Echte Menschen Live

Artarium am Sonntag, 22. Juni um 17:06 Uhr – Jetzt bin ich wieder ein Kommissar (am 5. Juni in die Programmkommission der Radiofabrik zu Salzburg gewählt) und da besteht ja eine meiner Aufgaben darin, allerhand Sendungen von Kolleg*innen “gut zu hören”, also sie zu entdecken und zu verstehen, wie sie funktionieren. Wie es der Zufall (oder war es ein Wunder?) will, begegnete mir eine höchst interessante solche quasi “im Vorbeigehen” (am Außenlautsprecher vor dem Radiofabrik-Office). Da unterhielten sich gerade zwei Frauen über die erstaunlichsten Wendungen des Lebens, die erst im Rückblick auf dem Weg ins radikal Eigene (zu sich selbst) einen ganz speziellen Sinn ergeben. Ich war so fasziniert, dass ich – geradezu eingesaugt in dieses Gespräch – innehielt und dachte: “Da sind echte Menschen live unterwegs!”

Echte Menschen LiveGenau das ist es doch, was Freies Radio im innersten ausmacht und was wir in unseren Sendungen stets als Alleinstellungsmerkmal sowie als Wesenskern des Unterfangens beschreiben: “Hier sind noch echte Menschen am Werk, die man beim hören auch spüren kann.” Und so eine unmittelbare Begegnung“im Vorbeigehen mitkriegen” und dann da noch zuhörend mit einsteigen können in die Resonanz” – das finde ich wirklich bemerkens- und auch unbedingt empfehlenswert: Es handelt sich um die Sendereihe “Gesprächsfunken – Facetten vieler Leben” von Brit aka Birgit Brandner. Und die Folge, von der ich hier berichte (und von der wir diesmal auch erzählen wollen), heißt “Über Drogen, Scheitern und die Frage nach dem Tod”. Gesprächspartnerin ist dabei die Alterswissenschafterin und rundum umtriebige Lebensbefürwortungsexpertin Sonja Schiff. Eine live und lebendig mitzufühlende Verständigung mit sogenannten tiefen Themen. Chapeau!

Es machen sich aber nicht nur Frauen, sondern durchaus auch Männer auf einen emanzipatorischen Weg – weg aus der Befängnis des Hergebrachten und hin zur Schaffenskraft der Selbstbestimmung – wobei, liebe Geschlechtsgenossen, wie schauts eigentlich aus mit der Emanzipation von dem seltsamen Patriarchat? Wir sind ja auch nicht dessen Nutznießer (wenn wir niemand mehr unterdrücken), wir sind doch auch alle in klebrigen Fäden verstrickt und müssen zappeln, wenn (ja, wer eigentlich?) zupft. Bis wir umfallen. Sind wir dessen nicht längst überdrüssig?

erostepost das sommerfestAlso wollen wir noch ein paar “zwei Männer machen sich gemeinsam auf den Weg” auspacken, sowohl aufgenommen als auch  LIVE im Literaturhaus Salzburg. Da lesen am kommenden Dienstag um 19:30 Uhr Christopher Schmall und Robert Kleindienst “stand auf gegen” und dort deklamieren und performen am Donnerstag darauf beim erostepost Sommerfest der Erstgenannte zusammen mit mir (nebst anderen Gäst*innen) “in und um einander”. Das ist fast schon der beste Sommer von allen …..

“Spontane Rebellion und Solidarität sind Akte, die jetzt wertvoll sind.
 Es ist nie zu spät.”

Beatsteaks vs. Dirk von Lowtzow – French Disko (Tschick)

“No God, no King, I said love is the thing.”

IDLES – Grace

Echte Menschen, Live!

 

 

Auf die Welt gekommen

Battle&Hum #151 am Samstag, 21.06.2025, 22:00 Uhr, diesmal mit Kuchen!

