Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

Frauentag im Hasenstall

> Sendung: DIE ARTARIA vom Sonntag, 8. März (zum Internationalen Frauentag) – Wir sind nach wie vor die Hasen, doch heut gehn wir als Mädchen! 😉 Wieso nicht einmal andere Assoziationen erzeugen? Ein Neutrum Artarium bleibt zwischen Atrium und Aquarium doch immer „der Raum für“ und „das Ding mit“„Kunnst“, allerdings mit zwei „n“ wie in „Könntestform und Möglichkeit“. Eine Femina Artaria hingegen bewegt den Lufthauch ihres Ausdrucks vom Kunstlied über den Musenkuss bis hin zum Opernsolo. Wohlan, das will uns doch durchaus gefallen! Zumal das Artarium just seinen 8. Geburtstag feiert (es ging am 7. März 2007 mit Peter.W. erstmals On Air) und seither noch dazu bereits in 300 Ausgaben zu hören war. Unsere nunmehr 301. Artarium-Sendung soll deshalb etwas ganz Besonderes sein…

KopflosDazu haben wir als Mitgestalterin unsere höchst umtriebige Kollegin Sabaha Sinanovic eingeladen, die unter anderem seit 2005 im Rahmen der angesehenenen Sendereihe Radiofabrik-Frauenzimmer (CBA) das oft zweisprachige zenska soba betreibt. Sie wird uns etwas über die beklemmenderen Hintergründe dieses eigentlich ganz „normal“ wirkenden Begriffs erzählen, der ja wörtlich übersetzt einfach „Frauenzimmer“ oder „Raum für Frauen“ bedeutet. Dazu passend ein Live-Telefonbericht zur gleichzeitig stattfindenden Frauendemo unter dem Motto „My Body is not your Battleground“ von den Kampfschwimmerinnen des feministischen Frauenkollektivs sisterresist. Das gleichnamige radio ist eine weitere Sendung aus dem Frauenzimmer und widmet sich inzwischen sogar der gepflegten Sportreportage auf unterhaltsamste Weise  > Frauenfußball Sondersendung. 🙂

Kim Gordon

Kim Gordon 2007 wikimedia commons

Doch was ist jetzt das ureigene Interesse von uns zwei Hasen –  am Thema Emanzipation im Sinne von Selbstermächtigung?  Women aren’t allowed to be kick-ass. I refused to play the game.“ Das Zitat aus der soeben erschienenen Autobiographie von Kim Gordon (Sonic Youth) gilt doch gewiss genauso für all die anderen Mitglieder 😛 die sich gegen das Eingepresstsein in gesellschaftliche Stereotype, Normen und Klischees wehren müssen, weil ihnen sonst noch alles Leben abstirbt! Und auch aus dem wunderbaren Gedicht „My Body is not your Battleground“ der syrisch-amerikanischen Autorin Mohja Kahf kann Mann der Befreiung so einiges von den Gewaltbildern „heiliger“ Schriften erfahren, die uns so gern untertan machen. Die Verwandtschaft von Tora, Bibel und Koran tritt hier offen zu Tage, ebenso wie die sexualisierten Besitzphrasen aus den vielen Hoheliedern der Vaterlandsschwüre.

My body is not your battleground
How dare you put your hand
where I have not given permission
Has God, then, given you permission
to put your hand there?

Sich emanzipieren heißt ja im Wortsinn „sich aus der Hand, die Macht hat und somit Gewalt ausübt, heraus zu nehmen“ Allein schon deshalb ist „die Emanzipation“ eine Aufgabenstellung für uns alle. Die Kunnst der Selbstbefreiung hieß denn auch eine frühere Radiosendung zum Internationalen Frauentag 2009. Wollen wir einander dabei weiterhin (und jetzt erst recht) auf Augenhöhe begegnen – und beistehen!

