Kann Spuren von Hasen enthalten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. März – Oder von Hans Platzgumer. Doch schön der Reihe nach: Christopher Schmall, in unserem Kunnst-Biotop bekannt als “der Hase”, gibt just an diesem Sonntag eine Auswärts-Lesung, und zwar um 20 Uhr im Café Anno zu Wien. Und so stehe ich vor der Aufgabe, hierohrs unterhaltsam zu solieren. Zuvor muss ich allerdings tief in mein schwangeres Hirn tauchen, um nach Möglichkeit rechtzeits eine Idee zu gebären. Es sollen ja hier Verbindungen gestiftet sein – aus Text, Musik – und den Zuständen gemeinsamen Erlebens. Grübelgrübel. Haben wir nicht unlängst diesen speziellen Aura-Anthropica-Remix eines Titels aus “Nervöse Welt” gespielt? Die Jüngeren unter unseren Hör erinnern. Aura was? Und Hans Platzgumer – schreibt der nicht auch? Eben. Da ist der Zusammenhang.

Aura Anthropica - Texte für den HasenZusammen sind wirdie Hasen! Oder die Festspielpräsidentin in dieser provinziellen Welthauptstadt des katholischen Konsumterrors. Jedenfalls sprachverliebt und ganz und gar gegen die Zerdummmung derselben durch Nutzbrauch und Zweck eingestellt. Wir ergehen uns stattdessen lustvoll in den kreativen Wortlandschaften jener Mitwesen, die noch aus eigenem Empfinden etwas zum Zustand unserer Welt auszusagen verstehen. Bei denen Sprache nicht vorprogrammiert, sondern selbstgewählt geschieht. Also wird der Hund in dieser Sendung Texte vom Hasen zum Besten geben und auch vom Platzgumer Hans, dessen musikalisches Schaffen dieselben feinst umrahmt. Da gibt es zunächst H. P. Zinker auf die Ohren, hernach Aura Anthropica sowie das von ihm produzierte STROM von The who the what the yeah. Zur (Wieder)Entdeckung der wunderbaren Vokalnummern auf Aura Anthropica (1997) gibt es ein angenehm genrefernes Review “Don’t cry for me, Austria!” im Evolver mit einem zutreffenden Zitat: “HP spielt nach wie vor in seiner eigenen Liga, und er hat vollkommen neue Spielregeln festgelegt. Bei der Musik, bei den Texten.” Aus all dem hier Erwähnten kann durchaus destilliert werden, weshalb sich genau diese unüblichen Verdächtigen bei meinem Solo für einen Hasen wechselseitig das Wort aus dem Kopf nehmen:

Ich habe meine Handschrift geändert,
meine Stimme verstellt,
einen falschen Namen angenommen,
der sich als richtig herausstellt.
Sie werden all das
gegen mich verwenden,
wenn meine Maske fällt,
wenn sie mich erkennen.

The who the what the yeah – Palindrom (Text von Martin Konvicka)

 

Soap&Skin

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. März“Es ist schon unglaublich, dass ich nicht vollkommen verrückt geworden bin.” So äußert sich Anja Plaschg im Rückblick auf den überhitzten Hype, der beim Erscheinen ihres Debutalbums “Lovetune for Vacuum” vor rund 10 Jahren um sie entfesselt wurde. Mit was für Prädikaten wurde sie da nicht zugestülpt, “Schmerzensfrau“ etwa, “Popwunderkind” oder “Dunkle Prinzessin”, von einer immer mehr nach der nächsten Verkaufbarkeit geifernden Kuhzunft, die einem jede Zukunft verdreht, bis man schlussendlich schwindlig wird. “Du, ich habe Angst vor dieser Begegnung”, sagt ihr Julia Friese im Musikexpress, “ich habe Angst, weil ich so viele Interviews mit dir gesehen habe, und es immer wirkt, als fändest du es richtig, richtig scheiße interviewt zu werden.” Wir nähern uns an…

