Stimmen aus dem Massengrab

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 28. April (wird als Themensendung am 30. April um 14:06 Uhr wiederholt!) Zur Würdigung des Gedenktags 75 Jahre Salzburger Bücherverbrennung am Residenzplatz. Am Abend des 30. April 1938 fand daselbst nämlich schon kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich die einzige öffentliche Feuervernichtung von im Nationalsozialismus unerwünschtem Schriftwerk und Gedankengut statt. Die „Initiative Freies Wort“ bietet allerdings heuer eine Reihe von Veranstaltungen rund um die nunmehr schon 75. Wiederkehr dieses schaurigen Ereignisses, dessen offizelles Erinnern sich jedoch peinlicherweise erst 2011 (!) in der Anbringung einer schlichten Gedenktafel manifestierte. 😛 Das detaillierte Programm findet sich hier auf der Homepage des Literaturhauses. Und auch wir knüpfen aus gutem Grund bei Erich Kästner an – nicht nur den Sendungstitel betreffend…

Mahnmal 1Denn Erich Kästner war 1933 persönlich beim Verbrennen seiner Bücher in Berlin anwesend und berichtete schon bald nach Kriegsende darüber:

„Dann tauchte Goebbels auf. Er stand auf einer von Mikrofonen belagerten Estrade und gestikulierte vor dem Feuerschein wie ein Teufelchen vor der Hölle. Er zeterte, salbaderte, rief Schriftsteller bei Namen und überantwortete ihre Bücher den Flammen und dem Vergessen. Das war kein Großinquisitor sondern ein kleiner pöbelnder Feuerwerker. Hier rächte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Hier beseitigte ein durchtriebener Politiker für viele Jahre jede intellektuelle Opposition.“ (9. Mai 1947) Derartig Mundtotmachendes soll aber auch künstlerisch keinesfalls unbeantwortet bleiben. Und vor allem niemals ununtersucht! Bedienen wir uns diesfalls bei einem Liedtext von Erblast, einem weiteren Musikprojekt vom Goethes Erben Gründer Oswald Henke:

Pure Aggression (-> YouTube)

Keiner sucht
Keiner weiß
Es ist vorbei
Das Allerlei
Deiner Worte
Falsche Münzen
Spricht dein Mund

Formt er Lügen
Triffst du mich
Treff ich dich
Mit dem Spiegel
Deiner Taten
Jede Wahrheit
Ist mein Preis

Es ist pure Aggression
Pure Aggression
Zu schweigen

Mahnmal 2Erich Kästners Bücher wurden sogar noch ein weiteres Mal öffentlich verbrannt, diesmal 1965 von einer Jugendgruppe des „Bundes entschiedener Christen“ – und wie sichs für solche braven Bürger und anständigen Rechthaber gehört, auch mit einer ornungsgemäßen Genehmigung vom zuständigen Ordnungsamt! Wenn wir also der von den Nazis ausgemerzten Dichter gedenken, dann fragen wir uns schon, inwieweit es nicht heute auch Mechanismen des Zumschweigenbringens gibt – wenn auch etwas andere! Denn der jeweils herrschende Mainstream ist immer und überall. So errichten wir hiermit ein Hördenkmal der Vielen, die innerlich verbrennen, ohne überhaupt jemals gehört zu werden oder irgendwie zur Geltung kommen zu können. Und üben ebenso Kritik an den Konzepten des Gedenkens, die allerlei prominente und etablierte Autor_innen medienwirksam zu Gedächtnislesungen aufmarschieren lassen – und die dabei viel zu wenig Gespür für die Opfer gegenwärtiger Gewalt aufbringen.

Die in der Sendung gelesenen Texte von Christopher Schmall und Norbert K.Hund sind auch als PDF auf der CBA-Seite zum Download verfügbar ( -> „Dokumente“) 😉

 

M4quadrat – Depp? Wurst!

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 14. April (Teil 1) und weils ein Double-Feature war, hier auch gleich das M4Quadrat feat. Artarium vom Sonntag, 14. April (Teil 2)

Ausnahmsweise möchte ich hier nicht allzuviele Worte machen 😛 nur soviel sei gesagt: Wir laden diesmal die lieben Kollegen Markus Brandt und Mark Schneider von der Sendung M4quadrat zu uns ein – und besuchen sie dann gleich anschließend in ihrer Sendungsstunde. Und ganz ähnlich wie unlängst beim Co-Feature mit Battle & Hum verschmelzen wir die beiden Sendungskonzepte zum Zweck des gegenseitigen Kennenlernens. Das Wesentliche bei den Kultshows der beiden durchaus nicht einsilbigen Herren besteht also zum Beispiel darin, jede Stunde thematisch und querassoziativ jeweils um ein einziges einsilbiges (oder noch schlimmer einvokaliges) Wort kreisen zu lassen – und dabei Musik zu hören, Spaß zu haben – und sich darüber öffentlich unterhaltsam zu unterhalten. Herzlich Willkommen!

Warhol oder Lüge?Die Grundidee zu dieser Gemeinschaftsarbeit dürfte bereits etwas älter sein, wie dieses Bild vom Herbst 2010 zeigt. Damals war gerade die Graffiti-Zone in der Alpenstraßen-Unterführung freigegeben worden und ich beschäftigte mich mit den Begriffswelten einer sich selbst oft allzu todernst nehmenden Sprayer-Szene.

