. Und siehe da, bei meinen Nachforschungen stieß ich auf eine der populärsten Rockbands des Landes, La Vela Puerca. Ob deren Name jetzt “Riesenjoint” bedeutet oder was auch immer, das bleibe dahingestellt – halluzinogen sind speziell ihre Texte allzumal.

Am berührendsten war für mich der Umstand, dass mitten in einem über 2-stündigen Livekonzert zum 20-jährigen Bandjubiläum urplötzlich ein Gedichtvortrag stattfand, was mir den hohen Stellenwert der Dichtkunst in der uruguayischen Populärkultur verdeutlichte. Es handelt sich dabei um die spanische Version einer Ode des großen portugiesischen Schriftstellers Miguel Torga von 1946, “A los poetas”. Ein irrer Text, den mir die gute Cristina Colombo für unsere Sendung ins Deutsche übertragen hat.

Für Überraschendes ist jedenfalls gesorgt, so dass sogar Fußballgleichgültige oder Fußballablehnende dieser Themenstellung etwas abgewinnen können. Toooooooor!

I werd narrisch!

 

Nachwurf auf Stefan Weber

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. JuniDer große Vorsitzende von Drahdiwaberl, der “exzessivsten Band Österreichs”, ist nunmehr auch von uns gegangen. Wir werfen ihm daher, ganz in seinem Sinn, ein paar Reminiszenzen und, ja, natürlich, Fleischbatzerln hinterher. Mit Stefan Weber, der diese Musikkapelle seit dem Jahr 1969, zuletzt sogar trotz seiner schweren Parkinson-Erkrankung, als ein sich immer wieder neu erfindendes Aktionskunstprojekt betrieb, verliert die heimische Kunstszene einen ihrer besten Referenzwerte für kritisch-abgründiges Hinterfragen, nämlich all dessen, was hierzulande “allgemein anerkannt” ist – und somit “normal” und “üblich” sei. So zum Beispiel der “gute Geschmack” oder das “gesunde Volksempfinden”, wie es der Boulevard bis zum Erbrechen zelebriert.

Nachwurf GummibeidlMa konn den Parki überlisten,
oba leida ned total ausmisten.
Ma konn den Parki ignoriern,
ma wird eam trotzdem imma spürn,
genauso wie die Midlife-Krise,
sich nix scheißen is mei Devise.

I wü liaba a Dauererektion,
i scheiß auf den Parkinson.
(The show must go on)

Geh weg, Parki!
Geh scheißn, Parki!
*zähnefletschknurr*

Diese Zeilen aus dem Parkinson-Blues (vom Drahdiwaberl-Album Sitzpinkler 2004) haben mich damals schwer beeindruckt – und sind eins von vielen Zeugnissen, wie radikal ernst es ihrem Autor mit seiner aktionistischen Selbstinszenierung immer war. Und dafür, Nachwurf 1, ist ihm unsere Bewunderung auch über den Tod hinaus sicher. In der legendären ORF-Sendung “Phettbergs Nette Leit Show”, über die wir das Portrait “Die Krücke als Zepter” gestaltet haben, ragte Stefan Weber als Gast naturgemäß ebenfalls heraus. Dieses übermenschelnde Künstlergespräch spielen wir, quasi als Nachwurf 2, in seiner vollsten Länge – und Schönheit. Und zum dritten Nachwurf gereicht uns eine der wenigen Drahdiwaberl-Nummern, die auch von der Konserve gespielt den Live-Exzess der Truppe rüberbringt: Die Nazioper von 1994.

Reminiszenzen gibt es hinsichtlich einer eigenen Performance-Oper (“White Noise – Mark will leben” 2007 in der ARGEkultur, zusammen mit Markus Janka, Daniel Toporis und Mea Schönberg). Theaterblut, Gummibeidl, Onanieren, da sind durchaus einige Parallelen erkennbar. Oder bezüglich der Musik, die Stefan Weber Zeit seines Lebens inspiriert hat: derjenigen von Frank Zappa. Ganz abgesehen von den zahlreichen Künstlern und Musikern (und * und -innen), denen der Drahdiwaberl wiederum selbst zur Inspiration wurde, das eine oder andere davon werden wir auch auspacken

Warum diese Sendung überhaupt anhören? – Weil ich es kann. Hahahahaha!

