Der Krieg in mir

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. August“Der Krieg ist nicht vorbei, wenn er auf den Schlachtfeldern endet. Er geht weiter in den Herzen und Hirnen der Kinder.” So sprach ich als Jugendlicher zu meiner Mutter, die den 2. Weltkrieg noch selbst erlebt hatte, wenn sie daran Anstoß nahm, dass da etwas in mir wütete oder in Trümmern lag. Rückblickend betrachtet waren das weise Worte aus dem Mund eines damals vielleicht 14-jährigen, denn wie man heute weiß, wirken sich die traumatischen Erlebnisse der Eltern- und Großelterngeneration in ihren Nachkommen weiter aus, prägen oft sogar deren Ängste, Wünsche, Träume oder Verhaltensweisen. Der Dokumentarfilm “Der Krieg in mir” von Sebastian Heinzel beschreibt, wie eine solche “Vererbung” durch epigenetische Veränderung stattfinden kann. Und er sucht auch nach Lösungen

Der Krieg in mirAls ob mir das Trauma des 2. Weltkriegs (das mir meine Eltern hinterlassen haben) nicht schon genug wäre, entdeckte ich unlängst auch noch die Feldpostbriefe meines Großvaters aus dem 1. Weltkrieg. Und der war ab 1914 Offizier in jener österreichisch-ungarischen Armee, die unter dem unseligen Oskar Potiorek (den manche Zeitzeugen als zunehmend unzurechnungsfähig beschrieben) dreimal hintereinander vergeblich versuchte, Serbien einzunehmen. Stattdessen wurde sie jedesmal unter immensen Verlusten hinaus geworfen. Auch mein Großvater landete schon im Oktober 1914 im Lazarett, was er nur sehr knapp überlebte, wie mir berichtet wird. Da gratuliere ich mir jetzt aber ausdrücklich und “mit klingendem Spiel” zu diesem ausgewachsenen Mehrgenerationentrauma in meinem lyrischen Kosmos und wundere mich über ganz vieles gar nicht mehr. In der Geschichte dieses Landes und seiner Insassen sind kasperlhafte Politiker nebst ihren hysterischen Feindbildern dermaßen Tradition, dass auch in dieser Hinsicht an epigenetisch eingeschriebene Verhaltensreflexe gedacht werden muss. Hurra, der Untergang des Abendlands ist unausweichlich und wir werden alle sterben. Aber bitte mit Stil. Das ist halt nicht ganz so einfach, wenn du verreckend im Dreck liegst.

Dass wir Krieg verabscheuen, das haben wir in unseren Sendungen immer wieder deutlich gemacht. Dass es aber nach wie vor Menschen gibt, die derlei befürworten, ja sogar betreiben und davon profitieren, das bestürzt uns aufs erschreckendste, zumal wir die über Generationen fortwährenden Spätfolgen dieses Wahnsinns in und um uns wahrnehmen und deren Auswirkungen auch in unserem Alltag erleiden müssen. Hier können die eingangs erwähnte “Suche nach Lösungen” und die von Sebastian Heinzel im Selbstversuch unternommene “Traumatherapie” zum Einsatz kommen

Die begleitende Voraussetzung ist unsere gemeinsame Forderung: Nie wieder Krieg!

 

Letzte Generation Jedermann

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. August – Was soll das für eine Katharsis sein, die sich im Kampf zwischen Kasperl und Krokodil erschöpft, immer und immer wieder? Oder ist der Salzburger Jedermann jetzt endlich auch immersives Theater, in dem sich die Grenzen zwischen Stück und Publikum auflösen? Erstaunt hören wir vom Auftritt der “Letzten Generation” bei der heurigen Premiere – inmitten einer so gegenwartsbezogenen Inszenierung, dass die altgewohnten Unterschiede von “drinnen und draußen” nicht mehr funktionieren – in Verwirrung verschwommen. Was die einen als “Störaktion” bezeichnen, ist für die anderen “mutiger Protest” – und auch darin begegnet uns schon wieder der ausgelutschte Mythos vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böseoder eben zwischen Kasperl und Krokodil