Soap&SkinDas im obigen Kontext verlinkte Video (Giermann & Stressemann) ist ein erbrecherischer Tiefpunkt im österreichüblichen Verhältnis von Medien und Kunst. Was nicht in die Verwurstmaschin des Brauchbaren passt, wird solange gequetscht und zerpresst, bis man es doch noch zu Erregungsgeld machen kann, oder halt weggeschmissen und ignoriert. Also was reden und schreiben, wenn man selbst nicht auch noch vollends deppert und gschissen sein mag? Über das aktuelle Album von Soap&Skin mit dem sympathischen Doppeltitel “From Gas to Solid / You are my Friend” KEINE interpretativen Verdeutungen ausschwitzen! Stattdessen etwas aus dem eigenen Erleben erzählen, was “den Abertausenden, wie sie einer sind” nie eingefallen wäre. Ja, genau SIE – mit unseren Hörer_innen sind wir nämlich per DU. Zunächst einmal wachte ich vorgestern erstmals mit einem Ohrwurm auf, der sich nicht etwa durch irgendein bekanntes musikalisches Stilmittel von außen ins Bewusstsein geschlichen, sondern sich in seiner Gesamtstimmung irgendwie von innen herauf im Unterbewussten ausgebreitet hatte: das Gesamtkunstwerk “Heal” aus ebendiesem besonderen Album, das wir euch diesmal vorwürdigen wollen. Ohne Genrezuschreibung, ohne Hineingeheimnis, ohne Interpretation. Einfach Soap&Skin.

 

Das Kritische

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. März – “Das kritische Salzburgbuch”, als welches “Die Ursache” von Thomas Bernhard des öfteren gern bezeichnet wird, ist nunmehr auch als Graphic Novel erschienen. Lukas Kummer hat dafür einige wesentliche Erzählstränge eindrucksvoll (nach)gezeichnet. Und der tapfere Residenz-Verlag, bei dem 1975 schon das vielfach umstrittene Original “Die Ursache. Eine Andeutung” herauskam, hat die sehr spezielle Text-Bild-Version jetzt produziert. Auf deren Präsentation im Salzburger Literaturhaus haben wir in unserer Sendung “Die Ursuppe” hingewiesen, wie ja überhaupt dieser “kritische Geist aus Salzburg” (und das muss nicht immer der “Skandalautor” selbst sein) in unserem Radioschaffen stets eine Hauptrolle spielt, sei es im Artarium oder in der Nachtfahrt, naturgemäß.

Die UrsacheDas Idee zum Tittel (nicht unser Hausarzt, leider) kam jedoch diesmal von Ernst Jandl und seinen autobiographischen Anmerkungen zu Sprach und Kunst, von denen hier noch sein wird ein Reden. Des weiteren auch aus dem kulturkritischen Buch “Musik = Müll” von Hans Platzgumer und Didi Neidhart, in welchem erfrischend zum Ausdruck kommt, was eine “kritische Würdigung” jenseits von bipolarem Schwarzweißdenken (oder besser -glauben) noch sein könnte. Und so haben wir die Musik/Text-Dramaturgie dieser Sendung in drei Stufen (vom Wort zum Buch zum Leben und auch wieder zurück) gegliedert, allerdings ohne uns allzusehr einzugliedern in den Erwartungsmarkt.

Eine AndeutungDie scheußlichste Entwicklung der sogenannten Marktwirtschaft ist nämlich das Befriedigenwollen der zuvor berechneten oder künstlich erzeugten Erwartungshaltungen von immer noch mehr und immer noch größeren Käuferschichten. Also der Mainstream oder das Statistik-Zerbrauchertum, die Degeneration der Gauß’schen Durchschnitte zum vollendeten Konsumwichtel der Industrie. Gepriesen sei hingegen der Residenz-Verlag, der seine Position am Markt mit der Produktion von kritischer Individualkunst zu verbinden versteht. Und uns entsprechendes Rezensionsmaterial für die 2. Stunde unserer Nachtreise bescheret hat. Die Verhandlung darüber sei hierohrs eröffnet…

Das kritische Salzburg-BuchDie einen werden über “Die Ursache als Graphic Novel” frohlocken – die anderen werden das Wort Werkzertrümmerung in den Mund nehmen. Was aber meint der Sprachenkunstler als Experte?

