Heimat von Goisern

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. MaiIn Zeiten wie diesen, wo uns die Zündler des Zugrundegehens zum tausendjährigsten Mal die Vergangenheit als Fortschritt anpreisen und in sämtlichen Südtiroler Heustadeln selbstbesoffen die Spritzkerzen schwenken, brauchen wir endlich wieder eine entspanntere Einlassung zum Thema Heimat, Volk und Volksmusik. Und um wenigstens ein Antidiotikum zum – rechts, zwo, drei, vierHerumgepluster der Seelenfänger und Identitätsverkäufer anbieten zu können, haben wir unter dem Eindruck der neuen Kino-Doku “Brenna tuats scho lang” eine Art Best Of Album des notorisch neugierigen Hubert von Goisern gebastelt, das dem Nationalschwachsinn der Heimatvergewaltiger etwas echt Erdiges entgegen setzt. Mit seinen eigenen Worten: “Wir ziagn den Rechten die Lederhosen aus!”

HeimatOder um es mit Jazzkantine bezw. Peter Schanz zu sagen: “Ich singe was ich will und was mich beglücket. Ich lass mir meine Heimat nicht von den Rechten besetzen.” Dass dies gerade in der letzten Woche des Bundespräsidenten-Wahlkampfs von entscheidender Bedeutung ist, zeigt jede nähere Beschäftigung mit den Inhalten, die der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer vertritt. Zum Beispiel in seinem Auftritt beim Südtiroler Schützenbund in Meran 2015, wo er fröhlich von der “Enderledigung” der Südtirolfrage und von Österreich als Schutzmacht, als Heimat aller Südtiroler daherschwadroniert. Das ist fürwahr gefickt eingeschädelt, sozusagen Geschichtsrevisionismus 2.0: Halten wir uns nicht mit der Frage auf, ob Österreich 1945 befreit oder besiegt wurde, das ist viel zu spitzfindig für den durchschnittlichen Volkstrottel, greifen wir gleich auf eine Grundidee Adolf Hitlers zurück und holen alle Volksgenossen heim ins Reich, welches ja bis vor dem ersten Weltkrieg bestand…

So sang Hubert von Goisern einst schon unter dem Eindruck von Kurt Waldheims Präsidentschaft zur Melodie des Deutschlandlieds – ach so, ja, der Kaiserhymne:

gott erhalte, gott beschütze
unser land und unsre pfründe
unsre priester unsre päpste
und vor allem auch die sünde
lieber gleich heim ins reich
auf dem kreuzweg himmelwärts
als auf ewig mit den narren
immer nur im kreise fahren

Heimat bist du großer Töne

So oder so

 

Die Krücke als Zepter

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. AprilFrucade oder Eierlikör? Zwanzig Jahre nach Ausstrahlung der letzten Folge im Rahmen der ORF-Reihe kunst.stücke besuchen wir Phettbergs Nette Leit Show abermals – in Gestalt einer für uns nicht untypischen “etwas anderen” Themencollage. Zugegeben, in den letzten Monaten hat der hauseigene Recyclingsender des Medienmarktführers sämtliche Folgen der Show wiederholt, und dazu noch den 2007 erschienene Dokumentarfilm “Hermes Phettberg, Elender” von Kurt Palm gesendet. Das war ein feuchtfrohes Fest für Sentimentalisten und alternativkulturelle Rundumgrantler, so fest steht viel! Doch hat Hermes Phettberg, dieses Schwergewicht unter den Evangelisten der freieren Möglichkeitsform, nicht darüber hinaus bleibende Spuren hinterlassen?