Wir sind ja auch mal auf die Welt gekommen, der DJ Ridi Mama und ich. Wir können uns nur nicht mehr erinnern, ist wahrscheinlich auch besser so. Es reicht vollkommen, wenn das Trauma im Verborgenen schlummert, ganz tief unten oder weit hinten, hinterm hinteren Kleinhirn. Vor 50 Jahren haben wir das Licht der Welt erblinzelt, der Michael ein bissi früher als ich im Jahreskreis. Er ist ein Kind des Frühlings, Anfang Mai im Jahre 1975 den Geburtskanal passiert. Das passiert den besten Tomaten, die Vertreibung der Paradeiser. Meine Wendigkeit schlüpfte im tiefsten Winter obwohl es noch Herbst war, Anfang Dezember. In dieser Jahreszeit geboren, gewöhnt man sich gleich an die Kälte und man ist vom Sternzeichen her Optimist, denn es kann jetzt nur mehr heller werden. Aszendent Eichel-Sau, die Innviertler lieben das Kartenspiel Schnapsen.

Der DJ Ridi Mama ist im Sternzeichen Salzburger Stier (er ist tatsächlich Stier…..hihi…… Aber das ist ja sowieso reiner Humbug), mit einem Waschzwang. Vermutlich Aszendent Smegmatiker oder auch irgendwas mit Eichel, daher das mit dem Waschen. Ich glaub momentan gibt es keine Astroshow auf der Radiofabrik, wir könnten die Lücke füllen: „Sternhagelvoll“ Das Horrorskop mit Michael und Andreas! Ja genau, ein halbes Jahrhundert hat sich schon in unser Gesicht gefurcht, derweil sitzt aber noch alles recht stramm. Wir ackern aber unermüdlich weiter, bis sie uns mit dem Holzpyjama hinaustragen. Death in front of the microphone, wäre kein schlechter Abgang. Sonderbar, kaum denkt man an Geburtstag winkt auch schon Gevatter Tod mit der Sense. Ist wohl naheliegend, ein Sprichwort sagt ja, dass das Leben wie ein Hemd sei, ab dem ersten Anziehen nützen sich die Fasern ab. Am Ende ist man dann wieder nackt.

L+L=C

Die zwei Jahrhundertmoderatoren haben deshalb beschlossen euch einen Ausschnitt der Musik aus ihrem Geburtsjahr 1975 zu spielen. Sie können sich zwar an nichts mehr erinnern aber ich gehe davon aus, dass Popmusik, als Spiegel der Gesellschaft, als Ausdruck der seelischen Zustände der Menschen zu dieser Zeit und somit auch der Elterngeneration der 75er Jahrgänge mehr Einfluss auf das Werden der Kinder hat, als sagen wir zum Beispiel Horoskope. Was soll der Schmarrn mit meilenweit entfernten Sonnen und deren Wirkung auf den Charakter des Menschen? Das nennt man „Glauben“, da kann ich gleich zum Hl. Vitus (einer der 14 Nothelfer, geiles Portfolio [zum Vitus runterscrollen]) beten. Da fällt mir wieder OÖ ein, da g(k)lauben sie nämlich nur Erdäpfel und kennen nur den einen Vitus, den Mostdipf! Ich schweife in meine alte Heimat ab, also straight outta Sauwald into the Factory. Musik aus dem Jahre 1975 am kommenden Samstag den 21.06.2025, ab 22:00 Uhr. So viel sei verraten, wir sind unter einem guten Stern geboren, im chinesischen Horoskop wäre es „the year of the horses“! Stay tuned.

MC Randy Andy

You want it darker

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Juni“Endlich Sommer Unendlich” heißt die aktuelle Perlentaucher-Juninachtfahrt, die uns auf eine Stimmungsreise zwischen unendlichen Möglichkeiten und immer wieder eintretender Endlichkeit einlädt. Da ist es kein Wunder, dass mir dabei einiges an unbewältigtem Kindheitstrauma in den Sinn kommt. Meine Sommer werden nie wieder unendlich sein. Oder vielleicht doch, nur anders als damals? Jedenfalls begegnen wir hier einem erstaunlichen Phänomen – dass nämlich Musik und Lyrik aus der Schaffenswelt des Depressiven wohltuend wirken können – auf Menschen, die selbst gerade in sich ausweglos anfühlenden Lebenskrisen unterwegs sind. Darum spielen wir heute das Altersmeisterwerk “You Want It Darker” von Leonard Cohen und wünschen uns einen heilsamen Sommer!