“Dass diese Sachen, die gemacht werden um hergezeigt zu werden, Sachen sind, die die einen freuen und die anderen ärgern, und dass sie gewollt so gemacht sind, dass sie die einen freuen und die anderen ärgern, dass es also Sachen, die alle freuen, gar nicht sein sollen, selbst wenn irgendwelche es könnten (so wie es Sachen, die alle ärgern, gar nicht sein sollen, selbst wenn irgendwelche es könnten), das ist das Kritische daran.” (Ernst Jandl – “Ich mit Umwelt”, 1970)

 

Zusammenhang

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. FebruarPutin nimmt die Krim, in Nordkorea wohnt der dicke Kim. Die Rohrdommel hockt im Rohr, ich vorm Monitor. Wo ist der Zusammenhang?“ Dieses schöne Lied von Rainald Grebe wollen wir als Motto für eine Sendung verwenden, die alles Mögliche nachliefert, was uns in letzter Zeit aus Zeitgründen einfach nicht mehr möglich (zu senden) war. Ein Sammelsurdium an nicht gemachten Anmerkungen, eingesparten Abschweifungen und unausgegorenen Ideen. Und ein alter Kreisky-Witz, der aber immerhin die Krise der Sozialdemokratie erklärt. Denn in einem Weltkrieg der Wirtschaft gegen den Menschen kann es nicht darum gehen, ein paar Erleichterungen beim Zerquetschtwerden zu etablieren, sondern nur darum, dass er endlich aufhört! Liebe Mit- und Ohneglieder (und -innen), so is des…

Wo ist der ZusammenhangSpiegel geht in Scherben
Scherben bringen Glück
Sammel sie auf, und dann schreib was drauf, und dann hol dir deine Geschichte zurück! Und dann:
Yin und Yang, Kling und Klang,
Sing und Sang: Das Lied vom Zusammenhang.

In diesem reichen wir auch einen Ausschnitt aus dem griechischen Dokumentarfilm “AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt” samt deutscher Textübertragung nach, der für unsere letzte Sendung “25 Jahre Studio West” eingeplant war. Genauso wie die Musik des antikapitalistischen Kunstkollektivs SNOG – hier eine frühe Videoarbeit zum sprechenden Titel “Corporate Slave” mit Zitaten aus dem medienkritischen Film “Network”. Schnitt. In einem bei “Serienköpferln aus der Nutzmenschenbatterie” (Uwe Dick) weithin beliebten Musikantenstadl-Deppenaufmarsch erklären Sebastian Moik und sein Vize Hias-Christian den Grundsatz ihres politischen Handelns wie folgt: “Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser – den moch ma hin!” Wo da jetzt der eingangs erwähnte Zusammenhang ist, das dürft ihr euch gern selbst beantworten…

Der Koran ist ein krasser Schmöker,
viele nehmen ihn wörtlich.
Ich geh lieber in die Kneipe
und betäube mich örtlich,
und suche den Zusammenhang.
Suche den Zusammenhang

Viel Vergnügen

 

25 Jahre Studio West

Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. FebruarUnter diesem Titel präsentiert Das Kino in Salzburg derzeit ausgewählte Filme aus dem reichhaltigen Schaffen einer vor 25 Jahren als “Verein Freier Film- und Videoschaffender” gegründeten “Plattform für kreativen Austausch im Bereich des künstlerischen Dokumentarfilms”. Inzwischen nennt die sich “Studio West. Independent Film” und bietet da auf ihrer Homepage einen tiefen Einblick in die Vielseitigkeit ihrer Produktionen. Wir haben dazu den Filmemacher Djordje Čenić aus dem Studio West ins Studio der Radiofabrik eingeladen, um mit ihm seinen Film “Unten” zu besprechen, welcher in der eingangs erwähnten Reihe am Dienstag, 19. Februar um 20 Uhr im Das Kino gezeigt werden wird. Diese “autobiografische Zeitreise” (Selbstbeschreibung) empfehlen wir sehr!

