Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Ringen ums Mitgefühl

-> Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Mai – Eine dichte Themensendung, die wir eigentlich zusammen mit dem multikreativen Salzburger Designer und ARTdirector Bernhard Jenny (jennycolombo.com) als Gast im Studio gestalten wollten – doch leider musste er uns kurzfristig wegen einiger dringender Auswärtstermine absagen. Nichtsdestotrotz – und als Zeichen unserer Lebensnähe – werden wir diesen assoziativen Tauchgang durch allerlei Bedrohungen wie auch Perspektiven des Zusammenlebens als menschenwürdiges Gemeinwesen titelgetreu durchführen. Denn das „Ringen ums Mitgefühl“ stellt einen wesentlichen Schlüssel zur Veränderung ungerechter Verhältnisse in unserer Gesellschaft dar – und dem wollen wir in gewohnt anregender Weise nachspüren, in Anwesenheit des Abwesenden 😉

Bernhard Jenny präsentiert 100x Nie wieder für Marko FeingoldEindrücke. Die Idee zu einer gemeinschaftlichen Nachtsendung entstand spontan im Anschluss an die Präsentation seiner Aktion 100x NIE WIEDER für Marko Feingold im Artarium. Wir fanden einfach, auch der politisch bewusste Blogger und Menschenrechtsaktivist Bernhard Jenny hätte noch viel mehr zu Themen wie Ausgrenzung, Misshandlung und sozialer Kälte zu sagen, als dies zwischen den Zeilen einer knappen Stunde jemals möglich sein kann. Und auch wenn das Livegespräch diesmal nicht wie geplant stattfinden kann, wiewohl gerade jetzt Einiges zu erörtern wäre, vom xenophoben Hetzwahlkampf der Stadt-ÖVP bis zu den aktuellen Umtrieben pseudoengagierter Bürger_innen und Boulevardblättchen gegen die herbeipantasierte Roma-Bettelmafia, die Perlentaucher-Gesprächsrunde zum tatsächlichen Engagement für eine solidarische Zivilgesellschaft ist nur verschoben, nicht aufgehoben. Ein neuer Termin im Herbst ist bereits in Planung! Dann wird es auch noch genug zu reden geben.

Bernhard jenny vor 100x Niewieder CollageWut und Zärtlichkeit. Wie sagte es schon der inzwischen weltberühmte Autor der Millennium-Trilogie, der lebenslang auch als Journalist um Gerechtigkeit für die Misshandelten und Unterdrückten kämpfende Stieg Larsson im letzten Interview vor seinem plötzlichen Tod:

„Die Demokratie ist immer bedroht. Demokratie ist nichts Gottgegebenes und fällt nicht einfach vom Himmel. Dafür muss man arbeiten, die ganze Zeit. Jede Generation muss sich neu dafür entscheiden, die Demokratie zu verteidigen.“

Doch was ist das, Demokratie? Etwa das, was populistische Volksfürdummverkäufer und spielsüchtige Weltfinanzruineure als ihr Spielbrett zum Machterhalt mittels dubioser „schweigender Mehrheiten“ betrachten? Wir wollen doch nicht die stillen Teilhaberer dieser korrupten Koalition aus servilen Grinsokraten, machtgeilen Technoluzzern und hinterfotzigen Mammonisten sein! Die blödblökenden Steigbügelhalter von Ihrer Hochprozentigkeit Schwindelkasper III. auf den Thron des statistischen Durchschnitts. Wir leben in einer repressiven Demoskopie und werden von vorn bis hinten abgelenkt und eingelullt. Das macht uns völlig zu Recht wütend und wir möchten oft schier daran verzweifeln. Gibt es da überhaupt Hoffnung?

Verlesung eines Beitrags zu 100x Nie wieder für Marko FeingoldAusblicke. Wenn wir uns nun, noch immer unter dem Eindruck der Thesen von Ilija Trojanow und den Arbeiten über sein Buch „Der überflüssige Mensch“ mit den Möglichkeiten des Widerstands beschäftigen, dann kommt natürlich schon Skepsis auf, wie sehr die wahlumworbene und konsum-gemaistreamte Mitte der Gesellschaft überhaupt noch besserer Einsicht zugänglich ist. Dem möchte ich hier abschließend eine wesentliche Erkenntnis des Psychoanalytikers Arno Gruen entgegen halten, die er schon in „Der Verlust des Mitgefühls – Über die Politik der Gleichgültigkeit“ begründet hat: Wenn die gesamte Gesellschaft im Hinblick auf ihre Empathiefähigkeit in Gestalt der Gauß’schen Glockenkurve abgebildet wird, dann stellt der eine Rand die Minderheit der gefühlstoten Soziopathen dar, der andere die ebenfalls kleine Gruppe der lebendigen „Einfühlungsvermögenden“. Die überwältigende Mehrheit dazwischen ist dem Mitgefühl für das Leiden ihrer Mitmenschen grundsätzlich zugänglich. Sie benötigt dafür zwar die Beeinflussung durch möglichst zahlreiche Beispiele – doch die können wir ja bieten 🙂