You Want It DarkerIn den vergangen Jahren haben wir Leonard Cohens Werk vielfältig angeleuchtet. Als er im Jahr 2016 starb, haben wir ihm auch einen “Nachruf, der keiner ist” in die Unendlichkeit geschrieben. Beim Begräbnis meiner Cousine Elke Mader haben wir die Liveversion von Anthem (2008) gespielt, weil:

Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything
That’s how the light gets in

Wer ein Leben lang mit seinen Depressionen kämpft und dabei über 80 Jahre alt wird, der ist ein ausgeprägter, ein sehr deutlicher Überlebender. Das führt uns zu einem weiteren Aspekt seines Lebenswerks, den wir im Rahmen dieser Albumpräsentation gleich mitbeleuchten wollen: Sein lebenslanges und oft verzweifeltes Ringen mit den Bildern eines Gottes, der dem menschlichen Leid unerbittlich und gewaltvoll gegenüber steht. Aus welchen Quellen und Erfahrungen sich die alttestamentlichen Vorstellungen bei ihm speisen, das wissen wir nicht, doch wir haben da eine Spur.

Es geht um Gewalt (in welcher Form auch immer) und um das Vertrauen von Kindern in ihre Eltern (die ja zunächst als ihre irgendwie allmächtigen Schöpfer erlebt werden). Und es geht um die absoluten Normen (die unhinterfragbaren Regeln und Gesetze), in deren Namen (!) Kinder von ihren Eltern Gewalt (seien es Schläge oder sei es das Vorenthalten von unmittelbarer Zuwendung oder whatever) erfahren. In dem Lied “Story Of Isaac” treffen die beiden Ebenen (die persönlich-individuelle wie auch die allgemein-ideologische, religiöse, gesamtgesellschaftliche) vortrefflich aufeinander.

This might get so much darker than you ever expected. Dass Suzanne Vega den Song 1994 covert, nachdem sie sich Jahre zuvor mit ihrem Hit “Luka” auf den Weg zur Verarbeitung ihrer eigenen familiären Gewalterfahrung gemacht hat – das ist immerhin auffallend. Und wie viel unhinterfragbare (weil im Namen Gottes) Gewalt in dieser ganzen Opferung-Isaaks-Geschichte steckt, dem haben wir selbst einmal in der Sendung “Abrahams Nebenwirkungen” nachgespürt. Ihr kennt uns, wir bringen gern auf Gedanken “aber wir deuten nur an” (wie Thomas Bernhard sagen würde).

Eine sehr schöne (weil aus persönlichem Erleben heraus entwickelte) Rezension des Albums “You Want It Darker” hat übrigens Dirk Knipphals für die taz geschrieben …

 

Die verwaltete Welt

Artarium am Sonntag, 8. Juni um 17:00 UhrWir werden verwaltet – und wir verwalten uns selbst. Wie meinen? Zwischen unseren letzten zwei Sendungen, die einigermaßen begeistert über die Leseperformance “NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns” berichteten, und unseren kommenden Radioarbeiten, die sich auf den anstehenden Sommer mit seinen illustren Festen beziehen, möchte ich quasi als Nachtrag zu all der “Kritischen Theorie” und “Dialektik der Aufklärung”, die uns an jenem denkwürdigen Abend im Literaturhaus regelrecht “einverdichtet” wurden, ein legendäres Gespräch mit dem Titel “Die verwaltete Welt” von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Eugen Kogon (aus dem Jahr 1950) zu Gehör und vor allem zu Gespür bringen. Denn es kommt sehr darauf an, wie sich die Herren dabei anfühlen:

Die verwaltete Welt“Herr Professor Horkheimer, Herr Professor Adorno, ich wollte unser Gespräch über die verwaltete Welt beginnen mit der Feststellung, dass der moderne Mensch herumirrt – suchend nach seiner Freiheit. Und die Art, wie ich eben zu unserem Gespräch gekommen bin, und wie ich weiß, dass auch sie kamen, die erinnert mich sehr an diesen Zustand.

