Literarische Stunde 9: Von „Banana massacre“ zu Nachwuchsautor*innen

„Banana Co“, der politisch-kritische Song von Radiohead, macht heute den Opener. Inspiriert von Gabriel García Márquez‘ „Hundert Jahre Einsamkeit“. Das Buch wurde 1982 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet und behandelt die Geschichte der Familie Buendía über sechs Generationen. 100 Jahre Leben in dem fiktiven Dorf Macondo, das auf das Heimatland des Autors, Kolumbien, anspielt. Wir begleiten die Bewohner Macondos auf der Flucht vor dem System und erleben, wie ebendieses kapitalistische System schließlich zum Eklat führt.

Der Song „Banana Co“ behandelt die wirtschaftliche Ausbeutung und politischen Umbrüche in Südamerika, die auch im Roman eine zentrale Rolle spielen und beide spielen auf das „Banana Massacre“ im Jahr 1928 an. Bei diesem Massaker kamen nach einem Aufstand gegen die „United Fruit Company“ zwischen 47 und 2.000 Arbeiter ums Leben. Die genauen Zahlen konnten nie klar genannt werden.

Nach diesen erschütternden Geschichten aus der Vergangenheit reisen wir zu ergreifenden Geschichten der Gegenwart und besuchen die Abschlussveranstaltung des „Schreibkompass Sommercamp“. Das Output kann sich sehen lassen: Von fünf Teilnehmer*innen wird eine ihr Buchprojekt bereits im Herbst veröffentlichen und zwei weitere im kommenden Jahr. Und ein Überraschungsprojekt war auch noch mit dabei!

Die Links zu den Teilnehmer*innen und ihren Projekten findet Ihr unten in der Linkliste.

Studiogast

Feature Abschlussfest Sommercamp

Musik

Radiohead: Banana Co

Radiohead: Creep

INXS: Mystify

Aretha Franklin: Respect

Sophie Zelmani: Going Home

Train: Drops of Jupiter

Wire: Outdoor Miner

Bad Company: Call on me

Linktipps

https://de.wikipedia.org/wiki/Bananenmassaker

Marie Alessi: My person died, what now?

https://www.mariealessi.com/

Bianca Kinga Wang: Die kleine Schnecke

https://www.instagram.com/zauberhaft444/

Michaela Wiedemann: Tanz mit der Angst

https://michaelawiedemann.de/

Steffen Wiedemann: Schnittstelle Wahnsinn

90125 (Yes Album)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. September – Das ganze Album in Begleitung seiner (und meiner) Zeitumstände und eine Betrachtung des Songtexts von “It Can Happen”. Wir feiern die Rückkehr des Hasen von der Festspielfront mit einem überraschend untypischen Yes-Album aus dem Inbetween der Band zwischen Auflösung und Neuformierung Anfang der 80er Jahre. Es handelt sich dabei um das nach seiner Katalognummer benannte “90125”, das vom Soundbild wie von den den Arrangements her auffallend neuartige und für altgediente Yes-Fans oft ungewohnte Wege einschlug. Letztendlich wurde es (ob man derlei nun begrüßt oder ablehnt) als wesentlich rockiger und auch mainstreamtauglicher empfunden als deren bisherige vielschichtig verzwirbelte Prog-Phantasien. Kunstvoll und vieldeutig war es allemal.

90125 (Yes Album)Mich ereilte dieses Klangwerk just zu der Zeit, als ich im Gymnasium zu Horn (im Waldviertel) zur “Matura” ansetzte um dann in weiterer Folge in Wien weiterführenden Studien zu obliegen. Was ich dabei allerdings überhaupt nicht wusste, war, wo ich mit meinem Leben eigentlich hin wollte. Und in genau so einem “In-Between” trafen mich diese Gestalt gewordenen Gedankensplitter auf 90125, mit denen die Musiker ihr Ringen um Neuorientierung nach dem Ende des bislang Gewohnten verbearbeiteten. Es passte, sowohl textlich als auch atmosphärisch, perfekt in mein eigenes Übergangsloch. Ich meine damit jenen Zustand, in dem schon klar ist, dass das Bisherige zu Ende geht, aber das Künftigedas Werdenwollende wie das daraus Erwachsenkönnendenoch nicht so deutlich zu erkennen ist, wie man das gern hätte. Und ich glaube heute, dass in mir durch die Begegnung mit diesen oft unenträtselbaren Stimmungsbildern ein gewisses Maß an innerem Wissen um mein Wohinwollen gewachsen ist. So wie wir oft nicht bewusst wissen, aber“aus dem Bauch heraus” (intuitiv) richtig handeln.

