Innergebirg

Artarium am Sonntag, 12. Oktober um 17:06 Uhr“Innergebirg einmal anders”, könnte man so sagen, wenn einen die ab- und hintergründigen Geschichten von Thomas Mulitzers neuem Mundart-Album entgegenwehen. “Zehn Lieder aus der Schattseite der Heimat”, so heißt es in der Erscheinungs-Ankündigung auf seiner Homepage. Und das ist gewiss nicht untertrieben. Kunstvoll in der Schwebe gehaltene Ambivalenzen zwischen gefühlter Identität und schleichendem Erschrecken formen ein Gesamtereignis, das der tatsächlichen Wirklichkeit des Lebens und Erlebens erstaunlich nahe kommt. Dazu hat mit Sicherheit die feine Arbeit von Produzent Fabio Schurischuster von der Grazer Mischerei beigetragen, die das neue Solowerk in ein Klangbild einbettet, das ausgewogen zwischen Hoamat und International changiert.

Thomas Mulitzer - InnergebirgWir freuen uns ja erheblich darüber, dass wir dieses Heilmittel gegen die einseitige Heimattümelei pünktlich zu den verordneten Jubelfeiereien erhalten haben, die gemeinhin und gemeinerweise den Herbst zu einer patriotismusbesoffenen Jahreszeit verunstalten. Kaum sind wir einem immer noch lederhosendepperter werdenden Rupertikirtag mit seinen plumpen Fickdirndln entronnen, da dräut uns auch schon der Kärntner Landestrubel (10. Oktober) – hier zum Ausgleich zwei Partisanen – und dann auch noch der sonderbare Nationalfeiertag am 26. Oktober, dem wir heuer zum Glück ebenfalls einen schönen Kontrapunkt aufsetzen können, nämlich mit einer Sendung zur Brecht-Inszenierung “Die heilige Johanna der Schlachthöfe” von und mit Cassandra Rühmling, auch im Hinblick auf Bertolt Brechts österreichische Staatsbürgerschaft, die er vor 75 Jahren erhielt. Da war aber bald Feuer im Karton und die Geschichte als ein Beispiel dafür, warum es in diesem Land so ist, wie es ist, sei hier nachgelesen. Es macht viel Arbeit, zu dem, was wir hier erleiden, Stellung zu beziehen – zudem auf eine Art und Weise damit umzugehen, die uns unsere Lebenslust und Freude nicht verdirbt

Da könnten wir beim Pongauer Poeten und seinem neuen Album “Innergebirg” nachfragen, wie das denn gehen soll, im speziellen Fall “die Heimat lieben”, dabei zugleich “hinter den schönen Schein der Fassaden und Klischees zu blicken”. Und wir könnten uns anschauen, wie das andere Vertreter der Kunstform kritische Heimatdichtung so mundhaben. Als ein besonders gutes Beispiel erscheint uns der Weiherer, zumal der ja auch in seiner Mundart singt und dabei oftmals scheinbare Gegensätze überbrückt, unter anderem den zwischen Hans Söllner und Fredl Fesl.

Bei dem Lied Fährmann” trifft er sich mit Thomas Mulitzer definitiv im Abgründigen. Im Pressetext zu dessen am 24. Oktober erscheinen wollenden Werk heißt es ja unter anderem: “Inspiriert von der Tradition der Murder Ballads verhandeln die Lieder lokale Geschichten, Mythen und unaufgeklärten Verbrechen – immer mit einem Blick für das, was Friedrich Achleitner das G’fäude nennt: das Verfaulte und Verfehlte, das ansonsten keine Beachtung erfährt, das aus dem Normalzustand herausreißt und eine unheimliche Dimension freilegt. Zwischen Wahrheit und Fiktion erzählt …”

 

Innergebirg einmal anders – so wie es ist.

 

Lieber Konstantin,

“Der Liebe zuliebe”, so heißt dein jüngstes Buch, das ich soeben gelesen habe. Und als ich damit angefangen hatte, drängte sich mir sogleich der Wunsch ins Bewusstsein, dir zu schreiben. Du wirst dich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern, doch wir sind uns einmal in Salzburg begegnet, das war 1979 anlässlich deines Konzerts im großen Festspielhaus. Im Anschluss daran haben wir gemeinsam gesoffen bis in den Morgen und du hast mir all dein Geld geschenkt, das du dabei hattest, für die damals geplante “Initiative Buntes Salzburg”. Und heute lese ich in diesem Buch, dass du Alkoholiker bist und vor ungefähr 4 Jahren, ziemlich zur selben Zeit wie ich, beschlossen hast, nicht mehr zu trinken, also deine Sucht der Liebe zuliebe nicht mehr auszuleben. Das, lieber Konstantin, berührt mich zutiefst – und verbindet uns noch einmal ganz neu