Jetzt, vor einer halben Stunde, sollte ich bereits woanders sein. Und von ihnen, Herr Professor Horkheimer, weiß ich, dass sie in einer Viertelstunde bereits in Bad Nauheim sein sollen. Und wir wollen uns doch ausgiebig, ruhig und vernünftig über dieses so enorm wichtige Thema unterhalten: Die verwaltete Welt. Und da sitzen wir also, sozusagen zitternd, nervös, weil andere Termine auf uns warten. Von diesem Zustand müssen wir frei werden.

Ich für meine Person werde also jedenfalls bei unserem Gespräch jetzt so tun, als ob ich beliebig Zeit hätte. Und ich denke, dass aus diesem “als ob” eine Wirklichkeit werden kann. Und das ist, glaube ich, genau das Thema unserer Unterhaltung: Ob es möglich ist, eine solche Haltung einzunehmen, und daraus eine neue Wirklichkeit zu machen …”

 

Es fasziniert doch immer wieder, wie aufmerksam die drei Herren in ihrem Gespräch auf einander Bezug nehmen und wie präzise, ja geradezu druckreif sie nach all der Erniedrigung und Lebensgefahr, die sie während der Nazizeit erlebt haben, hier ihre Überzeugungen ausdrücken. Dies mitanzufühlen, macht auch jüngeren Menschen, die nicht fachspezifisch in Geschichte, Philosophie oder Sozialkritik vorgebildet sind, eine Denkweise zugänglich, die uns allen immer noch dabei helfen kann, uns in der zunehmend unübersichtlich werdenden Welt, in der wir leben, zurecht zu finden …

Wie aktuell ihre Gedanken für unseren Umgang mit Zeitnot, Termindruck und Stress sein können, das erklärt sich aus dem oben abgedruckten Einstieg in jenes Gespräch sozusagen von selbst.

 

Hören sie genau hin …

 

Sendung 5: Von Antiutopien und Kinderbüchern

Vom heutigen Intro Stück und dem Buch, auf das es sich bezieht, wurde ich gleich mal 40 Jahre in der Zeit zurück katapultiert. Was haben wir uns damals gesorgt, was haben wir diskutiert – über Bücher wie „1984“, „Brave New World“ oder „Fahrenheit 451“. Meine Diplomarbeit an der Universität Salzburg habe ich zum Thema politische Utopien und Antiutopien verfasst, so sehr hat mich das Thema gepackt.

Und nun. Ja nun sitzen wir hier und stellen fest, so vieles von dem, was einst gefürchtet war, ist bereits eingetroffen. Ist das ein Grund zu resignieren? Ich finde nicht. Was uns bleibt, ist die Musik. Was uns bleibt, ist die Literatur. Und wenn wir klug genug sind, lassen wir beides nicht von einer KI erzeugen, sondern legen weiterhin großen Wert auf echte Künstler und Künstlerinnen.

In dieser Literarischen Stunde verabschiede ich mich also alsbald von den Dystopien und ihrem Schrecken und wende mich meinen Gästen zu, die ihren künstlerischen Beruf lieben und darüber auch ins Schwärmen geraten. Jill Goritschnig und Philipp Reinhard illustrieren Kinderbücher, unter anderem und plaudern aus dem Nähkästchen rund um Verlagsarbeit und Bären zeichnen.

