It’s all over now, Baby Blue

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. Februar – Wie umgehen im Leben? Wie umgehen mit der Angst? Unlängst drang Ungeheuerliches aus der Verhandlerei von FPÖ und ÖVP, etwa zum Thema Medienpolitik: So sollten die gesetzlich verankerten Förderungen für den Freien Rundfunk massiv gekürzt werden. Statt dessen sollten sogenannte “Alternative Medien” mit öffentlichen Geldern versorgt werden, der FPÖ nahestehende Propagandaplattformen, die jenseits jedweder journalistischer Qualitätsstandards hauptsächlich faktenferne Volksverwirrung verbreiten, gepaart mit parteilicher Lobhudelei im Sinne eines seltsamen Personenkults um den kleinen Mann, der die Partei des kleinen Mannes anführt. Kunnst dir vorstellen, dass sich Bob Dylans “Baby Blue” auf den kleinen blauen Brillenschlumpf anwenden ließe?

Baby BlueUnmittelbar nach dem Scheitern der Kollisionsverhandlungen zur Bildung einer blauschwatzen Bundesgierung ging bei mir der nächste Angstfilm an den Start: Es wird Neuwahlen geben und dadurch werden die Wahnsinnigen noch stärker werden… Doch dann gelang es mir, für einen Moment das wohlig warme Gefühl der Erleichterung aus meinem Bauch aufsteigen zu spüren und ich beschloss, jetzt und hier zunächst einmal diesen Augenblick zu genießen. Und mich von jeder auf mich einstürmenden (und in mir hochsteigenden) Katastrophenhysterie zu distanzieren. Ich habe weit wichtigeres zu tun, als mich von geisteskranken Kriegsgewinnlern des menschlichen Abgrunds in denselben mitreißen zu lassen. Zum Beispiel meine eigenen Abgründe auszuloten und die vielen vernachlässigten Kinder in mir selbst in Sicherheit zu bringen. Denn niemand anders kann mir meine Welt reparieren… Und nirgendwo anders beginnt die Welt, in der wir alle miteinander verbunden sind.

Ich habe die Nazis überlebt und daher weiß ich auch, wie naheliegend und verlockend es ist, den eigenen Schmerz nicht fühlen zu müssen, indem man ihn jemand anderem zufügt. Genau da beginnt die Täter-Opfer-Umkehr – als Opfer-Täter-Umkehr in einem selbst. Du kannst dir selbst als Baby begegnen (und das ist eine Herausforderung) oder du wirst als aufgeblasenes, wutverstopftes und ständig unzufriedenes Riesenbaby in der Welt herumsausen und andere Unzufriedene um dich versammeln, die so wie du keinen Gefühlszugang zu sich selbst haben und unweigerlich Unheil anrichten.

Das Sympathische bei Bob Dylan dagegen ist, dass seine Wortbilder sich seit jeher jeglicher Definition entziehen. So rätselt die Gemeinde der Dylandeuter:innen immer noch daran herum, wer mit Baby Blue eigentlich gemeint sein könnte. Das Schöne am gefühlsdenkerischen Zugang, wie wir ihn pflegen, ist wiederum, dass sich dieser Text bei jeder neuen Betrachtung wie von selbst interpretiert: Christopher Schmall – blau, gewesen. Und so geht auch das mit dem Brillenschlumpf. “Ach, geh mir doch weg.” Prinzessin Dylia weiß intuitiv, wie man den garstigen Gnom wieder los wird.

PS. Es gibt einen neuen Dylan-Film, der bezeichnenderweise “Like A Complete Unknown” heißt und hier im BR-Magazin Capriccio herzallerliebst vorgestellt wird. Am Donnerstag, 27. Februar sowohl um 17:00 als auch um 20:15 im DAS KINO.

“Sie sollten dich wie lassen?” – “Wie auch immer sie mich nicht haben wollen.”

 

Battle&Hum#147

Samstag 15.02.2025 (Stairway zum Nachhören)

Dr. MC Quinzel und DJ Eulenspiegel setzen euch den Schalk in den Nacken.

 

MC Randy Andy’s Mummenschanz:

  1. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen (alle ampeln auf gelb) – alle ampeln auf gelb
  2. David Lynch (crazy clown time) – crazy clown time
  3. Aldous Harding (designer) – the barrel
  4. Nina Hagen Band (unbehagen) – african reggae

 

DJ Ridi Mama’s Schabernack:

  1. Maneskin (teatro d’ira – vol. I) – i wanna be your slave
  2. Central Cee (can’t rush greatness) – GBP
  3. Stormtroopers of Death (rise of the infidels) – milano mosh
  4. Soap&Skin (torso) – the end

 

Ich habe dich so lieb!