Lieber KonstantinDenn schon seit vielen Jahren bezeichne ich dich (auch ohne dass du davon weißt) als einen meiner wichtigsten Sprachlehrer. Deine Texte und vor allem deine Art, sie auszudrücken, dein Mut, auch die  erschreckenderen Abgründe des Gefühlslebens anzuschauen und in Worte, oft auch in unerwartete und zugleich berührende Klänge zu fassen – das alles und noch viel mehr hat mich immer wieder dazu angestoßen und herausgefordert, meinen eigenen Abgründen sowie ihren Spiegelungen in der Welt um uns herum mit Worten, in Klangbildern und Inszenierungen Gestalt zu geben, um andere auf sie aufmerksam zu machen und um sie (nüchtern betrachtet mehr denn je) in mir und nicht zuletzt für mich selbst zu verbearbeiten. Du komponierst und dichtest und gehst auf Tournee. Ich dichte auch und komponiere Radiosendungen, die gehen dann für mich “im Äther” auf Tournee. In denen bist du auch schon öfter vor- und, wie ich meine, ganz gut weggekommen. Es gibt Verbindungen jenseits des Sichtbaren

Lieber Konstantin, heute sind es im Rückblick nicht mehr nur die vielen Anregungen und Einflüsse, die wir beide gemeinsam haben und denen ich in deinem Buch wieder begegnet bin. Ich will hier zwei wesentliche Personen erwähnen, denen ich ungemein Gutes verdanke: Den großen Pier Paolo Pasolini und den wunderbaren Arno Gruen. Heute ist es vor allem der Weg, auf den du dich im Augenblick des Zerrbruchs (einer der kreativsten Druckfehler, denen ich je begegnen durfte) gemacht hast: Poetisches Wandeln und politisches Handeln durch spirituelle Entwicklung in Einklang bringen.

(Mitschnitt): Im Artarium am Sonntag, 28. September gehen Christopher Schmall und ich der Frage nach, wie sich der Weg des Konstantin Wecker in seinem Werk und in unseren jeweils eigenen Werdegängen wiederspiegelt und was für uns dabei “ein roter Faden” sein kann. Weil in jeder gesättigten Lösung aus Poesie und Widerstand, Wut und Disziplin, Vergebung und Aufbegehren, kurz gesagt in jedweder kreativen Ursuppe eine erste Struktur aus Lebensordnung und dem Wunsch nach Gestaltung der Utopie zu finden ist, an der sich längst vorhandene Elemente herauskristallisieren:

 

Das ist Poesie

 

Battle&Hum#154

Samstag 20.09.2025 (Stairway zum Nachhören)

Wir gehen ran an die Buletten und machen euch das Leben dolce!

 

DJ Ridi Mama’s junge Römer:

  1. The Jam (the gift) – town called malice
  2. Grossstadtgeflüster (muss laut sein) – ich muss gar nix
  3. DJ Fastcut (dead poets) – odia gli indifferenti
  4. Ozzy Osbourne (no more tears) – mama, I’m coming home

 

MC Randy Andy’s Berliner Weisse:

  1. Die Türen (kapitalismus blues band) – grunewald is burning
  2. Ton Steine Scherben (keine macht für niemand) – rauch-haus-song
  3. Falco (einzelhaft) – auf der flucht
  4. Tocotronic (golden years) – bye bye berlin

 

„Ick sitze da un‘ esse Klops

uff eemal klopp’s

Ick kieke, staune, wundre mir,

uff eemal jeht se uff die Tür.

Nanu, denk ick, ick denk nanu

jetz isse uff, erst war se zu!

Ick jehe raus und kieke

und wer steht draußen? Icke!“

(Klopslied, Musik: Kurt Weill, Text: unbekannt, Berliner Mundart

 

 

Zur Abstimmung folget dem LINK!