Das Musikstück, das sie mitgebracht haben, ist 50 Jahre älter als die meisten Sachen, die ich sonst so spiele und ich übe mich in Horizonterweiterung. Natürlich dürfen aber auch die alten Heroes nicht fehlen, von Marianne Faithfull bis Creedence Clearwater Revival.

Studiogäste
Jill Goritschnig und Philipp Reinhard, zu erreichen unter https://www.jillipp.com/.

Literaturtipps
Johann Wolfgang von Goethe „Die Leiden des jungen Werthers“

Ulrich Plenzdorf „Die neuen Leiden des jungen W.“

Eine Besichtigung des Wahns

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. Mai – Gestern waren wir dann also leibhaftig im Salzburger Literaturhaus, um dem entschieden “unsalzburgischen” Programm NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns beizuwohnen. Wir wollten wissen, wie sich so ein “Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft” anfühlen würde, wenn wir ihn livehaftig erleben. Und natürlich auch, wie sich diese dichte Darbietung von Erlesenem, Empfundenem und Selbstweitergedachtem im nachhinein auf unser Selbst- und Weltverständnis auswirkt. Waren unsere beschwingten Erwartungen aus der Sendung vom letzten Sonntag doch übertrieben begeistert ausgefallen? Diese Frage beantwortet am besten ein anderer Besucher, der zum Abschied anmerkte: ­“Da fühlt man sich auf ein Mal nicht mehr so allein auf der Welt.” Ja, es hat uns berührt

Eine Besichtigung des Wahns (Christopher Schmall)“Wirklichkeit zur Kenntlichkeit entstellen – das ist Satire. Von wem auch immer dieses Zitat erstmalig stammt, es ist ebenso wahr wie auf diesen Abend, der sich “Besichtigung” nennt, zutreffend. Zumal wir im Zuge unserer Teilnahme die uns tagtäglich aufs Grausigste umbrausenden “Realitäten” nicht nur durch die Brille der kritischen Theorie sondern auch durch die Sichtweisen der Herren Ebermann, Mense und Thamer besichtigen durften, was eine sehr angenehme “ironische Distanz” zu den doch einigermaßen verstörenden Schrecknissen des Weltgeschehens bewirkte, auf dass sich ganz neue Freiräume im Denken, Fühlen und Handeln öffneten, ein zugleich poetischer wie auch therapeutischer Akt! Auf die Art und Weise möchte man “die Realität” (ein von den Realitätern dieser Welt gekaperter und für ihre Interessen uminterpretierter und somit missbrauchter Begriff), möchte man “die Realität” also noch viel öfter als das wahrnehmen, was sie ihrem Wesen nach eigentlich ist: “unsere Wirklichkeit, die wir selbst bestimmen und gestalten können. Und weil der Mensch ein Mensch ist, braucht er dazu was zum Fressenaber keine Moral. Die Richtschnur menschlichen Handelns kam im Programm kurz vor der Pause zum Ausdruck, und zwar wörtlich so:

“Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.”

Sie wollten die Aufklärung vor sich selbst retten. Sie wollten eine Idee von Vernunft entwerfen, die Auschwitz unmöglich machen würde.

Ja, ich weiß … aber ich glaube, das funktioniert nicht oder es funktioniert nicht mehr. Die Vernunft ist nicht mehr zu retten.

Aufklärung?

Was bleibt uns denn sonst … aber auch die stößt hier überall jeden Tag an ihre Grenzen.

Was brauchts dann?

Empathie

Solidarität

Zärtlichkeit

Naturschönheit genießen können

Die Fähigkeit, sich und andere zu lieben

Die Fähigkeit, selbst zu denken

Gesellschaftlichen Reichtum ganz anders denken

Verweigerung – die Fähigkeit zum Widerspruch

Widerständigkeit

Ungehorsam

Unangepasstheit

Unanständigkeit

Unvernunft

Unvernunft im Dienste der Vernunft

…..

 

Battle&Hum#150

Samstag 17.05.2025 (Stairway zum Nachhören)

Ein Hochamt der Hämmer und Ambosse, erschaudert ihr Bonzen!