Ich würde dir ohne Bedenken

eine Kachel aus meinem Ofen

schenken.

(Joachim Ringelnatz)

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Gisbert zu Knyphausen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. Februar“Ich hab euch Blumen und Pralinen vom Arsch der Hölle mitgebracht.” Mit diesem ziemlich speziellen Zitat aus “Das Leichteste der Welt” von Kid Kopphausen eröffnen wir die heutige Sendung. Und das ist kein Zufall, erschien doch das Video dazu zwei Tage nach dem jähen Tod von Nils Koppruch, der zusammen mit Gisbert zu Knyphausen dieses innige und intensive Bandprojekt verkörperte. Auf dem fünf Jahre später erschienenen Album “Das Licht dieser Welt”, dem wir diesfalls in voller Länge obliegen wollen, verbearbeitet der lyrische Melancholiker den Verlust seines Freundes auf vielen verschiedenen Ebenen. Triggerwarnung: Hier geht es ohne Schminke um Tod und Trauer. Doch eben darum zeigt sich hier auch das Leben selbst ganz unverstellt.

Gisbert zu Knyphausen - Das Licht dieser WeltDas auf diesem Album enthaltene Lied “Etwas besseres als den Tod finden wir überall” verdeutlicht die lebenszugewandte Verwegenheit des Gisbert zu Knyphausen, der ursprünglich als Musiktherapeut auf die Abenteuerreise nach Ausdruck und Authentizität aufbrach und im Verlauf seiner Musikerkarriere viele Höhenflüge ohne Verleugnung der schwarzen Löcher in und um uns vollführte. Beispielhaft hierfür sein früher Erfolg “Sommertag”, mit dem er mich mitten ins Sowohlalsauch zwischen rasendem Verliebtsein und träger Nichterfüllung hinein traf. Es war ein Stürzen, ein Gestürztwordensein, das sich rückblickend – und im Annehmen des Schmerzes – ebenso langsam wie überraschend als ein Fliegenkönnen entpuppte. Es ist wirklich große Kunst, die zwei Seiten ein und desselben Lebens in einer Musik und in einem Text so unverkrampft und selbstverständlich miteinander zu verbinden – ja, zu versöhnen. Davon lassen wir uns auch in unserer nächsten Nachtfahrt “Wer du bist” inspirieren – und wir sind uns da aus Erfahrung sicher, dass es “auf geheimnisvolle Weise” funktionieren wird.

Die Musik von Gisbert zu Knyphausen entfaltet (abgesehen davon, dass sie einfach schön ist) auch eine therapeutische Wirkung, so viel steht fest. Sie erreicht dies auf einer unbewussten Ebene, die viel wirkmächtiger ist als alles, was wir mit unserem Verstand erfassen können, nämlich in einer Sprache ohne Worte, wie Peter Levine die von ihm als Somatic Experience zur Traumatherapie eingesetzte Körpererfahrung beschreibt. Wie Musik ohne Worte den gesamten Song verändert und uns dabei eine ganz eigene Geschichte erzählt, das ist auf “Cigarettes & Citylights” gut zu hören.

“Es ist ein Mittwoch kurz vor Herbst …”

 

Zaho de Sagazan

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. Februar – Sie ist gerade “in aller Munde” und überhaupt “der neue heiße Scheiß” aus Frankreich. Jedenfalls überschlägt sich die Kulturberichterstattung seit ihrem Auftritt bei den Filmfestspielen in Cannes und wird nicht müde, die so angenehm andersartige Musikerin zu lobpreisen. Denn die gerade mal 24-jährige Zaho de Sagazan ist so ziemlich der genaue Gegenentwurf zur immer austauschbarer anmutenden Massenware Popmusik. Grund genug für uns, sie interessant zu finden und einmal näher hinzuspüren, was “das Besondere” an ihren Musikdarbietungen und vor allem an ihr selbst sein könnte. Dazu tauchen wir tief in ihr erstes Album “La symphonie des éclairs” sowie dessen erweiterte Neuauflage mit dem Zusatz “Le dernier des voyages” ein und stellen unsere Entdeckungen vor.

