Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Jenseits von Jedem

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. April – Wie es inzwischen zur guten Gewohnheit geworden ist (“Es muss feste Bräuche geben, sagte der Fuchs”), spielen wir auch am heutigen Sonntag nach der Perlentaucher-Nachtfahrt wieder ein ganzes Album. Die bis zum Prädikat ­epochemachend stilprägende Band Blumfeld rund um den Autor und feinwahrnehmenden Musikpoeten Jochen Distelmeyer veröffentlichte anno 2003 eine hochverdichtete Gefühlsweltsynthese namens Jenseits von Jedem. Und auf diese Reise quer durch die ambivalentesten Mehrdeutigkeiten der darauf beschriebenen (und meisterlich in Musik umrahmten) Szenarien wollen wir uns und euch diesmal entführen (lassen). Dabei entdecken wir, dass wir alle Teil der selben Bewegung sind, sowohl von ihr bewegt werdend, als sie eben auch bewegend

Blumfeld - Jenseits von JedemGenau so ein “mediopassives Selbstverständnis”, von dem auch Hartmut Rosa spricht, das kommt in den verschiedensten Liedern auf diesem Album immer wieder zum Ausdruck. Was das über die Jahre mit mir gemacht hat (und was ich daher damit mache) und – warum uns gerade diese Musik in unserer letzten Perlentaucher-Nachtfahrt mit dem nicht ganz “eindeutigen” Titel “Ein multifaktorielles Umfangen” besonders beschäftigt, das sollen die einzelnen Stücke am besten selbst erzählen. Denn, wie schon der große Axel Corti in seinem letzten Schalldämpfer bemerkte: “Die Moral von der Geschicht IST die Geschicht.” Jenseits von jeglichem von wem wie auch immer zugeschriebenen Schachterl, in das eine Begegnung, ein Berührtwerden, eine Erschütterung oder eben auch eine Geschicht, die sich daraus erzählt, einsortiert werden soll, wohnt, lebewest, geht ein Prozess vor, werdendes wie vergehendes Verwandeln, dem wir sowohl ob- als auch unterliegen. Und in der minimalen Zeit, die es brauchen würde, um das gerade Stattfindende in irgendeine Definition zu befördern, hat sich das Leben in mehrere Richtungen zugleich weiter entwickelt.

Kurz nach der Auflösung von Blumfeld habe ich anlässlich der Vorstellung seines ersten Soloalbums “Heavy” mit Jochen Distelmeyer gesprochen – über Depression, die Ungerechtigkeit auf der Welt und die eventuelle Möglichkeit, durch öffentliches Ausdrücken der eigenen radikalen Selbstwahrnehmung wenigstens ein Stück von dieser immer in wechselseitiger Beziehung stehenden Innen-Außenwelt zu gestalten. Damals hatte ich den Eindruck, er antworte irgendwie ausweichend. Heute jedoch verstehe ich ihn als jahrelang gegen ihm auferlegte Kategorisierungen kämpfend.

Und als jemand, der sich entwickelnd seinen Weg geht. Der bis jetzt (soweit ich das aus der Ferne sehen kann) den meisten der über ihm abgeworfenen Käfigfallen in der Art von “Er ist dies, er ist das” entkommen konnte. Das macht mir Mut zu mir selbst, dazu, mir beim Entwickeln meiner Möglichkeiten wohlwollend und gelassen zuzuschauen. Die schlimmsten (und am schwersten zu entkräftenden) Verurteile sitzen ja schon längst tief in einem (oder einer) selbst. Denen wollen wir entgehen.

 

Jenseits von Jedem

 

Arielle wirft sich in Schale
Sie geht mit ihren Schwestern aus
Ihr Ex, der alte Egomane
Masturbiert und bleibt zu Haus
Und wer sie sieht, gerät ins Schwärmen
Was niemand weiß, sie ist verliebt
Sie möchte den DJ kennenlernen
Der zur Eröffnung Shanties spielt
Der Rabensohn ist auf der Flucht vor seinen Eltern
Er geht zum Karneval, verkleidet als Vampir

 

Lass uns nicht von Sex reden

 

Ein multifaktorielles Umfangen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. AprilWenn wir in den Jahren vor der Pandemie mit meiner Cousine beisammen saßen um im Gespräch mancherlei Grenzfragen der Wissenschaft auszuloten, dann gebrauchte sie oft und gern den Satz: “Das ist ein eher multifaktorielles Phänomen.” Verständlich, wenn man bedenkt, dass sie Professorin für vergleichende Kulturanthropologie an der Uni Wien war. Und wir zum Beispiel nach dem Unterschied zwischen akademischem Wissen und Schwurbelei forschten. Rückblickend betrachtet war dieser Satz auch als vorausschauender Befund der gesamten Coronajahre geradezu prophetisch. Oder vielleicht doch nur als wiederkehrende Behelfsfloskel aus dem Mund einer alternden Akademikerin gemeint? “Wie isses?” Jede Frage ein multifaktorielles Unterfangen.