 

MC Randy Andy’s Feiertagszuschlag:

  1. Pete Seeger (single) – the hammer song (if I had a hammer)
  2. Jan Böhmermann und der Chor der Scheinselbstständigen (single) – wir sind versandsoldaten
  3. Maasnbriada (legendenstatus 3) – feiertog
  4. Viech (vollmond) – schiebt euch eure wettbewerbsfähigkeit in den arsch

 

DJ Ridi Mama’s Nachtzulage:

  1. Joe Glazer (songs oft he wobblies) – workingmen unite
  2. Dolly Parton (9 to 5 and odd jobs) – 9 to 5
  3. Blur (parklife) – bank holiday
  4. Bibiza (wiener schikeria) – stadtpark insomnia

 

„The woman workers needs bread, but she needs roses too.“ (Rose Schneiderman)

 

 

Zur Abstimmung folget dem LINK!

 

Rings und Lechz

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. Mai – – Ernst Jandl hat die Frage nach der Unterscheidbarkeit von Links und Rechts einmal mit folgendem Gedicht beantwortet: “manche meinen, rinks und lechts sind schwel zu velwechsern. werch ein illtum!” Und dem wäre nun auch wirklich nichts mehr hinzuzufügen, wenn die Frage nach Links und/oder Rechts sowie der ganze Wahnsinn (nicht nur der Sprache) sich nicht doch immer wieder aufdrängte und nach einem eigenen Standpunkt verlangte. Ich zum Beispiel habe vor Jahren, angespürs der mich umflutenden Verhältnisse, die ein von der Norm abweichendes Leben mit aller Gewalt zu verhindern trachten, jenes Gedicht in meine Situation übersetzt und quasi weiter gejandlt: “Verzweifelt blick ich rings und lechz – nur Angepasste links und rechts.” Sogar ein Schüttelreim, schau her …

Rings und LechzNun haben einige wackere Streiter für das Gute, Wahre und Schöne (sand de Buam ned fesch?) aus der Radiofabrik zu Salzburg eine sehr unsalzburgische Veranstaltung an Land gezogen, und zwar “NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns” von und mit Thomas Ebermann, Thorsten Mense und Flo Thamer. Und dankenswerterweise gleich als szenische Lesung ins Literaturhaus gebracht, wo dieses satirisch und multimedial gesellschaftskritische Programm mit dem Untertitel “Ein Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft” am Donnerstag, 22. Mai um 19 Uhr stattfinden wird. Sowas dürfen wir uns nicht entgehen lassen, zumal die unglaublich dichte, dabei zugleich weise und witzige Machart des Vorgängerprogramms “Heimat – Eine Besichtigung des Grauens” nicht nur persönliche Erkenntnis (mit bewusstseinserweiternder Wucht) verspricht, sondern eben auch rings im Publikum alles andere als angepasste, gleichförmige, ignorante und sonstwie hässliche, abtörnende Menschen erwarten lässt. Ringsund Lechz!

Gestern hab ich mir die ganze zweieinhalbstündige Heimatveranstaltung reingetan. Im ersten Teil bin ich verdauungsbedingt kurz weggedöst, nur um dann kurz vor der Pause mitten in einer ungemein dichten Text- und Bildcollage beim Thema “Heimat ist ein zutiefst faschistischer Kampfbegriff” im wahrsten Wortsinn hochzuschrecken und meiner Nazifamiliengeschichte zwischen Heimatwerk und Heimatkunde wieder zu begegnen. Verstörend! Und wenn wir den Bogen zu “normal” spannen, landen wir bei Bedeutungen wie “der Vorschrift entsprechend” aber auch “geistig gesund”

 

Der Wahnsinn der Normalität

 