HermesIch erinnere mich noch gut an meine Begegnung mit ihm, anlässlich der Präsentation seiner Biographie von Klaus Kamolz am 5. März 1996 im Café Berg zu Wien (übrigens das einzige Phettbergbuch, das ich dazumals nicht als verwertwurstend oder voyeuristisch empfand). Während ich dem Meister des Zeremoniums jene spezielle Ermutigung beschrieb, die für mich und viele andere aus den Reihen der Gegenkultur von seiner Arbeit ausging, verleibte er sich feuchten Auges eine Cremeschnitte nach der anderen ein. Zum Schluss bedachte er mich, auch in Form einer Widmung, mit den Worten: “Vielen herzlichen Dank für diese Überfülle an Zuwendung!” Und nicht ohne diesem Ausdruck seiner Rührung noch ein subtiles “Ergebenst, Hermes” hinzu zu fügen. Was für ein riesengroßes und überaus feinfühliges Kind sich mir da doch offenbarte! Der Palm war auch anwesend, und wie verschieden sie dann sind. Gschaftlhuberisch schwurbelte er von Pressekontakt zu Pressekontakt. Dergestalt dargestellt fand ich seinen sprichwörtlichen Geschäftssinn beanstrengend, noch dazu machte er andauernd seichtschlüpfrige Sadomasowitzerl, die mir im Kontext dieser Veranstaltung schlichtweg scheißpeinlich erschienen. “Bad Fucking” halt, neurolinguistisch portioniert. Nichtsdestotrotz waren die beiden eine Zeit lang ein kongeniales Produzentenpaar, das uns mehr als nur eine Inspiration für ein Dauerthema bescherte. So wie eben den Titel der Show vom 17. Juni 1995, des Buchs von Klaus Kamolz sowie dieser Sendung. Oder, wie es Judith Holofernes in The Geek (Shall Inherit) ausdrückt: “Die Verletzten sollen die Ärzte sein…”

 

Das Kabarett ist tot

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. MärzDas Kabarett ist nicht tot. Und auch nicht totzukriegen. So formulierte es Georg Kreisler schon in den 70er Jahren: “Der moderne Kabarettist hat eins erfasst: Bleibe sympathisch, dann bist du demokratisch.” Denn wie Schauspieler auf den Bretterstrich gehen, der ihnen die Welt bedeutet, und mit ihrer Kunst um die Gunst des Publikums buhlen, so wetteifern auch Kabarettisten (und -innen!) um Sympathien und Sendeplätze, was wohl ein Grund dafür ist, warum wirklich kritisches politisches Kabarett gerade hierzulande Seltenheitswert besitzt. Während in Deutschland Satireformate wie Die Anstalt oder heute-show prominent platziert im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ZDF) stattfinden, beschränkt sich die satirische Systemkritik in Österreich auf Gags bei Stermann und Grissemann

Marksalzburg

MARK 2007 (Foto: Angela Armstorfer)

Für uns beinah “so sexy wie ein Quickie am Dixiklo” (danke Volker Strübing). Darüber hinaus hat man sich bereits reichlichst überlegt, wieso das politische Kabarett in Deutschland noch immer lebendig wirkt, während es in Österreich fast schon verschämt als Mumie seiner selbst in den Nischen des Untergrunds umzugehen scheint. Belassen wir es halt einmal dabei – und hören, sehen, spüren wir uns stattdessen dortselbst um, wo eine besondere sprachliche Eleganz des Vortrags uns Lust auf Erkenntnisgewinn erwecket (Jochen Malmsheimer) oder die Geübtheit des Gedankengehens uns neu kombinierte Einsichten ins Erbe humanistischer Bildung beschert (Georg Schramm). Zwei solche Vorträge haben wir bei der Veranstaltung “Große Kleinkunst” – 50 Jahre Unterhaus (in Mainz) entdeckt. Zudem gibts den früheren Weltklasse-Bariton Thomas Quasthoff, den wir als humorigen Helene-Fischer-Interpreten kennen, und der in seinem ersten 3-Personen-Programm “Keine Kunst” einen furiosen “Faust 1 und 2 in 3 Minuten” abfeuert, dass einem die Breitseiten weh tun. Worum könnte es beim Kabarett also noch gehen, wenn das Private politisch oder das Kulturelle kritisch betrachtet wird?

“Verantwortungslose Verwaltungsfachangestellte mit Kontrollzwang, also das, was wir in Verkennung der Wahrheit Regierungen nennen, versuchen uns einzureden, die Voraussetzungen für ein anständiges Duell seien inzwischen weggefallen. Aber das stimmt nicht. Im Gegentum, sie werden ständig mehr! Die staatlichen Organe aber sind nur desinteressiert, willenlos, kenntnisfrei oder zu stumpf, um empfindliche Menschen zu schützen oder diesen im Schadensfalle Genugtuung zu verschaffen. Nehmen wir es darum wieder selbst in die Hand, und streiten für das Gute, Schöne und Wahre! Ziehen wir die Klinge blank gegen rhetorische Gedankenarmut und geschmackliche Totgeburten, gegen sinnliche Verwahrlosung, gegen die Vertalkung des Gesprächs, gegen die Kompostierung des Kompliments, gegen die Verrohung der Verehrung, gegen die Veröffentlichung alles Privaten, gegen die Verachtung des Fremden, gegen Dumpfbichelei und Herzverholzung, gegen die Lawinen von Scheiße, die sich durch die wirkliche wie die virtuelle Welt wälzen und unser aller Leben bis in das letzte Filament hinein durchseuchen, gegen den ganzen verdammten Rotz, der da draußen jeden Tag unwidersprochen in unser Leben geschissen wird. Forden wir sie heraus!