Ein multifaktorielles Umfangen 1Genau da hat der Hase mal wieder mit einem “kreativen Versprecher” neulich im Artarium ein Fass von Welt aufgemacht, indem er es als “ein multifaktorielles Umfangen” aussprach. Und das setzt gleich ein gewaltiges Bilddenkkopfkino unter Einbeziehung sämtlicher Sinne und Empfindungen in Gang, so dass es einem und einer und dazwischen und außerhalb und überhaupts die Grenzen des bisherigen “So muss das sein” mitten durchs Bewusstsein schiebt und so auch endlich Platz schafft für ein neues Verständnis vom Menschsein in der Welt. Platz oder eben leerer Raum, der dazu einlädt, die Ordnung der Dinge (Lebewesen sind ausdrücklich mitgemeint) selbst neu zu gestalten. Wer jetzt wissen möchte, wie es Wissenschaftern geht, die ein solches hochkomplexes und mit unseren Mitteln der Wahrnehmung nicht mehr in all seinen Einzelheiten nachvollziehbares “multifaktorielles Geschehen” feststellen und es in Sprache zu fassen versuchen, soll sich bitte diese Sendung anschauen!

Ein multifaktorielles Umfangen 2“Was folgt nun daraus, dass wir Holobionten, also Gesamtlebewesen sind, sowohl, was unsere Beziehung zu anderen Menschen betrifft, als auch unsere Beziehung zu anderen Lebewesen – um, auf und in uns?” Mit dieser Frage eröffnet Gert Scobel eine fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen untypische Diskussion. Untypisch deshalb, weil hier die Begeisterung beim Neusortieren und Neustrukturieren (und eben auch neu in Worte kleiden) von Neuland (und zwar von einem gewaltig weiten und noch weitgehend unerforschten) so dermaßen echt und unverstellt spürbar wird. Das erlebt man, wie gesagt, sehr selten in einem Medium, das sonstüblich hauptsachs die unausweichlichen Krisen von übermächtigen Bishersystemen wiederkäut, die einfach nicht abdanken wollen bis alles zerplatzt oder so. Ganz im Gegentum dazu ereignet sich plötzlich vor unser aller Augen (und sonstigen Sinnen) eine fundamentale und umfassende Revolution des Verständnisses davon, wer wir sind und wie das Leben funktioniert. So möchte auch ich an dieser Stelle die oben angeführte Frage weiterformulieren: “Was folgt nun daraus für unsere Beziehung zu uns selbst?” Denn wenn ich “ein Gesamtlebewesen” bin, was macht das mit meiner Vorstellung von meinem Ich?

Ein multifaktorielles Umfangen 3“Erst, wenn man mit sich selbst perdu ist, kommt man auf die Idee, lieber mit sich selbst per Du sein zu wollen.” Denkt mal darüber nach. Sich selbst, dem Leben (in all seinen Erscheinungsformen) oder gar einem anderen Menschen zu begegnen (wenn es denn mehr ist als bloßes Besitzenwollen) verlangt geradezu nach multifaktoriellem UMFANGEN. Da kommunizieren zwei schier unbegreifbar komplexe Ökosysteme miteinander, später dann drei, vier, viele, und auch die Ergebnisse von deren Kommunikation wechselwirken wiederum untereinander und dadurch mit sich selbst. – “Wer bin dann ich?” und “Hilfe, wir lösen uns im Unendlichen auf!” Genau darum gehts aber. Das ist die Grundbeschaffenheit des Lebens. Und du bist kein Teil davon? Wollen wir die Kirche doch im Dorf lassen, oder noch besser, stellen wir sie einfach wieder dorthin zurück. Tauchen wir unverdrossen ab in unbekannte Gefilde, schauen wir uns dabei zu – und lassen wir es scheppern und schön sein

Wir sind ein geiles Institut.