Letzte Generation JedermannIn einem Gespräch mit Michel Friedmann (der inzwischen wieder “clean” sein soll, aber nach wie vor unergründlich grinst) entwickelt der renommierte Biologe Johannes Vogel (Was für ein Bart! Was für eine Krawatte!) diesbezüglich die These, “dass wir uns dauernd die falschen Mythen erzählen” – und setzt somit seine Hoffnung für das Überleben der Spezies Mensch auf “die kulturelle Evolution”. Ein famos weiterdenkstiftender Beitrag, den wir unserem unsichtbaren Publikum – speziell in Zeiten wie diesen – wärmstens ans Herz legen. Denn das Damoklesschwert des drohenden Untergangs hängt über uns allen, im Hintergrund unserer Bemühungen, dem Leben inmitten hochkomplex organisierter Naturzerstörung und unentrinnbar scheinender Sozialerosion Tag für Tag, Stunde um Stunde, in jedem Atemzug, in jedem Augenblick noch so etwas wie Bedeutsamkeit abzutrotzdem: “Gut leben in einer untergehenden Welt – ja dürfens denn das?”

Ausgerechnet aus Australien erreichen uns jetzt ebenso erfreuliche wie verstörende Nachrichten: Während der ganze Kontinent Naturkatastrophen bislang ungekannten Ausmaßes erleidet und weite Teile des Landes zunehmend unbewohnbar werden, hupft ein Klimaskeptiker als Premierminister in Begleitung eines Klumpens Kohle im Parlament herum und ergeht sich im Lobpreis des schwarzen Goldes. Wogegen die Band Midnight Oil (die wir letzten Sonntag gewürdigt haben) eine interessante Verknüpfung aufzeigt: Unser Umgang mit der Natur sowie mit der Urbevölkerung.

Was können wir dazu noch sagen? Am besten wohl: Wir sind die Jetzte Generation.

 

Diesel and Dust

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. AugustDas ganze Album im August ist (durchaus berechtigt) eine Wiederausgrabung: “Diesel and Dust” von Midnight Oil. Wiewohl es bereits vor gut 35 Jahren erschienen ist, entbehrt es nicht an thematischer Aktualität und nimmt geradezu prophetisch zu bedrängenden Fragen der Gegenwart Stellung. Die australische Band und ihr charismatischer Sänger Peter Garrett haben eben schon früh erkannt, wie man gepflegte Rockmusik mit politischen Statements reibungsfrei verquicken kann. Und die Themen auf “Diesel and Dust” sind allesamt nach wie vor höchst aktuell, zum Beispiel wenn wir uns Sorgen machen wegen der ungewissen Zukunft unseres Planeten oder uns fragen, warum die allergrößten Arschlöcher die Natur zerstören oder massenhaft Menschen zugrunde richten

Midnight Oil - Diesel And Dust AlbumMeine persönliche Geschichte mit der Band und ihrer Musik habe ich vor einiger Zeit in diesem Artikel angesprochen. Vor allem aber war es die Verbindung verschiedener Welten, die mich vom ersten Ton an fasziniert hat, dazu noch eine drastische Deutlichkeit, mit der die darin verpackten Themen einem da unverrückbar ins Gesicht gestellt werden, wie Kritik am Landraub, die Bezweiflung der Gottes- und Weltbilder, die zur Vernichtung beitragen, der angstreiche Wahn militärischer Aufrüstung und der einer alle Ressourcen unwiederbringlich auffressenden Konsumkasperlkultur – hier geht es klar und direkt zur Sache. Das Grundrecht auf Gerechtigkeit und seine Bedeutung für unsere Wohlfahrt (schönes Wort) oder unseren Untergang. Denn das Menetekel des unentrinnbaren Zusammenbruchs (nicht der bestehenden Verhältnisse, sondern der allem Leben zugrunde liegenden Voraussetzungen) wird uns allen hier mit feurigem Finger an die Wand gemalt. Memento moriein passender Beitrag zum Festspielsommer wie auch zum Klimawandel. Was für ein bizarrer Kontrast!

Da stimmt es dann trotz alledem wieder zuversichtlich, wenn wir die letzten beiden Alben von Midnight Oil würdigen. Nach längerer Schaffenspause entstand 2020 “The Makarrata Project“ sowie 2022 “Resist” und darauf treiben die Musiker und Aktivisten ihre ursprünglichen Anliegen in aktualisiert verdichteter Gestalt unbeirrt weiter voran, im Kontext der Entwicklung, die seit “Diesel and Dust” stattgefunden hat. Es ist eine angenehme Abwechslung, wenn eine Band, die vor über 30 Jahren wegweisend war, auch heute noch (und heute erst recht) gegen den Unsinn wirkt.