Vor allem Originalität und Kopismus waren dortselbst ein wiederkehrendes Thema, welches ich – offenbar nach einem Sendungswort-Brainstorm mit den M4quadranten – künstlerisch zu hinterfragen trachtete. Dazu lackierte ich erst einmal eine Salatgurke gelb und malte sie anschließend im Andy Warhol Stil zur Velvet Underground Banane um. Ähnliches beging ich des weiteren  auch mit einer kleinen Presswurst und noch mit anderen Objekten. Wozu? Es ging einfach um ein spielerisches Erforschen von Begriffen – von Original und Zitat, von Haltung und Pose, von Tatsache und Behauptung – und vom Wert und Unwert der Wiederholung. „Images. Keep repeating. And repeating. Images.“ (Lou Reed – Songs for Drella) Doch so tief wollte ich ja hier eigentlich nicht tauchen. Das heben wir uns lieber für die gemeinsame Sendung auf. – Depp? Wurst! – Das sind nämlich unsere beiden Worte. Und viel Vergnügen 😉 Apropos Depp:

Wurscht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und überhaupst – Oarsch, Wiaschtl, Wuarscht 😀

 

Osterbrot in Rotweißrot

Podcast/Download: Artarium vom Ostersonntag, 31. März – Liebe Freunde der seichten Bespaßung – bis zum Eintreffen der Rettungskräfte in ungefähr einer Stunde verlässt niemand den Raum! Wir werden euch die Zeit bis dahin schon möglichst unorthodox – totschlagen. Auch wenn die meisten assoziativen Doppeltheiten zum Ostertamtam schon verbraucht erscheinen – wir finden sicher noch ein paar fiese Vieldeutungen jenseits von Auferstehung und Eierausblasen. urbi@orbit? Geschenkt! Der Segen dieser urmenschlichen Frühlingsorgie erschließt sich erst jenseits von Habemus Papperlapapp. Das Führerfest der Volksmusik explodiert in unseren Ohren und die Braunauer Osterhasen scheißen uns ihre blauen Wahlkrampfeier vor die Himmelstür. Knallelujah! Doch seit früh um fünfundvierzig wird jetzt zurück gejodelt…

le baguette magiqueIm Zwischenfeld von Frühlings Erwachen und christlich verbrämter Fruchtbarkeit ergehen wir uns einfach einmal in den satirischen Osterchorälen heimischer Berufsmusizierer. Denn Volkes Musik ist nicht notwendigerweise zum Fußeinschlafen blöd und wahre Heimatliebe hat immer noch mehr mit dem ehrlichen Verzweifeln am bestehenden Missverhältnis zu tun, als uns das Fäkalpatridiotentum politisierender Blut- und Lodensäcke glauben machen will. Denn die da zur Jagd auf vermeintliche „Nestbeschmutzer“ blasen, die sind es auch, die den größten Kackhaufen an Neid, Missgunst und Gewalt in eben diese Heimat scheißen, die sie zu „schützen“ vorgeben.

Schauen wir einmal, was uns dazu an Schmutz und Schund, ketzerischem Gedankengut und sonstwie entarteter Kunst einfällt, wenn wir in diesem Kulturkampf um das Salzburger Seelenheil den allseits abgedroschenen Phraseologen ein Gegengewicht an Geistreichem zu verpassen versuchen. Manch Witz mag dabei Blödsinn bleiben – doch das ist noch allemal nahrhafter als jeder im Namen der Vernunft begangene Sozialbetrug am Menschsein! Bedienen wir uns also bei den zweifellosen Größen volkstümlicher Heilseligkeit, den unerschrockenen Rettern des christlichen Abendlands vor außerehelicher Hirnaktivität und traditionsferner Sexualakrobatik, etwa bei Alf Poier, der Ersten Allgemeinen Verunsicherung oder Das Balaton Combo. Und glaubt uns – es kann nur besser werden!

Im Anschluss (nicht schon wieder!) verbrennen die Herren Brandt & Schneider live in ihrer Sendung m4quadrat soviele Silben, dass nur noch ein einziges (nicht einsilbiges, jedoch einvokaliges) Wort übrig bleibt. Das ist dann auch gut zu hören! Und wir selbst gehen um 19:06 Uhr sogar ein zweites Mal auf Sendung – zusammen mit einer lieben Kollegin vom Top Alba Radio, die wir technisch unterstützen wollen. Wenn es die Zeit erlaubt, dann werden wir dazu noch passende Musik der kosovarischen Band The Freelancers spielen. Deren ganzes Album N’Kuti – übrigens ein Geheimtipp unserer Balkanexpertin Teresa Reiter – haben wir auch schon im Artarium vorgestellt. Wir wünschen euch allen jedenfalls frohe – achwasauchimmer! 😛

 

Best Of Missfits (Vol. II)