Hit Me Hard and Soft

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. Mai – Heute begeben wir uns in ein noch nie zuvor gewagtes Experiment: Wir spielen ein ganzes Album, und zwar “Hit Me Hard and Soft”, das aktuelle Werk von Billie Eilish, das bei uns beiden doch einigermaßen unterschiedliche Gefühlsreaktionen hervorgerufen hat. Und außerdem auf unserer konsumismuskritischen Grundeinstellung ambivalent flirrend herumtanzt wie ein zutiefst liebenswerter Andenkenstandler im allerfürchterlichsten Souvenirshop des Weltmarktwahnsinns. Einigen wir uns auf einen gemeinsamen Blickwinkel: Das popkulturelle Phänomen oder die Kunstperson als schillernde Figur, auf die jeder/jede/jedes auch wirklich jegliches projizieren kann, was möglicherweise kaum erkannt in uns allen schlummert und unbewusst längst feuchtfröhlich in uns umgeht.

Billie Eilish - Hit Me Hard and SoftDenn die sympathische Seite der globalen Merchandiselerin ist ihre Ab- und Hintergründigkeit, mit der sie den allzu platten Bedeutungs- und Zuordnungsmechanismen in immer neuen Selbsterfindungen entkommt, eine Kunnst, die auch wir nur allzu gern anwenden oder die wir uns immerhin sehnlichst herbei wünschen. Grund genug, unsere unterschiedlichen Gefühle “auf einander los zu lassen” und dabei völlig ungeplant zu erleben, was geschiehthard and soft

“She’s the headlights, I’m the deer”

wiedereinmal dieses zaubermächtige gefühl, mit wucht und völlig ungeplant erfasst zu werden, fast schon umgerissen, von musik, von klangkunst, die mich mit jeder neuen wendung weiter in so vertraut-eigensinnliche sphären beamt, dass ich zu schwingen und vibrieren beginne : HIT ME HARD AND SOFT trifft mich hartzart, traumklar, lebhaft-still : nimmt mich in den arm und wirft mich ins weite oder ich sinke hinauf zu den gipfeln der see, in die wolkenschluchten, dort weiß ich dich tanzen, dort sind wir uns nahrung, öffnen wir uns wie türen : wie viele türen im inneren, im zwischen, zwischen uns, zwischen uns und dem schwirrenden glück? sind wildblumenwiesen, wenn wir wollen und gleichgefiedert im freien hall, im heilenden fall ins blau der augen des drachen, in angst und verzweiflung, doch wir scheuen nicht zurück : fühlt sich an wie sterben : fühlt sich wie liebe an : fühle dann nichts mehr oder denke das nur : fühle mich hundertfach im raum und sehe mich hundertfach im raum fühlen, wie ich hundertfach im raum sehe, was ich kaum zu fühlen bereit bin, aber ich vertraue – auf was oder wen? auf dich? mich? unsere liebe? aufs vertrauen? den zufall? auf den ominösen fluss des lebens? fuck it! eh wurscht! egal was mich bei verstand hält oder mir mut gibt weiterzumachen, zuversicht, es quillt aus mir : ich quelle aus mir und verwandle, was auch immer an zerbrochenem, verletztem, abgespaltenem oder eingepflanztem durchs gedärm wuselt : du, schmetterling, du, was kannst du uns von der leere erzählen? liebst du die sonne, so wie ich? und das meer? hinterlässt du abdrücke im sand? lügt der wind, hier, am kap, wo mich jede*r kennt? mein gesicht auf den globus gepinselt als wäre ich mehr als ich weiß, dass ich sein könnte : und größer : das größte ich, das ich sein möchte?

“Did I cross the line?”