You can fool yourself
You can cheat until you’re blind
You can cut your heart
It can happen

You can mend the wires
You can feed the soul apart
You reach
It can happen to you
It can happen to me
It can happen to everyone eventually

Created out of fantasy
Our destination calls

Wie gesagt … It can happen

 

Best Of Albanien

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. August – Bevor uns am Ende des Sommers der Schmäh ausgeht, spielen wir noch ein Album von einem feinen Schmähtandler namens Rainald Grebe. Allerdings kein ganzes, denn “Albanien” dauert insgesamt eine Stunde und 13:44 Minuten, was uns zur heutigen (siehe Titel) Best-Of-Auswahl inspiriert hat. Der zwischen allen Zuordnungen umhupfende Multikünstler (Musiker, Komponist, Kabarettist, Schauspieler, Regisseur, Collagendichter und … was weiß ich) hat schon in vielen unserer Sendungen eine wesentliche Rolle gespielt. Auffallend oft war er auch in der legendären Sendereihe “Ethnoskop” aus Innsbruck zu hören, was uns auf die Sendungsmacherin und Kulturvermittlerin Hemma Übelhör aufmerksam werden ließ und auch zu ihrer Auszeichnung mit dem Radioschorsch 2019 führte.

Best Of Albanien (Rainald Grebe)Die hat ja auch spannende Namensgleichheiten, betrachtet man etwa das bewegte Leben des Journalisten Alfons Übelhör. War der jetzt einer von den Guten oder einer von den anderen? So einfach ist das alles nicht, wenn Geschichte aus erzählten Geschichten besteht und nicht aus irgenwessen (und damit sind auch wir gemeint) als endgültig behaupteten Interpretationen. Memory ist immer “under construction” und “Wir müssen auch unsere Eltern in ihrem historischen Kontext verstehen.” (Peter Hodina)

Siehe dazu auch “Tantes Inferno”.

Schnitt.

Was genau ist (auch in dem Zusammenhang) das Besondere an Rainald Grebe, das seine Musik und seine Texte für verschiedenste Gelegenheiten (vor allem, wenn es sich um komplexere Themen handelt) geeignet sein lässt? Ich möchte hier noch einmal den Begriff der Collageim speziellen Sinn der Textmontage – ansprechen, mehr noch dreht es sich bei seinen Arbeiten (so wie diesfalls auch auf “Albanien” wieder gut zu hören) um die meisterliche Kunst des Pastiche. Nur verwendet er dafür nicht bloß “von anderen textlich ausgesagtes”

… sondern darüber hinaus Zitatfragmente, Gedankensplitter, Gefühlsmetaphern und sich verändernde Erinnerungen, schlüpft zudem während eines Liedes auch schon mal in mehrere Rollen, die all das wiedergeben – und konstruiert so jeweils vielschichtige Wirklichkeiten, die je nach unserem jeweiligen geistigseelischen Aggregatzustand immer wieder aufs neue anders und für die jeweilige Situation, Fragestellung oder Themenwahl als “wie die Faust aufs Auge” passend erlebt werden. Das ist eine Besonderheit, die mir bei Rainald Grebe inzwischen auffällt.

Auch sehr schön und im weiteren Sinn zum Begriff eines multimedialen Pastiche passend ist seine (hatte da nicht auch die Kapelle der Versöhnung ihre Finger im Spiel?) formale Zitierlust. Aber wo endet das Zitat (die “Coverversion”) und wo beginnt die eigenkreative Inspiration durch das Original? Ein frühes Beispiel ist “Captain Krümel”, das unverkennbar an Billy Joels “Captain Jack” erinnert. Auf “Albanien” begegnet uns wieder ein (wenn auch partieller) Billy-Joel-Einfluss und zwar aus “We Didn’t Start The Fire” in einigen Passagen von “Typisch Deutsch”.