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 10. März – Unser radikalfeministischer Rundumnachschlag zum Internationalen Frauentag am 8. März, dessen letzte zwei Radiofabrikstunden wir als Perlentaucher per freitäglicher Nachtfahrt-Sendung „Déviation Erotique“ zum Hörmahnmal für die unbefreite Weiblichkeit in uns allen erweitern durften. Doch nunmehr fürs erste genug der Queeronie alternativer Sexualitäten – lassen wir sozusagen in der Rückblende noch einmal die wahren Meisterinnen des emanzipatorischen Frauenkabaretts auf die Hörknochen und Ohrmuscheln des geschätzten Publikums los – und zwar ungefiltert und ohne Dazwischengemaule! Unser persönliches Best Of Missfits aus der Sammlung aller Lieder UND dazu noch legendär legere Conferencen wie etwa aus dem vielsagenden Album „Jetzt mit noch mehr Männer“ – In diesem Sinne 😉 Missfits, wir lieben euch!

missfits_sammlungWer diese beiden unglaublich starken und witzigen Frauen (übrigens auch Preisträgerinnen des Salzburger Stier 1992) noch nicht kennen sollte – bitte unbedingt nachholen! Es geht nämlich eine derartige Lebendigkeit von ihren Liedern und Szenen aus, dass einem vor lauter Vergnügen und trotz aller (Selbst-)Erkenntnis so herzhaft schwindlig wird, dass man nur noch raus will an die frische Lust:

😀 Zum Beispiel „Mensch Mäuschen“ (Auszug)

Poppen ohne Gummi, fahren ohne Gurt
Wenne eine rauchst, wirste angeknurrt
Alles wat Spaß macht is irgendwie gefährlich
Leben is riskant, aber Risiko is herrlich
Nur wer gar nix hat, hat auch nix zu verliern
Datte glücklich bis, kann dir keiner garantiern
Und wenne dat Gefühl has, du bis tot bevor du stirbst
Wird et Zeit, datte endlich ma lebendig wirst

Mensch Mäuschen, is dir nich klar
Dat dat vielleicht Chance deines Lebens war
Du zitters total vor Schiss
Weile merks, dat du auch nur ein Mäuschen bis

Wahrscheinlich bisse zu dick und außerdem zu alt
Und nachts im Bett sind alle beide Füße kalt
Und dat letzte Mal, wo dir so richtig gut gegangen is
Hasse schon vergessen, weil der Mensch nun ma vergisst
Und wat machste für’n Theater um jeden neuen Tach
Wenne Mittwoch überlebst, dann is Donnerstach
Schlafen kannze, wenne tot bis, bis dahin kannze küssen
Aber dazu wirste wohl ma aussemm Haus gehen müssen

Mensch Mäuschen, is dir nich klar
Dat dat Leben am Ende immer schon tödlich war
Du zitterst total vor Schiss
Weile merks, dat du auch nur ein Mäuschen bis

missfits_wenne

 

 

 

 

Rückblende: „Missfits – Frauenkabarett mit Orgel“ die Artarium Satire zur gendergerechten Einstreamung der Bundeshymne – und überhaupst 😛

 

Baba, Ratzi!

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 17. Februar – Jetzt tritt er uns auch noch freiwillig zurück, der „nette Hardliner aus Altötting“ (Hagen Rether) und weltumspannend ergehen sich die Kommentatoren in Redandunst bis zum Erbrechen. Ja, ich weiß, es nervt schon längst, dass sämtliche Aushängepolitiker plötzlich das Weihrauchfass schwenken und einander in ehrfurchttriefenden Respektbezeugungen übertrumpfen. Ein präposthumer Nachrichtennachruf folgt dem Nächsten – und allen ist der selbe euphemistische Monumentalschleim gemeinsam: „Ein großer Theologe, ein prägender Kirchenmann, ein Jahrhundertpapst, blah…“ Kein Wort davon, dass allein schon die Existenz eines per Selbstdefinition unfehlbaren Gewissensführers von weltweit 1,3 Milliarden Katholiken ungefähr so sinnvoll ist wie ein Kropf oder Hansi Hinterseer. Lediglich die Humoristen haben sich und uns immer einen klaren Blick auf all den anachronistischen Schwachsinn dieser scheinheiligen Kircharchien bewahrt… (Sämtliche Fotos aus dem Zyklus „Punk, Piraten & Sakrale Kunst“ auf Facebook)

Kryptisch LeoDaher wollen wir diesen Spezialkräften des unheiligen Untergrunds kurz vor Papa Ratzis endgültigem Dienstschluss noch einmal Gelegenheit geben, ihre unbequemen Wahrheiten zu Gehör und zu Gehirn zu bringen – durch das Erkenntnismittel des Lachens nämlich, der letzten Bastion der selbstfühlend denkenden Menschentiere, welche noch nicht restlos industrialisiert und ausverkauft ist. Ein gutes Stichwort übrigens, denn wie schwer ist es für einen Kabarettisten oder Satiriker, eine gute Papstnummer weiterhin unterzubringen, wenn der betreffende Herr dann plötzlich das Zeitliche oder, wie eben jetzt, das Amtliche segnet. Wir laden euch also schon mal zeitgerecht ein – zum großen Artarium-Papstschlussverkauf! Und da gibt es noch so einige Perlen herauf zu tauchen, bevor der aktuelle Anlass des derzeitigen Oberhirten verblasst und mit ihm zusammen in den Archiven entschwindet. Wie zum Beispiel dieser schöne Kommentar von Hagen Rether über Papst Benedikt XVI als besinnliche Einstimmung: „Haben sie’s auch gelesen? In der Zeitung stands, Ende April hat er die Vorhölle abgeschafft. Soll ichs nochmal sagen? Hähä – hat die Vorhölle – abgeschafft. In den Psychiatrien sitzen Leute für weniger!“ 😛