 

Radiofabrik Momente des Sports

> Die Sendung vom Sonntag, 8. März – fein garniert & gut zu hören – gibts hier 😉

Aus gebotenem Alass geben wir freudvoll bekannt, dass wir hinfort (jeweils dem Thema entsprechend und in unregelmäßigen Abständen, nichtsdestoweniger zutiefst überzeugt) einzelne Beiträge (Reportagen, Features, Glossen) aus der vortrefflichen Sendereihe Momente des Sports (vormals Radio Orange) hier in der Radiofabrik zu Gehör geben:

momente des sportsDie von Pirmin Styrnol und Christian Weiner gemeinsam mit den Kolleg_innen ihrer Redaktion produzierten Sendungen bieten unübliche Einblicke ins Innenleben von Sportbegeisterten und zeichnen subtile Sozialstudien aus deren Alltagswelt. Dabei halten sie eine sympathische Balance zwischen ehrlicher Anteilnahme und ironischem Augenzwinkern – und eröffnen so neue Räume zum Selbst-, Nach- und Weiterdenken.

Als Premiere spielen wir – im Programm zum Internationalen Frauentag am 8. März um 12:00 Uhr – das mit dem Radiopreis der Erwachsenenbildung ausgezeichnete Feature „Vollkontakt auf 40 Rollen – Die Mädels vom Vienna Rollerderby“ 😀  welches hier gleich mehrfach zum Thema passt – wie die – genau – Faust aufs Auge!

wargina_no_24In der Pressemappe des darin portraitierten Vereins Vienna Roller Derby finden sich halt auch so erfrischende Formulierungen wie etwa die hier:Roller Derby erfordert Beweglichkeit, Stärke, Schnelligkeit, Teamwork, Selbstdisziplin und natürlich eine Portion Mut. Mitmachen dürfen alle, die sich als Frau definieren und ein Mindestalter von 18 Jahren aufweisen. Für Anfängerinnen gibt es keine Anforderungen bezüglich der Körpermaße oder Fitness. Alle sind willkommen, ganz egal wie dünn, dick, klein oder groß sie sind.Oder – auch nicht übel: „Vienna Roller Derby hat eigene Cheerleader. Die „Fearleader“ sind eine Gruppe junger Männer, die mit ausgefeilter Akrobatik und einem kleinen Seitenhieb auf gängige Rollenklischees die Stimmung während der Wettkämpfe anheizen.“ Na, wenn das mal keine emanzipatorischen Statements vom Allerfeinsten sind – dann weiß ich auch nicht, was dem allgemeinen Stammtisch des hirnöden Sprachzerbrauchs unter „Emanzipation“ zu verstehen so gefickt eingeschädelt wird. Will ich aber ehrlich gesagt auch gar nicht wissen. Denn der Mainstream ist nicht mein Stream und Hierarsch ist sowieso überall, ob Patri- oder Idiot, Hauptsache oben, gell? Und wer sich bis jetzt noch immer nicht zusammenreimt, weshalb gerade wir diese Mädels und diese Sendung über sie so genial finden, derdiedas kann die Geschichte(n) dahinter auch nochmal in unserer Signation nachhören – und sich gern einen Schuh draus drehen. 😛 Also wehret dem Bimbam!Wir sind ein geiles Institut!

Apropos „Prügelnde Mädchen“ – Wie viel Niveau hat ihr profil?

 > Vorspann/Signation dazu gibts hier auf der CBA außerdem gut auf die Ohren!

 

Ein sozialer Forscher

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Februar – Zu Gast im Studio ist diesmal der Salzburger Sozialpsychologe und Forscher Heinz Schoibl, der uns anhand einiger von ihm durchgeführter Projekte seinen ganz speziellen Zugang zum Gegenstand des Zwischenmenschlichen vorstellt. Kann man etwas so Bewegliches wie Beziehungen zwischen Menschen überhaupt erforschen, dingfest machen, darstellen? Und wenn ja, wie sollte man das lieber nicht tun? Wir würden uns etwa dagegen verwehren, dass man unseren Umgang miteinander irgendwie wissenschaftlich zu quantifizieren versucht. Doch der Heinz scheint da einen etwas anderen Ansatz zu verfolgen, mit dem er Objektivität und Parteinahme im Gleichgewicht behält. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall wollen wir uns das doch einmal näher anschauen…