Zaho de Sagazan AlbumAllein schon die Kombination aus Chanson und Elektro lässt einen neugierig werden, zumal Zaho als prägende Einflüsse Jaques Brel und Kraftwerk anführt. Und dann ist da noch ihr Gesangsstil, der jedes Glattbügeln zur perfekten Oberfläche verweigert, stattdessen Atmung und Emotion ins Zentrum des Anliegens stellt. Die von uns sehr geschätzte Republik nennt sie “Die Retterin des Chansons”. – In der Berliner Siegessäule kommt naturgemäß ihre Bisexualität zur Sprache (was Zaho de Sagazan gleich in Richtung Pansexualität erweitert). Für mich war es vom ersten Augenblick an faszinierend (im Sinn von verknalltmachend), wie unbefangen dieser auf allen Ebenen schöne Mensch über die eigenen Erfahrungen mit unspezifischer Liebe, spielerischer Sexualität und romantischen Beziehungen spricht. Und wie zutiefst selbstverständlich, mit sich im spürbaren Einvernehmen sie uns ihr Leben als hochsensible/hochsensitive Person zeigt, die als Kind so sehr von Gefühlsreizen überflutet wurde, dass sie aufhörte zu sprechen und erst mit 13 Jahren die Musik als Mittel zur Kommunikation entdeckte.

Inzwischen berichtet sie, wie schwierig und anstrengend es zunächst war, von einer Unmenge an gleichzeitigen Gefühlseindrücken geradezu ausweglos überwältigt zu sein und nichts anderes tun zu können, als diesen Zustand irgendwie auszuhalten, zu ertragen. Und wie sie mit der Zeit bemerkte, dass ihre im Anfang als behindernde Einschränkung erlebte Besonderheit auch außergewöhnliche Berührungsebenen eröffnete, indem sie lernte, diese als Fähigkeiten der spezielleren Wahrnehmung bewusst und kontrolliert anzuwenden – auch in ihrem Musikschaffen: Aspiration.

La symphonie des éclairs (Animation)

 

Botschafter aus anderen Welten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. Januar – Wer könnte das sein? Und was ist mit “anderen Welten” gemeint? Begriffsbestimmung: Ein Botschafter (naturgemäß auch eine Botschafterin, wie auch immer – hey, ein Botschafty, um das nach Hermes Phettberg zu entgendern) ist also jemand, der wichtige Mitteilungen überbringt. In der Ringsumwelt sind das meist Diplomaten aus einem anderen Land. Wenn wir jedoch in unserer Innenwelt wichtige Mitteilungen empfangen (etwas, das uns berührt oder bewegt, in Resonanz versetzt und verwandelt), dann haben wir zunächst den Eindruck, derlei dringe “aus einer anderen Welt” zu uns. Ihr Ursprung scheint in Bereichen zu liegen, die uns (noch) weitgehend unbekannt sind (wobei wir hier außer Acht lassen wollen, inwieweit diese “anderen Welten“ sich nicht vielleicht aus unserem eigenen Unterbewusstsein gemeldet haben). Auf jeden Fall hat uns eine Botschaft erreicht …

Botschafter aus anderen WeltenIn unserer nächsten Perlentaucher-Nachtfahrt mit dem Titel “Wer du bist” werden wir mit einigen dieser Botschaften spielen, und zwar mit solchen, die unsere Vorstellungen von einem festgefügten und klar abgegrenzten “Ich” in Bewegung bringen können, unser Ichkonzept oder das, was wir gemeinhin für unsere Persönlichkeit zu halten gewohnt worden sind. Und daher packe ich in dieser Sendung ein paar Beiträge aus dem Nachtfahrtvorbereitungsprozess aus, auch um euch damit Appetit zu machen aufs demnächstige Mitfahren, Selbsttauchen – und Zuhören. Könnte es nicht sein, dass unser “Ich” viele sind? Dass es ein nach allen Richtungen offenes Resonanzorgan ist, das sich noch dazu fortwährend verändert, je nachdem mit wem oder was es gerade kommuniziert? Dass es nicht nur mit unserem Körper verbunden ist und so in regem Austausch mit ihm steht, sondern genauso mit der gesamten uns umgebenden Natur und auf diesem Weg mit der spirituellen Welt?