Kryptisch NorbertIch mein ja, er wird ihnen fehlen, der absolutistische Oberexorzist, in dessen von Missbrauchsskandalen gebeuteltem Kirchenreich solch unfreiwillige Komik wuchert, wie etwa in der Pfarre St. Blasius, vor deren Türen ein Plakat mit der riesigen Aufschrift „Lust auf Pfadfinder?“ wirbt – und dabei eher zweideutig wirkt. Nein, sie brauchen einander schon irgendwie, diese unhinterfragten Machtverhältnispfleger und ihre argwortlistigen Selbstverständlichkeitszerdenker. 😀 Das hat auch eine lange katholische (zuvor schon römische!) Tradition: Brot und Spiele, Karneval, Kirchweih und Dult. Untertänigsten Trunk! Dabei könnte man von der offensichtlichen Lächerlichkeit dieser doch ziemlich aus der Zeit gefallenen Ritualienschreiner des Brimborianerordens sehr viel lernen über die eigentliche Absurdität verordneter Selbstverleugnung und heimlicher Fremdwunscheinpflanzung. Und wenn man ihre Mechanismen der Gedankenfernsteuerung und Gewissensumleitung durch ihre (Haha, jetzt kommts!) „sittliche Erziehung“ einmal verstanden hat, dann wird einem auch schnell klar, wie zum Beispiel freie Marktwirtschaft, Medienöffentlichkeit, repräsentative Demokratie und andere Glaubensgemeinschaften funktionieren…

Schon bald wird es wieder heißen „Habemus Papam!“ und das ganze Ringelspiel beginnt von vorn. Für diesen schweren Fall möchte ich als eine erste Denkanregung – und vor allem zum Zweck der Selbstschutzimpfung diesen feinen Text von Konstantin Wecker mit euch teilen: „Und abermals krähte der Hahn oder Habemus Papam“ (Live)

Wir haben einen neuen Papst
Jausa jausa
einen neuen Papst
der neue Papst ist besser
ja besser
als der alte Papst
jeder neue Papst ist besser
wir wollen täglich einen neuen
frischen Papst
ja täglich
täglich
einen neuen
funkelnagelneuen Papst
morgen schon fangen wir an
morgen schon wollen wir einen niegelnagelneuen Papst
und den alten schaffen wir ab
und übermorgen schaffen wir den neuen ab
zuerst einen neuen
und dann abschaffen
nein wir schaffen gleich am besten alle ab
bevor der Neue da ist
wird er abgeschafft
dann sparen wir Geld
und Gebete und Tränen
und dann verkaufen wir den ganzen Vatikan
zum Schleuderpreis
zum ersten
zum zweiten
zum dritten
zum Schleuderpreis
Vatikan gefällig
frisch erhaltene Pieta
Juwelen, Fresken und Ornate
Päpste
konzilerprobt
und heilige Banken
und Häuser und Straßen und Seen und Paläste
billig abzugeben
kaufen Sie sich einen Papst
oder wenigstens einen Kardinal
oder einen Erzbischof
vielleicht fürs Parteibüro einer christlichen Partei
und dann verschenken wir das ganze Geld
nein nein
wir geben es einfach wieder zurück
das wird ein Fest
wenn die Jahrhunderte Schlange stehen
die Armen
die Krüppel
die Rothaarigen
die Schwulen
die Alchimisten
und die Frauen
die seelenlosen Frauen
halt nein nein
1400 sowieso haben sie ja eine bekommen eine Seele
bravo bravo
und ein Recht aufs Himmelreich dazu
bravo
alle stehen sie an
und trommeln mit den Fingern
und stampfen auf und klappern mit ihren Blechnäpfen
die Zahnlosen
die Aussätzigen die Diebe die Hexen die Huren
alle wollen sie was zurück
ihr Geld
und ihre Seligkeit
und ihre Herzen
und ihre Hirne
alle stehn sie Schlange
aber es ist ja genug da
jetzt wird verteilt
in nomine patris
et filii
et spiritus sancti
und so muss das ja wohl auch alles mal gemeint gewesen sein
denk ich mir immer
ungefähr so
als die sich damals prügeln ließen
und kreuzigen und steinigen
und foltern
soviel unbeschreibliche Schmerzen
all die Sanften
während sie singend auf die Löwen zuschritten
im Namen des Menschen
die müssen das nämlich alle so gemeint haben
und manchmal
aber nur wenn man sich sehr bemüht
hört man sie schluchzen
in ihren Katakomben
immer nur nachts
wenn die Heiligenbilderverkäufer
ihre Stände abgebaut haben
und strahlend betreten am nächsten Morgen die Ehrwürdens
die Bühne
behängt und beringt und geschmückt wie die Christbäume
und sprechen das Agnus Dei.
Und wenn sie ihre Hände zum Segen erheben
mach ich mich ganz klein
um auch ja nichts
abzukriegen davon.

 

Endlich Frieden!