Unterkomplex dürfte es also (auch am Ende des Sommers) nicht werden …

 

Tantes Inferno

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. August“Wir müssen unsere Eltern in ihrem historischen Kontext verstehen.” Dieses Zitat von Peter Hodina erweist sich als umso zutreffender, je mehr und je länger ich mich mit der Geschichte meiner Familie beschäftige. Und dabei habe ich über die Jahre so einiges entdeckt, was man vor mir unbedingt hätte geheimhalten wollen. So etwa die Verstrickungen meiner Tante in die Ideologie des Nationalsozialismus, deren schädigende Auswirkungen auf mich und meine Mutter ich erst langsam (im Rahmen einer Traumatherapie) zu verstehen beginne. Noch vor einigen Jahren habe ich einen viel zu euphemistischen Nachruf auf sie verfasst. Heute sage ich rückblickend: “Es war die Hölle.” Das Kind darf sich wieder spüren – und auch das titelgebende Wortspiel mit “Dantes Inferno” machen …

Tantes InfernoEs gilt also einiges zu berichtigen und auch die Geschichte(n) so zu erzählen, dass sie nie mehr hinter dem muffigen Vorhang des Schweigens und Vergessens zum Verschwinden gebracht werden können. Es gilt, sich selbst wieder zu begegnendort, wo man im tiefsten Inneren schon immer gewusst hat, was gespielt wird, wo man sich aber schon zu lange nicht bewusst hinzuschauen getraut hat, weil die eingeflößte Todesangst vor der Wahrheit viel zu groß war. Wie zersetzend sich eine nationalsozialistische Erziehung von frühester Kindheit an auswirkt, das hat Sigrid Chamberlain in ihrem Buch “Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” minutiös dargestellt. Der eigentliche Skandal aber besteht darin, dass jener zutiefst menschenverachtende “Erziehungsratgeber” von Johanna Haarer, der darin die Hauptrolle spielt, auch nach Kriegsende immer wieder neu aufgelegt wurde (zuletzt 1987), bis in die 2000er Jahre als Lehrmaterial für die Ausbildung in Säuglingspflege verwendet wurde, und dass die kinderfeindlichen Erziehungsmethoden, die solchem auf Gehorsam und Funktionieren abzielenden “Kinderabrichten” innewohnen, nach wie vor von einigen sogenannten Experten als sinnvolle Maßnahmen angepriesen werden. DAS macht hilflos – und wütend.

Dabei muss es aber nicht bleiben: “Denn ist ein Buch, das geschrieben werden muss, erst einmal geschrieben, ist das Grauen in Worte gebannt. Das bedeutet nicht unbedingte Heilung, doch Linderung für die Seele. Schreiben ist selbstbestimmtes Handeln, es befreit aus der Opferrolle.” Zitat aus Misha Schoenebergs “Mein Vater, Auschwitz und der 7. Oktober”. Ein solches Buch, das ich gerade lese, ist der Roman “Wenn das der Führer wüsste” von Otto Basil (ein sträflicherweise kaum bekannter österreichischen Publizist und Schriftsteller), der mir Tantes Inferno zu lindern vermag.

Meine eigene Erzählung beginnt mit dieser RadiosendungWas hat es mit dem von mir erlebten und überlebten Inferno – und mit meiner Tante – auf sich?

Wir öffnen eine Zeitkapsel …

 

Sendung 8: Von wilder Musik und Lebensgeschichten

„The Rime of the Ancient Mariner“ von Iron Maiden, erschienen auf dem fünften Studioalbum der Band, „Powerslave“, bildet das Intro zur heutigen Sendung. So richtig. Über 13 Minuten ist die Nummer lang und guess, ja natürlich habe ich sie ausgespielt.

Wilde Musik, inspiriert von einer wilden Geschichte. „The Rime of the Ancient Mariner“ ist die Vertonung des gleichnamiges Gedichts von Samuel Taylor Coleridge, erstmals erschienen 1798. Die Geschichte handelt von einem Seemann, von Schuld und von Sühne und wer, wenn nicht Iron Maiden kann diese Stimmung musikalisch umsetzen.

In dieser achten literarischen Stunde sprechen wir über „Journeymen“, über das Reisen und warum es sich unterwegs einfach besser schreiben lässt. „Einfach mal raus“ wie man so schön sagt, ist für jede/n hilfreich fürs Schreiben? Ich glaube schon, doch kann das „einfach raus“ ja auch bedeuten, sich zum Schreiben in ein Cafè zu setzen.

Mein Studiogast, Bestsellerautorin Marie Alessi, kann von beidem berichten. Sie ist vor 20 Jahren nach Australien ausgewandert, hat dort eine Familie gegründet und arbeitet zurzeit an ihrem vierten Buch. Doch auch sie mag ab und an mal wieder einen Tapetenwechsel und arbeitet dann vorzugsweise in einem Coworkingspace. Worum es in Maries Büchern geht, sei hier nicht verraten, hört selbst rein und lasst Euch von meinem Studiogast mitnehmen auf eine Lebensreise der ganz besonderen Art.

