> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. August – Seit inzwischen 101 Jahren sind “die Festspiele” ein fester Bestandteil des Salzburger Selbstbilds. “Die ganze Stadt ist Bühne”, soll einer ihrer altvorderen Gründer einmal gesagt haben. Fest, fester, am festspielsten. Nun, wenn alles ein einziges Theater ist (und noch dazu auf höchstem Niveau), welches Stück wird da gegeben? Jahr für Jahr für Jahr wird vom “Sterben des reichen Mannes” erzählt – wo ist das “Leben der armen Leute” in eurer Selbst-Inszenierung? Die werden seit der Erfindung des großen Welttheaters in der kleinen Provinzhauptstadt mit Lebensmitteln aus Wien beschwichtigt – und dürfen heutzutage als mehr oder weniger freundliche Volksdarsteller auf Umwegen rentabel sein. “Die Festspiele sind für uns ein Reibebaum, und wir sind die Sau, die sich an ihnen reibt.”
Denn einerseits wird hier wirklich erhellendes Theater auf die Wege gebracht, werden weltbewegende Themen in ergreifender Gestalt bis ins Tiefste und Innerste verhandelt und echter Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur neue Räume eröffnet. Andererseits bleiben die bleierne Blödheit des Weiter-So und Immer-Noch-Mehr und auch die unhinterfragbare Herrschaft von Geldmacht und Grundbesitz als die treibenden Kräfte hinter dem sommerlichen Spektakel. Jedermann? Ich bitt’ sie – Jedermann, der es sich leisten kann! Der sich für gutes Geld gern gruselt in Hofmannsthals kuschlig morbidem Katholizistentum. “Eine Triumphpforte österreichischer Kunst” – Die Umwidmung des Untergangs der Donaumonarchie in ein europäisches Erfolgsprojekt für eine exklusive Elite? Genau deshalb haben wir unsere Begegnung mit Thomas Oberender vor 10 Jahren mit “Das Salzburg Syndrom” betitelt. Denn – wer zahlt, schafft an. Oder doch nicht?
Er bescherte den Festspielen ihre bislang erfolgreichste Theatersaison und brachte Jan Lauwers & Needcompany nach Salzburg (unvergessen Sad Face | Happy Face 2008 auf der Pernerinsel). Und er öffnete die Stadt als Spielraum für immersive Kunst, die teilweise sogar allgemein zugänglich war, wie zum Beispiel A Game Of You von Ontroerend Goed. Auch Philipp Hochmairs Jedermann Reloaded entwickelte sich aus dem Young Directors Project, das einst von Thomas Oberender betreut wurde. Vielleicht ein Sämann, dessen Saaten den Satten zum Steinbrech geraten? Und:
“Ein genialer Spagatkünstler“, der sich zwischen dem Aggressor (mit dem Geldkoffer) und den Abgründen des eigenen Selbst vor allem mit der Wirkmacht des Theaters (und der möglichen Katharsis) identifiziert. Das ist ein besserer Gründungsmythos als die ständige Selbstlobpreisung einer längst unfruchtbar gewordenen “besseren” Gesellschaft. Das etwas andere Kunnst-Biotop verleiht jenen eine Stimme, die sonst nichts zu sagen haben: “Die Festspiele sind für uns ein Heiliger Bimbam, bei dessen Gedröhn uns unweigerlich Hören und Sehen – und Reden – vergehen …”
Es ist uns ein fester Festspielflash
PS. Mehr dazu gibts bei den Perlentauchern