Heinz SchoiblUnd damit wir dabei auch mitreden können, haben wir zwei uns naheliegende Themenfelder zur genaueren Betrachtung ausgewählt. Einerseits die früheren Studien zu Jugendbeteiligung/Jugenddiskurs in Vorarlberg (Dornbirn und Hard). Und andererseits die 2013 durchgeführte Erhebung zur Situation der neuen Notreisenden in der Stadt Salzburg. (Die Texte stehen auf der Homepage von Helix OG Forschung und Beratung zur Verfügung). Bei all diesen Arbeiten fiel uns schon im Vorgespräch eine starke Schwerpunktsetzung auf die Stimmen der Betroffenen ins Auge – was uns auch als roter Faden durch diese Sendung dienen möge, ganz im Sinne von „Giving Voice to the Voiceless“ oder „to the Forgotten, the Neglected, the Outcast“, um es noch näher an die aktuelle Grundtvig-Lernpartnerschaft der Radiofabrik anzulehnen. Aus der Position derer heraus zu argumentieren, um die es bei einer Forschungsarbeit eigentlich geht, das stellt schon eine bemerkenswerte wissenschaftliche und erst recht politische Haltung dar. Zumal in einem Umfeld, in dem entweder lieb und brav sein wollend an den Betroffenen vorbei gekatzbuckelt oder erfolgsbesoffen karrieregeil über deren Bedürfnisse hinweg wissensgegschaftelt wird. O tempora, o mores – wir kennen diesen Zores. Doch um all dem einen mutmachenden Lichtblick am Ende des Salzburgtunnels entgegen zu fackeln, sind wir hier und heute zusammen gekommen. Und überhaupst – wir sind ein geiles Institut. 😀

 

Best Of Zeitzeuge

>  Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Februar – Die deutsche, nein, bayerische Band Zeitzeuge beeindruckt uns vor allem durch die lyrische Kraft ihrer Songtexte. Darum wählen wir diesmal für unsere Reihe Das ganze Album” gleich aus zwei CDs dieses wundervollen Musikprojekts aus – und zwar jene Lieder, die sich aufgrund ihrer besonderen sprachlichen Stimmungsbilder am besten in unser etwas anderes Hörwelttheater einfügen. Sowohl “Man singt, man weint, man schreit dafür” (2008) als auch “Bürgerkrieg im Herzland” (2011) tragen ja schon dafür programmatische Titel – also erfreuen wir uns (und euch an den Empfängnisgeräten) mit einer spontan-assoziativen Zusammenstellung von 9 Tracks aus diesen beiden denkwürdigen Werken. Des weiteren gibts noch den Sound von ihrem sehr inwendigen Video “Wie schwer es ist zu gehen”

Zeitzeuge Band LiveDass Songtexte auch ohne Musik, quasi trocken gelesen, funktionieren können, das zeigen wir anhand von zwei Beispielen, nämlich indem wir selbst “Gegen den Wind” und “Wenn der Löwe fällt” (auszugsweise) als Gedichte vortragen. Dabei zeigt sich eben die Intensität der offenbar auch hinter dem Zeitzeuge-Musikschaffen steckenden Aussagen und Auseinandersetzungen. Chapeau! Wir gratulieren, allerdings schon mit zwei weinenden Augen, zumal sich diese in ihren Botschaften so erfrischend eigensinnige Kapelle inzwischen auch aufgelöst hat. Bedauerlicherweise – wie etwa auch Rotz aus Salzburg oder Tagtraum aus Schweinfurt (sic!) – es betrifft immer wieder die Bands, die sich nicht dem geklonten Gleichklang der Industrie und ihrer Verwertstopfung anbiedern. Doch wie dem auch sei, Zeitzeuge erfreuen sich in ihrer Zuhörerschaft jedenfalls bleibender Bedeutung, vovon gerade auch die per Homepage angekündigte DVD ihres Abschiedskonzerts (2013) ein überaus lebendiges Zeugnis ablegt. Und wenn wir schon beim Zitatwortspiel sind, so wünschen wir uns und ihnen doch noch viele kraftvolle Lebenszeichen, denn, wie sie es selber so schön sagen: Du kannst nicht davonrennen. Du bist ein Zeuge deiner Zeit.” In diesem Sinne hier der in der Sendung gelesene Text Gegen den Wind”:

Du schweifst ab in die Ferne
und ich folg dir dahin
Ach, Kind was hab ich dich gerne
ruf nicht gegen den Wind

Ohooo
nicht mehr rot
spring aufs Boot
und auf Los
auf Los gehts los

Und ich spiel die Akkorde
hier im Westen nichts Neues
ein Lied von vielen
hörs dir an und bereu es

Doch es ist unser Weg
unsere neue Tür
unser kleines Etwas
man singt, man weint, man schreit dafür

Unser großes Schifflein
es ist nicht mehr weit
wir sind die Zeugen
unserer eigenen Zeit

Und wir fahren nicht geradeaus
nicht nach oben, nicht zurück
unser Ziel ist ein Gefühl
und ich nenn es nicht mal Glück

Sondern da wo man hin will
da wo man hin will, also da,
also was Ähnliches wie zuhaus
wie zuhaus

 

PS. Mein Einspruch bezüglich „BR2 Zündfunk Montagsdemo“ als Download 😉

 

Gepflegte Koinzidenz

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Februar – Ein sprachverliebt soundpoetischer Rundflug durch den Chaosmos unserer vielleicht doch nicht so zufälligen Begegnungen. Was berührt uns, was hinterlässt Spuren und stiftet uns zu Eigenem an – sowohl im künstlerischen als auch im zwischenmenschlichen Ausdruck? Welche Aufgaben stellen wir uns selbst, bewusst oder unbewusst, wenn wir ein Thema beackern, eine Textsammlung herstellen, eine Sendung vorbereiten? Und wie funktioniert das, inmitten einer Sprachwelt, die fast nur noch auf das funktionale Übermitteln von Anweisungen und deren Bestätigung ausgelegt ist? Was halten wir den Verschluckungen des alltäglichen Humpftraras entgegen – in unserem verletzbaren Wesen, unserer gefährdeten Kreativität, unserer bedrohten Feinheit?

Norbert K.HundBeim Entstehen dieser Sendung zum Beispiel kommt schon ein recht komplexes Geflecht aus Anstößen und Assoziationen zur Anwendung. Zuerst die Einigung zweier Personen auf das eigentliche Thema, in diesem Fall die „Gepflegte Koinzidenz“. Wie oft beschäftigt uns im Hinterstübchen oder im Keller des Bewusstseins eine bestimmte Überlegung, der wir jedoch, auch bei allem Drängen, noch keine genaue Gestalt zuordnen können. Und dann ruft der andere, der mit uns verbundene Mensch auf einmal an und erzählt von – Musik etwa – päng, schon hat unser Gefühl eine Form, unsere Idee einen Klang und unser Gedanke ein Gesicht. Zeitgleich, ohne von einander zu wissen, haben zwei Verschiedene an einem Gemeinsamen gearbeitet. Die momentane Erkenntnis dieses Vorgangs bewirkt sogleich eine weitere Stufe in der Gestaltung der eigenen Welt – und zwar für beide Beteiligten.

Gedenken SplitterDann die Namensgebung für die drei Stunden – „denkengrenzen, körpernwärmen, seelensplittern“ – sie symbolisiert unterschiedliche Anwendungen des einen roten Fadens, der wieder dem Leitthema innewohnt. In welchen Aspekten pflegen wir also unsere Koinzidenz, unsere Kongenialität, unsere Kooperation? Um uns nämlich durch sie zu schützen – und mit ihr bewaffnet dem allumverschlingenden Einheitsbrei der niedersprachlichen Funktionäre und ihrer ferngesteuerten Funktionswichtel entgegen zu treten. Denn Inseln zu stiften und zu bewahren für eine zweckfreie Sprachkunst diesseits der kommerziellen Gefälligkeit, das ist wohl bitterer nötig denn je, wo ringsumher eine erfolgsorientierte Beschleunigung sonder gleichen im Interesse gottähnlich bestaunter Großkopfzerne alles verspielt Schöpferische schon in den kleinsten Kindern auszumerzen trachtet.