 

Studiogast

Marie Alessi, Autorin

 

Buchtipps

Marie Alessi: Loving Life after Loss

Marie Alessi: Happy Healing

Marie Alessi: Sparks of Joy

Alle erhältlich auf Amazon Kindle

 

Musik

Iron Maiden: The Rime of the Ancient Mariner

Iron Maiden: Journeyman

Bad Company: The Way I Choose

Nora Jones: Come Away with Me

Crowded House: Weather with You

 

Linktipps

https://en.wikipedia.org/wiki/Dance_of_Death_(album)

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Rime_of_the_Ancient_Mariner

https://www.mariealessi.com/

Battle&Hum#153

Samstag 16.08.2025 (Stairway zum Nachhören)

Diesmal gibt’s keine Abstimmung, es gab ja auch nur exquisite Musik!

 

MC Randy Andy’s Brandblasen:

 

LINGUA IGNOTA (caligula) – may failure be your noose

Danzig (danzig III: how the gods kill) – dirty black summer

Nick Cave and the Bad Seeds (the firstborn is dead) – tupelo

DAF (alles ist gut) – rote lippen

The Prodigy (the fat of the land) – smack my bitch up

Koenig (messing) – sesselleiste

Frank Zappa (hot rats) – willie the pimp

Black Uhuru (sinsemilla) – sinsemilla

 

„The sun‘s not yellow, it’s chicken“ (Bob Dylan, Tombstone Blues)

 

Das untergehende Festspielhaus

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. August — “Die Felsenreitschule fühlt sich an wie ein schwarzes Loch, das einem, sofern man dort tagein, tagaus arbeitet, die Lebensenergie aussaugt … to be honest, es ist ein sinkendes Schiff.” So ungefähr beschrieb der Hase seine gesammelten Eindrücke als Kantineur im Festspielhaus, und zwar in unserer jüngsten Nachtfahrt (das ganze Gespräch ist hier ab 02:08:27 gut zu hören). Von dieser Wahrnehmung ausgehend machen wir uns auf die Suche nach den Ursachen für derlei im wahrsten Wortsinn kraftraubende Gegebenheiten. Ist das Haus vielleicht verhext? Sind wieder mal die Nazis schuld? Welche blutigen Rituale fanden dort statt? Worin besteht das Menschenopfer, das wie unter einem Wiederholungszwang alltäglich dargebracht wird – und von dem niemand spricht?

Das untergehende FestspielhausMeine Tante war nazistisch und meine Mutter war narzisstisch gestört – könnte darin womöglich eine Erklärung für den in diesem schönen Salzburg und in seinem weltberühmten Festspielhaus konzentrierten Weltwahnsinn liegen? Ich meine den Eindruck des aussaugenden Abgrunds, der den totalitären Narzissmus prägt. Die Weltmacht Wirtschaft funktionierte dann ebenso wie eine narzisstische Persönlichkeitdu musst um dein Leben ihre Wünsche erfüllen bis du ausgesaugt bist, während sie sich auf deine Kosten ihren schönen Schein poliert (hinter dem sie nichts anderes ist als schlicht Nichts (und dieses Nichts saugt alles, was nicht Nichts ist, in sich auf, um wenigstens vorgeben zu können, irgendwas zu sein). Und aus all der von uns geraubten Lebenskraft bastelt sich die narzisstische Weltherrschaft dann ein scheinbar sauberes Image, das vorgibt, bedeutsam und wichtig zu sein, geradezu unverzichtbar für unser Wohlergehen. Aber all das ist nichts als Lüge

 

Jedermanns Totentanz

 

Im Schatten der Mozartkugel
ein schönes Bühnenbild vergangener Zutodequälung
versteinerte Herrlichkeit kunstsinniger Kirchenfürsten

Wir halten inne und atmen Salzburg
in aller Stille tief in unsere Seelenlungen ein
und fühlen dabei stets ein seltsames Befremden
in dieser Stadt, in deren Trubel Freiheit schon Ersticken ist und Luftholen zum Leben den Beigeschmack vermorschter Knochen birgt

 

*asthmatisches Röcheln*

 

Gleich füllt sich unser Sein mit Friedhof
und auf den Urnen der verbrannten Kinder tanzt Frau Moloch die bösen Fackelumzüge wieder für die dauernde Macht der Räuber, mit klapperndem Gebein ihre Eisenreifen, Ketten, Schlösser schwingend.