Wenn das kein Grund zum Weitermachen ist…

 

Ilija Trojanow – Der überflüssige Mensch

Artarium vom Sonntag, 27. April – Diese DOPPELSTUNDE wird als zwei eigenständige Sendungen veröffentlicht: -> Download: Buchvorstellung mit Leseproben und Studiogespräch -> Download: Autorenportrait mit Interviewauszügen von den Rauriser Literaturtagen 2014. Natürlich fein garniert mit thematisch passenden Musiktiteln und Audiocollagen, wollen wir sowohl der Streitschrift „Der überflüssige Mensch“ wie auch der Person Ilija Trojanow atmosphärisch näherkommen. Unsere Projektpartner, allesamt Salzburger Studenten, stellen hierbei ihr gesammeltes Material (einer universitären Präsentation) zur Verfügung, unter anderem eineinhalb Stunden Gespräch mit dem Autor zu Themen wie „Dystopische Popkultur“ und „Revolution oder Genozid“. Gemeinsam gestalten wir nun daraus dieses Hörstück zum Mitleben…

der überflüssige menschNachdem wir bereits am 23. März in der Sendung „Überflüssig“ über einige Ideen zum „Trojanow Projekt“ gesprochen haben, wollen wir diesmal detaillierter den Inhalt dieses bemerkenswerten Buches darstellen – und darüber diskutieren, was sich aus den darin entwickelten Thesen für den Umgang mit Gesellschafts- und Weltordnungen ergeben kann. Zur Einstimmung und Vertiefung empfehle ich die Rezension „Würdelos im Spätkapitalismus“ (Deutschlandradio Kultur). Interessanterweise wird die Neuerscheinung des bekennenden Anarchisten sogar in der Politischen Akademie der ÖVP wohlwollend besprochen. Das mag als deutliches Zeichen für deren unleugbare inhaltliche Brisanz gelten:

Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es verstößt gleich mehrfach gegen das Grundgesetz. Erstens gegen Artikel 1, weil es kein menschenwürdiges Leben ermöglicht, und zweitens gegen die freie Berufswahl wie auch gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil es Menschen zu Sklaven macht, indem es sie zur Annahme von Arbeit zwingt, die sie nicht ausüben wollen.“ Dieses Zitat von Götz Werner, Begründer der Drogeriekette dm, gestandener Kapitalist, aber auch Systemkritiker und Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens, stellt Trojanow dem Kapitel „Ein Sprungbrett nach unten“ voran.

ilja trojanowUnd schreibt dann selbst: Die Überflüssigen sind keineswegs überflüssig, lässt man den herrschenden Arbeitsbegriff unserer Zeit außer Acht. Sie pflegen einen gebrechlichen Vater, einen dementen Partner oder widmen sich als allein erziehende Mütter ihren Kindern. Sie helfen in der Nachbarschaft, sie engagieren sich, sie beschenken ihre Verwandten mit Selbstgestricktem (um nur einige beliebige Beispiele zu nennen). Wer seinem behinderten Sohn einen Filterkaffee zubereitet, ist eine Null, wer seinem Chef einen Espresso serviert, ist ein Assistent. Die nicht-kommerzielle Fürsorge wird missachtet, gerät ins soziale Abseits.“ (Aus Seite 36 des knapp 90-seitigen, sehr angenehm zu lesenden Werks)

Da hätten wir schon einmal ein paar kritische Gedankengänge beisammen, die jeder für sich lauthals nach revolutionärer Veränderung der Verhältnisse schreien. Oder anders gesagt: „So darf man mit Menschen nicht umgehen!“ Doch was können wir schon tun? Hier erweist sich die ebenso humanistische wie anarchistische Denktradition Trojanows als besonderer Glücksfall, indem sie mit vielen offenen Fragen umgehen und dabei doch sehr konkret werden kann. Meisterlich hat dies der Kollege von Radio Helsinki in einem Interview am 21. 3. 2013 eingefangen. Doch auch wir werden dichten Stoff liefern! 😀

Denn wir sind durchaus ein geiles Institut!

 

Ton Steine Scherben in Salzburg

> Download: Artarium vom Sonntag, 20. April – Der etwas andere Konzertbericht aus dem Salzburgradio zum Selberdrehen oder auch Liebesgrüße aus dem Minenfeld ambivalenter Erwartungen. Wenn nämlich Ton Steine Scherben nach jahrzehntelanger Absenz plötzlich wieder auftauchen, und dann noch unter der griffigen Ankündigung „Das Original erstmals seit 1985 auf der Bühne“, dann kommen auch wir aus unseren Zeitlöchern gekrochen – und wollen liebgehabt werden. Doch – wer sind wir? Ein bunt zusammengewürfelter Haufen! Musikanten und Medienkünstler, Jungpunks und Alt-68er, Freiheitsfreaks jedweden Fachgebiets, längst ausgestorben geglaubte Bohème, Kinder, Eltern, Überlebenskünstler – und sogar ein Grateful-Dead-Professor. Genauso verschiedenartig wie dieses Publikum waren auch seine Bedürfnisse, weshalb wir ein „Stimmungsbild aus Spiegelscherben“ zubereiten.