Das “Ich” als Instanz der Bewusstwerdung einer einzigen, universellen Welt, die sich in immer wieder anderen Aspekten ihrer selbst zum Ausdruck bringt. Und wir könnten antworten, mitreden und ja, wirklich mitgestalten, wenn wir nicht glaubten, unser jeweiliges “Ich” sei nichts anderes als ein Aufbewahrungsort für irgendwelche Eigenschaften. Ein Adjektivspeicher für die (möglicherweise irrige) Vorstellung von der eigenen Einzigartigkeit – nach dem Bild von wem auch immer. Glaubst du noch oder lebst du schon? Als Einführung in die Zwiesprache mit sich selbst: Werbistich?

Das wär schon mal unser erster Botschafter. Dann gäbe es da noch jemand, der uns erinnert: “Etwas besseres als den Tod finden wir überall.” Und jemand, der seine schlaflose Prinzessin “Ach, geh mir doch weg!” sagen lässt (woraufhin auch wir die aktuelle Weltlage poetisch kommentieren wollen). Geheime Zauberworte, mit denen wir unsere Welt verwandeln. These Words” (wie schon im vorigen Artarium zitiert). Und die Magie der allumfassenden Liebe, wie sie die wunderbare Zaho de Sagazan verwendet, um “Menschen zum Weinen und zum Tanzen zugleich zu bringen.”

Modern Love

 

Battle&Hum#146

Samstag 18.01.2025 (Stairway zum Nachhören)

Zum letzten Geleit der Verstorbenen des vergangenen Jahres!

DJ Ridi Mama’s Verblichene:

  1. Duane Eddy (single) – peter gunn
  2. Iron Maiden (killers) – wrathchild
  3. Fredl Fesl (2) – das lied vom rausch
  4. Scorpions (love at first sting) – rock you like a hurricane

 

MC Randy Andy’s Verschiedene:

  1. Can (tago mago) – mushroom
  2. John Mayall (back to the roots) – goodbye december
  3. Ton Steine Scherben (wenn die nacht am tiefsten…) – wenn die nacht am tiefsten…
  4. Grateful Dead (aoxomoxoa) – st.stephen

 

„Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ (John Maynard Keynes)

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The Love of Hopeless Causes

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. JanuarZwei Hasen auf dem Weg nach Inbetween. Oder warum uns speziell in der Kunnst das gleichzeitige Vorhandensein von vielleicht auf den ersten Blick widersprüchlichen Gefühlseindrücken interessiert. “The Love of Hopeless Causes” von New Model Army ist dafür ein gutes Beispiel. Geschrieben in einer Zeit des Übergangs (sowohl persönlich als auch weltpolitisch) verbindet das Studioalbum (1993) Ereignisse aus der Ringsumwelt mit Zuständen des inneren Erlebens. Es ist der hervorragenden Ausdruckskunst von Sänger und Textdichter Justin Sullivan zu verdanken, dass die damit verbundenen Emotionen hier so unverstellt und nachvollziehbar “rüberkommen”. Und dass Inbetween auch bewandert und bewohnt werden kann, ein Grenzland zwischen Leben und Tod

New Model Army - The Love of Hopeless CausesJenseits von Wissen und Verstehen wird spürbar, was hinter der Kunst als Erfahrung und Möglichkeit steckt. Auf der Bandhomepage wird dies mit wenigen Worten gesagt: The Love of Hopeless Causes”. Eine weitere Momentaufnahme aus dem Leben jener musikantischen Gemeinschaft, die stets unabhängig (independent) genug geblieben ist, um nicht in der Schublade eines Genreschachterls zu vertrocknen. Wie wohltuend und überaus tröstlich in der zunehmend viereckigen Zeit, in der wir uns so oft funktionierend und zum Müssen verdammt verlieren. Und wiederfinden? Das Wissen ums Überleben blitzt bis zuletzt auf in den Augen von Rilkes Panther: “Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein.” Das ist nicht das Ende, wie die meisten von uns es zu verstehen gelernt haben. Das ist der Anfang des Übergangs in eine andere Welt, die genauso vorhanden und wirkmächtig (also real) ist wie jene, in der dieses Gedicht stattfindet: der Blick in den Käfig, der Blick auf den Panther, der Blick in seine Augen.