We Resist …

 

Fetzenhelgas Heckenklescher

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 30. Juli – Dass es einen nach reichlichem Gebrauch desselben “in die Hecken klescht” (mit Nachdruck ins Gebüsch befördert) – das ist einmal die vordergründige Bedeutungsebene, sofern man “Heckenklescher” ausschließlich als Beschreibung der Wirkweise von Weinsorten ansehen möchte. Hinter solch allgemein üblicher Oberfläche lauern allerdings weitere, dem flüchtigen Blick des Vorübergehens meist verborgene Schichten, die “in einem Theater, wie wir es hier haben wollen” auch enthüllt werden möchten. Dass einen etwas, was man als Aufführung erlebt (wovon man also mit all seinen Sinnen reichlich Gebrauch gemacht hat), dergestalt aufwühlt, berührt und erschüttert, dass es einen sinngemäß “in die umliegende Landschaft schmeißt” – das soll durchaus schon vorgekommen sein…

Fetzenhelgas HeckenklescherUnd woher manche Spielfiguren im großen Welttheater ihre “sprechenden Beinamen” haben – das verführt uns in einer geradezu mythenmetz’schen Abschweifung zu der Frage, inwieweit “Fetzentandler” nicht auch als mundartliche Bezeichnung für “Gastwirt” durchginge, zumal solche ja kostenpflichtig “Räusche unters Volk bringen”. Was im übrigen auch die Theaterleute” sowie deren einladend wirkende RepräsenTANTEN der kommerziellen Willkommenskultur machen, in Gestalt von Sinnesräuschen und anderen das Bewusstsein erweiternden Zuständen: “Herr Ober, noch ein Vierterl Katharsis bitte!”

 

Mitten im Stück öffnet sich eine Geheimtür und wir betreten feuertrunken das Reich der “angewandten Ambivalenz des Sowohl-als-auch”. Seit mich die langjährigste aller Festspielpräsidentinnen freundlich in den Arm nahm und mir den sprechenden Beinamen „Der Herr Pirat” umhängte (wobei sie mir den Piratenpulli zurecht zupfte), habe ich ein hochgradig ambivalentes Verhältnis zu ihr entwickelt, welches sich in vielen unserer Sendungen wiederspiegelt – so auch (noch einmal und mit Wumms) in dieser. Oder wie das schon Roxanne in Apocalypse Now (Redux) ausdrückte:

 

“In dir wohnen zwei Seelen, weißt du das? Eine, die tötet – und eine, die liebt.”

 

Einerseits vermissen wir das Zusammenspiel von Bodenständigkeit und Glamour, das die von vielen Schauspielern liebevoll “Fetzenhelga” genannte “Festspielmutti” überallhin verströmte, ihr unverwechselbares Auftreten, Konglomerat aus Kuhstall und Hochkultur, Salzburger Original, Diva und Dirndl, Beschützerin der Bohéme, Verfechterin der Kunstfreiheit … Oder doch nicht? Denn andererseits floh die “frühe ÖVP-Feministin” ausgerechnet aus einer Aufführung, die Gewalt gegen Frauen zum Thema hatte, mit dem Satz: “Das ist nicht das Theater, das wir hier haben wollen.”

 

Wie das Thomas Oberender in unserem Interview 2011 ausdrückte:“Es ist die Urerfahrung des Dramas: Wir sind sterblich – und Leben heißt schuldig werden.”

 

Das gilt für uns alle

Wir sind das eine

Und wir sind das andere

Wir sind beides zugleich

Und wir sind noch viel mehr

 

 

Wir spielen die Hitz

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. Juli“Wie man weiß, ist es heiß…” Und wir haben heuer schon einige Sommertage erlebt, an denen wir feststellen mussten, dass unsere Temperaturwahrnehmung im Bereich über 36° Celsius eigentlich neu kalibriert werden müsste, um einigermaßen verzerrungsfreie Ergebnisse zu liefern. Abgesehen davon gibt es noch jede Menge anderer Konnotationen mit dem Wort “heiß” – wie etwa den “heißen Scheiß” (den man unbedingt haben möchte) oder die “heiße Kartoffel” (die man schnell wieder fallen lässt) oder jägersprachlich “heiß” (eine zur Begattung bereite Hündin), überhaupt ein “heißer Typ” (eine heiße Typin), sogenannt “heiße Hasen”, dazu noch “heiße Himbeeren” oder “heiße Würstl” …. Wir spielen mit der Hitz, naturgemäß, und völlig frei nach: “Wir spielen die Hits!”