 

Irgendwas mit Poesie

> Podcast: Artarium vom Sonntag, 30. MärzDa war doch was … in unserer letzten Sendung (mit Rupert Madreiter) reisten wir zurück in eine gemeinsam erlebte (und sehr spezielle) “Nacht der Poesie”. Und diesmal wollen wir etwas von dem, was in jener Nacht so eine erstaunliche Macht entfaltete, im Hier und Heute und als drei Dichterfreunde lebendig werden lassen. Denn “Gefühle in Worte fassen” vermag die gewaltigen Energien, die uns beleben, die uns gefährden, die uns entzücken, die uns verwirren oder genauso gut zerstören können, in eine für uns beherrschbare Kraft zu verwandeln und so wieder Ordnung im Gefühlsgestrüpp zu stiften. Vom Chaos zum Kosmos sozusagen, eine zutiefst selbstwirksame Erfahrung, die weit über unser viel zu verschämtes Selbstbild von Einzelwesen ohne Zusammenhang hinaus weist …

Irgendwas mit PoesieNachdem das Wort “Poesie” jedoch schon in vielerlei Weise zudefiniert ist, lohnt es sich unbedingt, sowohl im Etymologischen Wörterbuch als auch im Altgriechischen einmal selbst nachzuforschen. Dort finden sich erstaunlich viele Bedeutungen des Wortstamms ποιέω (von dem ja “alle Poesie ausgeht”, möchte man sagen). Und neben den erwartbaren wie “schichten, aneinanderreihen, bauen, dichten, schaffen, handeln, tun, bewirken” (und so weiter) begegnen wir da auch weniger geläufigen Ableitungen wie “berufen, sich verschaffen, etwas darbringen oder veranstalten, etwas leicht nehmen” und, und, und – noch vielem mehr. Unter anderem dem Wort ποίημα – “das Gemachte”, was zunächst “Machwerk, Metallarbeit, Werkzeug” heißt, und erst dann “Gedicht”. Sich seinen eigenen Kosmos – “Welt, Ordnung, Schönheit” im wahrsten Wortsinn zu erarbeiten, zu erschaffen – ja, zu erdichten – das ist unsere Einladung an uns selbst zusammen mit euch – poetisch zu sein und der Poesie nachzuspüren.

Um dies im Rahmen eines Artarium zu ermöglichen, wollen wir einerseits die Poesie unseres eigenen Dichtens und Denkens im gegenseitigen Vortrag wie im Gespräch zu Gehör bringen. Und andererseits (was immer auch zugleich bedeutet) der Poesie von textlich anspruchsvollen Musikstücken obliegen, die etwas von dem spürbar machen, was wir mit all den poetischen Energien und ihren Auswirkungen erleben. Dazu haben wir Beiträge von Schroeder Roadshow, Nina Hagen, Leonard Cohen, Rio Reiser und Misha Schoeneberg ausgesucht, fürwahr eine recht illustre Runde.

Sprach- und Gefühlskunst vom Feinsten.

 

Living in The Past

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. März – – – Überraschendes von und mit einem Überraschungsgast. Soviel sei vorab verraten: Unlängst manifestierte sich ein jahrzehntelang aus meinem Blickfeld geratener Jugendfreund als wieder öfterer Gesprächspartner und es stellte sich heraus, dass uns viel mehr verbindet als lange Zeit angenommen. Dass wir, jeder für sich, über einzelne Erinnerungsbilder an eine gemeinsam verbrachte intensive Jugendzeit in den 70er Jahren verfügen, die erst in ihrem einander erzählen, untereinander vergleichen und wieder zu einem größeren Ganzen zusammenführen so etwas wie “lebendiges Wissen von dem, was damals wirklich war” erzeugen können. Daher nennen wir diese Sendung selbstironisch und in Bezugnahme auf das gleichnamige Jethro-Tull-Album auch “Living in The Past”.

Living in The PastWobei die Betonung auf “Living” liegt. Wir wollen hier definitiv keine sentimentale Ü-60 Nostalgie zum alleinigen Zweck besoffenen Schwelgens im “damals war alles schöner” ausrufen. Vielmehr sollen unsere Anekdoten jene Zeit dahingehend wieder lebendig werden lassen, dass erkennbar wird, welche Umstände unsere ganze “Generation von Kriegsenkeln” geprägt haben – und was für Gegebenheiten für unser Leben und unsere Entwicklung damals bedeutsam waren. Dabei ist naturgemäß ein absoluter Fixpunkt unseres Aufbruchs in die Gemeinschaft der Gleichaltrigen zu nennen, das inzwischen legendäre Mark (Markusheim) am Franz-Josefs-Kai. Die dort regelmäßig am Wochenende stattfindenden Musik- und Tanzpartys (dabei wurde Progressive-Rock vom feinsten zelebriert) waren für uns “unverzichtbare Gelegenheiten zur sicheren Zwischenlandung auf unseren riskanten Expeditionen in die uns umgebende wie die uns innewohnende Welt. Ein überaus wertvoller, kaum zu unterschätzender Beitrag zur Bewältigung der Unendlichkeit für uns als 15- bis 18-jährige.” Anders als die wohl der gesellschaftlichen Akzeptanz wie dem Wohlwollen potentieller Geldgeber geschuldete Darstellung als sozialarbeiterischer Interventionsraum

