Echte Menschen Live

Artarium am Sonntag, 22. Juni um 17:06 Uhr – Jetzt bin ich wieder ein Kommissar (am 5. Juni in die Programmkommission der Radiofabrik zu Salzburg gewählt) und da besteht ja eine meiner Aufgaben darin, allerhand Sendungen von Kolleg*innen “gut zu hören”, also sie zu entdecken und zu verstehen, wie sie funktionieren. Wie es der Zufall (oder war es ein Wunder?) will, begegnete mir eine höchst interessante solche quasi “im Vorbeigehen” (am Außenlautsprecher vor dem Radiofabrik-Office). Da unterhielten sich gerade zwei Frauen über die erstaunlichsten Wendungen des Lebens, die erst im Rückblick auf dem Weg ins radikal Eigene (zu sich selbst) einen ganz speziellen Sinn ergeben. Ich war so fasziniert, dass ich regelrecht hineingesaugt in dieses Gespräch innehielt und dachte: “Da sind echte Menschen live unterwegs!”

Echte Menschen LiveDas ist es doch auch, was das Freie Radio im innersten ausmacht und was wir in unseren Sendungen stets als Alleinstellungsmerkmal sowie den Wesenskern des Unterfangens beschreiben: “Hier sind noch echte Menschen am Werk, die man beim hören auch spüren kann.” Und so eine unmittelbare Begegnung “im Vorbeigehen mitkriegen” und gleich auch noch zuhörend mit einsteigen können in die Resonanz – das finde ich wirklich bemerkens- sowie auch unbedingt empfehlenswert: Es handelt sich um die Sendereihe “Gesprächsfunken – Facetten vieler Leben” von Brit aka Birgit Brandner. Und die Folge, von der ich hier berichte (und von der wir diesmal auch erzählen wollen), heißt “Über Drogen, Scheitern und die Frage nach dem Tod”. Gesprächspartnerin ist dabei die Alterswissenschafterin und rundum umtriebige Lebensbefürwortungsexpertin Sonja Schiff. Eine live und lebendig mitzufühlende Verständigung mit sogenannten tiefen Themen. Chapeau!

Es machen sich aber nicht nur Frauen, sondern durchaus auch Männer auf einen emanzipatorischen Weg – weg aus der Befängnis des Hergebrachten und hin zur Schaffenskraft des Selbstbestimmten – wobei, liebe Geschlechtsgenossen, wie schauts eigentlich aus mit der Emanzipation von dem seltsamen Patriarchat? Wir sind ja auch nicht dessen Nutznießer (wenn wir niemand mehr unterdrücken), wir sind doch auch alle in klebrigen Fäden verstrickt und müssen zappeln, wenn (ja, wer eigentlich?) zupft. Bis wir umfallen. Sind wir dessen nicht längst überdrüssig?

erostepost das sommerfestAlso wollen wir noch ein paar “zwei Männer machen sich gemeinsam auf den Weg” auspacken, sowohl musikalisch als auch livehaftig im Literaturhaus Salzburg. Dort lesen am kommenden Dienstag um 19:30 Uhr Christopher Schmall und Robert Kleindienst “stand auf gegen” und dort deklamieren und performen am Donnerstag darauf beim erostepost Sommerfest der Erstgenannte zusammen mit mir (nebst anderen Gäst*innen) “in und um einander”. Das ist schon fast der beste Sommer von allen …..

“Spontane Rebellion und Solidarität sind Akte, die jetzt wertvoll sind. Es ist nie zu spät.”

Beatsteaks vs. Dirk von Lowtzow – French Disko (Tschick)

“No God, no King, I said love is the thing.”

IDLES – Grace

Echte Menschen, Live!

 

 

Auf die Welt gekommen

Battle&Hum #151 am Samstag, 21.06.2025, 22:00 Uhr, diesmal mit Kuchen!