Studio West Independent Film UntenDenn sie bewahrt die Spannung zwischen hier oben und da unten über die gesamte Dauer, als ob man bei einem “Ritt auf Rasiermessers Schneide” mittendrin innehalten, in der Schwebe verharren – und sich aller Möglichkeitsformen auf einmal bewusst werden könnte. Der dabei angewandte Kunstkniff scheint uns eben die spezielle autobiografische Erzählweise zu sein, durch die das persönliche Erleben immer auch beispielhaft oder stellvertretend die “größeren Geschichten hinter der Geschichte” widerspiegelt. Der enorme Mut, sich selbst in seinem inneren Zwiespalt zwischen linksfortschrittlicher Einstellung und nationalchauvinistischen Parolen da mitten hinein zu stellen, als menschliche Projektionswand zum besseren Verständnis der Zuschauer, zahlt sich hier allemal aus. Wer sich auf die vielschichtige Darstellung der Thematik einlässt (und das gelingt leicht), wird mit mancherlei Erkenntnissen zum Selbstweiterdenken belohnt. So ließe sich etwa die Geschichte vom “Zerfall Jugoslawiens” als Mahnung im Hinblick auf “Europas Sinnkrise” und die darin wirksamen nationalen Fliehkräfte verstehen. Und das wäre auch nur ein einziger von mehreren Aspekten, die in diesem wirklich “künstlerischen Dokumentarfilm” angelegt sind. “Geschichte” jenseits der üblichen eindimensional massentauglichen Guidoknopperei ist einfach seufzerlösend.

Weil wir gerade dabei sind, den Balkan hinunter zu spüren und mit Empfehlungen um uns zu werfen – aus Griechenland kommt die ausgezeichnete Dokumentation “AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt” über die Situation der aktuellen Wirtschaftskrise…

Wir sind ein geiles Institut

 

Midnight Oil – diesfalls LIVE

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. Februar – Muss ich denn wirklich jedesmal einen Roman von einem Artikel schreiben hier? Nein, muss ich nicht. Ich enthebe mich der (Selbst)verpflichtung, begnadige mich, spreche mich frei. “Es ist eben alles schon gesagt (Karl Valentin) nur halt nicht von jedem”. Also, was über die Band Midnight Oil (und meine persönliche Freude an ihr) in Erfahrung zu bringen ist, das lässt sich auch diesem Artarium-Eintrag vom Januar 2018 entnehmen. Damals haben wir “ein ganzes Album” aus verschiedenen ihrer Studioaufnahmen zusammen gestellt. Und diesesmal gibts eine Kompilation von Liveaufnahmen, pikanterweise einem 1991 offiziell nicht erschienenen Bootleg entnommen, der einem nichtsdestoweniger da oder dort zum Kauf angeboten wird. Es soll ja Leute geben, die aus allem ein Geschäft machen

Midnight Oil CoverBei uns geht es um Stimmung und Atmosphäre, weshalb wir in dieser Sendung auch noch eine obskure Unplugged-Version der Midnight-Oil-Ballade “In the Valley” spielen. Damit wollen wir die mannigfachen Möglichkeiten des Musikmachens akustisch illustrieren. Und guad is

When my mother went down
it was a stiff arm from Hades
Life surprises and tears
you like the southerly
She always welcomed the spring
always welcomed the stranger
I don’t see too many around like this
Oh no, that’s what I’m looking for,
yeah, what we’re looking for

In the valley I walk
who will take me there
In the valley I walk
cold comfort I can hear you talk
In the valley I walk
I took some comfort there
In the valley I walk
oh rough justice I hear you talk
In the valley I walk
to meet my watershed

 

Neuer Ordner

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Februar – Wer kennt das Phänomen nicht, dass ein neuer Ordner in jeglichem Computerdings zunächst immer “Neuer Ordner” heißt? Wenn er nicht leer bleibt (wie so oft) – was könnte drin sein? Wir machen diesmal, anlässlich der 100. Ausgabe unserer Perlentauchereien, einen neuen Ordner auf, um uns von (selbst)hergebrachten Ordnungstrukturen (und den damit verbundenen Erwartungen) zu befreien. Klingt einigermaßen pathetisch – ist aber auch so. Denn es gibt kaum Verwegeneres, als etwas vom eigenen Ordnungssystem in Frage zu stellen, aufzulösen, neu zu gestalten. Und zu schauen, was dann passiert… Es ist wohl weithin gebräuchlich, den Ordner zuerst zu benennen, und ihn danach mit “zum Thema passenden Inhalten” zu befüllen. Doch es funktioniert auch andersrum.