Ton Steine Scherben 2014 im RockhouseZuallererst begegnete mir ein freundlicher Veteran mit schütterem Haupthaar, der stolz seine Erstausgabe des Albums „Warum geht es mir so dreckig“ herum reichte. Ein wenig Museum war da schon im Spiel und mir fiel dazu „lebendige Geschichte“ ein. Deren Stattfindung verkörperte bierselig ein Punk mit bunten Haaren, der allen Umstehenden erklärte, wie augenblicklich er wieder heimgehen würde, sollte seiner Vorstellung von revolutionärer Authentizität etwa nicht entsprochen werden. Ein schon seit Jahren dem Umfeld lauthalser Konzerte entflohen gewesener Kollege aus der Epoche des angewandten Hausbesetzens hatte sich extra wegen der Scherben reaktiviert und freute sich schon wie der Rumpelstilz aufs Heiserwerden vom Mitgröhlen der alten Anarchohymnen. Die leiseren – oder sagen wir – Zwischentöne hörte ich allerdings von einigen eher „untypischen“ Konzertbesuchern. So etwa ein Künstlerpaar, das seine hohen Erwartungen aufgrund des „berühmten Namens“ sorgfältig gegen mögliche Enttäuschungen abwog, die ein Scheitern des generationen-übergreifend angelegten Revival-Projekts mit sich bringen würde. Der verstorbene Rio Reiser sei als Frontman schlichtweg unersetzbar, daher gingen sie eher mit gemischten Gefühlen hinein…

Die jungen Stimmen von Ton Steine Scherben 2014So hätten wir diesen Artikel auch mit „Des Sängers Fluch“ überschreiben können – die gleichnamige Ballade von Ludwig Uhland aus dem Jahr 1814 wäre wohl als Metapher des Ansingens gegen kaltherzige Herrscher geeignet. Doch als Titel ließe solcherlei die Gesamtperformance von Ton Steine Scherben 2014 in einem allzu einseitigen Licht erscheinen – denn so sehr dieser Abend immer auch Besuch der alten Ikonen war, so sehr lebte die junge Generation dabei ihre ganz eigene Spielfreude aus. Herausragend Maxime Praeker am knackpräzisen Schlagzeug, auch Nicolo Rovera überraschte mit Leidenschaft und Stimmpräsenz. Leider ging dagegen der Gesang von Ella Josephine Ebsen im allzu lauten Saalsound fast unter und entzog sich so der weiteren Würdigung. Ein echtes „Project in Progress“ eben, an dem noch einiges zu gestalten ist. Allerdings ein gelungener Auftritt im Sinne von „Macht auf jeden Fall weiter, es macht uns neugierig…“ Und so unfertig, wie auch wir gern bleiben möchten, überlassen wir weitere Ausführungen den Publikumsstimmen, die in dieser Sendung zu hören sind – sowie unseren und euren Assoziationen, wenn wir dazu die etwas anderen musikalischen Scherbenzitate spielen. Unter anderem von Bretterbauer, die einen empfehlenswerten Scherbensound produzieren – oder von the who the what the yeah, die als Support von TSS in Wien ihr spätkapitalistisches Lebensgefühl entfalten konnten. Über alledem jedoch, liebe Gemeinde, vergessen wir eines niemals: Wir sind ein geiles Institut 😀 und Hallelujah!

 

Laibach – Opus Dei

-> Download: Artarium vom Sonntag, 13. April – Willkommen zur etwas anderen Slowenien-Woche auf der Radiofabrik unseres Vertrauens! Radio Študent aus Ljubljana (gegründet 1969 und somit einer der ältesten freien Sender in Europa) ist im Rahmen einer Projektvisite zu Gast in Salzburg. Wir nutzen diese Gelegenheit, um selbst einige Programmschwerpunkte zu setzen: So wird bereits am Donnerstag Abend im Rahmen des Stammtischs der Freien Medien (Beginn 19 Uhr, ARGEkultur 1. Stock) ein Gespräch über das Kunstkonzept der Gruppe Laibach stattfinden, das zum Teil auch live aus dem Sendestudio übertragen wird. In der Nachtfahrtsendung am Freitag, 11. April zum Thema „Heimat under construction“ werden wir diese Unterhaltung mit unseren Gästen (von 22 bis 00 Uhr) weiter vertiefen können. Und zu guter Letzt spielen wir auf mehrfache Anregung noch ein frühes Laibach-Album in voller Länge!