Dieses tiefe Wissen um die dem Leben (dem eigenen wie ebenso dem Leben an sich) innewohnende Kraft (sowie die damit einhergehende Gelassenheit) widerspiegelt sich in dem Lied “These Words”, das sich als eine Art von innerer Bilanz lesen (oder eben hören) lässt, als ambivalent bleibende Summe der Eindrücke und Reaktionen eines Wanderers zwischen den Welten, der sowohl hier wie auch dort war. Eine daraus erwachsende Erkenntnis (die wir in weiterer Folge durchaus Weisheit nennen wollen) ist, weder dort noch hier “ganz zuhause” zu sein, vielmehr “inzwischen unterwegs”.

Through the years of decay we walk like tigers in cages
With each passing turn the smaller and smaller the circles
Every weapon and word legitimate now as protection
But these things should never be spoken
These things should never be spoken

I stand undefeated alone in the ring just pacing
The sweat and the blood dried on my hands all wasted
I’m shouting „come back and fight for I am the king“
But the lights are all out and the people are gone
We always burned brightest when no one was watching
Now I kiss the lines on your beautiful face
But these things should never be spoken
These things should never be spoken

And sometimes your hunger for life seems like desperation
And when I read about the world these days all I can feel is hatred
The fortune teller is closing her doors
She looked into the crystal and saw nothing at all
They’re waiting round here for something to happen
They won’t really want it when it rolls out to greet them
But these things should never be spoken
These things should never be spoken

All you need is Love …

 

Enigmamania

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. JanuarReisen wir durch die Zeit – und das gleich auf mehreren Ebenen. Zuallererst zurück in die 80er Jahre, als weltweit immer leistungsfähigere Computertechnik die Musikproduktion revolutionierte. Vor allem die dazumals brandneue Sampling-Technik sowie die zunehmend ausgefeilten Möglichkeiten digitaler Klangbearbeitung inspirierten zahlreiche Kunstschaffende zu völlig neuartigen Hörstücken und Musikwelten. Wir denken in dem Zusammenhang an Peter Gabriel, einem der ersten, der mit dem legendären Fairlight CMI arbeitete. Und auch in Österreich entstand Beachtliches wie etwa das Album “Enigmamania” von Hubert Bognermayr und Harald Zuschrader, das wir euch hier und heute vorstellen. Es wurde auch als “Red Sky Beat” veröffentlicht und war etwas ganz Eigenartiges.

Blue Chip Orchestra - EnigmamaniaDie zwei Herren hatten ja schon im Jahr 1982 eine computerakustische Klangsymphonie unter dem Namen “Erdenklang” erschaffen und bei der Ars Electronica in Linz uraufgeführt. Die anschließende Veröffentlichung als LP ist das weltweit erste Album, das ausschließlich mit besagtem Fairlight produziert wurde. Ja, da schau her … Von da an gingen die beiden Forscher und Entdecker in ihrem Elektronisches Försterhaus genannten Studio immer weiter auf die Suche nach unentdeckten oder längst verloren geglaubten Klängen, Stimmungsbildern, Zustandswelten und archetypischen Prophezeihungen. Und auf diesem Weg gerieten sie fast schon folgerichtig – nachdem sie zuvor bereits die Bergpredigt zerlegt und neu zusammengebaut hatten – zu den Schöpfungsmythen der Lakota. Sie verwoben die darin vorkommenden Charaktere mit Tonaufnahmen von echten Zeremonien, mit verbearbeiteten Naturgeräuschen und synthetischen Klängen zu einem panakustischen Erlebnis. Mir fällt dazu Hörwelt oder Kopftheater ein, das jedoch auch im Körper seine bewusstseinserweiternde Wirkung entfaltet.

Nun müssen solcherlei Phänomene (wie Heilungszeremonien oder schamanische Reisen und dergleichen) allerdings selbst erlebt werden, ansonsten würde man von einem Essen erzählen, von dem man nicht einmal weiß, wie es schmeckt, geschweige denn, wie es sich im Bauch anfühlt oder ob es einen überhaupt satt gemacht hat. Um also die mögliche Wirkung dieses Klangwerks irgendwie beschreibend zu erfassen, verweisen wir an der Stelle auf zwei Rezensionen, die immerhin freibleibend genug die Mythologie des Projekts beziehungsweise seine etwaige Verwendung darlegen.