 

 

Listening to Perlentaucher

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. September – “Liebes unsichtbares Publikum!”, so sprechen wir euch in unseren beiden Sendereihen an, sowohl hier im Artarium als auch an jedem 2. Freitag im Monat in der Perlentaucher Nachtfahrt (immer von 22:06 bis 01:00 Uhr). Doch unsere Zuhörys (entgendert nach Phettberg) haben ja verschiedenartige Vorlieben und neigen daher oft eher der einen oder der anderen Darreichungsform zu. Also wollen wir heut mal die Gelegenheit ergreifen, euch, liebes Artariumpublikum, unsere “Musikliterarische Gefühlsweltreise mit tiefgründigen Themen” schmackhaft zu machen. Denn wenn die Radiohasen drei Stunden am Stück Zeit haben, ihre Poesie zu entfalten, entsteht naturgemäß eine andere Art von Sendung ….. und eine andere Art von Erfahrung beim Zuhören.

Listening to Perlentaucher“Die Poesie vermag es, uns eine Ahnung zu vermitteln von dem, was unseren Verstand übersteigt.” So beschreibt das Konstantin Wecker in seinem neuen Buch “Der Liebe zuliebe”, das ich mit Vehemenz empfehle (das wird einer eigenen Sendung bedürfen). “Die Poesie vermag es, uns zu befähigen, das Wunder des Lebens in uns mit der brutalen Realität um uns herum wieder in Einklang zu bringen, auch wenn vieles zunächst einmal unwiederbringlich zerstört erscheint.” So möchte ich diesen Gedanken weiter führen. Und was machen wir dann gemeinsam in unseren monatlichen Nachtsendungen, in denen wir als Perlentaucher auf die Suche gehen nach den verborgenen Kleinoden der Poesie, die unmittelbare Berührung mit überraschender Erkenntniss verbinden? Das ist schwer zu beschreiben, doch darum geht es bei unseren Expeditionen eben auch: Worte zu finden für das Unsagbare:

“Wir wachsen so selbstverständlich mit der Sprache auf, dass uns teilweise gar nicht mehr auffällt, wie zauberhaft und magisch sie sein kann. Sie kann Welten öffnen, fantastisch und traumhaft; sie vermag es aber auch uns zu verletzen, hässlich zu sein, widerlich und ekelerregend. Sie ist unendlich weit, farbenfroh und so facettenreich; dennoch stoßen wir hin und wieder an ihre Grenzen. Sprache kann wirklich sprachlos machen. Manchmal verschlagt es uns die Worte, wir können nichts mehr sagen, bringen keinen Satz mehr hervor, als hätten wir ganz und gar verlernt zu sprechen …

Ich als Dichter lebe von ihr. Ich liebe und ich hasse sie; und bin auf sie angewiesen. Es ist schon merkwürdig wie ein Wort den Sinn eines ganzen Satzes verändern kann. Es ist ein ständiges Abwiegen, ein andauerndes Überlegen und Feilen, eine Arbeit, eine Beschäftigung, die niemals aufhört, immer weiter geht. Ich bin im Bann der Worte. Und kann doch über sie bestimmen! Ich glaube, es ist eine Art Symbiose. Ohne Worte könnte ich nicht meine Gedanken nieder schreiben und ohne mich blieben sie nur seltsame Hieroglyphen.” (Christopher Schmall in “Dichterwerdung” vom 8. August 2013)

Listening to You, Perlentaucher …

 

Literarische Stunde 9: Von „Banana massacre“ zu Nachwuchsautor*innen

„Banana Co“, der politisch-kritische Song von Radiohead, macht heute den Opener. Inspiriert von Gabriel García Márquez‘ „Hundert Jahre Einsamkeit“. Das Buch wurde 1982 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet und behandelt die Geschichte der Familie Buendía über sechs Generationen. 100 Jahre Leben in dem fiktiven Dorf Macondo, das auf das Heimatland des Autors, Kolumbien, anspielt. Wir begleiten die Bewohner Macondos auf der Flucht vor dem System und erleben, wie ebendieses kapitalistische System schließlich zum Eklat führt.

Der Song „Banana Co“ behandelt die wirtschaftliche Ausbeutung und politischen Umbrüche in Südamerika, die auch im Roman eine zentrale Rolle spielen und beide spielen auf das „Banana Massacre“ im Jahr 1928 an. Bei diesem Massaker kamen nach einem Aufstand gegen die „United Fruit Company“ zwischen 47 und 2.000 Arbeiter ums Leben. Die genauen Zahlen konnten nie klar genannt werden.

Nach diesen erschütternden Geschichten aus der Vergangenheit reisen wir zu ergreifenden Geschichten der Gegenwart und besuchen die Abschlussveranstaltung des „Schreibkompass Sommercamp“. Das Output kann sich sehen lassen: Von fünf Teilnehmer*innen wird eine ihr Buchprojekt bereits im Herbst veröffentlichen und zwei weitere im kommenden Jahr. Und ein Überraschungsprojekt war auch noch mit dabei!