Jochen Malmsheimer

 

Ambros im Artarium

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. März – Unser hämischer Beitrag zur Ö3-Quotendiskussion. Wie der freie Kunnstfunk den hoffentlich-rechtlichen Verhunzfunk eines Eigeneren belehrt oder Die österreichische Identität besteht eben in fortwährender Verneinung ihrer selbst. “Ideologische Missgeburten aller Länder, schleichts euch!” Zum 9. Geburtstag der real existierenden Sendungsidee Artarium gedenken wir wermutsvoll einer edlen Institution, welche durch die flächendeckende Formatradiotisierung des erwähnten ORF-Senders abgewickelt, eingespart und im wahrsten Wortsinn umgebracht wurde: Der Musicbox mitsamt ihrer allwöchentlichen Albumpräsentation “Die komplette LP”, einer derart genialen Erfindung im Medium Radio, dass wir sie zumindest monatlich als “Das ganze Album” wiederbelebt haben.

ambros“Es war einmal ein Radiosender namens Ö3 (nicht zu velwechsern mit einem heutigen Hit- oder besser noch Hiadlradio) und dortselbst ereignete sich beinah täglich “Die Musicbox”. Einmal in der Woche präsentierten deren auch sonst recht kunstsinnige Eloquenzen “Die komplette LP” ohne je drein zu reden. Welch ein Hörerlebnis! – Mit der Geschichte begann die regelmäßige Artarium-Albumpräsentation, genau am 16. Mai 2010 mit Somewhere in Afrika von Manfred Mann’s Earth Band.

Dazu gab es anfangs eine rekonstruierte Version der originalen Musicbox-Signation, die immer auch inhaltlich auf das jeweilige Album abgestimmt war. Hier gibts jetzt die entsprechende MusicboxAfricaSignation – zum Anhören und als Mp3-Download.

Das Pikante am eingangs gemachten Breitseitenhieb auf den ehemals (zumindest teilweise) avantgardistischen Radiosender Ö3 ist ja, dass durch ihn jenes Genre des Austropop geradezu miterfunden wurde, dessen ausgelutschteste Hadern dort heute bestenfalls noch als Nostalgie-Devotionalien aus dem Einheitsbrei hervor blubbern. Und dass die “einheimische Musikszene”, deren Förderung und Verbreitung diesen Sender über Jahrzehnte populär gemacht hat, jetzt von seinen Verantwortlichen zur Ursache aller Folgen ihres flachbildhirnigen Formatkonsumistmus umgepudert wird. Wolfgang Ambros hingegen, mit “Da Hofa” immerhin Verursacher des allerersten kommerziell erfolgreichen Austropop-Titels, hat darüber hinaus noch so Einiges von sich gerotzt, was dann im ORF aus ganz anderen Gründen nie gehört werden durfte.

Weg mit eahna, hautsas nieda,
sperrtses ein oda bringtses um!
De hobn ka Recht, de san vaurteilt
von vuanherein, wer scheißt si drum.

Wo ma hinschaut, nix wia Scheiße
und söba is ma mittn drin.
I kennt ma in di Goschn haun,
weu ich so ein Trottl bin.