Mumifizierte Brüste hängen gummigleich von den Balkonen und spenden ledrig längst verdorrt den Dürstenden die Milch des Geldes: Stinkende Milch von früher, wir trinken dich morgens, wir trinken dich abends, wir trinken dich nachts, wir trinken und trinken, wir tanzen ein Loch in die Zukunft, wir tanzen und tanzen, der Tod ist ein Meister aus Salzburg, ihre Augen sind braun, sie spielt mit den Kunden und ruft:

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und belabert seid, ich will euch begütern. Ich will euch das Gewissen erleichtern und euch die Vergangenheit ungeschehen machen. Ich will euch die Steuern abziehen wie eine zweite Haut und mir feuchtfröhlich einen Lampenschirm daraus basteln zur höheren Ehre Gottes und zur Freude des zahlenden Publikums. Und fürchtet euch nicht, es ist alles herzig und putzig hier – und überhaupt nur Theater, das man als solches erkennt. Denn denen, die da schon besitzen, wird auch noch alles andere gegeben werden, vor allem aber das, was genommen wird jenen, die sowieso nichts mehr haben. Und so wird über die Weltbühne kommen ein ewiges Friedensreich, in welchem Gerechtigkeit herrschet nach meiner Facon – nämlich dass alles so bleibt, wie es immer schon war. Und das ist dann ein Theater, wie wir es hier haben wollen. Amen.“

Das letzte Licht ist verlöscht. Kein Raunen geht durch die Menge. Regungslos sitzen die Festspielgäste auf ihren Polstersesseln. Sie sind in diesem einzigen, unendlich lang atmenden Augenblick endgültig ganz und gar zu Stein geronnen. Und niemand vermisst sie! Wenn in hundert Jahren ein neugieriger Mensch die Saaltüren öffnen wird und wenn der erste Sonnenstrahl mit einem Hauch frischer Luft ihre erstarrten Körper berührt, dann werden sie zu Staub zerfallen und sich in ihrem ewigen Nichts auflösen.

 

This is Capitalism …

 

Golden Years

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. August – Die Band Tocotronic ist seit ihrer Mitbegründung der Hamburger Schule ein nicht wegzudenkender Beitrag zur sowohl selbstdenkorientierten als auch gefühlsganzheitlichen Lebenswahrnehmung vielster Mitmensch*innen geworden. Vor allem aber sind sie eine Band, die nie in einer Pose verharrte, um jahrzehntelang als Folklorezombie ihrer selbst (und ihrer Szene) zur Gaudi ihres Stammpublikums (und zum Klingeln der Kassen) wiederaufzuerstehen. Untote Endlosschleifner immer einunddesselben gibt es eh schon zum Speiben zuviel. Spätestens seit ihrem enigmatischen Song/Video “Ich tauche auf” (gemeinsam mit Soap&Skin Anja Plaschg) wissen wir, dass Tocotronic irgendwie “out of the box” sind. Und somit stellen wir euch (und uns) heute ihr aktuelles Album “Golden Years” vor.

Golden Years von TocotronicWenn ich da hineinhöre und mir die Texte von Dirk von Lowtzow durchs Bewusstsein wehen lasse, dann bin ich mir nie so ganz sicher, was das jetzt eigentlich ist … Philosophie? Selbstaufdieschaufelnehmung? Spiritualität? Lebenserfahrung? Weisheit? Verlorensein? Glück? Abgrund? Oder alles zusammen? Über all die Jahre sind uns immer wieder einzelne Aufblitzungen ihres fürwahr vielgestaltigen Schaffens begegnet, haben sich eingebrannt oder sind leise in uns eingesunken, nur um dann andernorts, andernzeits wie wohlvertraut wieder aus uns aufzutauchen. Das eine oder andere Mal haben wir davon berichtet, so wie wir im Radio immer von dem berichten, was sich gerade in uns ereignet. Zu Beispiel in den Sendungen “Songtexte auf deutsch” oder “Zwischen Leben und Überleben”. Abgesehen von den ganzen Alben “Schall und Wahn”, “Nie wieder Krieg” und eben jetzt “Golden Years”. Und auch Musikalben wollen, so wie Gedichte, erlebt werden.

Denn die zuvor aufgeworfene Frage, was das jetzt eigentlich ist, diese unserem Hirn und seiner Arbeitsweise so tief innewohnende Suche nach dem Vergleichbaren, nach Einteil- und Zuordenbarkeit, sie muss an der flirrenden Vielgestalt tocotronischer Verweise zerschellenund führt so zwangsläufig ins Leere. Oder ins Unendliche. Ist da, jenseits der vorgegebenen Bedeutung, jenseits der vermeintlichen Sicherheit, jenseits der vielleicht lebenslang falsch verstandenen Systeme womöglich doch auch ein Urgrund – unter dem grund- und bodenlosen Abgrund? Das Leben spüren …

Das Leben lebt … Golden Years.