laibach - opus dei (front)Und dieses Opus Dei von Laibach von anno 1987 vermag exemplarisch zu verdeutlichen, was uns am Konzept dieser Band und dem mit ihr verflochtenen Kunstkollektiv NSK (Neue Slowenische Kunst) derart interessiert. Slavoj Žižek, der weithin bekannte Kulturphilosoph aus Slowenien, hat dies in einem wunderbaren Video „What the hell is Laibach all about?“ auf den Punkt gebracht. Noch Fragen? 😀 Kurz skizziert – das herrschende System im künstlerischen Ausdruck noch ernster zu nehmen als es sich selbst jemals ernst nimmt, das führt zur Entlarvung der totalitären Mechanismen und ist somit zutiefst subversiv. Ein Konformist wäre somit jemand, der dem System gegenüber in ironischer Distanz lebt – ein Revolutionär dagegen eher so eine Art Übertreibungskünstler. Womit wir auch der Erforschung des Skandals einen großen Schritt näher gekommen sind. Hallo, Thomas Bernhard! Was darüber hinaus die kontroverse Kritik anbelangt, mit der Laibach wegen ihrer rauschhaften Verwendung (Entwendung/Verfremdung) von eklektisch zusammengeglaubten Herrschaftssymbolen immer wieder konfrontiert wurden, dazu wollen wir in unseren aktuellen Sendungen einiges an Anhörungsmaterial beisteuern. Zur Einführung in dieses Thema empfehlen wir die Videos „Geburt einer Nation“ sowie „Opus Dei“ vom gegenständlichen Album!

 

Heimat under construction

Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. April -> Download: Part 1 with our Guests from Slovenia -> Download: Part 2 mit Chriss & Norbert als Duo – Heimatkunde für Fortgeschrittene oder Brauchtumspflege für angewandte Außenseiter. Eine weit gespannte Themenreise, etwa durch den Heimatbegriff unserer slowenischen Nachbarn oder das uns Salzbürger_innen von altersher angeerbte und von oben verordnete Heimatgefühl – sowie einige Betrachtungen dessen, worin wir uns womöglich selbst von vornherein wohl und zuhause fühlen können. Eine Materialsammlung zur kritischen Wiederaneignung des immer wieder missbrauchten Begriffskonglomerats „Heimat“ und eine Denkanstiftung zum gedeihlichen Selberbasteln einer ureigenen Ausdrucksform von „Do bin i dahoam – und do gehts ma guad!“ Eine rituelle Wissenschaftsausgießung mit den einfachsten Mitteln jeglichen Kindes: Hören, sehen, riechen, schmecken, beurteilen, wie es sich anfühlt – und sich sodann selbst einen Reim drauf machen ohne allzuviel nachzudenken, wer das für richtig hält oder obs wem was bringt. 🙂

fexgrafik von salzburgEine „andere Heimat“ kennen zu lernen, kann einem die Augen für die „eigene Heimat“ öffnen. Also nutzen wir gleich die Gelegenheit des Salzburg-Besuchs unserer Kollegen von einem der ältesten freien Radios in Europa (Radio Študent Ljubljana) und erörtern wir mit ihnen ein paar Aspekte von Heimat aus dem slowenischen Erleben. Damit dies auch passend zur Musiktradition unserer Nachtfahrten geschehn kann, werden wir uns hauptsächlich über die Band Laibach unterhalten, die seit Anfang der 80er Jahre immer wieder wegen ihrer künstlerischen Verwendung/Entfremdung bezw. Entwendung/Verfremdung von totalitären Symbolen kontrovers diskutiert wird. Das Video zu „Life is live“ (Cover des Opus-Hits) geriet wegen seiner brachial übertreibenden Heimatdarstellungen schwer in die Kritik und seine Macher auch gleich in den Verdacht faschistoider Heimattümelei.

Laibach Band SymbolsAls starker Einstieg in die zweite Stunde, die wir mit „Heimat von Amts wegen“ betitelt haben, eignet sich das nunmehr aufgerissene Spannungsfeld zwischen Hirschgeweih, Lodenjanker und Bergpanorama ganz vorzüglich, liegen doch allerlei Assoziationen zum erzieherisch beförderten Hurranationalismus und Jubelpatriotismus hiermit in greifbarer Nähe. Und das ist es ja auch, was einem selbstbestimmt denken – und unverbaut fühlen wollenden Menschen den unbefangenen Umgang mit seiner näheren Umgebung so oft erschwert, wenn nicht gar ganz verunmöglicht: Dieses in weiten Bevölkerungskreisen für allgemein üblich und daher für „normal“ gehaltene „Heimatbild“ – ein durch Erziehung in Schule und Familie weitergegebenes Konstrukt, welches aber seit Generationen von handfesten Interessen geprägt worden ist, die der „Allgemeinheit“ dann meist nicht bewusst sind.