 

Feine Verwurstwaren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. FebruarEverything is a Remix! Coverversionen und Verbearbeitungen zwischen inspirierender Interpretation und plakativem Plagiat. Und wo ziehen wir die Grenze  – zwischen Kunnst und Aluhut? Vielleicht beim alten Goethe. “Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt.” Oft hängen sich ja strebsam Musikhampelnde ein Stück größeren Namens zur eigenen Darsingung um, nur damit sie ihren Marktwert erhöhen und sich im Airplayranking ihrer Popkarriere ein paar Leitersprossen hinaufpimpern. Das ganze grausliche Formatgeschäft lebt vom Wiederholwiedern des Längstbekannten. Und bsundas schiach, weil gebührenfinanziert, tut – tut – tut das die Endloswarteschleife namens Ö3 mit ihrer hirnöden Fahrstuhlmusik für weichgespülte Durchschnitten.

introductionSchön also, dass es uns gibt. Sonst wär noch viel mehr zum Speiben als eh schon. Und damit – schwupps – zu den ernsthaften Beiträgern für unser heutiges Verformationsfest. Schon Gottfried Wilhelm Laibach (oder war es doch Slavoj Žižek?) bemerkte ja bekanntlich: “Humor schließt Ernsthaftigkeit nicht aus – und umgekehrt.” In diesem Sinne lassen wir diesmal Künstler_innen zu Wort und zu Geräusch kommen, die sich intelligent-ironisch mit der Endloswelt des Zitierens befassen. Unter einigem anderen auch das slowenische Kunstkollektiv LAIBACH, welches seit seinen Anfängen in den 80er Jahren mit allerlei Coverversionen (Queen, Beatles, Stones…) umgeht – und diesen Prozess noch dazu theoretisch reflektiert. Da ist etwa vom “Übertragen gängiger Formate in den Laibach-Kontext” die Rede. Oder sogar von deren “gewaltsamer Wiederaufbereitung” zum Zweck des “Enthüllens der unterdrückten Wünsche ihrer Kompositeure”. Und was erschließt sich uns, wenn wir diese Arbeiten wieder in einen neuen Kontext übertragen? Zwischen Secret Chiefs 3 und Collide, Eluveitie oder Blackfield ist da gewiss noch genug Hörraum für kreative Ohrrüben

“Nun wäre es zwar möglich, all dies “bloß” als einen Witz aufzufassen. Doch damit würde man die aufgezeigten Themen ignorieren – und die Dominanz der Postmodernen Spaßkultur bestärken! Laibach hingegen finden es lächerlich, die “ursprünglichen Originale” für künstlerisch bedeutsam oder politisch unbedeutend zu erachten. Wenn nämlich die Mythen, die diese Songs umgeben, eine kulturelle Kraft entfalten, dann müssen diese auch politische Macht besitzen. Bei Laibach nur auf den Humor zu achten wäre genauso ein Missverständnis, wie nur das Politische wahrzunehmen.”

(Text: Alexei Monroe – übertragen von Norbert K.Hund)

 

Snökuken

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. JanuarSchneepenis, Pflückgedicht und StreetArt. Kunnst, im öffentlichen Raum? Dem Monolog der Mächtigen das Eigene entgegnen, mit Inbrunst. Hinbrunzt! Die uns angeblich allen gehörenden Lebensräume werden zunehmend verprivatisiert, das heißt den wirtschaftlichen Interessen ihrer “Besitznehmer” zweckgewidmet. Zu abstrakt? Dann nochmal langsam zum Mitdenken: Ein gewisser “Staat” in Gestalt von Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung erhebt (auf was hinauf eigentlich?) Eigentumsanspruch auf unser aller Lebensumgebung und Umwelt. Gegen Bezahlung tritt er (der Staat) dann bestimmte Rechte (unsere!) zur Verwertung des Allgemeinguts (unseres!) an “private Investoren” (anonyme Firmen oder geldschwere Einzelpersonen) ab – und verbietet uns dann die weitere Nutzung.

snökukenEin solches Geschäft kann als sittenwidrig und somit als nichtig angesehen werden, zumal es ohne Zustimmung der Miteigentümer zustande gekommen ist. “Aber das ist alles ganz legal”, werden uns die uns (das Volk) vertretenden Volksvertreter sogleich erklären, “und jede Art von Graffiti ist eine Sachbeschädigung und die Benutzung des öffentlichen Luftraums zwecks Meinungsäußerung ist eine Geschäftsstörung.” Das mag schon sein, dass seit der Erfindung der Republik Österreich und ihrer Verfassung ein paar windschiefe Juristen diesbezügliche Gesetze zu Papier geschissen haben – doch ist etwas schon deshalb wahr (und richtig), nur weil es wo geschrieben steht? Und kommen denn die Erträge aus diesen dubiosen Luftgeschäften wenigstens nachweislich “dem Volk” zugute, aus dessen Eigentum sie generiert wurden? Aber nicht doch! Statt sich im Wohlergehen des Gemeinwesens förderlich auszuwirken, verschwinden die uns listig abgeluchsten Gelder im Dickicht der internationalen Finanzwirtschaft – zur Rettung von Banken, zur Stützung von Kursen, zur Verplemperung in dysfunktionaler Repräsentation, kurz zum Sichfickenlassen von allem und jedem, was auch nur entfernt nach Investitionsklima miachtelt. Pfuigack!