Wir sind ja auch mal auf die Welt gekommen, der DJ Ridi Mama und ich. Wir können uns nur nicht mehr erinnern, ist wahrscheinlich auch besser so. Es reicht vollkommen, wenn das Trauma im Verborgenen schlummert, ganz tief unten oder weit hinten, hinterm hinteren Kleinhirn. Vor 50 Jahren haben wir das Licht der Welt erblinzelt, der Michael ein bissi früher als ich im Jahreskreis. Er ist ein Kind des Frühlings, Anfang Mai im Jahre 1975 den Geburtskanal passiert. Das passiert den besten Tomaten, die Vertreibung der Paradeiser. Meine Wendigkeit schlüpfte im tiefsten Winter obwohl es noch Herbst war, Anfang Dezember. In dieser Jahreszeit geboren, gewöhnt man sich gleich an die Kälte und man ist vom Sternzeichen her Optimist, denn es kann jetzt nur mehr heller werden. Aszendent Eichel-Sau, die Innviertler lieben das Kartenspiel Schnapsen.

Der DJ Ridi Mama ist im Sternzeichen Salzburger Stier (er ist tatsächlich Stier…..hihi…… Aber das ist ja sowieso reiner Humbug), mit einem Waschzwang. Vermutlich Aszendent Smegmatiker oder auch irgendwas mit Eichel, daher das mit dem Waschen. Ich glaub momentan gibt es keine Astroshow auf der Radiofabrik, wir könnten die Lücke füllen: „Sternhagelvoll“ Das Horrorskop mit Michael und Andreas! Ja genau, ein halbes Jahrhundert hat sich schon in unser Gesicht gefurcht, derweil sitzt aber noch alles recht stramm. Wir ackern aber unermüdlich weiter, bis sie uns mit dem Holzpyjama hinaustragen. Death in front of the microphone, wäre kein schlechter Abgang. Sonderbar, kaum denkt man an Geburtstag winkt auch schon Gevatter Tod mit der Sense. Ist wohl naheliegend, ein Sprichwort sagt ja, dass das Leben wie ein Hemd sei, ab dem ersten Anziehen nützen sich die Fasern ab. Am Ende ist man dann wieder nackt.

L+L=C

Die zwei Jahrhundertmoderatoren haben deshalb beschlossen euch einen Ausschnitt der Musik aus ihrem Geburtsjahr 1975 zu spielen. Sie können sich zwar an nichts mehr erinnern aber ich gehe davon aus, dass Popmusik, als Spiegel der Gesellschaft, als Ausdruck der seelischen Zustände der Menschen zu dieser Zeit und somit auch der Elterngeneration der 75er Jahrgänge mehr Einfluss auf das Werden der Kinder hat, als sagen wir zum Beispiel Horoskope. Was soll der Schmarrn mit meilenweit entfernten Sonnen und deren Wirkung auf den Charakter des Menschen? Das nennt man „Glauben“, da kann ich gleich zum Hl. Vitus (einer der 14 Nothelfer, geiles Portfolio [zum Vitus runterscrollen]) beten. Da fällt mir wieder OÖ ein, da g(k)lauben sie nämlich nur Erdäpfel und kennen nur den einen Vitus, den Mostdipf! Ich schweife in meine alte Heimat ab, also straight outta Sauwald into the Factory. Musik aus dem Jahre 1975 am kommenden Samstag den 21.06.2025, ab 22:00 Uhr. So viel sei verraten, wir sind unter einem guten Stern geboren, im chinesischen Horoskop wäre es „the year of the horses“! Stay tuned.

MC Randy Andy

You want it darker

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Juni“Endlich Sommer Unendlich” heißt die aktuelle Perlentaucher-Juninachtfahrt, die uns auf eine Stimmungsreise zwischen unendlichen Möglichkeiten und immer wieder eintretender Endlichkeit einlädt. Da ist es kein Wunder, dass mir dabei einiges an unbewältigtem Kindheitstrauma in den Sinn kommt. Meine Sommer werden nie wieder unendlich sein. Oder vielleicht doch, nur anders als damals? Jedenfalls begegnen wir hier einem erstaunlichen Phänomen – dass nämlich Musik und Lyrik aus der Schaffenswelt des Depressiven wohltuend wirken können – auf Menschen, die selbst gerade in sich ausweglos anfühlenden Lebenskrisen unterwegs sind. Darum spielen wir heute das Altersmeisterwerk “You Want It Darker” von Leonard Cohen und wünschen uns einen heilsamen Sommer!