Die Links zu den Teilnehmer*innen und ihren Projekten findet Ihr unten in der Linkliste.

Studiogast

Feature Abschlussfest Sommercamp

Musik

Radiohead: Banana Co

Radiohead: Creep

INXS: Mystify

Aretha Franklin: Respect

Sophie Zelmani: Going Home

Train: Drops of Jupiter

Wire: Outdoor Miner

Bad Company: Call on me

Linktipps

https://de.wikipedia.org/wiki/Bananenmassaker

Marie Alessi: My person died, what now?

https://www.mariealessi.com/

Bianca Kinga Wang: Die kleine Schnecke

https://www.instagram.com/zauberhaft444/

Michaela Wiedemann: Tanz mit der Angst

https://michaelawiedemann.de/

Steffen Wiedemann: Schnittstelle Wahnsinn

90125 (Yes Album)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. September – Das ganze Album in Begleitung seiner (und meiner) Zeitumstände und eine Betrachtung des Songtexts von “It Can Happen”. Wir feiern die Rückkehr des Hasen von der Festspielfront mit einem überraschend untypischen Yes-Album aus dem Inbetween der Band zwischen Auflösung und Neuformierung Anfang der 80er Jahre. Es handelt sich dabei um das nach seiner Katalognummer benannte “90125”, das vom Soundbild wie von den den Arrangements her auffallend neuartige und für altgediente Yes-Fans oft ungewohnte Wege einschlug. Letztendlich wurde es (ob man derlei nun begrüßt oder ablehnt) als wesentlich rockiger und auch mainstreamtauglicher empfunden als deren bisherige vielschichtig verzwirbelte Prog-Phantasien. Kunstvoll und vieldeutig war es allemal.

90125 (Yes Album)Mich ereilte dieses Klangwerk just zu der Zeit, als ich im Gymnasium zu Horn (im Waldviertel) zur “Matura” ansetzte um dann in weiterer Folge in Wien weiterführenden Studien zu obliegen. Was ich dabei allerdings überhaupt nicht wusste, war, wo ich mit meinem Leben eigentlich hin wollte. Und in genau so einem “In-Between” trafen mich diese Gestalt gewordenen Gedankensplitter auf 90125, mit denen die Musiker ihr Ringen um Neuorientierung nach dem Ende des bislang Gewohnten verbearbeiteten. Es passte, sowohl textlich als auch atmosphärisch, perfekt in mein eigenes Übergangsloch. Ich meine damit jenen Zustand, in dem schon klar ist, dass das Bisherige zu Ende geht, aber das Künftigedas Werdenwollende wie das daraus Erwachsenkönnendenoch nicht so deutlich zu erkennen ist, wie man das gern hätte. Und ich glaube heute, dass in mir durch die Begegnung mit diesen oft unenträtselbaren Stimmungsbildern ein gewisses Maß an innerem Wissen um mein Wohinwollen gewachsen ist. So wie wir oft nicht bewusst wissen, aber“aus dem Bauch heraus” (intuitiv) richtig handeln.

You can fool yourself
You can cheat until you’re blind
You can cut your heart
It can happen

You can mend the wires
You can feed the soul apart
You reach
It can happen to you
It can happen to me
It can happen to everyone eventually

Created out of fantasy
Our destination calls

Wie gesagt … It can happen

 

Best Of Albanien

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. August – Bevor uns am Ende des Sommers der Schmäh ausgeht, spielen wir noch ein Album von einem feinen Schmähtandler namens Rainald Grebe. Allerdings kein ganzes, denn “Albanien” dauert insgesamt eine Stunde und 13:44 Minuten, was uns zur heutigen (siehe Titel) Best-Of-Auswahl inspiriert hat. Der zwischen allen Zuordnungen umhupfende Multikünstler (Musiker, Komponist, Kabarettist, Schauspieler, Regisseur, Collagendichter und … was weiß ich) hat schon in vielen unserer Sendungen eine wesentliche Rolle gespielt. Auffallend oft war er auch in der legendären Sendereihe “Ethnoskop” aus Innsbruck zu hören, was uns auf die Sendungsmacherin und Kulturvermittlerin Hemma Übelhör aufmerksam werden ließ und auch zu ihrer Auszeichnung mit dem Radioschorsch 2019 führte.