PS. Wir empfehlen zudem heftigst diese schöne Aufnahme: “Stefan Weber und Walter Gröbchen” (Stream aus dem CBA-Archiv) von aufdraht: vagabundenradio. Lesung/Liveperformance/Künstlergespräch aus dem Wiener Rathaus 2007 oder die Lehrer-Schüler-Begegnung der etwas anderen Art.

 

Owie lacht (Bilgeri & Köhlmeier)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. Juni (wegen Überlänge schon um 17 Uhr) Dies ist ein beinhartes Nostalgieprogramm. Allerdings richtet sich die Musik nicht gegen eine bestimmte Gruppe, sondern gegen Jedermann, der sich betroffen fühlt – auch gegen mich selbst. Owie lacht da ein jegliches, das die frühen Austropop-Hymnen der 70er Jahre noch selbst aus dem Radio gedudelt bekam. Etwa “Sein Köpferl im Sand” von Arik Brauer, dessen Vorspann ich hier eingangs verbrach. Oder die “inoffizielle Landeshymne” der beiden, vor über 40 Jahren auch mal im Duett als “Ray & Mick” auftretenden Hervorbringer des Albums “Owie lacht”, der unumstritten allererste alemannische Mundart-Ohrwurm “Oho Vorarlberg” von Michael Köhlmeier und Reinhold Bilgeri. Und wie verschieden sie dann sind…

owie lachtNachdem wir bereits in der Sendung “Die Köhlmeier Rede” auf Herkunft und Frühwerk des Schriftstellers verwiesen haben, um seine heutige Position in der medialen Erregung zu beleuchten (mit “March Movie”, dem legendären ORF-Hörspiel von 1983), reisen wir diesmal noch um ein weiteres Jahrzehnt zurück – in die Zeit seiner text-musikalischen Anfänge und fürwahr humoresken Mundart-Experimente. Als Beispiel für die interpretative Ergiebigkeit seiner damaligen Ergüsse sei hier der Zwischenspieljodler aus dem erwähnten Vorarlberglied angeführt (und genau so steht der Text im CD-Booklet):

Holleraggi, Dolleraggi, Ahiazolleraggi…
Roll roll roll Rolladen, Zwirnsfaden, Leberbraten usw…

Das sollte uns doch zu denken geben! Ganze Doktorarbeiten der Germanistik ließen sich daraus schnitzen, ja sogar Lehrstühle auf Lebenszeit – also, wenn man sich da mal Walther von der Vogelweide anhört?

Doch Scherz beiseite, hier noch ein paar Fußnoten fürs geneigte Sammelalbum unseres Publikums: Der auf Owie lacht enthaltene Song “Sus wär i sealbr dra” erinnert in seiner ganzen Aufmachung stark an “Ballad of a Thin Man” von Bob Dylan, wovon inzwischen auch eine schräge Coverversion von Laibach existiert. Michael Köhlmeiers sehr spezielles Verhältnis zu Urheberschaft und Inspiration verdichtet sich schön im Titel seines Albums “12 Lieder nach Motiven von Hank Williams” aus dem Jahr 2008. Und seine Vorliebe fürs Vervorarlbergisieren von internationalen Popmotiven ist ihm nach wie vor ungebrochene Leidenschaft, wofür diese Version von Lou Reeds “Walk on the Wild Side” als Beweis genügt.

Das Problem ist, mit der Arbeit fertig zu werden…

 

Kate Tempest

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. April – Es ist schon so eine Sache mit dem Schöpferischen – und Salzburg ist wahrlich eine Hauptstadtdes Nachmachens. Vom Festspiel- bis zum Rockhouse klingt das Allermeiste irgendwie so ähnlich wie schon mal dagewesen. Nie gab es hier eine Punkband namens Thomas Bernhard oder Die Ursache, die Punk als Konzept ihrer Arbeit angewandt hätte und nicht fad nach der zwölfzigsten Wiederkehr des Erwartbaren schmeckt. Einen Unterschied zwischen originärem Schaffen und industrieller Reproduktion macht kaum noch jemand in diesem sich immer schwindliger drehenden Eventkasperltheater namens Kunst- und Kulturmartkt. Und der Mammonmoloch thront feist über den Dächern… Trotzdem gibt es Künstler_innen, die um ihrer Aussage willen auftreten – und wie!