You Want It DarkerIn den vergangen Jahren haben wir Leonard Cohens Werk vielfältig angeleuchtet. Als er im Jahr 2016 starb, haben wir ihm auch einen “Nachruf, der keiner ist” in die Unendlichkeit geschrieben. Beim Begräbnis meiner Cousine Elke Mader haben wir die Liveversion von Anthem (2008) gespielt, weil:

Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything
That’s how the light gets in

Wer ein Leben lang mit seinen Depressionen kämpft und dabei über 80 Jahre alt wird, der ist ein ausgeprägter, ein sehr deutlicher Überlebender. Das führt uns zu einem weiteren Aspekt seines Lebenswerks, den wir im Rahmen dieser Albumpräsentation gleich mitbeleuchten wollen: Sein lebenslanges und oft verzweifeltes Ringen mit den Bildern eines Gottes, der dem menschlichen Leid unerbittlich und gewaltvoll gegenüber steht. Aus welchen Quellen und Erfahrungen sich die alttestamentlichen Vorstellungen bei ihm speisen, das wissen wir nicht, doch wir haben da eine Spur.

Es geht um Gewalt (in welcher Form auch immer) und um das Vertrauen von Kindern in ihre Eltern (die ja zunächst als ihre irgendwie allmächtigen Schöpfer erlebt werden). Und es geht um die absoluten Normen (die unhinterfragbaren Regeln und Gesetze), in deren Namen (!) Kinder von ihren Eltern Gewalt (seien es Schläge oder sei es das Vorenthalten von unmittelbarer Zuwendung oder whatever) erfahren. In dem Lied “Story Of Isaac” treffen die beiden Ebenen (die persönlich-individuelle wie auch die allgemein-ideologische, religiöse, gesamtgesellschaftliche) vortrefflich aufeinander.

This might get so much darker than you ever expected. Dass Suzanne Vega den Song 1994 covert, nachdem sie sich Jahre zuvor mit ihrem Hit “Luka” auf den Weg zur Verarbeitung ihrer eigenen familiären Gewalterfahrung gemacht hat – das ist immerhin auffallend. Und wie viel unhinterfragbare (weil im Namen Gottes) Gewalt in dieser ganzen Opferung-Isaaks-Geschichte steckt, dem haben wir selbst einmal in der Sendung “Abrahams Nebenwirkungen” nachgespürt. Ihr kennt uns, wir bringen gern auf Gedanken “aber wir deuten nur an” (wie Thomas Bernhard sagen würde).

Eine sehr schöne (weil aus persönlichem Erleben heraus entwickelte) Rezension des Albums “You Want It Darker” hat übrigens Dirk Knipphals für die taz geschrieben …

 

Endlich Sommer Unendlich

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Juni um 22:06 Uhr“Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit.” Das ist der ganze Satz hinter dem Akronym DMD KIU LIDT, einem epischen Album der von uns sehr geschätzten Band Ja, Panik. Doch was steckt hinter der Traurigkeit? Etwa die Resignation vor der Angst, schon wieder einen Sommer zu verlieren, weil uns die Getriebemühle des Bezahlenmüssens in immer noch grauslichere Hektischkeiten und Stressereien zwängt? Wonach richtet sich die Geschwindigkeit der Gesellschaft? Nicht nach den unterschiedlichen Kapazitäten der Menschen, aus denen sie ja eigentlich besteht, möchte ich anmerken. Und, dass Geschwindigkeit unweigerlich zur Schwindligkeit wird, wenn man sie lang genug steigert. Wie also diesmal dem Sommer begegnen?

Endlich Sommer UnendlichJetzt, wo er endlich da ist (oder eh wieder nicht) zwischen verregnetem Mai und fettigem Touristenauflauf. Wer darauf angewiesen ist, den Sommer über in der Stadt zu sein, sollte sich nicht verwundern, wenn die Symptome des Vielzuviel und die allergischen Reaktionen aufs Allesaufeinmal und Nochvielmehr  sich in einem sonst so schön sein könnenden Leben ausbreiten. Und denen ist mit keiner der eingeübten Schutzreflexe beizukommen, sei es “den Kampf aufnehmen”, sei es “die Flucht ergreifen” oder sei es “erstarren”, also “sich quasi vollautomatisiert totstellen”. Auch die durchaus beliebte (und weit verbreitete) Methode, seine einmal eingenommene Abwehrhaltung durch Alkohol, Religion, Staatsgläubigkeit oder andere Drogen zu kaschieren (und sie so aufrecht zu erhalten) zerbröselt mit tödlicher Gewissheit an der Endlichkeit der Biologie. Ein unbezwingbar erscheinendes Gebirgsmassiv der Ausweglosigkeit.