Wir spielen die HitzEin wegweisender Beitrag zum angewandten Wortspiel rund um “das Heiße” ist ja Rio Reiser mit dem Ton-Steine-Scherben-Song “Jenseits von Eden” gelungen: Diesen hervorragend dichten Text empfehlen wir einer gesonderten Würdigung, um seine zahlreichen ineinander verstrickten Metaphern hinter Verlangen und Gesellschaft möglichst individuell und subjektiv zu erschließen. Erstaunlich, was im Introjekt so alles an Verborg’nem steckt! Und schon geraten wir bei unserer Untersuchung der diversen Hitzen und Wallungen auf die feine Fährte des Weiblichen im Männlichen (und umgekehrt) oder dazwischen, außerhalb und darüber hinaus. Wie bitte? Ein Mann, der Männer liebt. Eine Frau, die zur Ikone der Emanzipation wird. Ein Mann, der wie eine Frau singt (und nicht wie irgendeine). Und eine Frau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die vielen aus der “Musikgeschichte” herausgefallen wordenen Frauen wieder aufzuerwecken.

Alles verschiedene Interpreten und -innen, die uns mit ihren Musikbeispielen als unterschiedliche Aspekte zur Annäherung an ein gemeinsames Thema begegnen. So etwa die Violent Femmes und ihr Sänger Gordon Gano, die uns in “Sweet Worlds Of Angels” eine überraschend pattismithoide Interpretation weiblicher Lustwellen aufbereiten. Oder die deutsche Cellistin Raphaela Gromes, die den aktuellen James-Bond-Titelsong “No Time To Die” von Billie Eilish dergestalt covert, dass sich die Hundstagshitze plötzlich ganz cool im Sinn von angenehm kühl anfühlt. Mmmm

Mundzumundbeatmung

 

Battle&Hum#132

Samstag 15.07.2023 (Stairway zum Nachhören)

We gone make you sweat, till you can’t sweat no more!

DJ Ridi Mama’s Summer Splash:

  • Melvins (stoner witch) – revolve
  • Apache 207 feat. Udo Lindenberg (gartenstadt) – komet
  • Portugal. The Man (chris black changed my life) – summer of luv
  • The Chemical Brothers (surrender) – hey boy hey girl

MC Randy Andy’s Sommerspritzer:

  • Burning Spear (single) – door peeper
  • Sampa the Great feat. Angélique Kidjo (as above, so below) – let me be great
  • The Roots feat. Erykah Badu (things fall apart) – you got me
  • The Pharcyde (labcabincalifornia) – drop

 

„Du fühlst Dein Herz verrückt vor Wonne Sich still zu einer Tat bereiten.“ (Georg Trakl, Gedicht „Kleines Konzert“)

Atlantikwall kaputt…

 

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Dieses Land hat Geschichte(n)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. JuliHinter der allgemein bekannten oder  “handelsüblichen Geschichte”, wie wir sie aus Unterricht, Tourismuswerbung und sonstigen, zumeist irgendwie “offiziellen” Selbstdarstellungsquellen gewohnt sind, besteht das Land, in dem wir leben, aus unendlich vielen Geschichten, die erzählt werden wollen. Und auch unbedingt erzählt werden sollen, weil sie eine unglaubliche Bereicherung in unserem Weltverständnis auslösen. Das ist wie plötzlich sehen zu können, was zuvor wie hinter einem Vorhang verborgen war – und was doch immer von dort hervor gewirkt und uns beeinflusst hat. Ein uns fast unbemerkt ereilendes Aha-Erlebnis, ein Entdecken und Erkennen und Verstehen des Zusammenhangs – ein möglicher Reim auf den Widerspruch zwischen Hochglanz und Hintergrund.