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 20. Jänner – Eine Volksbefrachtung! Endlich in Ruhe gelassen werden! Wir machen unserem Ärger Luft und gehen der Frage nach, inwieweit Sprachkunst überhaupt imstande ist, die Welt zu bewegen oder zu verändern. In Zeiten wie diesen, wo uns wahltaktische Manöver einer repressiven Demokratie als Beteiligung und Mitbestimmung verkauft werden wie etwa die Zinswetten der Deutschen Bank als seriöse Geldanlage mit realistischer Gewinnchance. Teflonbeschichtete Grinsklone beblöken uns in den privatstaatlichen Quasselödien auf dem Niveau von Dauerwerbesendungen. Kauft Dampfreiniger, Gurkenhobel und Putzwedel! Folget der Flasche! Prost! Wo gibt es da noch gewaltfreie Kommunikation?

Vorfrühling 08 001„Im Grunde möchte ich nur in Ruhe gelassen werden.“ So beschrieb Thomas Bernhard, der große Hoffnungssuchende und Wahrheitsverzweifelte gegen Ende seines Lebens die eine Grundtendenz des nach Autonomie strebenden Menschen. Ruhe haben und allein sein auf der einen Seite – und doch zugleich auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben und gestaltend teilnehmen wollen, das ist in seinen vorletzten Worten der Grundkonflikt unseres Lebens. Das elementare Spannungsfeld, würden wir sagen. Und eine notwendige Voraussetzung für jenen lebenslangen Tanz aus Nähe und Distanz, der erst jene Kommunikation von zwei oder mehr Individuen in Freiheit und Freiwilligkeit ermöglicht, die nicht sogleich in irgend einer infantilen Abhängigkeit, einer gruppenzwangsdynamischen,  politideologischen, wirtschaftsreligiösen, wasauchimmerbewusstlosen Jasagung, Nachbetung und Verschmelzung besteht. Ein echter Dialog setzt allerdings Ebenbürtigkeit voraus und findet auf Augenhöhe statt (Arno Gruen) – und ist nie so eine Volksbehalblustigung!

DSCN8577Echte Mitgestaltung müsste also einer Art dialogischem Prinzip folgen oder der Idee von einem Gemeinwesen entsprechen, in welchem die verschiedenen Interessen zu einander in einem wirklich reziproken, auf einander bezogenen Verhältnis stehen. Ist gewaltfreie Kommunikation überhaupt möglich, wenn das Macht- und Hierarchiegefälle so steil wird, dass unten nur noch die Befehlsempfänger übrig sind? Der solcherart einseitige Informationsfluss ohne Möglichkeit zum Einspruch oder zur Widerrede verkörpert nichts anderes als Gewalt und ist in sich selbst unhinterfragbare Unterdrückung. Von oben herab: „Mitimmermehrsinnloseninformationenzudröhnenbismanendlichentnervtaufgibtundmitmacht“ Zwiesprache sollte doch, ganz ähnlich wie Sex, etwas beidseitig Freiwilliges sein, oder? Wenn aber die „richtige Antwort“ dem Untertanen von vorn herein vorgegeben ist und jede Gegenfrage/Nichtantwort/Verweigerung mit Strafe bedroht ist – was dann? Bleibt uns da jetzt nur noch die Phantasie als Rettungsinsel, Sinnstiftung und Überlebenschance?

Hilfe, Herr Rosenberg! Wir dümpeln in einem Meer aus verwesenden Wortresten vor uns hin, in einem klinisch toten Ozean aus nicht mehr verdüngerbarer Sprachscheiße. Die Volksabstumpfung hat stattgefunden… Begleitet uns also durch eine Stunde ohne Hochrufe und Rechnungen, doch voller Gefühl für das Lebendige und einen wachen Geist. Lesen wir Thomas Bernhard noch einmal ganz anders. Hören wir Justin Sullivan wieder aufmerksam zu. Vertrauen wir endlich denen, die es schon längst verdienen. Uns? Ja, hegen wir weiter die Hoffnung in unseren Herzen! Denn an der Liebe authentischer Menschen sind sie schon immer zerplatzt, die kriminellen Konstruktionen und abgefeimten Winkelzüge der ächzstaatlichen Volksfürdummverkäufer. Bloß keine neue Kirche gründen… 😉

 

Eine Sendung geschenkt

Zum Nachschenken: Artarium vom Sonntag, 23. Dezember – Eine Sendung als Geschenk! Was würde sich denn auch besser für diesen letzten Sonntag im allumverschlingenden Weihnachtscountdown anbieten, als das Angenehme mit dem Kritischen zu verbinden und unsere eigene kleine Bescherung zu veranstalten? Wenn es eine sympathische Tradition in all dem Trullala und Trubel rund um das christentümlich vereinnahmte Mittwinterfest gibt, die wir liebend gern aufgreifen und bewahren, ja für uns selbst weiter entwickeln wollen – dann ist es das Zusammenkommen mit Menschen, die uns lieb und wichtig sind. Das an einander Denken, auch wenn man gerade weit von einander entfernt sein mag – und das einander Beschenken mit Dingen der Freundlichkeit und des Lebens, genau jetzt inmitten der kältesten Zeit, der längsten Nächte und der weitesten Wege zu einander hin. Und so schenken wir euch diesmal eine Sendung – mit uns 🙂