Kate TempestKate Tempest aus London wird ja längst als “uncategorizable” oder “poet without borders” bezeichnet, was uns naturgemäß sehr gefällt, aber eben auch den Kontrapunkt zum eingangs Beklagten darstellt: Wie unsere fiktive Band das Wesen des Punk, so hat Kate Tempest das Wesen des Rap abstrahiert und in ein Schaffensprinzip übersetzt, das ihre Arbeiten erfrischend neuartig und überaus eigenständig macht – völlig im Gegentum zum sonst üblichen Genre-Abklatsch. Billy Bragg sagt über sie: “Zum einen bin ich beeindruckt, dass sie all das als weiße Frau tut. Und dass sie dabei ein echtes Gefühl von Verletzbarkeit rüber bringt, dazu auch ein Gespür für Humor. So etwas kriegt man nicht im Mainstream-Rap. Ich habe sie mit ihrer Band laut sein erlebt, ich habe sie ihr Publikums durch ihr leise sein geradezu hypnotisieren erlebt. Und das sieht man ja auch nicht oft in der Rap-Szene.” Gut gebrüllt, auch einige der Gründe, warum wir Hasen Rap nebst Hip-Hop & Co generell nicht soo genial finden, Spokenword und Performance Poetry in all ihren Spielarten dagegen durchaus! Ein gutes Beispiel dafür ist das Kate-Tempest-Projekt Let them eat Chaos, das zugleich als Gedicht in Buchform, als Studio-Album und als Live-Performance daherkommt.

Wir wollen euch diese Künslerin in einigen Facetten ihres vielseitigen Schaffens vorstellen. Sie einmal in Salzburg live zu erleben wäre begehrenswert, aber ist das leistbar, zahlt sich das rechnerisch aus? Geh scheißen, Geldsäckulum, g’stinkerts!

 

Musas von Natalia Lafourcade

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. MärzDie mexikanische Sängerin macht sich gemeinsam mit dem Duo Los Macorinos auf die Suche nach ihren Inspirationen aus der weiten Welt lateinamerikanischer Klänge, nach ihren Musen sozusagen. So hat sie denn auch ihre zwei jüngsten Alben betitelt, nämlich Musas, deren erstes wir heute voller Freude zu Gehör bringen. Natalia Lafourcade war in den letzten Jahren als innovative Interpretin des Latin-Pop überaus erfolgreich, als solche auch bei der aktuellen Oscarverleihung zu Gast (was wohl nicht jedermanns Mainstream ist). In ihrem “Back to the Roots”-Projekt Musas jedoch spürt sie ernsthaft und feinsinnig all den Einflüssen nach, die sie im Lauf ihres Lebens und ihrer Karriere geprägt haben. Und in der Vermittlung dieser Musikwelt offenbart sie sich als eine echte Künstlerin.

Musas von Natalia Lafourcade„war wohl wieder ein gestrandeter abend, betrunken beraucht, antheringabend in freundes wohnung und ich meine rolle als nachtwächter selbsterfreulich einnehmend, nämlich ein sitzen vor der weltenscheibe mit zunehmender gedankenschwere und weiterer berauschung innerwärts – was die nacht erträglich macht. vor mir des internets abgrundsweite, zuflucht in bekanntem, oftgehörtem, abermals aberwitzigem, dann die suche nach bestimmtem, unbestimmt in der anzahl, unbestimmt auch die ungestümen einfälle im kopf des rauschenden…

und da erschien sie mir : in magenta und trübem blau, mit geschlossenen augen, geflochtenem haar und sang von einsamkeit und dem meer, von bolero und errötendem licht. unendliche sanftmut. stürmende lebenslust. es war echte musik, die schweben blieb im raum, mit dem rauch tanzte, sich mir ins spüren legte, an meine haut schmiegte – versickerte in jeder pompösen pore.

als ich vertraute war zeit ein wort ohne sinn
als wir verschmolzen färbte der himmel sich neu
als ich verstand begann erst mein fragen

in jeder zauberzüngigen zelle –
dort lebt sie nun, diese glühende welt, diese fremde so vertraute landschaft, lebt und wächst, verwebt und wandelt sich, mich.“

 