Christopher SchmallUnd auch das Zustandekommen der Wortbeiträge und Musikstücke für ein immerhin dreistündiges Programm, das nicht festgeschriebene Wissensvermittlung sein will, sondern vielmehr Hörwelt, Kopftheater – und Überraschung, auch für uns! Wie viele eigene Entscheidungen und gegenseitige Einflüsse stecken hinter der Auswahl der vorzutragenden Textbeispiele. Und welch eine thematische Dichte erwächst aus dem dazu stimmigen Sound, wenn er spontan aus der jeweiligen Situation des Gesprächs heraus eingespielt wird. An diesem Punkt endet der Plan – und das Leben geschieht. Hören wir also SpokenWord von Georg Danzer, Franzobel, Ludwig Laher, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker – sowie Christopher Schmall, der seinen als Work in Progress entstandenen Gedichtband „seelen.splitter“ vorstellt. Lassen wir uns unsere Zeit nicht stehlen – denn nur allzu schnell sind wir sprachlos gemacht – und gehen schweigend unter!

Wir sind ein geiles Institut. Und wir haben Klang
😀
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Über Sport reden?

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. Februar – Lässt sich Sport überhaupt sprachlich kommunizieren – und wenn ja, wie lieber nicht? Wo eingeweihte Fachidiome allsendunglich durch die Berichterstatter wuchern, beginnt für den Außenbleibenden oft schon die wunderbare Welt des angewandten Kannitverstahns. Und einmal ganz ehrlich – wenn ich mich für diese Sportart oder jene Sportveranstaltung von vornherein schon nicht begeistern mag, was soll mir dann das unbegabt euphorische Gephrasel irgendeines Sportberichts? Ob es sich jedoch, jenseits von Langeweile oder Lärmerregung, nicht doch vielleicht auch anders anfühlen und anhören kann, wenn „in den Medien“ über Sportliches gesprochen wird, das wollen wir als drei Männer im Artarium diesmal untersuchen: ein Kulturkritiker, ein Passivsportler, ein Totalverweigerer.

Hört, hörtEine solche etwas andere Betrachtungsweise pflegt zum Beispiel die von Pirmin Styrnol und Christian Weiner für Radio Orange produzierte Sendereihe „Momente des Sports“. Auf deren erweiterter Homepage finden sich erfreulich hintergründige Features und Reportagen zu allerlei Sportthemen für den feineren Geist abseits des Interessenmainstreams der quotenorgelnden Zeitgeistsurfer. So unter anderem die heuer mit dem Radiopreis der Erwachsenenbildung ausgezeichnete Sendung „Vollkontakt auf 40 Rollen – Die Mädels vom Vienna Rollerderby“, aus welcher wir uns einen Zusammenschnitt zu Gemüte führen. Wie diese jungen Frauen (und ihre männlichen Cheerleader!) hier nämlich lustvoll mit Geschlechterklischees jonglieren und sich an Begrifflichkeiten wie Aggression und Feminismus abarbeiten, das verschafft auch dem gewachsenen Sportmuffel noch ein erfrischendes Sporterlebnis.

Der etwas andere TurnvereinDem Fußballmuffel hinwiederum erschließt sich beim Betrachten der löblichen WDR-Sportsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ eben genau diese. Denn der sprachverliebte Stadionsprecher (Werder) und Radiokommentator (Bremen-Vier) Arnd Zeigler schafft es scheinbar spielerisch, noch dem biersten Ernst deutscher Bundesliga einen dergestalten Wortwitz abzuringen, dass selbst dem Fernstehendsten dieses Fußballchinesisch noch zur zweiten Muttersprache wird. Wir gratulieren also dem Friedensstifter unter den sportdeutschen Kulturvermittlern aus Anlass seiner 250. Fernsehsendung – Zeigler gibts übrigens auch als Radiokolumne – und empfehlen ihn vorsorglich schon mal für den Literaturnobelpreis. Balleluja! Inwieweit uns diese Sendung gelingen wird, das wird sich in ihrer Stattfindung zeigen. Wir haben keinen Plan – doch wir werden ihn ausführen!