Enigmamania eben …

 

In memoriam Hermes Phettberg

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. DezemberHermes Phettberg ist tot … Eigentlich ist Josef Fenz, wie der Hervorbringer der legendären Kunstfigur diesseits seiner öffentlichen Performances hieß, am 18. Dezember im Krankenhaus gestorben. Die Verkörperung all dessen, was ihn umgetrieben hat, und was Menschen wie mich innerlich erreicht, berührt und inspiriert hat, das bleibt in uns allen erhalten und lebt in all seiner Monstrosität und kindlichen Zartheit durch uns weiter. Melancholie und Gesellschaft oder “Alles, was du siehst, gehört dir”, um es mit PeterLicht zu sagen. “Sehen” im Sinn eines umfänglicheren Wahrnehmens als es der Sprachgebrauch des Schnelldrüberhin nahelegt. “Sehen” als ein “unverstelltes in sich aufnehmen” etwa wie ein Traumbild unkontrolliert und ohne Urteil in uns empor steigt und so

In memoriam Hermes PhettbergTatsächlich habe ich hier noch ein Bild gefunden aus jenem Jahr, in dem mir “Phettbergs Nette Leit Show” zum ersten Mal aus dem Fernseher heraus direkt ins Herz “einfuhr” und mich darin ermutigte, auch in diesem “Land of Confusion”, das zwischen Marktwirtschaft und Verdrängung zu zerreißen drohte, doch um einiges mehr für verwirklichbar zu halten, als es in der damals alles verklebenden Normalmoral (die gern als “die Sittlichkeit” oder auch “das gesunde Volksempfinden” daher gestelzt kommt) überhaupt möglich zu sein schien. Ich möchte sagen, dass mir die Selbstinszenierung von Hermes Phettberg im Rahmen der Netten Leit Show die Grenzen in Geist und Seele dahin- gehend ver-rückt, also zurecht gerückt hat, dass es mir wieder möglich wurde, an einen tieferen Sinn in all den widerstreitenden und zunehmend fragmentierten Erfahrungen meines Lebens zu glauben – und zwar ohne den demonstrativ vor mir her zu tragenden Endsieg” über meine Homosexualität, der mir eingeimpft war …

Von solch inwendiger Belebung ergriffen pilgerte ich kurz darauf schnurstracks nach Wien, um dem Beförderer derselben anlässlich des Erscheinens von “Die Krücke als Zepter” höchstselbst und in all seiner Leibhaftigkeit zu begegnen. Und dieses Treffen von Mensch zu Mensch vertiefte in mir jenen Eindruck, den ich zuvor schon aus seiner Bühnenpräsenz gewonnen hatte: Ein Maßloser, in seinem Ringen um Anerkennung an allen Grenzen längst Verzweifelter, der dabei dennoch eine schier unglaubliche Würde besaß, ein seiner geradezu barocken Anmutung um nichts nachstehendes Mitgefühl.

Lieber Hermes, du warst in vielem sehr anders als ich es bin. Und zugleich bist du mir zutiefst vertraut, ich möchte sagen, wesensverwandt. Ich bin erstaunt, wie vieles von dir ich in mir wiederfinde, wenn ich mit mir unterwegs bin. Unlängst hat ein Freund gesagt, ich hätte etwas Monströses an mir. Das habe ich im ersten Moment als nicht zutreffend zurückgewiesen. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich dazu, es mir (und uns allen) zuzugestehen. Indem ich dir auch in mir begegne, soll es lauten: Im Phettberg’schen Sinn kann ich dieser Monstrosität etwas abgewinnen.”

Und in diesem Sinn – Danke.

 

Battle&Hum#145

Samstag 21.12.2024 (Stairway zum Nachhören)

Eine Rorate des Lichts im Stall zu Battlehum, da liegt auch Stroh Rum!

 

MC Randy Andy’s Finsternis:

  1. Death Fuck Oasch Zipfi (tba) – peter in the dark
  2. Lumpenthron (erstling) – desillusion
  3. Salò & Ikkimel (single) – männergefühle
  4. Leber (EP gladis) – gladis

 

DJ Ridi Mama’s Wintersonnen:

  1. Element of Crime (OST robert zimmermann wundert sich über die liebe ) – ein hotdog am hafen
  2. Smashing Pumpkins (mellon collie and the infinite sadness) – bullet with butterfly wings
  3. Die Fantastischen Vier (long player) – long player
  4. Shirin David (bitches brauchen rap) – ich darf das

 

„Hallo, hallo! Hier Radio Wien! Auf Welle 530!“ (1. Oktober 1924, die ersten offiziellen Worte die in Österreich vor 100 Jahre über den Äther gingen.)

 

 

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