Ton Steine Scherben im RockhouseWas könnte denn dann „unsere Heimat“ sein, jenseits der Definitionen von Kirche, Staat und Marktwirtschaft? Und jenseits der Blut-und-Boden-Bande, die uns mit Familie verbindet, deren herausragendstes Merkmal allzu oft der Umstand ist, dass man sie sich eben nicht aussuchen kann? Ein mögliches Konzept wäre da das Kunstkollektiv oder die „Wahlfamily“ – ein Freundeskreis von gleichgesinnten Mensch_innen 😉 mit denen sich gemeinschaftlich etwas von dem verwirklichen ließe, was man als im guten Sinne „heimatlich“ verstehen kann. Eine Insel von Anerkennung und bestärkendem Zuspruch inmitten der erstarrenden Kälte all des von vorn herein über uns Verfügten. Für viele verkörpern zum Beispiel die Lieder und Texte von Ton Steine Scherben diese Hoffnung auf einen anderen Lebensentwurf, der sich den herrschenden Verhältnissen zu entziehen verspricht, so dass die eigene Lebensnachbarschaft endlich auch wieder zu einer richtigen Heimat umgestaltet werden könnte. Inwieweit diese Vision speziell mit jungem Publikum immer noch funktioniert, werden wir beim Konzert im Rockhouse am Samstag, 12. April ergründen! Inwieweit die Dekonstruktion der Herrschaftssymbole durch Laibach’sche Hintergründigkeit uns beim Heimweh hilft – ist hier gut zu hören.

Das ganze Album „Opus Dei“ von Laibach bringen wir am Sonntag, 13. April um 17:06 Uhr zu Gehirn. Unseren Stimmungsbericht vom „Ton Steine Scherben“ Konzert hört ihr dann am Ostersonntag, 20. April ebenfalls um 17:06 Uhr. Begleitet uns wieder zu der einen oder anderen Erfahrungund lasst euch mit uns einaufs Leben! 😀

 

Sprache stehlen

-> Download: Artarium vom Sonntag, 30. März – Kann man das wirklich, eine Sprache stehlen? Oder eine Ausdrucksart, Sprechweise, Wörterwelt? Gibt es einen Tatbestand des Sprachdiebstahls – etwa im Urheberrechtsgesetz? Wie dachte und dichtete denn darüber Ernst Jandl, unser aller Großmeister des Nehmens und zerlegt Wiedergebens: „ich sein mein sprach, mein deutsch sprach, mein schön deutsch sprach, du wundern mein schön deutsch sprach?“ – so etwa im uns zu dieser Sendung inspiriert habenden Einakter „die humanisten“ (entstanden 1975) und dortselbst weiter: „den deutschen sprach mir heilig sein, sein mein muttersprach, sein mein und dein muttersprach, muttersprach heilig sein, mir heilig sein“ 😀 Also, da haben wirs! „Muttersprache“ eignet sich jedes Kind durch Ausprobieren an, durch Nachahmen und Herumspielen. Womit eins klargestellt wäre – wir sind alle Diebe – wir Strandpiraten der Sprache!

flammarionDaher sind die üblichen Vorwürfe, oft gegenüber sich in Sprachweisen just einübenden Menschen geäußert, man klinge wie der oder die, kupfere also ab und gehe mit deren Schmäh hausieren, ebenso sinn- wie substanzlos. Wer auch immer ein neues Ausdrucksmittel erlernt, wird dabei phasenweise um das Nachahmen seiner Lehrer und Vorbilder nicht herumkommen. Fad wirds bestenfalls, wenn jemand im lernenden Liebesrausch stecken bleibt und forthin nur mehr nach Kinski klingt. Oder nach Tolkien. Oder nach Hermann Hesse. 😛 Egal. Würde man derlei pingelige Kritik denn bei Komponisten und Musikern (natürlich immer auch _innen) anwenden, dann könnte man gleich 80% der Salzburger Bandszene wegen nachhaltigem Plagiatismus heimschicken. Bei jungen und in ihrer Entwicklung befindlichen Autor_innen und Vortragenden wird aber gleich gemeckert. Selbstredend heimlich und hintenrum, wir leben ja in einem nazikatholischen Friedhof der Phantasien. Welch ungeheuerliche Anmaßung ist das denn, wenn ein Mensch sich eine vorhandene Sprache einfach nimmt – und dann daraus etwas Eigenes macht? „Ketzerei!“ schreien sogleich die Verwalter der bisherigen Sprachmacht, und das war auch schon bei Martin Luther nicht anders! Das darf uns immerhin zu denken geben…

In dieser Sendung wollen wir alle Schreibenden und Sprechenden dazu ermutigen, ihre jeweilige Sprachwelt möglichst kreativ zu erweitern. Und sich alle dazu notwendigen „Sprachen“ (Text, Wortschatz, Vortragsstil) einfach anzueignen – ohne Rücksicht auf die allgemeinen Ehrwürdens ihrer eigenen Einteilungen. Denn Sprache lebt – in uns allen!