 

Medienfachperson

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. Juli – Zwei Menschen lernen einen Beruf und erschließen sich mancherlei Möglichkeiten. “Medienfachmann/frau” wurde das bisher genannt, demnächst soll es dann “Medienfachkraft” heißen (was wir nicht soo poetisch finden). Darob, und weil die Radiofabrik (der Germ der Gesellschaft) den Beruf mit -mann/frau/* beschrieb, haben wir “Medienfachperson” zum Titel gemacht. Nach Hermes Phettberg hieße es wohl “das Medienfachy”Doch nun begegnen sich die zwei durchaus verschiedenen, wiewohl schon auch sinnverwandten Lernenden zum ersten Mal Live im Radio – und vergleichen ihre unterschiedlichen Ausbildungen: Luca Standler ist Lehrling in der Radiofabrik und Christopher Schmall nimmt am BFI-Kurs “Medienfachmann/frau Two in One” teil. Und wir dürfen neugierig sein

Medienfachperson… und uns in die Erlebniswelt ihrer Berufswahl hinein versetzen (lassen). Anmerkung: Wenn wir über “Sprache schafft Bewusstsein” nachdenken, dann wäre das ein klarer Fall fürs Mediopassiv. Wie ließe sich sowas “auf Deutsch” ausdrücken? Der Soziologe Hartmut Rosa … aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Jedenfalls hat das, was unsere beiden Menschys beschäftigt und begeistert (also womit sie sich herumschlagen und was ihnen wieder neue Perspektiven aufzeigt) viel mit Kreativität und neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu tun. Wenn man sich in die oberbei verlinkten Lehrinhalte vertieft, dann entsteht der Eindruck, hier würde nicht bloß ein einzelnes Instrument erlernt, sondern eher ein ganzes Orchester und dazu noch wie man es sinnvoll dirigiert. Derlei versetzt einen im ersten Moment gern einmal in eine Art von “Hilfe! Hilfe!”-Überforderungsgefühl, das jedoch schon bald in ein neugierigmachendes “Boah, is des geil!”-Lernlustempfinden übergeht – und sich in weiterer Folge sogar zu einer echten “Ha! So geht des!”-Befriedigung auswachsen kann – und bei regelmäßiger Anwendung unweigerlich auch wird. Es geht doch nichts über den Gesichtsausdruck von jemandem, der/die gerade das entdeckt, was er/sie am liebsten mag, und dann sagt: “Des is sowos vo meins!”

Wie war das nochmal mit dem Andy Warhol?

Unlängst traf ich nach längerer Zeit wieder einmal eine dieser damals mit 14 recht ratlos wirkenden, von den Irgendwers gern mit dieser oder jener Begründung sprich Problemen sprich Diagnose ins schuldhafte Nichts ausgespuckten Gestalten, der mir von seiner “neuen Schule” erzählte, in der es genau um das geht, was ihn wirklich interessiert. “Weißt du”, sagte er, “ich hab mich zum ersten Mal freiwillig hingesetzt und gelernt. Das hab ich vorher noch nie jemals gemacht.” Ob Maschinenbau oder Medienfachperson oder  … was du noch nicht zu kennen glaubst, wiewohl du

es ja doch immer schon bist!

Wie war das nochmal mit dem Pinguin?

 

Battle&Hum#152

Samstag 19.07.2025 (Stairway zum Nachhören)

Die hot boys der Radiofabrik stopfen euch das Sommerloch mit wunderbaren Liedern!

 

DJ Ridi Mama’s Hitzeschlag:

  1. Faith No More (angel dust) – easy
  2. Danzig (same) – am I demon
  3. Pulp (different class) – disco 2000
  4. Queens oft he Stone Age (…like clockwork) – I sat by the ocean

 

MC Randy Andy’s Sonnenbrand:

  1. Betty Davis (nasty gal) – dedicated to the press
  2. Grauzone (same) – marmelade und himbeereis
  3. The Heavy (the house that dirt built) – how you like me now
  4. LINGUA IGNOTA (caligula) – may failure be your noose

 

„Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht.Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut.“ (Kurt Tucholsky)

 

Zur Abstimmung folget dem LINK!