… haben wir diese Einrichtung als Probebühne des Selbstausdrucks, als Freiraum für unsere Versuche von Annäherung und Abgrenzung (außerhalb von Schule und Familie) sowie als Experimentierlabor für noch nicht definierte Möglichkeitsformen erlebt. Inwieweit die “politische Großwetterlage” Mitte bis Ende der 70er Jahre dazu beigetragen hat, eine positive Entwicklung jugendlicher Selbsterforschung in die gesamtgesellschaftliche Integration zu begünstigen – und was dabei (und wodurch manches) auf der Strecke geblieben ist – darüber machen wir uns eben Gedanken.

Wie wir zusammen zu einem gleichzeitig erlebten Moment des Einsseins mit dem Universum (und zwar nach einer gemeinsam durchdichteten Nacht ohne Alkohol oder sonstige Drogen) gelangten, auf welchem Weg das damals für uns eine bedeutsame Rolle spielende Album “Spartacus” von Triumvirat an unser Gehör (und in unsere Gehirne) gekommen ist, worin wir uns bei unseren ersten Versuchen, Sexualität mit Beziehung in Einklang zu bringen, gut widergespiegelt fanden und, was derartige Erfahrungen im Kontext damaliger Musikstile ins Heute übertragen sein könnten

 

Living in The Past!

 

Scheiterhaufen – O.K.! (Album)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. MärzWir sind Perlentaucher. Und manchmal stellt sich die Frage, wo so ein im Strom der Gezeiten angefundenes Kleinod (die wir in unseren Radiobiotopen gern vorstellen) ursprünglich herkommt. Höchste Zeit für eine Berichtigung. Die Rede ist von dem sehr besonderen Album “O. K.!” von Scheiterhaufen, das auch wir immer wieder fälschlicherweise einem gleichnamigen DJ-Kollektiv aus dem Salzburger Innergebirg zugeordnet haben. Nachdem wir uns unlängst entschieden hatten, dieses fürwahr außergewöhnliche Werk endlich einmal in seiner ganzen Gesamtheit zu spielen, machten wir uns auf die Suche nach den eigentlichen Urhebern desselben. Und – wir sind wirklich fündig gewordenim benachbarten Deutschlandin der Zeit der Jahrtausendwende

Scheiterhaufen OK (Cover)Dort und damals entschlossen sich zwei Freunde, die sich für selbst geschriebene und vorgetragene Texte begeisterten, damit etwas ganz eigenes zu machen. Sie waren einerseits fasziniert von all den Ausdrucksmöglichkeiten, die das in jener Zeit aufkommende HipHop-Genre mit sich brachte, andererseits aber zutiefst abgestoßen von dem, was sich daraufhin als zunehmend populär werdender Deutschrap” oder eben deutscher HipHop in ihre und unsere Gehirne drängen sollte. In dieser Situation schufen sie ein (in unseren Ohren) Meisterwerk der Sprachkunst, das noch dazu aufgrund seiner alle gängigen Klischees des kommerziellen HipHop ad absurdum führenden Beats so etwas wie “genresprengend” wurde. Einer von den beiden, Kamal Nicholas, kann sich an den Entstehungsprozess und die ersten Aufnahmesessions dieses Albums erinnern und erzählt dabei Erstaunliches: Zwei Freunde texten (jeder für sich) zu einem jeweils gemeinsamen Thema und verbinden ihre Beiträge sodann in spontanen One-Take-Aufnahmen zu den einzelnen Tracks.

Scheiterhaufen - OK (Album)Das ist eine Herangehensweise, die unserem eigenen “Workflow” beim Radiomachen und unserem Umgang beim spontan-assoziativen “sich zusammenfinden lassen” von Musik- und Textstimmungen sehr nahe kommt. Auch deshalb ist uns derart zustande Gekommenes in seiner endgültigen Gestalt (was immer wieder nur eine Momentaufnahme sein kann) so sympathisch. Wenn wir eine Themensendung wie “Triptychon zur Traurigkeit” erschaffen, dann ereignen sich dabei sowohl im Vorfeld als auch Live On Air ganz ähnliche Prozesse wie beim heute mit Freude vorzustellenden Scheiterhaufen. Und dass wir deren bemerkenswertes Mund- und Klangkunstwerk in sendetauglicher Qualität mit euch teilen können, verdanken wir Klaus Donarski, der als DJ Zapotek an der Produktion einer im nachinein herausgekommenen CD-Version beteiligt war.