Best Of Albanien (Rainald Grebe)Die hat ja auch spannende Namensgleichheiten, betrachtet man etwa das bewegte Leben des Journalisten Alfons Übelhör. War der jetzt einer von den Guten oder einer von den anderen? So einfach ist das alles nicht, wenn Geschichte aus erzählten Geschichten besteht und nicht aus irgenwessen (und damit sind auch wir gemeint) als endgültig behaupteten Interpretationen. Memory ist immer “under construction” und “Wir müssen auch unsere Eltern in ihrem historischen Kontext verstehen.” (Peter Hodina)

Siehe dazu auch “Tantes Inferno”.

Schnitt.

Was genau ist (auch in dem Zusammenhang) das Besondere an Rainald Grebe, das seine Musik und seine Texte für verschiedenste Gelegenheiten (vor allem, wenn es sich um komplexere Themen handelt) geeignet sein lässt? Ich möchte hier noch einmal den Begriff der Collageim speziellen Sinn der Textmontage – ansprechen, mehr noch dreht es sich bei seinen Arbeiten (so wie diesfalls auch auf “Albanien” wieder gut zu hören) um die meisterliche Kunst des Pastiche. Nur verwendet er dafür nicht bloß “von anderen textlich ausgesagtes”

… sondern darüber hinaus Zitatfragmente, Gedankensplitter, Gefühlsmetaphern und sich verändernde Erinnerungen, schlüpft zudem während eines Liedes auch schon mal in mehrere Rollen, die all das wiedergeben – und konstruiert so jeweils vielschichtige Wirklichkeiten, die je nach unserem jeweiligen geistigseelischen Aggregatzustand immer wieder aufs neue anders und für die jeweilige Situation, Fragestellung oder Themenwahl als “wie die Faust aufs Auge” passend erlebt werden. Das ist eine Besonderheit, die mir bei Rainald Grebe inzwischen auffällt.

Auch sehr schön und im weiteren Sinn zum Begriff eines multimedialen Pastiche passend ist seine (hatte da nicht auch die Kapelle der Versöhnung ihre Finger im Spiel?) formale Zitierlust. Aber wo endet das Zitat (die “Coverversion”) und wo beginnt die eigenkreative Inspiration durch das Original? Ein frühes Beispiel ist “Captain Krümel”, das unverkennbar an Billy Joels “Captain Jack” erinnert. Auf “Albanien” begegnet uns wieder ein (wenn auch partieller) Billy-Joel-Einfluss und zwar aus “We Didn’t Start The Fire” in einigen Passagen von “Typisch Deutsch”.

Unterkomplex dürfte es also (auch am Ende des Sommers) nicht werden …

 

Tantes Inferno

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. August“Wir müssen unsere Eltern in ihrem historischen Kontext verstehen.” Dieses Zitat von Peter Hodina erweist sich als umso zutreffender, je mehr und je länger ich mich mit der Geschichte meiner Familie beschäftige. Und dabei habe ich über die Jahre so einiges entdeckt, was man vor mir unbedingt hätte geheimhalten wollen. So etwa die Verstrickungen meiner Tante in die Ideologie des Nationalsozialismus, deren schädigende Auswirkungen auf mich und meine Mutter ich erst langsam (im Rahmen einer Traumatherapie) zu verstehen beginne. Noch vor einigen Jahren habe ich einen viel zu euphemistischen Nachruf auf sie verfasst. Heute sage ich rückblickend: “Es war die Hölle.” Das Kind darf sich wieder spüren – und auch das titelgebende Wortspiel mit “Dantes Inferno” machen …

Tantes InfernoEs gilt also einiges zu berichtigen und auch die Geschichte(n) so zu erzählen, dass sie nie mehr hinter dem muffigen Vorhang des Schweigens und Vergessens zum Verschwinden gebracht werden können. Es gilt, sich selbst wieder zu begegnendort, wo man im tiefsten Inneren schon immer gewusst hat, was gespielt wird, wo man sich aber schon zu lange nicht bewusst hinzuschauen getraut hat, weil die eingeflößte Todesangst vor der Wahrheit viel zu groß war. Wie zersetzend sich eine nationalsozialistische Erziehung von frühester Kindheit an auswirkt, das hat Sigrid Chamberlain in ihrem Buch “Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” minutiös dargestellt. Der eigentliche Skandal aber besteht darin, dass jener zutiefst menschenverachtende “Erziehungsratgeber” von Johanna Haarer, der darin die Hauptrolle spielt, auch nach Kriegsende immer wieder neu aufgelegt wurde (zuletzt 1987), bis in die 2000er Jahre als Lehrmaterial für die Ausbildung in Säuglingspflege verwendet wurde, und dass die kinderfeindlichen Erziehungsmethoden, die solchem auf Gehorsam und Funktionieren abzielenden “Kinderabrichten” innewohnen, nach wie vor von einigen sogenannten Experten als sinnvolle Maßnahmen angepriesen werden. DAS macht hilflos – und wütend.