ApfenzAllerleiEine Sendung, die wir mit kleinen Würdigungen für einige dieser „Abwesenden“ gestalten wollen, etwa mit Erinnerungen, Gedichten, Geschichten, mit Grüßen und natürlich mit speziell ausgewählten Musiken. Denn auch wenn man „eh“ miteinander verwandt oder befreundet ist, auch wenn man „eh“ gemeinsam an denselben Projekten werkt, sich regelmäßig trifft und viel miteinander zu tun hat – es ist nochmal etwas ganz Anderes und Besonderes, dem Ausdruck zu verleihen, was das ganze Jahr über tagein, tagaus für so selbstverständlich erachtet und „eh“ vorausgesetzt wird. Das kann einem nämlich ganz schnell und auch unbemerkt aus dem Bewusstsein geraten, was man emotional und sozial an einander hat, man nimmt es halt einfach als gegeben an und verabsäumt gerade dadurch die feine Aufmerksamkeit für den Anderen, ja, auch für sich selbst – und somit für das Lebendige, das wir mit einander haben und das uns verbindet. Wenn ein Kind seine Eltern fragt: „Habt ihr mich lieb?“, würden wir ihm dann antworten: „Du bekommst doch „eh“ jeden Tag dein Essen!“ Hmm? Ihr versteht, was gemeint ist. 😉 Und zur nachhaltig ausdrücklichen Beziehungspflege wollen wir auch den Mitschnitt dieser Livesendung anschließend auf wunderschöne Vinyl-Style-CDs gebrannt unseren Geschenkmenschen in die Hand drücken – mit einem breiten Lächeln. Denn wir sind ein geiles Institut. Also, frohes Fest! 😀

 

Pott Purree zum Geburtstag

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 25. November – Sprechen wir über Sex? Feiern wir uns selbst? Was heißt hier „Kunnst-Biotop“? Und wenn ja – warum? Wer hat Schuld daran – und wie soll das alles weitergehen? Denn – wir haben noch lange nicht genug. Tschipfel! Willkommen bei den Nebenwirkungen. Die wahren Abenteuer sind im Kopf. Zwischen den Zeilen. Im Atmosphärischen. Und überhaupt – das Artarium ist definitiv ein Sendeformat, dass es in dieser Form sonst nicht gäbe. Und seit 5 Jahren auch nicht gibt. Wie es Dominik Steiner einst formulierte „ein interkommunikatives sub- und kulturelles Emotions-Rahmenfeld“ – bringen wir uns auf den Punkt! Besteigen wir also diesen vorläufigen Höhe- und reiten wir auf selbigem springenden ….. davon 😉 Punkt. Denn Kunnst ist, was du kunnst. Und wir könnten. Jedesmal. Wieder. Neu. Erfunden. Hahahaha 😀 wir sind schon ein geiles Institut. Schnitt!

Erstens: Der Stein des Anstoßes sitzt und bleibt zentnerschwer auf uns lasten, ganz wurscht, wie schräg wir leben. Doch wir können ihn anmalen, einen Garten drum herum bauen oder auch mit ihm sprechen. Die Salzburger Autorin und Mittelschullehrerin Gerlinde Weinmüller etwa schreibt in ihrem jüngsten Buch „Den letzten küssen die Hunde“ zen-buddhistisch inspirierte Kürzestgeschichten, in denen sich nicht nur die Grenzen zwischen „belebter und unbelebter“ Welt vollkommen zu Recht auflösen, sondern zudem auch die Perspektiven zwischen dem Betrachter und den Objekten seiner Angst, Lust und Begierde – verschieben, vermischen, verändern. Dergestalt können Waldlandschaften von erotischem Entzücken und sexuellen Saftigkeiten erzählen oder Teetassen beim Trinken aus ihren Träumen erwachen und Bleistifte sehnsuchtsvoll ungespitzt in den Weiten noch ungeborener Worte verweilen. Bestimmt kein Zufall also, dass wir nach dem Besuch ihrer Buchvorstellung im Literaturhaus dem hier oben abgebildeten Kollegen begegneten und mit ihm freundlich Zwiesprache hielten…

Zweitens: Zwiesprache kann – wenn überhaupt – nur gewaltfrei gelingen. Gleichgültig, ob in sich selbst, mit der Welt – oder in Liebe 🙂 Mit meinem wundervoll tiefgründigen Sendungspartner Christopher Schmall, der heute übrigens auch seinen tatsächlichen Geburtstag feiert, entspinnt sich seit unserer ersten Begegnung vor nunmehr 2 Jahren ein solcherart höchst lebendiger und nie enden wollender Dialog. Etwas davon kann man sicher erlernen – aus dem Konzept Gewaltfreie Kommunikation nach ihrem Entdecker und Entwickler Marshall B. Rosenberg – der Rest bleibt allerdings wahrscheinlich wohlverdientes Glück oder absichtlsvoller Zufall. Auf jeden Fall ist Liebe (und somit jede Form von belebender Berührung zwischen Menschen) eine stete Anwendung von Aufmerksamkeit, Bedachtnahme und Zuwendung. Man kann es auch als Resonanz bezeichnen. Oder als die Würdigung des Selbst im Anderen. Immer ist es jedoch eine Funktion aus Energie und Zeit. Letztere ist das, was uns heutzutage an allen Ecken und Enden zunehmend abgeht. Zeitdiebe müssen wir also sein, Zeitpiraten, Zeitrebellen, Zeitrevolutionäre! Denen, die sie von uns ungefragt einfordern, die sie uns unter Drohungen abverlangen, müssen wir sie wieder entziehen – und unsere Lebenszeit selbstbestimmt dem für uns Wesentlichen widmen. Ich für meinen Teil bin unendlich glücklich über unsere gemeinsame Zeit, die wir somit sogar sinnvoll verbringen!