Grüner wirds nimmer

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. FebruarDer langjährige künstlerische Leiter der ARGEkultur (oder Geschäftsführer, wie es hierorts heißt), Markus Grüner-Musil übergibt seine Agenden mit 1. März an den Theatermacher Sebastian Linz. Mit Linz beginnts also (zumindest teilweise) wieder ganz neu, immerhin jedenfalls anders. Und so wird ringsum spekuliert über Inhalte, Schwerpunktsetzung oder Kontinuität, vor allem vom Stottern ist da immer wieder zu hören. Genau die richtige Zeit für uns, Freunde der gelungenen Sprache, dem kommenden Impresario hoffensdick sowie ohne Vorurteil zuzuwinken – und den scheidenden mit einem kleinen Nachwurf (aus seiner eigenen Redekunst) zu bedenken. Politisch scheint beiden vieles gemeinsam zu sein, in der Herangehensweise werden sie sich dann doch wohl unterscheiden

Markus Grüner-MusilNebiges Stimmungsbild stammt von der Vorstellung des ARGEkultur-Programms 2017 im Magnolia-Blog und passt (nicht nur jahreszeitlich) perfekt in unser heutiges Konzept. Besten Dank dafür! Wir haben uns in den letzten 10 Jahren nämlich über so manche Unzulänglichkeit dieses vielgerühmten Gebäudes mokiert, welches uns zugleich auch Heimat und Sendungsstandort ist. Abgrund und Ambivalenz. Wenn wir dabei die Entwicklung der ARGE-Bewegung seit den 70ern betrachten, dann kommt allerdings leicht so etwas wie Trübsinn auf. Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im richtigen Leben so auch im falschen, unsere tägliche Institutionalisierung gib uns heute und vergib uns unseren Zwiespalt wie auch wir ihn vergeben uns selbst et cetera und Amen. Das Ringen mit der Macht findet vielleicht statt, nur leider fast nie dort, wo sie herrscht. Stattdessen da, wo sie längst für ihre stillschweigende Duldung bezahlt. Auseinandersetzung ressortiert im Fachbereich Bestuhlung und Diskurswerfen ist eine olympische Disziplin. Quod licet Jovi non olet. Grüner ist immerhin eine Steigerungsform und Musil bestimmt kein Mann ohne Eigenschaften. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und abermals sage ich: Nach mir die Sinnflut!”

Von den Mühen der Institution, vom Germteig des kritischen Empfindens, von der Idiotie des Kommerziellen, von der Kunst einer gescheiten Tonaufnahme – und nicht zuletzt vom Denkzettel eines umtriebigen Kulturarbeiters. All dies (und noch mehr) rundet sich erst zum Erlebnis, wenn auch unsere Sendung euer Gehör findet.

 

Wilfried, Gut Lack!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. FebruarIn unserer beleibten Reihe “Irgend so was wie ein Nachruf” würdigen wir diesmal Wilfried Scheutz, der vor nicht allzulanger Zeit “von uns gegangen” ist (wie man zu sagen pflegt). Mit seiner unverwechselbaren Reibeisenstimme durchpflügte er seit den frühen 70ern eine Vielzahl von musikalischen Genres. Dabei oblag er nie der bloßen Nachahmerei, sondern interpretierte jedes noch so geläufige Thema in seiner ganz eigenen, oft auch eigenwilligen Art und Weise. Das Reinheitsgebot des Hergebrachten blieb dem Urviech zeitlebens erfrischend fremd, und so ist es kein Wunder, dass Wilfried, in den mehr als 45 Jahren seiner aktiven Laufbahn, aus allem nur Erdenklichen wie etwa A Capella, Rock, Volksmusik, Dichtung und Pop fortwährend Neues erschuf.

Gut Lack WilfriedAngenehmerweise immer mit dem selbstironischen Augenzwinkern des sich selbst Spürens in einer Welt, die unvollkommen bleiben wird, aber zum Gestalten einlädt. Dies möge sich selbst erklären, zum Beispiel durch die Frühwerke “Ziwui Ziwui” oder “Orange”… Naturgemäß war für uns zwei die Hymne “Lauf Hase Lauf” ganz besonders bedeutsam, stellt sie doch die gewohnte Weltsicht auf den Kopf, indem sie den verfolgten Hasen zum Helden der Geschichte erhebt. Hier noch die Altersversion davon, dargeboten gemeinsam mit seinem Sohn Hanibal Scheutz (der im Hauptberuf Bassist bei 5/8erl in Ehr’n ist). Die Kunst der gepflegten Parodie (wofür Selbstironie ja die Voraussetzung ist) führte Wilfried schließlich mit dem A-Capella-Projekt 4Xang zu bislang unerhörten Höhen (und Bässen). Hierzu das rare Live-Video ihrer Version von Queens zeitlosem Mitgröhlhit “We Will Rock You”. Diese vier Wildererbuam brachten so ziemlich alles zu Gehirn und Hör, was nicht rechtzeitig (so ca. bis 3) vor ihnen auf den Baum floh. Und das war fürwahr nicht viel. Unter anderem verdanken wir den Herren eine grandiose Interpretation von Georg Kreislers Telefonbuchpolka, von welcher ich erstmals alle Namen mit V herunter transkribierte…