Dabei muss es aber nicht bleiben: “Denn ist ein Buch, das geschrieben werden muss, erst einmal geschrieben, ist das Grauen in Worte gebannt. Das bedeutet nicht unbedingte Heilung, doch Linderung für die Seele. Schreiben ist selbstbestimmtes Handeln, es befreit aus der Opferrolle.” Zitat aus Misha Schoenebergs “Mein Vater, Auschwitz und der 7. Oktober”. Ein solches Buch, das ich gerade lese, ist der Roman “Wenn das der Führer wüsste” von Otto Basil (ein sträflicherweise kaum bekannter österreichischen Publizist und Schriftsteller), der mir Tantes Inferno zu lindern vermag.

Meine eigene Erzählung beginnt mit dieser RadiosendungWas hat es mit dem von mir erlebten und überlebten Inferno – und mit meiner Tante – auf sich?

Wir öffnen eine Zeitkapsel …

 

Sendung 8: Von wilder Musik und Lebensgeschichten

„The Rime of the Ancient Mariner“ von Iron Maiden, erschienen auf dem fünften Studioalbum der Band, „Powerslave“, bildet das Intro zur heutigen Sendung. So richtig. Über 13 Minuten ist die Nummer lang und guess, ja natürlich habe ich sie ausgespielt.

Wilde Musik, inspiriert von einer wilden Geschichte. „The Rime of the Ancient Mariner“ ist die Vertonung des gleichnamiges Gedichts von Samuel Taylor Coleridge, erstmals erschienen 1798. Die Geschichte handelt von einem Seemann, von Schuld und von Sühne und wer, wenn nicht Iron Maiden kann diese Stimmung musikalisch umsetzen.

In dieser achten literarischen Stunde sprechen wir über „Journeymen“, über das Reisen und warum es sich unterwegs einfach besser schreiben lässt. „Einfach mal raus“ wie man so schön sagt, ist für jede/n hilfreich fürs Schreiben? Ich glaube schon, doch kann das „einfach raus“ ja auch bedeuten, sich zum Schreiben in ein Cafè zu setzen.

Mein Studiogast, Bestsellerautorin Marie Alessi, kann von beidem berichten. Sie ist vor 20 Jahren nach Australien ausgewandert, hat dort eine Familie gegründet und arbeitet zurzeit an ihrem vierten Buch. Doch auch sie mag ab und an mal wieder einen Tapetenwechsel und arbeitet dann vorzugsweise in einem Coworkingspace. Worum es in Maries Büchern geht, sei hier nicht verraten, hört selbst rein und lasst Euch von meinem Studiogast mitnehmen auf eine Lebensreise der ganz besonderen Art.

 

Studiogast

Marie Alessi, Autorin

 

Buchtipps

Marie Alessi: Loving Life after Loss

Marie Alessi: Happy Healing

Marie Alessi: Sparks of Joy

Alle erhältlich auf Amazon Kindle

 

Musik

Iron Maiden: The Rime of the Ancient Mariner

Iron Maiden: Journeyman

Bad Company: The Way I Choose

Nora Jones: Come Away with Me

Crowded House: Weather with You

 

Linktipps

https://en.wikipedia.org/wiki/Dance_of_Death_(album)

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Rime_of_the_Ancient_Mariner

https://www.mariealessi.com/

Battle&Hum#153

Samstag 16.08.2025 (Stairway zum Nachhören)

Diesmal gibt’s keine Abstimmung, es gab ja auch nur exquisite Musik!

 

MC Randy Andy’s Brandblasen:

 

LINGUA IGNOTA (caligula) – may failure be your noose

Danzig (danzig III: how the gods kill) – dirty black summer

Nick Cave and the Bad Seeds (the firstborn is dead) – tupelo

DAF (alles ist gut) – rote lippen

The Prodigy (the fat of the land) – smack my bitch up

Koenig (messing) – sesselleiste

Frank Zappa (hot rats) – willie the pimp

Black Uhuru (sinsemilla) – sinsemilla

 

„The sun‘s not yellow, it’s chicken“ (Bob Dylan, Tombstone Blues)