Drittens: Paradoxerweise – oder war es doch von Anfang an beabsichtig, irgendwie geheimnisvoll geplant – just an diesem 25. November vor genau 5 Jahren begab es sich, dass mich Peter.W. in sein Artarium einlud, um etwas über meine Arbeit zu erzählen. Und da saß ich dann und wir sprachen über die Hanfjodlgasse, Freiheit statt Schubhaft, einen Verein namens KulturFreiZone und auch darüber, wie groß Dichter sein müssen, um als große Dichter zu gelten. Es lag wohl an unser beider assoziativer Ausladendheit, dass wir in dieser knappen Stunde nicht zu einem annähernden Ende gelangten, allerhöchstens zu einer Andeutung einiger wild herum springender Punkte, die aber insgeheim und ohne dass wir das damals schon bemerkten, eine nicht uninteressante Linie bildeten und völlig ungefragt begannen, zum Anfang eines möglichen roten Fadens zu werden. Und seither gibt es mich als Norbert K.Hund aus diesem „etwas anderen Kunnst-Biotop“ zu hören und zu spüren. Da ist nämlich kein Unterschied zwischen hören will und fühlen. Sagte die Zeit. Und ließ ihre Zeiger ins Meer des Vergessens fallen, so berauscht war sie vom ewigen Augenblick.

🙂 Eine weitere Momentaufnahme aus dem nie enden wollenden Vielleicht im Inzwischen. Radio als Möglichkeitsform und als Einladung zum Kreativsein – auch abseits des allzu Alltäglichen. Ein Passwort zum Nachhören der ungekürzten Aufzeichnung im Downloadlink gibt es auch – auf Anfrage. Liebe Interessanten Undinnen – wir sind ja nicht aus der Welt! Artarium Gruppe auf Facebook 😉

 

Wanderbleibe und Trommelfeuer

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 28. Oktober – Wir gehen wandern um zu bleiben. Wir spazieren intervenieren. Ha! Endlich mal wieder eine vortreffliche Idee für nichtkommerzielle Spontankunnst in ansonsten mehr oder weniger öffentlichen Räumen. Die Wanderbleibe (Konzept von Friedrich Rücker und Kolleg_innen aus dem Kunstverein Salzburg – Künstlerhaus) ermöglicht es Kunstschaffenden sowie Interessierten, den ansonsten stinkfaden Nationalfeiertag bewusst jenseits von Mainstream und Mozartkugel zu „begehen“ 😀 Den Flyer und die Wanderkarte mit Stationen für die Zeit zwischen 10 und 19 Uhr gibt es als Download. „Ziel ist es die Kommunikation unterschiedlicher spontaner privater Initiativen anzuregen, zu fördern und spielerisch alternative Modelle urbaner Kommunikation jenseits kommerzieller Veranstaltungen auszuloten.“ Chapeau! Das können wir uns keinesfalls entgehen lassen – ganz im Gegentum:

Auf freundlichste Einladung von Chili & the Whalekillers werden Chriss und ich beim „Avantgardinien“ in der Jahnstraße 18 mitwirken: Jede Person, die dort bei der Klingel „Landesatelier“ Einlass begehrt, installiert sich sodann selbst mitten in eine fluktuierend junge Leseperformance – und…

Das ist ja gerade das Spannende! Immerhin ist dieses Atelier von Kathrin Huber ansonsten ein abgeschlossener Schaffensort, der allerdings an diesem 26. Oktober zwischen 12 und 17 Uhr in gewisser Weise – und in allem Respekt natürlich 😉 – zu einer öffentlichen Interaktionszone erklärt wird. Und da kunnst dann auch durchaus reagieren – auf das Stattfindende. Oder selbst der/die Stadt-Findende werden. Wir werden uns an dieser Stätte auf jeden Fall endlich wieder einmal live ereignen und den dortselbst entstehenden Stream of Subconsciousness mit unserer tonalitären Textase ebenso kon- wie inspirativ anreichern. Sprich, wir werden da auftreten und etwas vor-, bestimmt aber nichts wegtragen! Wir werden durchaus dick auf- und einige Bewusstseins-Schutzschichten abtragen. Das dürfte sich dann – bei allem gebotenen Kontrast zu einer (un)gereimten Wirklichkeit – schrecklich schön mit den anderen Beiträgen vertragen. -> Kunnst Bio?

Ich freue mich besonders auf diese passende Gelegenheit, den 2005 eigens für einen Auftritt im „alten Mark“ in der Aignerstraße verfassten Text „Staatsvertragsfeier“ darbieten zu können. Denn diese bizarre Humoreske mit verteilten Rollen bedarf des speziellen Settings von auf Staatskosten Feiernden.