 

Überflüssig

-> Download: Artarium vom Sonntag, 23. März – Wir stellen diesmal ein Projekt rund um Ilija Trojanows aktuelle Streitschrift „Der überflüssige Mensch“ vor und begrüßen dazu im Studio die Gestalter dieses soeben entstehenden Work in Progress, unter ihnen Wolfgang Posch und Thomas Mulitzer vom Akustik-Punk-Duo TWO ON GLUE. Wir halten das für eine vortreffliche Idee, gerade den aktuellen Literaturbetrieb systemkritisch gegen den Strich zu bürsten und auch die Aussagen seiner Lieblinge auf persönliche Anwendbarkeit hin abzuklopfen. Diesem Ansinnen wollen wir uns gern anschließen und gegebenenfalls die gemeinsame Gestaltung eines Radiofeatures zum Thema „Überflüssigkeit“ oder „Entbehrlichkeit“ in Angriff nehmen. Zu unserem heurigen Themenschwerpunkt „100 Jahre Erster Weltkrieg“ passt derlei ohnehin wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Siehe (oder höre) dazu die Sendungen „Krieg und Frieden – Eine Andeutung“ (Artarium) und/oder „Krieg und Frieden“ (Nachtfahrt) 😉

Individuelle TextanfertigungInteressanterweise ist der „überflüssige Mensch“ ein verbreiteter Archetyp in der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts, und zwar meist ein gebildeter Nutznießer herrschender Verhältnisse, der die ihn umgebende Dummheit und Ungerechtigkeit erkennt, ihr aber handlungslos als gelangweilter Zuschauer begegnet. Kommt uns da nicht einiges erschreckend bekannt vor, wenn wir uns selbst inmitten des gegenwärtig konsumoptimierten Wirtschaftszaubers wahrnehmen? Das ist sicher eines der Motive, denen Trojanow folgt, wenn er die Frage aufwirft, wieso wohl jenseits von flüchtigen Empörungen keinerlei wesentliche Veränderung der Verhältnisse abzusehen ist. Noch interessanter fand ich allerdings den Umstand, dass der Archetyp des „überflüssigen Menschen“ in der Literatur auf den „Byronic Hero“ (-> Lord Byron) zurückgeht, einer Art einzelgängerisch weltabgewandten Antihelden, der seine persönliche Einmaligkeit in dauernder Rebellion gegen die Gepflogenheiten der Gesellschaft stellt. Sein Charisma besteht in der Ambivalenz zwischen Abscheu und Anziehung. Populäre Vertreter dieses Typs, mit dem wir uns nicht ungern identifizieren, wären etwa Batman, Severus Snape oder Dr. House. 😀 Kommt jetzt endlich die dicke Moralkeule, mit der Trojanow dem schlechten Gewissen unserer „Du solltest endlich etwas tun“-Spaßgesellschaft den Rest gibt? Oder stecken in der Botschaft dieses Beobachters noch viel tiefere Abgründe?

Anders gefragt, wenn ein angewiderter Außenseiter als unbeteiligter Zuschauer ein Gedicht über sein Erleben dieser Welt schreibt – wie „überflüssig“ kann das sein?

 

Bauhaus – Burning from the Inside

-> Download: Artarium vom Sonntag, 16. März – „Godfathers of Goth or the ultimate post punk band – an appreciation“ übertitelt die ungemein brauchbare Music-Website „Louder than war“ ihre Würdigung dieser in vielerlei Hinsicht einflussvollen wie stilbildenden englischen Band. Und eröffnet das späte Loblied auch gleich mit einem entsprechenden Satz: „Few groups have been as original as Bauhaus“. Dem kann (und will) man gar nicht mehr viel hinzufügen! Endlich einmal wieder seelenverwandte Musikjournalisten aus dem Konsumorkus der Worldwideheit auszugraben, das tröstet schon über so einige Industriekriecher und Plastikkasperln hinweg. Wie heißt es auch so schön in ihrer Selbstvorstellung: „We were bored of genres and the conventional history of music; we liked so much music and we wanted to communicate it“. Es lohnt sich wohl wirklich, für derlei erfrischend unangepasste Schreibe sogar ein noch so unbedarftes Schulenglisch mal wieder kräftig abzustauben! Doch nun zum Album 😀

bauhaus_burning_from_the_insideDenn dessen gut 55-minütiger Aneinanderreihung von Musikstücken mag man sein Entstehungsjahr 1983 wahrlich nicht so recht glauben. Sowohl produktionstechnisch als auch von der stilistischen Bandbreite der Songs her ist es ein durchwegs zeitloses Album, dessen Konzept  (als ein verbindender roter Faden) wohl am ehesten in der ausladenden Vielfalt seiner unterschiedlichen Ausdrucksformen zu verorten ist. Bei jeder anderen Band aus späteren Jahren hätte man sich schon über eine solche Menge an Stilzitaten gefreut – nur Bauhaus zitieren hier eben (fast) nicht. Die meisten der von ihnen dabei verwendeten Gestaltungsmittel wurden (und werden nach wie vor) von anderen Bands zitiert. Das ist es auch, was diesem Kollektiv aus vier Kunststudenten eine so dermaßen weitreichende Inspirationswirkung zukommen lässt – auf jeden Fall in jenen 5 Jahren der Post-Punk-Ära zwischen 1978 und 1983, in welchen sie fast ihr gesamtes Werk hervorbrachten. Bereits während der Aufnahmen zu „Burning from the Inside“ trennten sie sich erstmalig, später wiedervereinigten sie sich sporadisch immer wieder einmal, hauptsächlich zu Aufführungen des „alten“ Materials aus ihrer höchst produktiven Anfangsphase. Mich persönlich haben Bauhaus mit diesem Album schon aus mancher postpsychedelischen Seinskrise heraus gerissen. Wer sich auf die darin zum Leben erwachende Musik einlässt, hat womöglich schon einen guten Freund gewonnen… 😉