Weiterführende Links:

Kamal Nicholas aka Soda auf Bandcamp

Mnemotrauma – Der Audiopath (von Klaus Donarski)

Homepage von subversive*rec (offbeaters)

Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Mozartkugeln scheiß …

 

Triptychon zur Traurigkeit

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. März“Und, wie fühlst du dich jetzt nach diesen Übungen?”, fragt der freundliche Arzt aus dem Internet. Mir fällt spontan eine Antwort heraus: “Ich habe Angst. Angst vor meinen Schmerzen. Und Angst vor meiner Traurigkeit.” Da schau her. Das heutige Sendungsthema ist eines der schwierigsten und unzugänglichsten von all den Gefühlskonglomeraten, die wir bislang in unseren Perlentauchereien untersucht haben. Eine Herausforderung, die sich aber auch zunehmend aufdrängt. Seit einiger Zeit kommen mir nämlich vermehrt Menschen unter, die eine geradezu traurigkeitsvermeidende Überlebensstrategie zu verfolgen scheinen. Die also alles, was sie in diesen Gefühlszustand versetzen könnte, von vorn herein von sich fernhalten. Die vielleicht, so wie ich, Angst davor haben?

Triptychon zur Traurigkeit 1Traurigkeit ist wie ein Schleier. Ich hab mal versucht, mir etwas zugleich so ungreifbares wie auch massives vorzustellen wie “bleiernen Nebel” (der sich über die Seele legt oder so ähnlich). Ein sich beinah unmerklich ausbreitendes Gespinst, das in uns eindringt und uns von allen Seiten umgibt, sich in weiterer Folge zu einer immer undurchdringlicheren Barriere verdichtet, die uns von dort, wo wir unser Lebendigsein spüren würden, regelrecht abtrennt. Da kommen mir Bilder von Betonbunkern und Kernkraftwerken in den Sinn, von eingesperrtem Lebenwollen, das bei jedem Versuch, nach außen durchzudringen, an seinem Gefangensein scheitert. Da steht eine Wand zwischen mir und der Welt, zwischen ich und du, zwischen einem traurigen Kind und der unendlichen Landschaft seiner Träume. Das ist wie damals, als du mich nicht verstandennicht gesehen, nicht gespürt, nicht wahrgenommenhast. Es fühlt sich heute noch so an, wenn ich enttäuscht bin. Oder ist es “nur” ein Flashback?

Triptychon zur Traurigkeit 2Traurigkeit erzählt Geschichten. Natürlich nicht gerade dann, wenn wir in ihr versinken. Doch sobald wir uns wieder lebendig fühlen, können wir ganz ohne Zwang zuhören. Als ich gestern in den ziemlich genialen Dokumentarfilm “Was tun” geraten bin, hat sich mir so eine Geschichte geradezu elementar ereignet, dass ich wieder ganz neu neugierig auf das unendliche Land hinter meiner Traurigkeit geworden bin. Der Film behandelt die Situation von Sexarbeiterinnen in den Bordellen von Bangladesh, an und für sich ein zutiefst trauriges Thema, und mir fiel auf, dass ich dabei nichts von dem empfand, was ich sonst als das traurige Gefühl bei mir kenne. Ich wunderte mich darüber – und ging innerlich auf die Suche. Kurz darauf begegnete mir Redoy, den Regisseur Michael Kranz als “meinen besten Freund” und “mein bengalisches Herz” bezeichnet – und ich erkannte mich selbst. In einer heftigen Erschütterung von zugleich Weinen und Lachen endlich wieder ganz.

Triptychon zur Traurigkeit 3Traurigkeit kann eine Spur sein. Dorthin, wo sich Räume auftun und neue Wege eröffnen. Neu insofern, als sie vielleicht schon lang nicht mehr betreten worden sind. Weil wir gelernt haben, sie zu vermeiden. Weil wir überlebt haben (und das ist definitiv ein Grund zum Feiern). Nichtsdestoweniger sind es unsere Wege, auf denen wir als glückliche Kinder im Sonnenschein unserer Neugier herumtrubeln und dabei auch die Abenteuer des Waldes und der Finsternis entdecken und bestehen. Es kommt nur darauf an (und zwar scheißegal wie alt wir sind), neugierig zu bleiben und sich schon auch mal überraschen zu lassen. Oder wollt ihr die totale Langeweile? Den schleichenden Erstickungstod durch immer dieselbe Reiz-Reaktions-Routine? Den Schleier der Traurigkeit anheben, die Geschichte dahinter verstehen wollen, der Spur ihres Rätsels folgen und das Geheimnis ergründen. Mit sich selbst auf Du – das ist ein guter Anfang für das Frage-und-Antwort-Spiel mit der Welt da draußen.

Lust auf mehr? Einfach mittauchen und gut zu hören.