Endlich Sommer Unendlich“Das Leben ist seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch. Aber schiffbrüchig sein heißt nicht ertrinken. Das Gefühl des Schiffbruchs, da es die Wahrheit des Lebens ist, bedeutet schon die Rettung. Und darum glaube ich einzig an die Gedanken Scheiternder.”

José Ortega y Gasset zitiert von Arno Gruen.

Tauchen wir also noch tiefer (auch tauchen bedeutet nicht unausweichlich untergehen) und schauen wir einmal nach, wer oder was denn da “in Deckung gegangen” ist, am Anfang von allem, als wir so dermaßen verstört wurden, dass wir uns seither kaum noch wiederfinden, und wenn, dann in Fragmenten. Es muss übrigens kein einzelnes traumatisches Erlebnis gewesen sein, das uns zum Verstecken unser selbst veranlasst hat. So etwas kann durchaus auch schleichend, über Jahre hinweg, ohne Gewaltexzess, sozusagen atmosphärisch, durch bloße Gefühlsübertragung geschehen – und Jahrzehnte später finden wir uns als Mensch ohne Mitte wieder, irgendwie insgesamt instabil, weil dort, wo wir Vertrauen suchen, nichts ist als ein leeres Loch, aus dem heraus uns die eigenen Ängste angrinsen …

Endlich Sommer UnendlichDabei wollte ich doch Hoffnung verbreiten und eine Perspektive auf einen Sommer der unendlichen Möglichkeitsformen aufzeigen … Moment – da war noch was: Die Perle dieser zugegeben zunächst trüben Tauchfahrt, das kostbare Kleinod, das alles verändern kann. Dieses ursprüngliche “Ich”, das am Anfang “in Deckung gegangen” ist, um zu überleben. Dieses “Ich” bin ich selbst, bevor damals alles entgleist ist. Dieses ursprüngliche, unbeschädigte und auch unzerstörbare “Ich” lebt als eigentliche Kernperson jedes Menschen, wie tief verschüttet (wegen seiner Infragestellung) und wie gut versteckt (zum Zweck seines Überlebens) es auch sein mag. Es ist nach wie vor da, auch wenn wir es mit sprachlich-analytischem Denken nicht erreichen können (weil es sich “in Sicherheit gebracht” hat, lange bevor wir dieses ausgeprägt hatten). Es kann allerdings in einer “Sprache jenseits der Worte” mit uns kommunizieren.

Und wir können es spüren …

 

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Klima

Aus leider wieder immer aktuellen Anlässen widmen wir uns heute wieder dem Klima. Nicht nur die nun schon fast täglich spürbaren Auswirkungen der Klimaänderung, sondern auch die Meldungen über den rasanten Fortschritt der Erderwärmung und den möglichen Kipppunkten begleiten uns ja fast täglich in den Medien und im täglichen Leben.

Heute möchte ich Ihnen aber das Thema Klima von einer der kompetentesten Expertinnen  auf diesem Gebiet näherbringen, nämlich von Frau Helga Kromp-Kolb.

Frau Helga  Kromp-Kolb ist emeritierte Universitätsprofessorin am Department für Wasser, Atmosphäre und Umwelt des Instituts für Meteorologie der Universität für Bodenkultur in Wien und forscht nach wie vor dort und am Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit.

Ihre Kernaussage spiegelt sich im Titel Ihres letzten Buches wider und lautet:

„Für Pessimismus ist es zu spät“.

Für diese Sendung habe ich Ausschnitte aus einem Vortrag, den Sie im März dieses Jahres im Bildungshaus Schloss Puchberg gehalten hat, aufbereitet und zusammengestellt.