Sonstwelche Genretypisierungen und Stilzuschreibungen sind uns mörderwurscht!

„I am your slice of life“

Bauhaus

 

Krieg und Frieden

-> Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. März – Unsere erste Themencollage zum 100. Jubiläum des Ersten Weltkriegs – oder sollte man besser sagen „zur 100. Wiederkehr“? Kommt der Krieg schneller zurück, als du denkst (wie Judith Holofernes es im gleichnamigen Lied ausdrückt – passenderweise mit der Band Wir sind Helden) oder ist in unserem unierten Europa ohnehin längst der Frieden ausgebrochen? Justin Sullivan von New Model Army zitiert in der Anmoderation von „Here comes the War“ in San Francisco eine interessante historische Studie, nach der es seit Beginn unserer Zeitrechnung („Christi“ Geburt) weltweit zusammengerechnet bloß etwa 18 Monate Frieden gab. Frieden? 😀 Abwesenheit definitiv kriegerischer Auseinandersetzungen, das möchten wir hier ergänzend hinzufügen! Ausbeutung und Unterdrückung der Schwächeren durch die Stärkeren gab es da ja wohl trotzdem. Also, wie verhält sich Krieg zu Nichtkrieg – und was wäre wirklich Frieden – womöglich?

Zack Lee - War or Peace, America 1Der sogenannte „äußere Krieg“, also das tatsächlich stattfindende Vernichten von Menschen und menschlichen Existenzen durch Rundumermordung, aber auch durch Vergewaltigung und Vertreibung, immer im Namen eines „höheren Ideals“ und immer auf Befehl einer „höheren Macht und höhergestellter Personen“, diese uns aus Geschichtsbüchern und Dokumentationen vielhundertfach entgegengrinsende Unternehmung zur „höheren Ehre Gottes, Rettung des Vaterlandes, Verteidigung der Freiheit oder Sicherung der wirtschaftlichen Interessen“, diese jedwedes echte Menschenrecht mit Füßen tretende unmoralische, unsinnige, unverantwortliche Ungeheuerlichkeit einer vorgeblichen Problemlösung durch Gewaltmittel, also durch Schänden, Töten und Zerstören, diese fürwahr zutiefst soziopathische Verhaltensweise – ist nach wie vor im kollektiven Bewusstsein der Weltmenschheit als eine durchaus normale Möglichkeitsform fest verankert – und wird vielerorts auch als eine erstrebenswerte und vielversprechende politische Handlungsoption befürwortet und betrieben, in ganz besonderem Ausmaß und in schrecklicher Perfidie von der finanzglobalen Führungsnation, den Vereinigten Staaten von Amerika. Tauchen hier erste Zusammenhänge auf? Was für ein Wahnsinn!

Zack Lee - War or Peace, America 2Neuere Studien zur Posttraumatischen Belastungsstörung beschreiben die mögliche „Vererbbarkeit“ der Schadenssymptome von Gewalterfahrungen bis in die dritte Generation. Das bedeutet dann aber, dass eine Gesellschaft vier Generationen lang mit der Aufarbeitung ihrer Kriegserfahrung beschäftigt sein müsste, bis der „innere Krieg“ in der Psyche ihrer Mitglieder überwunden wäre. Dazu dürften dann aber während dieser Zeit keine erneuten angstauslösenden und ohnmachterzeugenden Traumatisierungen mehr erfolgen, wie sie etwa durch die strukturelle Gewalt politischer Instabilität, sozialer Verwerfungen und wirtschaftlicher Krisen gegenwärtig an der Tagesordnung sind. Ganz zu schweigen von den etablierten Zwängen, weite Bereiche der eigenen Gefühlsregungen nicht ausdrücken zu können, sondern unterdrücken zu müssen, um nicht von der „herrschenden Obrigkeit“ sanktioniert zu werden. Man passt sich an…