 

Like A Complete Unknown

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. März“Kommst du mit ins Kino?”, frug ich den Hasen – und schon waren wir mittendrin in der Diskussion unserer inzwischen recht verschiedenen Zugangsweisen: “Ich ertrage keine Synchronfassungen mehr, weil ich mir Filme und Serien seit Jahren nur noch in ihrer Originalsprache anschaue.”, erklärte er. “Für mich stellen Übersetzung und Synchronisation eine eigene Kunstform dar, die ich zusätzlich zum Film an sich genieße.”, erwiderte ich. Dabei läuft “Like A Complete Unknown” im Filmkulturzentrum DAS KINO sowieso in der Originalversion mit deutschen Untertiteln. Und ist aufgrund seiner “etwas anderen” Erzählweise auch in dieser Gestalt überaus zugänglich, weil er die Entwicklung des jungen Bob Dylan vom akustischen Folk zum elektrifizierten Rock in vielen seiner Songs live zeigt.

Like A Complete UnknownUnd seine Songs sind eben genau so bekannt, wie His Bobness (oder wie immer er genannt werden mag) sie selbst singt, auf Englisch. Ich habe mich also in das Original mit Untertiteln hinein begeben und war einigermaßen erstaunt, wie ein über zweistündiger Film die Geschichte einer zunehmenden Deutungsverweigerung in 23 Songs sowie Ausprobiersituationenen erzählt, gefühlt über die Hälfte der gesamten Zeit. Und dabei durch die Dialoge dazwischen, die aufeinanderfolgenden Ereignisse rund um die immer enigmatischeren Aussagen einen insgesamt glaubhaften, nachvollziehbaren Entwicklungsweg zeichnet. Ich bin aus dem Film wieder aufgetaucht und war – ja, waszufrieden. Wie nach einem guten Essen, wo nichts zwickt, drückt oder übrigbleibt. Like A Complete Unknown – man kann die Geschichte des Rätselhaften erzählen. Ohne zu versuchen, sie aufzulösen. Ein offenes Ende, das sich nicht nervig anfühlt und keine losen Fäden herumhängen lässt. Chapeau! Timothée Chalamet, der sich die Person von Bob Dylan derart anverwandelt, als wäre es keine Rolle und er auch kein Schauspieler, sondern alles zusammen, der Film, die Geschichte und auch er selbst eine fortwährende Verwandlung, wächst dabei geradezu über sich hinaus.

Im Vorfeld der Veröffentlichung dieses eigenwilligen Filmprojekts war viel darüber zu erfahren, wie er sich mit Techniken des Method Acting über einen Zeitraum von 5 Jahren in den großen Unbekannten oder eben in der Originalversion “A Complete Unknown” einlebte, um ihn möglichst selbstverständlich verkörpern zu können. Wir haben jenen Artikel des Rolling Stone Magazine gefunden, auf den sich die meisten dieser Berichte beziehen. Und wir haben ein Salzburger Musikprojekt entdeckt, das sich als “Madagascar – A Bob Dylan Phantasmagoria Bootleg Series” bezeichnet.

Das Rätselraten geht also weiter. Und die Antwort auf alle Fragen (it’s blowing in the wind, you know) sind wir selbst. Fragen, auf die wiederum Fragen antworten …

 

It’s all over now, Baby Blue

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. Februar – Wie umgehen im Leben? Wie umgehen mit der Angst? Unlängst drang Ungeheuerliches aus der Verhandlerei von FPÖ und ÖVP, etwa zum Thema Medienpolitik: So sollten die gesetzlich verankerten Förderungen für den Freien Rundfunk massiv gekürzt werden. Statt dessen sollten sogenannte “Alternative Medien” mit öffentlichen Geldern versorgt werden, der FPÖ nahestehende Propagandaplattformen, die jenseits jedweder journalistischer Qualitätsstandards hauptsächlich faktenferne Volksverwirrung verbreiten, gepaart mit parteilicher Lobhudelei im Sinne eines seltsamen Personenkults um den kleinen Mann, der die Partei des kleinen Mannes anführt. Kunnst dir vorstellen, dass sich Bob Dylans “Baby Blue” auf den kleinen blauen Brillenschlumpf anwenden ließe?