Also kommt vorbei – und feiert mit uns! Schauen wir doch einfach, was dabei heraus kommt. In der Sendung am Sonntag werden wir dann von unseren Eindrücken berichten. Womöglich wandern wir auch immer weiter – bleiben also wandernd – werden wahrlich wanderbleibend – und finden uns dann mit einem Mal im Studio der Radiofabrik wieder – zum gemeinsamen Abschluss des Anfangs vom Ende. Vergesst nicht das Allerwichtigste: Immer ist irgendwie inzwischen – und wenn nicht jetzt, wo dann? Dazu spielen wir die schönsten Schlagzeugsoli, Percussion-Tracks und Band-Introductions der letzten paar Jahre, denn solches hätten wir seit der ersten Trommelfeuer-Sendung mit Gerhard Laber im November 2008 eh schon längst wieder einmal tun sollen wollen können müssen… Anyway, immer ist auch Anfang – und wir sind ein geiles Institut 😛

Das Passwort zum unbeschnittenen Sendungsdownload (mit Musik!) gibts auf Anfrage!

 

Unter der Obrigkeit

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 23. September – Freihändiger Versuch zu Hierarchie und Untertänigkeit an mehreren Fronten gleichzeitig – am Beispiel der drakonischen Bestrafung von Pussy Riot wegen ihrer provokanten Kunstperformance in einer Moskauer Kathedrale oder auch der obrigkeitlichen Umbauplanung des Überfuhrstegs in Salzburg durch das Bauressort von Stadträtin Schmidt. Wie hängt das neofeudalistische Herrschaftsverständnis von „demokratisch gewählten Volksvertretern“ mit den verinnerlichten Glaubensinhalten und Vorstellungen einer „göttlichen Weltordnung“ zusammen, in der ganz oben an der Spitze der Macht ein allwissendes Wesen knotzt und von oben herab Befehle erteilt – über unsere Köpfe hinweg? Und so werden kritische Provokationen oft ganz schnell zur Blasphemie…

Im Angesicht solch versteinert wirkender Hierarchiestrukturen, wie sie uns auch in der Architektur vor Augen geführt werden, da fragt man sich: „Was nützt eine künstlerische Intervention?“ Oder wie es Josef Hader ausdrückt: „Wenn den Provokateur kein Blitz erschlägt, dann kommt halt auch kein Publikum.“

Kann man denn im ach so aufgeklärten Europa überhaupt noch provozieren – jedenfalls jenseits von islamkritischen Frauenfilmen oder Mohammed-Karikaturen? Aber versuchen wir uns trotzdem an ein paar kleinen Lästerungen – und spüren wir dabei den eventuellen Grenzen der Kunstfreiheit nach. Das gesunde Volksempfinden, Sitte und Anstand, öffentliches Ärgernis – oder religiöse Gefühle? Packen wir einmal den Schwanz des heiligen Aloysius als Adventkranzständer aus und behaupten wir frech, Peter Handke habe mit seiner Publikumsbeschimpfung den Ingeborg Bachmann Preis gewonnen. (Nein, das war Urs Allemann mit „Babyficker“ und es war der Preis des Landes Kärnten 😀 *muhaha*) Immerhin empfinden wir diese Sendung als widerständige Satire und wollen sie auch so verstanden wissen. Es lebe der postsowjetische Kapitalismus! Lyapis Trubetskoy – Capital 😉

Es ist schon eine wunderliche Welt, in der wir da leben. Ein ehemaliger KGB-Offizier regiert ganz Russland als „lupenreiner Demokrat“ (Zitat eines lupenreinen Hartz IV Gebers) gemeinsam mit der Staatskirche und quasi diktatorisch. Und eine Stadträtin der ÖVP verfügt über die Interessen der Menschen hinweg die Vollsperre des Überfuhrstegs während der gesamten Umbauarbeiten im kommenden Jahr, so als wäre sie nicht eine beauftragte Dienstleisterin der Stadtbevölkerung, sondern die Baumeisterin eines Barockfürsten, der schon mal das eine oder andere Stadtviertel planieren lässt, weil ihm gerade danach ist, sich mit ein paar repräsentativen Plätzen und Lustgärten zu verewigen. Hallo? Leben wir denn schon wieder im Geist des Ständestaats – in dem ein paar ehemalige Offiziere gemeinsam mit der Staatskirche das ganze Land quasi diktatorisch regieren? Aber nein doch – der Kirche ist die Überfuhr ohnehin gleichgültig und auch Frauen ohne Militärdienst dürfen heute in der Stadtregierung über die Bedürfnisse der Betroffenen hinweg bauen lassen, wie es ihnen gerade mal so vorkommt. Aussendung der Bürgerliste!  Wir wagen uns unter diesen Voraussetzungen kaum vorzustellen, wie gut man nach der Renovierung auf der geplanten „wellenförmigen Abdeckung des Mittelteils“ sitzen wird können. Das will aber eh niemand, oder? 😛 Wir werden also weiter dran bleiben müssen…

PS. Das Passwort zum Anhören der gesamten Sendung inklusive Musikbeiträge und Audio-Collagen gibt es – wie immer gern – auf Anfrage!