Billie Eilish, in erneuter zusammenarbeit mit ihrem bruder FINNEAS, ist ein herrlich vielseitiges und musikalisch anspruchsvolles album gelungen, das durch die detailverliebte produktion der soundstimmstimmungsschichten besticht, aber mit den texten, die verschiedenste facetten von liebe thematisieren, die wunderschönen, lustvollen und glücklichen, wie auch die abgrundtief schmerzenden, gewaltvollen, übergriffigen, verlogenen und obsessiven seiten, noch dieses eine besondere, etwas andere gewürz beinhaltet, durch das es zu einem herausragenden werk wird :
Billie Eilish ist eine ungewöhnliche persönlichkeit in der pop-maschinerie, die sie gekonnt zu bedienen gelernt hat und gleichzeitig mit ihrer unverstellten, eigenwilligen art fast ad absurdum führt : sie ist und bleibt sie selbst, mit ecken und kanten und dunkelheiten und leerstellen : wie wir alle

 

Hit Me Hard and Soft (Deutschlandfunkkultur)

 

Sendung 4: Von weißen Kaninchen und Jefferson Airplane

Jefferson Airplane hatte ich lange nicht mehr gehört. Umso erfreulicher, nun wieder einmal in das Werk der führenden Band des psychedelic rock einzutauchen. Mit „White Rabbit“ startet die vierte Literarische Stunde aus der Radiofabrik. Ein song voller Sujets aus dem Buch, auf das es sich bezieht: „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll, erschienen 1865.

Das Buch erzählt die Geschichte von Alice, die einem weißen Kaninchen in seinen Bau folgt und in eine fantastische Welt abtaucht. Viele von uns erinnern sich vielleicht an die skurrilen Figuren wie den verrückten Hutmacher, die Grinsekatze und die verrückte Kartenkönigin. Während ihrer Reise wächst und schrumpft Alice durch magische Speisen und Getränke und hier kommt auch schon der „psychedelic rock“ ins Spiel. In den 1960er Jahren wurde das Buch von der psychedelischen Szene gefeiert, weil man in diesen Speisen eine Parallele zu Pilzen mit psychedelischer Wirkung sah. Dabei wird das Werk neben seiner ursprünglichen Bedeutung als unterhaltsames Kinderbuch durchaus auch als Kritik an Autoritäten verstanden. All die Figuren, die die sinnlose Regeln aufstellen, wie zum Beispiel die Herzkönigin, können auch als Parodie auf die strengen viktorianische Autoritäten gedeutet werden.

Jefferson Airplane jedenfalls landete mit „White Rabbit“ eine Hit, der es als einer der wenigen Songs der Band in die Charts schaffte. Erschienen ist „White Rabbit“ 1967 auf der LP Surrealistic Pillow.

Mein Studiogast erzählt vom Traumberuf Bibliothekarin und wie man eine Gemeindebibliothek zum Ort der Begegnung machen kann. Ihr Musikwunsch katapultiert mich direkt in meine Jugend zurück und wir schwärmen von denselben Büchern.

Zum Abschlusssong könnte ich noch eine ganze Stunde sprechen, doch leider ist die Zeit vorbei. Deep Purples „When A Blind Man Cries”, erschienen 1972, splittet die eingeschworene Deep Purple Community immer noch klar in das Gillan- und Blackmore-Lager. Ja, wenn wir Alt Rocker einmal anfangen, über Stücke zu diskutieren, dann bleibt kein Auge trocken. Fakt ist aber, dass dieses Juwel der 1970er anfangs kaum live gespielt wurde, weil Ritchie Blackmore den Song nicht mochte. Befindlichkeiten halt.

Später wurde der Song zu einem Fan-Favoriten und von anderen Bandmitgliedern oft gespielt, und das nicht nur zusammen mit Deep Purple. Ich gestehe feierlich, ich zähle mich zur Gillan-Fraktion.

 
Songs
Jefferson Airplane „White Rabbit“

Jefferson Airplane „Somebody to Love“

Bad Company „Don’t let me down”

Bruce Springsteen „Thunder Road“

Herbert Grönemeyer „Ich Hab‘ Dich Lieb“

Adele „Set fire to the rain”

Deep Purple „When A Blind Man Cries”

Studiogast
Rotraud Butschek, Leiterin der Bibliothek Walserfeld

Linktipp
Die Bibliothek Wals-Siezenheim: https://www.wals-siezenheim.at/Bibliothek_Walserfeld