Zack Lee - War or Peace, America 3Kommen wir somit letztendlich zur These vom „ewigen Krieg“ oder besser von einem „sich fortwährend perpetuierenden Kriegszustand“ sowohl des Individuums wie der gesamten Gesellschaft. Wer andauernd Angst haben muss, nur ja nicht zu kurz zu kommen, wer sich immerfort unterordnen muss, nur um ja nicht aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden, wer sich tagtäglich gegen die Konkurrenz durchsetzen muss, nur um ja nicht Arbeit, Wohnung oder Studienplatz zu verlieren – kann niemals im Frieden leben. Oder wie Thomas Bernhard es darstellte: „als ein in Ruhe Gelassener“. Eine Gesellschaft mit Kriegsverletzungen an Land, Leib und Seele benötigt dieses „vier Generationen lang in Ruhe gelassen werden“, um mit sich selbst und der Frage nach Krieg und Frieden wieder ins Reine zu kommen. Doch wir werden (weltweit übrigens) partout nicht in Ruhe gelassen, wir werden stattdessen dermaßen abgelenkt und behupfdudelt, dass wir nicht mehr wissen, wo uns der Kopf – und überhaupt! Wir werden derart beherrscht, bewirtschaftet und staatsvergewaltet, dass einem schwindlig – und das Werden vergeht! Wir werden dergestalt flächenbombardiert mit Informationen und Marktfreiheit, dass niemand mehr auf die Idee kommt, mit sich selbst anzufangen, geschweige denn – was? Es herrscht immer Krieg, und zwar gegen uns, damit „die Herrschaft“ die Welt kriegt.

Den Themenschwerpunkt „100 Jahre Erster Weltkrieg“ gestalten wir mit freundlicher Unterstützung der profil-Redaktion. Alle Fotos „War or Peace, America“ haben wir von Zack Lee (flickr) unter Creative Commons übernommen. Zum Konzept unserer heurigen Collagen-Sendereihe siehe auch „Artarium – Krieg und Frieden – Eine Andeutung“.

 

Krieg und Frieden – Eine Andeutung

> Download: Artarium vom Sonntag, 9. März – Erste Einstimmung auf das heuer noch öfter wiederkehrende Schwerpunktthema “100 Jahre Erster Weltkrieg” und die damit einhergehenden Fragestellungen: Was ist eigentlich Krieg – und wenn ja, gibt es überhaupt Frieden? Ist nicht gerade der erste Weltkrieg (die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts und zugleich die ursächliche Wegbereitung des Nationalsozialismus) österreichischerseits noch um einiges gründlicher verdrängt als die Mitverantwortung am 3. Reich? Können wir mit unserer Gegenwartssprache die literarischen Zeugnisse von vor 100 Jahren noch direkt verstehen – etwa Die letzten Tage der Menschheit” von Karl Kraus oder die depressiven Gedichte von Georg Trakl? Sein Todestag jährt sich heuer ja auch zum 100. Mal – und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen traumatischen Kriegserlebnissen. Eine Überdosis Grauen wird nach wie vor als verkraftbar angesehen, der Ausweg in den Freitod bleibt ebenfalls skandalisiert …

profil 2014Das Nachrichtenmagazin profil begann im Januar mit einer bemerkenswerten Serie: Woche für Woche werden unter dem speziellen Titel “Countdown zum Krieg” Zeitungsmeldungen und Dokumente von 1914 veröffentlicht, so dass bis zur Berichterstattung über jenen 28. Juni (Attentat in Sarajevo) sowie dem daraus folgenden Beginn des ersten industriellen Kriegs im Juli/August ein atmosphärisches Grundverständnis für die vorherrschenden gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse im damaligen Kaiserreich Österreich-Ungarn entsteht. Eine solche Aufbereitung finden wir höchst anregend, entspricht sie doch unserer eigenen Arbeitsweise, durch Audiocollagen komplexe Stimmungen hervorzurufen und sie dadurch (wieder) erlebbar zu machen:

So wollen wir die Idee eines (wenn auch unregelmäßigen) Countdowns aufgreifen und in dieser Sendung eine assoziative Text- und Musiksammlung zum Thema „Krieg und Frieden“ vorstellen. Wir bedienen uns dabei zweier wesentlicher Sprach- und Vortragskünstler, die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Schrecken und Absurditäten jedweder militärischer Konfrontation beispielhaft bearbeitet haben: Nämlich erstens Ernst Jandl, der durch seine sprachkreativen Innovationen den emotionalen Gehalt von kriegerischer Denk- und Sprechweise in unmittelbares Erleben zu übersetzen vermochte – und zweitens Helmut Qualtinger, der in seinem unnachahmlich lebhaften Vortragsstil einen der sprachmächtigsten Kritiker des ersten Weltkriegs (eben den genialen Satiriker Karl Kraus) wieder in ein breiteres Österreichbewusstsein beförderte. Zudem lesen wir selbst letzte Gedichte von Georg Trakl und begeben uns auf die Suche nach den “veralteten” Ausdrücken jener Epoche. Alles in allem dient diese Andeutung auch zur Einstimmung auf unsere 3-stündige Perlentaucher-Nachtfahrt am Freitag, 14. März, die gleichfalls dem Thema “Krieg und Frieden” gewidmet sein wird … 😉