Dieses Land hat Geschichte(n)Auf der Suche nach einem ganzen Album für den Sonntag nach der Nachtfahrt sind wir in der Ideenwerkstatt darauf gekommen, wieder einmal ein thematisches Konglomerat selbst herzustellen. Und zwar aus Schåttseitnkind von den Querschlägern und den Sagen aus Salzburg von Michael Köhlmeier. Diese zwei Zusammenstellungen erzählen Geschichten aus einer völlig anderen Wirklichkeit als der, die uns ållerweil rundumadum einitrenzt wird – und die wir als die einzig wahre zu glauben gelernt haben. Einzig Ware? Es ist ein kleiner Schritt – vom Fürstbischof zur Familie Putz. Vom Feudalstaat zur Fernsehwerbung, wenn ihr versteht, was ich meine … Nun, lassen wir die Geschichten für sich selbst sprechen, auf dass die zahllosen Verdrängten und unter den Teppich Gekehrten endlich wieder als genau die “unverwechselbaren Menschenexemplare” mit uns leben dürfen, die sie von Anfang an waren – und die sie nach wie vor sind. Das gilt nicht nur für jene “wirtschaftlich randständige” Bevölkerungsgruppe, wie sie in der “Bettlerhochzeit” gezeigt wird, sondern genau so auch für jene “Andersgläubigen”, die uns etwa hinter der “magischen Welt” der Märchen und Sagen begegnen. Es geht darum, was uns ihre Geschichten erzählen.

Und darum, wie wir ihnen begegnen. Wie wir uns von ihnen anreden, gar berühren lassen. Was sie in uns bewirken, sobald wir mit ihnen in Resonanz geraten. Eine ganze Welt, die uns immer schon umgibt – und innewohnt, erschließt sich da. Geschichten erzählen Geschichte anders. Zeigen uns, was wirklich war, bevor wer auch immer (und mit welcher Absicht) angefangen hat, durch Weglassen und Hinzufügen ein bestimmtes Bild, einen Eindruck, eine Vorstellung zu erzeugen – davon, was “wirklich” ist. Geschichten, nie waren sie so wertvoll wie – immer

Wie sagte schon Thomas Oberender: “Hören sie genau hin.”

 

With a little help from my friends

Artarium am Sonntag, 9. Juli um 17:30 Uhr“John Lennon hat es sehr einfach gesagt: All you need is love. Und genau so ist es auch.” Mit diesen Worten bringt es Oskar Haag auf den Punkt. Auch unser heutiges Hohelied auf die Freundschaft hat viel mit dem Vermächtnis jener vier Herren aus Liverpool zu tun, die wir gemeinhin als “The Beatles” kennen. “I get by with a little help from my friends”. Treffender lässt sich kaum beschreiben, was den Wert “wahrer” Freundschaft im Inneren ausmacht: Dieses bedingungslose Dasein für einander ohne Fragen- oder Erklärenmüssen. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Arno Gruen die freischwebende Aufmerksamkeit in einer Psychotherapie mit jener in einer Liebesbeziehung vergleicht. Denn “Liebe” (als Grundkraft des Lebens) ist genau das, was wirklicher Freundschaft innewohnt.

With a little help from my friendsUnlängst hat mich eine Nachbarin dabei ertappt, wie ich vergnügt den Beatles-Song Getting Better vor mich hin zwitscherte. Erst in ihrer Wahrnehmung wurde mir klar, wie depressiv ich während der letzten Jahre durch unser gemeinsames Stiegenhaus geschlichen war. Ich habe es meinen guten Freunden  zu verdanken, dass ich mich heute auch inmitten von einstürzenden Weltgebäuden am Leben weiß – und dass ich das spüren und mich darüber freuen kann. Und meiner Therapeutin, die mir die oben erwähnte Aufmerksamkeit über Jahre hinweg zur Verfügung stellte. Das wohlwollende Wahrgenommensein als der Mensch, der man ist (und den man sich selbst oft nicht mehr glauben mag), in Zeiten des Zusammenbruchs muss das von außen kommen – von Menschen, die einen ohne versteckte Absicht befürworten. Ja, ich habe das Grauen gesehen (und ich sehe es nach wie vor). Doch wie heißt es schon in Apocalypse Now: “Sie sind am Leben. Das ist alles, was zählt.”