barbara jesusLetztendlich wären wir gern gefragt worden, in was für einer Welt wir leben wollen – und zwar bevor man sie “zu unserem Besten” derart verunstaltet, dass wir uns in ihr kaum wiedererkennen. Letztendlich geht es dem Menschenwesen um den Dialog, um Frage und Antwort, um gemeinsames Erarbeiten von Lösungen – und nicht darum, dass uns von oben herab “Wahrheiten” übergestülpt werden, die nichts mit uns zu tun haben, aber erkennen lassen, dass sie den Interessen derer dienen, die da oben sitzen, von wo herab sie uns im Befehlston “den rechten Weg” verordnen. Gehts doch scheißen – aber bitte woanders hin! Es ist ein einziges Propagandagedröhn, das uns permanent zuquasselt, tagein, tagaus, von Schildern und Plakaten, aus Auslagen und Fernsehern, Gasthäusern, Geschäften, Nachrichten, Netzwerken, Popsongs, Radioshows, Universitäten. Die Orgel des Untergangs ist immer und überall! Und der Fleischwolf der Gedankenstopfwurst ist in unseren Köpfen, seit wir auf der Welt sind.

Sich zur erlebten Welt selbst zu äußern (in welcher Weise auch immer) ist gesund! Doch wie kann Eigenes wahrgenommen werden, solang ringsum das Fremde dröhnt? Unsere Ideen dazu: Zettelpoet Helmut Seethaler und StreetArt-Künstlerin Barbara, der Schneepenis von Göteborgoder doch der Graffiti-Krieger KIDULT, dessen brachiales Video “Visual Dictatorship” ganz neue Getreidegassen-Gefühle erzeugt?

 

Crude and unplugged

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Januar – Die Band aus Bürmoos präsentiert ihr Debutalbum “Tied at the end” live bei uns im Studio – und stellt sich als ein etwas anderes Musikprojekt vor. Zum Beispiel antworten sie auf die nicht ganz undepperte Interviewfrage “Warum macht ihr eigentlich Musik?” schon mal großartig lapidar mit: “Weils uns taugt.” Eben! Kunst ist kein Markt und Musik kein Business, auch wenn uns die gekauften Tröten des Weltmarktglaubens ständig das Gegenteil einorgeln möchten. “Ned olles, wos an Wert hot, muaß a an Preis hom” konstatierte ja schon der gar nicht so erfolglose Austropop-Mitbegründer Wolfgang Ambros 1982 in seinem Lied “A Mensch möcht i bleibn”. Demgemäß nunmehr herzlich willkommen, denn hier geht es um das echte Feeling – und, hallo – “der Mainstream is uns wurscht!”

crude“Es geht nämlich darum, ob man etwas glaubhaft vertritt, das für die Zuhörer nachvollziehbar, vor allem nachfühlbar ist – oder ob man nur imitiert, einfach nachkasperlt, damit es beim Zuhörer schnell einmal klingelt oder beim Radioredakteur irgendeine Assoziation hervorruft. Oder, ob es spürbarerweise aus dem eigenen Schaffen kommt und so klingt, wie das, was einem taugt.” Dies ein kurzer Auszug unserer Sumpfblüten-Nachtfahrt vom letzten Oktober, in der wir das vorab veröffentlichte Video von “Tied at the end” bereits vorgestellt haben (hier ab Minute 92 gut zu hören). Dem haben wir nichts hinzuzufügen – abgesehen davon natürlich, was sich bei unserer Begegnung im Studio von selbst ereignen wird…

Manche meinen, wir featuren alles und jeden, wo einen dreiakkordigen Schas lasst und nicht bei drei am Baum sitzt, weil wir nämlich Radio machen und da gehört sich das eben so, dass man irgendwem irgendwie die geheimen Erwartungen massiert. Doch diese Ohrrüben haben den feinen Unterschied zwischen dem freien Rundfunk und einer (gern auch öffentlich-rechtlichen) Medienindustrie noch nicht verstanden. Dem, wovon wir hier begeistert berichten, könnt ihr euch jedenfalls selbst aussetzen, und zwar bei der CD Release Party (5. Februar, 20 Uhr in der Mainbar Oberndorf) oder beim Konzert mit Krautschädl (26. März um 18 Uhr im Jazzit). Zum Wohlsein!