 

Die verwaltete Welt

Artarium am Sonntag, 8. Juni um 17:00 UhrWir werden verwaltet – und wir verwalten uns selbst. Wie meinen? Zwischen unseren letzten zwei Sendungen, die einigermaßen begeistert über die Leseperformance “NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns” berichteten, und unseren kommenden Radioarbeiten, die sich auf den anstehenden Sommer mit seinen illustren Festen beziehen, möchte ich quasi als Nachtrag zu all der “Kritischen Theorie” und “Dialektik der Aufklärung”, die uns an jenem denkwürdigen Abend im Literaturhaus regelrecht “einverdichtet” wurden, ein legendäres Gespräch mit dem Titel “Die verwaltete Welt” von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Eugen Kogon (aus dem Jahr 1950) zu Gehör und vor allem zu Gespür bringen. Denn es kommt sehr darauf an, wie sich die Herren dabei anfühlen:

Die verwaltete Welt“Herr Professor Horkheimer, Herr Professor Adorno, ich wollte unser Gespräch über die verwaltete Welt beginnen mit der Feststellung, dass der moderne Mensch herumirrt – suchend nach seiner Freiheit. Und die Art, wie ich eben zu unserem Gespräch gekommen bin, und wie ich weiß, dass auch sie kamen, die erinnert mich sehr an diesen Zustand.

Jetzt, vor einer halben Stunde, sollte ich bereits woanders sein. Und von ihnen, Herr Professor Horkheimer, weiß ich, dass sie in einer Viertelstunde bereits in Bad Nauheim sein sollen. Und wir wollen uns doch ausgiebig, ruhig und vernünftig über dieses so enorm wichtige Thema unterhalten: Die verwaltete Welt. Und da sitzen wir also, sozusagen zitternd, nervös, weil andere Termine auf uns warten. Von diesem Zustand müssen wir frei werden.

Ich für meine Person werde also jedenfalls bei unserem Gespräch jetzt so tun, als ob ich beliebig Zeit hätte. Und ich denke, dass aus diesem “als ob” eine Wirklichkeit werden kann. Und das ist, glaube ich, genau das Thema unserer Unterhaltung: Ob es möglich ist, eine solche Haltung einzunehmen, und daraus eine neue Wirklichkeit zu machen …”

 

Es fasziniert doch immer wieder, wie aufmerksam die drei Herren in ihrem Gespräch auf einander Bezug nehmen und wie präzise, ja geradezu druckreif sie nach all der Erniedrigung und Lebensgefahr, die sie während der Nazizeit erlebt haben, hier ihre Überzeugungen ausdrücken. Dies mitanzufühlen, macht auch jüngeren Menschen, die nicht fachspezifisch in Geschichte, Philosophie oder Sozialkritik vorgebildet sind, eine Denkweise zugänglich, die uns allen immer noch dabei helfen kann, uns in der zunehmend unübersichtlich werdenden Welt, in der wir leben, zurecht zu finden …

Wie aktuell ihre Gedanken für unseren Umgang mit Zeitnot, Termindruck und Stress sein können, das erklärt sich aus dem oben abgedruckten Einstieg in jenes Gespräch sozusagen von selbst.

 

Hören sie genau hin …

 

Wer straft wen, warum und wieso? Und was sind eigentlich Gefangenenschreiben?

Sendetermin: Dienstag, 3. Juni 2025 um 20 Uhr auf der Radiofabrik Salzburg

Wer sitzt eigentlich im Gefängnis – und aus welchen Gründen? Nicht zum ersten Mal werfen wir einen kritischen Blick auf das System Strafvollzug und hinterfragen, wer von unserer Gesellschaft bestraft wird – und wer nicht. Dabei werden wir in dieser Sendung Gefangenenschreiben als Akt der Solidarität und politischen Haltung und Anlaufstellen für Beratung und Unterstützung genauer vorstellen.

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Sendung 5: Von Antiutopien und Kinderbüchern

Vom heutigen Intro Stück und dem Buch, auf das es sich bezieht, wurde ich gleich mal 40 Jahre in der Zeit zurück katapultiert. Was haben wir uns damals gesorgt, was haben wir diskutiert – über Bücher wie „1984“, „Brave New World“ oder „Fahrenheit 451“. Meine Diplomarbeit an der Universität Salzburg habe ich zum Thema politische Utopien und Antiutopien verfasst, so sehr hat mich das Thema gepackt.

Und nun. Ja nun sitzen wir hier und stellen fest, so vieles von dem, was einst gefürchtet war, ist bereits eingetroffen. Ist das ein Grund zu resignieren? Ich finde nicht. Was uns bleibt, ist die Musik. Was uns bleibt, ist die Literatur. Und wenn wir klug genug sind, lassen wir beides nicht von einer KI erzeugen, sondern legen weiterhin großen Wert auf echte Künstler und Künstlerinnen.