In diesem Sinn (und darüber hinaus) wollen wir uns der Weisheit eines weiteren großen Propheten der Popkultur zuwenden, der es auch sehr einfach gesagt hat:

Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee

Leonard Cohen

 

Und ganz einfach:

I love to be loved

Peter Gabriel

 

Der Sommer kann beginnen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. JuniDie Welt ist im Begriff aus den Fugen zu geraten – und wir freuen uns, dass es Sommer wird. Leben wir nicht alle in diesem Zwiespalt zwischen Lebensfreude und Vergehen? Zwischen Wachstum und Zerfall? Zwischen “Moi, is des scheee!” und “Geh, bitte – ned des a nu!” Es ist an der Zeit, den Sommer zu begrüßen und mit ihm zu feiern, weil wir kostbar sind. Zerbrechlich, aber wunderschön. Trügerisch wie das Idyll und tief vertraut mit uns. Wenn wir uns wirklich ausliefern, dann werden wir uns auch nicht umbringen. Wir sind ihre Hasen des Guten, Wahren und Schönen. Der Rest ist Geschichten. Womit wir auch schon bei jenem “schönen Ort” angekommen sind, “wo das Leben zur Sprache kommt”, dem Salzburger Literaturhaus und seinem heurigen, ganz speziellen Sommerfest.

Die dort gemachte Aussage: “und ausnahmsweise keine Literatur.” ließ uns innerlich aufhorchen (oder fast schon erschrecken) Waaaas? Ein Fest im Literaturhaus OHNE Literatur? Ja, dürfens denn das? Doch dann erfuhren wir unter der Hand, dass die da angekündigte “Überraschung” aus so einer Art Textpotpourri oder anders gesagt “Sommersprachblütenstrauß” bestehen wird, was wunderbar zu unserer ursprünglichen Idee für diese “Sendung als Sommerfest” passt, wollten wir doch ebenfalls eine “Blütenlese” aus sommerthematischen Audiocollagen und Musikstücken präsentieren und dazu die eine oder andere “Überraschung” bereitstellen. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich stattfindenden Wirklichkeiten ist ebenso beabsichtigt wie auch frei erfunden. Alles andere wäre rein zufällig – und das ist es eh oft. Wobei “rein” … aber lassen wir das!

Es fällt jedenfalls auf, dass in unseren Artarien, Nachtfahrten und Perlentauchereien immer wieder jahreszeitliche Schwerpunkte auftauchen. Das begann schon 2008 mit der mehrteiligen Reihe “Sommerkunst”, die in einer Radioschorsch-Auszeichnung zum 10-jährigen Jubiläum der Radiofabrik kulminierte. Im Juli 2013 hinterfragten wir den Salzburger Festspielzirkus einmal sprach- und gesellschaftskritisch: Sommer Textase Reloaded. Und am 12. Juni 2015 “eröffneten wir uns einen H. C. Artmann Platz. Feierlich. Live. Im Radio.” Unter dem passenden Titel Sommernachtstraum.

Zuletzt soll sich der Kreis noch thematisch schließen. In unserer Sendung Dunkelbunt Sommertag haben wir die eingangs skizzierte Zugleichheit aufgezeigt: “Sommertag assoziiert ja seit Erfindung der Sommerferien alles Vorstellbare rund um Freibad, Freiheit und Freizügigkeit. Oder lieber Freibier? Dennoch wohnt dem Sommersein oft nicht nur Schönes und Helles inne, sondern auch Abgründiges.” Und weiter: “Jede Extase trägt immer auch den Absturz in sich, so wie im Leben das Süße auch immer mit dem Bitteren vermengt ist.”So riecht, so schmeckt, so fühlt sich Sommer an.

Ein frohes Fest. Wir sehen uns …

PS. Jochen Distelmeyer, den wir in der Signation hören und den wir als einen ganz herausragenden deutschen Dichter verstehen, hat mit Jenseits von Jedem die fast 15-minütige Ballade eines realsurrealen Sommerfests verfertigt, die wir euch jetzt zu jedweder Einstimmung – und überhaubst – heftig ans Herz legen wollen.

 

Battle&Hum#131

Samstag 17.06.2023 (Stairway zum Nachhören)

Der Schoß ist wieder fruchtbar aus dem das kroch. DJ Ridi Mama und MC Randy Andy versuchen eine musikalische Abtreibung.

DJ Ridi Mama’s Antifascista:

  • Public Enemy (apocalypse 91… the enemy strikes back) – shut em down
  • Woody Guthrie (single) – tear the fascists down
  • Tool (lateralus) – schism
  • Edwin Starr (war & peace) – war

MC Randy Andy’s Schwarzer Block:

  • Linton Kwesi Johnson (forces of victory) – fite dem back
  • Feine Sahne Fischfilet (sturm & dreck) – alles auf rausch
  • K.I.Z (sexismus gegen rechts) – straight outta kärnten
  • Dicht & Ergreifend (dampf der giganten) – zipfeschwinga

 

„Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ (Max Liebermann, 1933)

 

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