Zu guter Letzt erschien bei Monkey das Album “Gut Lack”, das wir hier und jetzt vorstellen und sehr empfehlen. Mit diesem im Wissen um den nahen Tod gezeugten Opus Ultimum begibt sich der Österreicher Wilfried in die Wesensnachbarschaft von Leonard Cohen und David Bowie. Die Würde des Menschen umfasst durchaus auch sein Leidenund Sterben.

Was wird?

 

Abrahams Nebenwirkungen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. Januar – Diesmal gehts um religiöse Schriften und ihre Auswirkungen auf die Weltpolitik. Speziell um eine Geschichte, die wir aus dem christlichen Alten Testament, der jüdischen Tora sowie dem heiligen Buch der Muslime, dem Koran kennen. Sie ist in der bildenden Kunst weit verbreitet und wird meist als Abrahams Prüfung oder Opferung Isaaks bezeichnet. Dazu hat das Jüdische Museum Berlin vor einiger Zeit eine mutige Ausstellung mit dem Titel “GEHORSAM” ausgerichtet, in der auch den verschiedenen Interpretationen durch die drei “abrahamitischen” Religionen nachgespürt wird. Mutig war dabei vor allem die Berufung des bildgewaltigen Filmregisseurs und ausgewiesenen Atheisten Peter Greenaway, dieses Thema  gemeinsam mit Saskia Boddeke zu bearbeiten.

Adi Holzer - Abrahams OpferNun ist wieder einmal die Dokumentation jenes Zusammenwirkens aufgetaucht: “Der grausame Gott? – Gewalt, Religion und Kunst” Sie hat mich persönlich mit einigen neuen Erkenntnissen überrascht, weshalb ich sie unbedingt weiterempfehlen möchte. Derlei fundamentalistischer Wahnsinn wie zum Beispiel Menschen auf Gottes Befehl zu opfern war mir schon immer ein Gräuel. Und diese merkwürdige Hochjubelung von Abrahams blindem Kadavergehorsam zum Heldentum der christlichen Tradition fand ich ebenfalls schon lange extrem stinkert… Riecht verdächtig nach Kirchengeschichte, nach “Gott mit uns” und Waffensegnung! Umso erstaunter war ich, zu erfahren, dass im Judentum das Nichtgeopfertwerden Isaaks im Vordergrund steht, Abrahams nebulöse Gehorsamkeit hingegen Anlass zu Hinterfragung und Widerrede ist. Ja da schau her! Den Gipfel der Erleuchtung bescherte mir dann jedoch der Imam Tareq Oubrou, der die entsprechende Passage aus dem Koran interpretierte. Dort TRÄUMT Abraham (Ibrahim) von einem göttlichen Auftrag, seinen Sohn zu opfern, und erzählt diesem am nächsten Morgen verwundert darüber. Der Korangelehrte legt diese Sure dahingehend aus, dass Eltern mit ihren Kindern über alle Themen, die deren Zukunft angehen, reden sollten – und auch mit ihnen zusammen entscheiden, was zu dann tun sei. Respekt! Und das in Zeiten, in denen wir ja gemeinhin fast ausschließlich mit Islamophobie zugeschwallt werden.

In dem Zusammenhang wollen wir nachdrücklich die Position der Bedrohten und Verfolgten einnehmen, und zwar im Hinblick auf die totalitären Ansprüche in allen Religionen und Ideologien. Gerade rund um den Holocaustgedenktag (Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar) muss uns bewusst werden, wohin so etwas wie “Der Glaube des österreichischen Katholiken Adolf Hitler” geführt hat, und wohin uns der blinde Gehorsam gegenüber jedweder “Obrigkeit” jederzeit wieder führt.

Als Hirnfutter fürs immerwährende Niewieder gibts auch unsere Hörstolpersteine