In dieser Literarischen Stunde verabschiede ich mich also alsbald von den Dystopien und ihrem Schrecken und wende mich meinen Gästen zu, die ihren künstlerischen Beruf lieben und darüber auch ins Schwärmen geraten. Jill Goritschnig und Philipp Reinhard illustrieren Kinderbücher, unter anderem und plaudern aus dem Nähkästchen rund um Verlagsarbeit und Bären zeichnen.

Das Musikstück, das sie mitgebracht haben, ist 50 Jahre älter als die meisten Sachen, die ich sonst so spiele und ich übe mich in Horizonterweiterung. Natürlich dürfen aber auch die alten Heroes nicht fehlen, von Marianne Faithfull bis Creedence Clearwater Revival.

Studiogäste
Jill Goritschnig und Philipp Reinhard, zu erreichen unter https://www.jillipp.com/.

Literaturtipps
Johann Wolfgang von Goethe „Die Leiden des jungen Werthers“

Ulrich Plenzdorf „Die neuen Leiden des jungen W.“

Eine Besichtigung des Wahns

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. Mai – Gestern waren wir dann also leibhaftig im Salzburger Literaturhaus, um dem entschieden “unsalzburgischen” Programm NORMAL – Eine Besichtigung des Wahns beizuwohnen. Wir wollten wissen, wie sich so ein “Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft” anfühlen würde, wenn wir ihn livehaftig erleben. Und natürlich auch, wie sich diese dichte Darbietung von Erlesenem, Empfundenem und Selbstweitergedachtem im nachhinein auf unser Selbst- und Weltverständnis auswirkt. Waren unsere beschwingten Erwartungen aus der Sendung vom letzten Sonntag doch übertrieben begeistert ausgefallen? Diese Frage beantwortet am besten ein anderer Besucher, der zum Abschied anmerkte: ­“Da fühlt man sich auf ein Mal nicht mehr so allein auf der Welt.” Ja, es hat uns berührt

Eine Besichtigung des Wahns (Christopher Schmall)“Wirklichkeit zur Kenntlichkeit entstellen – das ist Satire. Von wem auch immer dieses Zitat erstmalig stammt, es ist ebenso wahr wie auf diesen Abend, der sich “Besichtigung” nennt, zutreffend. Zumal wir im Zuge unserer Teilnahme die uns tagtäglich aufs Grausigste umbrausenden “Realitäten” nicht nur durch die Brille der kritischen Theorie sondern auch durch die Sichtweisen der Herren Ebermann, Mense und Thamer besichtigen durften, was eine sehr angenehme “ironische Distanz” zu den doch einigermaßen verstörenden Schrecknissen des Weltgeschehens bewirkte, auf dass sich ganz neue Freiräume im Denken, Fühlen und Handeln öffneten, ein zugleich poetischer wie auch therapeutischer Akt! Auf die Art und Weise möchte man “die Realität” (ein von den Realitätern dieser Welt gekaperter und für ihre Interessen uminterpretierter und somit missbrauchter Begriff), möchte man “die Realität” also noch viel öfter als das wahrnehmen, was sie ihrem Wesen nach eigentlich ist: “unsere Wirklichkeit, die wir selbst bestimmen und gestalten können. Und weil der Mensch ein Mensch ist, braucht er dazu was zum Fressenaber keine Moral. Die Richtschnur menschlichen Handelns kam im Programm kurz vor der Pause zum Ausdruck, und zwar wörtlich so:

“Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.”

Sie wollten die Aufklärung vor sich selbst retten. Sie wollten eine Idee von Vernunft entwerfen, die Auschwitz unmöglich machen würde.

Ja, ich weiß … aber ich glaube, das funktioniert nicht oder es funktioniert nicht mehr. Die Vernunft ist nicht mehr zu retten.

Aufklärung?

Was bleibt uns denn sonst … aber auch die stößt hier überall jeden Tag an ihre Grenzen.

Was brauchts dann?

Empathie

Solidarität

Zärtlichkeit

Naturschönheit genießen können

Die Fähigkeit, sich und andere zu lieben

Die Fähigkeit, selbst zu denken

Gesellschaftlichen Reichtum ganz anders denken

Verweigerung – die Fähigkeit zum Widerspruch

Widerständigkeit

Ungehorsam

Unangepasstheit

Unanständigkeit

Unvernunft

Unvernunft im Dienste der Vernunft

…..