 

David Bowie – ein Vermächtnis

Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Januar – Kein Trauerspiel, kein Nachruf, keine Sendung über David Bowie! Vielmehr für und mit ihm… Die Musik spricht, wir geben ihr Raum, verlieren nicht allzu viel Worte. Zumal uns ohnehin die Luft weg zu bleiben droht und die Traumbilder uns überholen. Wir laden euch also ein auf eine Fahrt in dunkelbunte Betrachtungen:

back in…da war plötzlich dieses Pochen, dieser Herzsprung, tausendfarbige Funken, die im Raum schweben blieben, während das Zwielicht des dämmernden Morgens mir Labyrinthe auf die Haut malte. Da war auch ein gewisser Rausch, eine Art Berauschung, ein Fluten und Stöhnen, schlußendlich ein Begreifen und Spüren; ein in Rot getünchter Moment.

„I’m floating in the most peculiar way“ – es traf mich zwischen den Augen. Er traf mich. Ich träumte nicht. Es regnete Perlen. Es regnete Masken. Ich kleidete mich in Klänge. Mosaike aus Spiegelscherben, eine samtene Geste, vielleicht eine Ahnung oder unendliches Weiß, der Schnitter Tag und Zigaretten zwischen den Zeilen. Es ist mehr, sagte ich, es ist mehr da, sagte ich, warf mich durch die Bildschirmwunder und schrieb taumelnd die Blässe vom Himmel.

Der Tod leuchtet matt in unsre Leben : ein schwarzer Stern.
Da waren deine Augen. Da war wieder das Pochen; feine Brüche und Disharmonien. Nichts geht mehr unter die Haut. Ich wechsle das Gesicht, die Farbe, den Schein; trete nach außen, pflücke den Mond, lege ihn dir auf die Stirn. Wir streifen die Zeit ab, wir stehlen die Zeit, wir wanken von Zeit zu Zeit. Zaghaft dein Blick, meine Hand noch zögernd; zusammen, einen Tag, für einen Tag, was für ein Tag, nur dieser eine Tag… 

 

Rapistsophie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. DezemberRap ist Jule: Gregor Gysi interpretiert K.I.Z-Texte (Video). Zum Jahresschluss sprengen wir noch einmal alle Definitionen – und ergehen uns mit starken Frauen im Hip-Hop-Journalismus. Das deutsche Szene-Magazin “Rap Ist” onaniert nämlich nicht nur mit den Parisern des Insiderschmähs, sondern überschreitet auch absichtsvoll die Sprachgrenzen des Eingeweihten. Vor allem die weiblichen Mitglieder (sic!) konfrontieren einerseits die Deutschrapper mit Fragen nach “sexueller Gewalt gegen Frauen” in ihren Texten (ein ganz ausgezeichnetes Video!) und inszenieren andrerseits den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei als politischen Interpreten durchaus derben K.I.Z-Liedguts. Für uns eine Übersetzungsleistung, die längst überfällig war!

rapistjule1Ist es nicht ein Kennzeichen der etablierten Hoch- und Geldkultur, dass sie nur von Eingeweihten, die den vorherrschenden Code auch verstehen, konsumiert werden kann? Wo verläuft in der Hip-Hop-Szene die Grenze zwischen Selbstironie und Anpassung ans Geschäft mit der sehr elitärenrapistjule2 “Ich kann etwas, was du nicht kannst”- Kunst? Und, tut es bei solch Überlegung nicht unendlich gut, zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der/die immerhin eine Möglichkeit zum Erkennenkönnen eröffnet – auch für Außenstehende, auf dass sich die Welt wieder reime? Zum Glück haben wir hier in Salzburg ebenfalls rapkundiges Fachpersonal am Start, und so können wir euch einige Ausschnitte aus ein paar legendären Rap-Ist-Interviews zu Gehirn bringen, naturgemäß remixed und in den Kontext der jeweiligen Musik gesetzet. Damit nicht genug, wollen wir über diese herzliche Empfehlung hinaus noch auf einige vernachlässigte Aspekte des Rap-Genres, des Hip-Hop und Rock Crossovers und des unverständlich Fremdssprachigen verweisen, was uns gröbere Freude bereitet:

NoizeMC - Rap aus RusslandIn Deutschland sowie auch in Österreich ist ganz leicht blöd daherreden und sich dann im selbstgelassenen Darmwind des bildungsbürgerlichen Skandälchens interviewgebend zu sonnen. Hierzulande wird einfach niemand bloß wegen seiner/ihrer Texte verfolgt! Anders in Russland oder im Iran – also wo finde ich die Gespräche mit Shahin Najafi (der ja in Deutschland lebt) oder die Übersetzungen von Noize MC (der wegen seiner Aussagen bedroht wird)? Die üblichen Verdächtigen sind noch längst nicht “die Szene”, auch wenn sie Crack Ignaz dissen und “klaut Rap” so buchstabieren. Folgerichtig erweitern wir unsere Sendung um eine Koproduktion von Noize MC und Lyapis Trubetskoy “Bolt” – doch MÜSST ihr euch den Track als Video von Alexey Terehoff anschauen – erst dann werdet ihr auch unsere Visionen haben.

Käptn Peng: “Das O ist durchsichtig” (Artarium-Interview)

 

Happy Birthday, Lemmy

> Sendung: Artarium Weihnachtsspecial 24. Dezember – Ist uns heute der Heiland geboren? Damit es nicht allzu heilig (und zu still und zu leise) wird an diesem Abend, bescheren wir uns eine Geburtstagsfeier der etwas spezielleren Art: Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger (sowie Erfinder und überhaupt Mastermind) der einigermaßen sehr harten Rockgruppe Motörhead, wird haargenau heute 70 Jahre alt. Oder auch jung, je nachdem. Wir gratulieren jedenfalls schon mal heftiglich – und bedröhnen euch mit Auszügen aus seiner Autobiographie “White Line Fever” nebst insgesamt 6 (in Worten Sex) launigen Musikstückerln aus Lemmys frohem Schaffen sowie seinem lauthalsen Umfeld. Es darf also gekracht und gescheppert werden, liebe Heiligabendgemeinde der aufmüpfigen Kinder und junggebliebenen Großeltern. Lassen wir die Sau raus!

lemmy christLemmy Christ by Carny-Kapturek. Die Zeichnung ist nebenbei das einzig wahre Bild für den heutigen Anlass, nämlich den zufällig auch am 24. Dezember geborenen Religionsverweigerer namens Ian Fraser Kilmister hochleben zu lassen, der für nicht wenige Hardrock- und Metal-Afficionados selbst so etwas wie Heilandsstatus besitzt. Und ein guter Hirte seiner Schäfchen ist er allemal, wie die Anekdoten aus seinem bewegten und kaum jemals nüchternen Leben uns beweisen. Zudem gibts die Fortsetzung (den Schluss) der Artarium-Weihnachtsgeschichte vom “barmherzigen Rumänen” zu hören, was also will das bescherungsschwangere Herz zur Feier des christlich-alpenländischen Eilighabens mehr? Vielleicht einen kleinen Vorgeschmack auf die heiligabends zu hörenden Musikalien? Also gut, dann will ich mal nicht so sein – und ergehe mich knietief im Kryptischen. Auf 3 von 6 (Sex!) Liedern singt Lemmy selbst, aber nur 2 gemeinsam mit Motörhead, eins davon ist noch dazu ein Cover. Hähähä, weiter mit der Verwirrung! Apropos, 3 von 6 (you know) Musiktiteln heißen aus Anlass des Abends “Sympathy for the Devil”, doch keinen davon spielen die Rolling Stones. Einen jedoch (sowieso das genialste Cover) Daniel Kahn, Psoy Korolenko & Oy Division (aus ihrem Album The Unternationale). Hähähähähä! Den könnt ihr euch gleich reinziehen. Und Lemmy singt wieder einmal (no, na!) vom Ende der Welt. Dann passt doch alles wunderbar zum Thema, oder?