Baby BlueUnmittelbar nach dem Scheitern der Kollisionsverhandlungen zur Bildung einer blauschwatzen Bundesgierung ging bei mir der nächste Angstfilm an den Start: Es wird Neuwahlen geben und dadurch werden die Wahnsinnigen noch stärker werden… Doch dann gelang es mir, für einen Moment das wohlig warme Gefühl der Erleichterung aus meinem Bauch aufsteigen zu spüren und ich beschloss, jetzt und hier zunächst einmal diesen Augenblick zu genießen. Und mich von jeder auf mich einstürmenden (und in mir hochsteigenden) Katastrophenhysterie zu distanzieren. Ich habe weit wichtigeres zu tun, als mich von geisteskranken Kriegsgewinnlern des menschlichen Abgrunds in denselben mitreißen zu lassen. Zum Beispiel meine eigenen Abgründe auszuloten und die vielen vernachlässigten Kinder in mir selbst in Sicherheit zu bringen. Denn niemand anders kann mir meine Welt reparieren… Und nirgendwo anders beginnt die Welt, in der wir alle miteinander verbunden sind.

Ich habe die Nazis überlebt und daher weiß ich auch, wie naheliegend und verlockend es ist, den eigenen Schmerz nicht fühlen zu müssen, indem man ihn jemand anderem zufügt. Genau da beginnt die Täter-Opfer-Umkehr – als Opfer-Täter-Umkehr in einem selbst. Du kannst dir selbst als Baby begegnen (und das ist eine Herausforderung) oder du wirst als aufgeblasenes, wutverstopftes und ständig unzufriedenes Riesenbaby in der Welt herumsausen und andere Unzufriedene um dich versammeln, die so wie du keinen Gefühlszugang zu sich selbst haben und unweigerlich Unheil anrichten.

Das Sympathische bei Bob Dylan dagegen ist, dass seine Wortbilder sich seit jeher jeglicher Definition entziehen. So rätselt die Gemeinde der Dylandeuter:innen immer noch daran herum, wer mit Baby Blue eigentlich gemeint sein könnte. Das Schöne am gefühlsdenkerischen Zugang, wie wir ihn pflegen, ist wiederum, dass sich dieser Text bei jeder neuen Betrachtung wie von selbst interpretiert: Christopher Schmall – blau, gewesen. Und so geht auch das mit dem Brillenschlumpf. “Ach, geh mir doch weg.” Prinzessin Dylia weiß intuitiv, wie man den garstigen Gnom wieder los wird.

PS. Es gibt einen neuen Dylan-Film, der bezeichnenderweise “Like A Complete Unknown” heißt und hier im BR-Magazin Capriccio herzallerliebst vorgestellt wird. Ab Donnerstag, 27. Februar jeweils um 17:00 und danach um 20:15 im DAS KINO.

“Sie sollten dich wie lassen?” – “Wie auch immer sie mich nicht haben wollen.”

 

Gisbert zu Knyphausen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. Februar“Ich hab euch Blumen und Pralinen vom Arsch der Hölle mitgebracht.” Mit diesem ziemlich speziellen Zitat aus “Das Leichteste der Welt” von Kid Kopphausen eröffnen wir die heutige Sendung. Und das ist kein Zufall, erschien doch das Video dazu zwei Tage nach dem jähen Tod von Nils Koppruch, der zusammen mit Gisbert zu Knyphausen dieses innige und intensive Bandprojekt verkörperte. Auf dem fünf Jahre später erschienenen Album “Das Licht dieser Welt”, dem wir diesfalls in voller Länge obliegen wollen, verbearbeitet der lyrische Melancholiker den Verlust seines Freundes auf vielen verschiedenen Ebenen. Triggerwarnung: Hier geht es ohne Schminke um Tod und Trauer. Doch eben darum zeigt sich hier auch das Leben selbst ganz unverstellt.

Gisbert zu Knyphausen - Das Licht dieser WeltDas auf diesem Album enthaltene Lied “Etwas besseres als den Tod finden wir überall” verdeutlicht die lebenszugewandte Verwegenheit des Gisbert zu Knyphausen, der ursprünglich als Musiktherapeut auf die Abenteuerreise nach Ausdruck und Authentizität aufbrach und im Verlauf seiner Musikerkarriere viele Höhenflüge ohne Verleugnung der schwarzen Löcher in und um uns vollführte. Beispielhaft hierfür sein früher Erfolg “Sommertag”, mit dem er mich mitten ins Sowohlalsauch zwischen rasendem Verliebtsein und träger Nichterfüllung hinein traf. Es war ein Stürzen, ein Gestürztwordensein, das sich rückblickend – und im Annehmen des Schmerzes – ebenso langsam wie überraschend als ein Fliegenkönnen entpuppte. Es ist wirklich große Kunst, die zwei Seiten ein und desselben Lebens in einer Musik und in einem Text so unverkrampft und selbstverständlich miteinander zu verbinden – ja, zu versöhnen. Davon lassen wir uns auch in unserer nächsten Nachtfahrt “Wer du bist” inspirieren – und wir sind uns da aus Erfahrung sicher, dass es “auf geheimnisvolle Weise” funktionieren wird.