Neuer OrdnerWir sind alle damit aufgewachsen worden, dass wir Themen gestellt bekamen – und diese dann gemäß den Erwartungen unsrer jeweiligen Erziehungspersonen zu bearbeiten hatten. Wenn wir das nicht erfüllten, war es eine “Themenverfehlung” und wurde mit “nicht genügend” entwertet. Vielleicht gab es da und dort in einem Freigegenstand wie “Kreatives Schreiben” einmal ein entgegengesetztes Herangehen, indem “das, was einem gerade so durch den Kopf geht” formuliert und verdichtet wurde – und erst dann (vielleicht) ein entsprechender Titel darüber gesetzt. Kunnst also bei unserer heutigen Sendung genauso machen: Wir senden “das, was uns in den letzten Wochen so durch den Kopf gegangen ist”, reichern es damit an, “was uns spontan dazu einfällt” – und ihr könnt diesen “neuen Ordner” so umbenennen, wie es zu eurem Hörerlebnis passt. Ein erster Schritt zu einer Ordnung”, die nicht von oben herab verordnet wird, sondern die von unten herauf entstehen kann…

PS. Kaum jemand weiß, dass Pjotrek Popolski aus Zabrze dereinst “der gesamte Popmusik erfunden” hat, weshalb man auch sagt: “Dieter Bohlen hat gestohlen alle seine Hits in Polen.” (Zitat von Enkelsohn Pawel Popolski). Wir grüßen ihn freundlich!

 

Der österreichische Mittagstisch

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. JanuarWas genau ist ein Nazi? Und warum finden wir ihn immer in der Suppe – wie das längst sprichwörtliche Haar? Was will uns Thomas Bernhard (der Dichter) damit sagen, wenn unser Hausvater entnervt in den Suppenteller drischt und dabei “Nazisuppe! Nazisuppe!” schreit? Unter dem Titel “Der deutsche Mittagstisch” versammeln sich sieben Dramolette (Kurz- und Kürzestdramen), die allesamt das unterschwellige Weiterbestehen von nationalsozialistischer Geisteshaltung in der bundesdeutschen Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Wir erlauben uns, das titelgebende Stück daraus in einer neuen Österreich-Version vorzstellen. Ganz im Sinne seines Autors, der uns bei jedem Mittagstisch auch den braunen Sumpf unserer nazikatholischen Heimat vorsetzt.

Die Nazisuppe für den MittagstischZumal die als Wiener Rindsuppe bekannte klare Brühe, welche das Grundrezept für die hier erwähnte Nudelsuppe ist, allgemein als die österreichische Nationalsuppe schlechthin bezeichnet wird. Von dieser ist es nur noch ein kleiner Schritt zur besagten Nazisuppe. Und die, im alpenkatholischen Weihnachtsgebräuch verbreitete Würstelsuppe als eine Steigerung der Nudelsuppe, in der die kleinen Wiaschtln herum schwimmen, bildet erst recht eine zutiefst Bernhard’sche Metapher für den abgründigen Brodeltopf des deutschösterreichischen Geisteszustands… Während einem da von der Oberfläche die offiziellen Fettaugen freundlich entgegen schmunzeln, wallt und wabert darunter im Trüben gefährlich der heimliche Untergrund. Suppe und Schund, Masse und Matsch, die tatsächliche Beschaffenheit ungaren Menschenteigs: mitläuferisch, obrigkeitshörig und fügsam. Genau da müssen wir das Dargestellte abstrahieren, wenn wir es in die Gegenwart übersetzen wollen, ins zeitlos Bleibende nichtausgestopften Lebens. Was also ist ein Nazi? Was macht die Geisteshaltung einer Gesellschaft aus, die gegen jegliche von der jeweiligen Norm abweichende Eigenart mit der dumpfen Absicht zu deren Ausmerzung vorgeht?

Dazu Thomas Bernhard (Die Ursache): “Meine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit, in welche ihre Bewohner hineingeboren und hineingezogen werden, und gehen sie nicht in dem entscheidenden Zeitpunkt weg, machen sie direkt oder indirekt früher oder später unter allen diesen entsetzlichen Umständen entweder urplötzlich Selbstmord oder gehen direkt oder indirekt langsam und elendig auf diesem im Grunde durch und durch menschenfeindlichen architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischen Todesboden zugrunde.”