Die Musik von Gisbert zu Knyphausen entfaltet (abgesehen davon, dass sie einfach schön ist) auch eine therapeutische Wirkung, so viel steht fest. Sie erreicht dies auf einer unbewussten Ebene, die viel wirkmächtiger ist als alles, was wir mit unserem Verstand erfassen können, nämlich in einer Sprache ohne Worte, wie Peter Levine die von ihm als Somatic Experience zur Traumatherapie eingesetzte Körpererfahrung beschreibt. Wie Musik ohne Worte den gesamten Song verändert und uns dabei eine ganz eigene Geschichte erzählt, das ist auf “Cigarettes & Citylights” gut zu hören.

“Es ist ein Mittwoch kurz vor Herbst …”

 

Wer du bist

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Februar – Auf die Frage, wie sie als hochsensible Kunstschaffende die immer zudringlicheren Nachrichten von der immer noch schrecklicheren Weltlage überhaupt aushalte, gab Laurie Anderson darüber Auskunft, wie sie von einem buddhistischen Mönch gelernt hatte, alle tiefen Gefühlsregungen (also auch das Leid und den Schrecken) so zu empfinden, dass sie diese zwar voll und ganz mitfühlen, aber als “von ihrem Ich getrennt” wahrnehmen könne. Und auf diesem Weg seien sogar die sprachlosmachendsten Katastrophen zu verkraften. Nun könnte man diese Aussage als nicht unübliche Nebenwirkung fernöstlicher Meditationspraxis abtun und gschwind darüber hinweg gehudelt zum Tagesgeschäft übergehen. Doch die Frage nach dem “Ich” fragt weiter Wer?

Wer du bistWir haben uns bereits im Artarium “Botschafter aus anderen Welten” darüber Gedanken gemacht. Und wir werden dem in der Sendung heute ein paar Gedanken, Gefühle sowie Stimmungsassoziationen folgen lassen: “Wer oder was ist dieses Ich, von dem wir üblicherweise glauben, dass wir es sind? Und – kunnst dir vielleicht vorstellen, dass alles ganz anders … ?” Ausgehend von Peter Gabriels Einschätzung, das Wesen eines wirklich gelungenen Kunstwerks bestehe aus der richtigen Mischung zwischen Verhülltem und Hergezeigtem, könnten wir unser Ich ja auch als ein von uns selbst erschaffenes und jeder neuen Situation entsprechend ausgestaltetes Kunstwerk oder eben Kunnstwerk begreifen. Die Persönlichkeit, eine Frage des Auftritts. Es geht einfach darum, sich darauf einzulassen, dieses Ich einmal nicht als abgeschlossene Einheit, vollkommen fertiggestellt und schicksalhaft unhinterfragbar zu erleben, sondern vielmehr als ein ziemlich lustiges Spielzimmer unendlicher Möglichkeiten.

Wer du bistEine andere Erscheinungsform (ein anderer Aggregatzustand) des inneren Wesenskerns zeigt sich in Momenten absoluter Resonanz wie zum Beispiel in der Liebe, wenn uns jemand bedingungslos bejaht. Oder im sich eins fühlen mit allem ohne dass es dafür irgendwelcher Worte bedarf. Alles in mir weiß dann ohne Rest um den Sinn des Lebens. Bin das ich? Die Frage stellt sich in den Augenblicken des Einsseins nicht mehr, denn das, was da plötzlich um alles weiß, ist so selbstverständlich das, was es ist, dass es ihm gar nicht in den Sinn käme, sich von irgendwem oder irgendwas zu unterscheiden. Ha! Das Ich, wie wir es alltagsgebräuchlich verstehen, wohnt hinter Grenzen. Es besteht geradezu aus ihnen. Denn das, was Ich ist, endet dort, wo Nicht-Ich beginnt. Und umgekehrt. Definition heißt ja auch (von lat. definitio) Abgrenzung. Jetzt kommen wir allerdings an den Punkt, wo gefragt werden muss, inwieweit ein so aufgefasstes Ich sich nicht in einem Gefängnis befindet, unverrückbar umgrenzt

Wer du bistWenn wir uns überlegen wollen, wie verrückt jemand ist, der die Grenzen des eigenen Ichs überschreitet und durchlässig macht, erweitert oder auflöst, dann sollten wir zunächst nachschauen, welcher Zustand des Ichs an sich zuerst da war, egal was wir gewohnt sind oder für “normal” halten. Entsteht das “Ich” erst durch Grenzen oder ist es schon vorher da? Das Grenzenlose, das mich lebt – und das ich bin. Fein.

Rainer Maria Rilke hat das mit den Definitionen so formuliert:

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.