Und – wir sind ein geiler Turnverein! Diesesmal jedenfalls 😉

 

Nach dem Untergang

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. Januar – Sollen wir uns gleich in den Kopf schießen – oder doch erst etwas später? Am besten überhaupt nach dem Tod, sofern sich das terminlich noch ausgeht heutzutage. Es ist ja auch gar nicht so leicht, den Sinn für das eigene Weitertun zu entdecken, wenn man sich in der Weltpolitik umschaut und in der Nachbarschaft, wo sich diese Weltpolitik oft gerade am Widerlichsten zeigt. „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch…“, also sprach Theodor W. Adorno einst zu seinen Mitdeutschen, und legte mit „Alle Kultur nach Auschwitz ist Müll.“ pointiert und provokativ nach. Vor allem mit seiner „Todesfuge“ belehrte ihn der deutsch-jüdische Dichter Paul Celan über viele Jahre hinweg eines Lebendigeren. Zumindest solange, bis sein Davonkommen auch an der Unweigerlichkeit zerschellte.

Sticht Alles!Und in diesem Zwischen stehen auch wir und ringen, nicht selten ratlos, nach den richtigen Worten. Dabei begleiten uns zum Glück die Gedanken der selbst in ihrem Überleben so Gefährdeten wie schwimmende Rettungsinseln auf den entseelten Weltmeeren, wo ringsumher längst ganze Gesellschaften untergehen. Und wir danken es ihnen – meist atemlos, aber immer berauscht – und verzaubert! 🙂 „Wir müssen uns die vergewaltigten Begriffe zurück erobern.“ So in etwa formulierte es Konstantin Wecker schon in den 90ern. „Mit Geschichte umgehen bedeutet, sie zugleich anzunehmen wie auch abzulehnen, und aus dieser Ambivalenz heraus wieder etwas Eigenes, Neues auszusagen.“ So übersetzten wir ein Statement von Patti Smith, welches sie im Dokumentarfilm Dream Of Life vor nicht allzulanger Zeit dazu abgab. „Manchmal hält sich ein Wort, das in der Öffentlichkeit missbräuchlich verwendet wird, vor Schreck die Hand vor den Mund. Unsere Sprache hat sich womöglich von etwas blenden lassen, sich zu sehr in den Dienst nehmen lassen, und leidet wie die Menschen an Sinnentleerung, an Müdigkeit und Erschöpfung.“ Das konstatiert Maja Haderlap in ihrer Eröffnungsrede zum diesjährigen Radiopreis der Erwachsenenbildung, den übrigens unser lieber Kollege Matteo Coletta für seine „Stimmen aus den Schützengräben“ gewonnen hat 😉 Wir gratulieren also inmitten der sich aufdrängenden Lebensmüdigkeit recht absichtsvoll – und ganz herzlich! Zudem hören wir Auszüge der ziterten Rede sowie zu diesem Wahlsonntag griechische Musik.

„Ich hegte die Hoffnung, dass es Hoffnung gibt. Das hält einen Mann am Leben.“ (Sean Connery in „The Rock“)

 

Abendländische Hörgewohnheiten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. JanuarSymphonische Rockmusik als ein Experiment zwischen Musiktradition und Moderne. Die Mischung machts – oder die Collagenkompetenz, auch Verstörendes in Verbindung mit Vertrautem darzubieten. Und wir meinen mit „Symphonic Rock“ schon jene schöpferische Symbiose aus den verschiedensten Stilelementen, die seit Anfang der 70er Jahre durch Bands wie King Crimson, Genesis, Pink Floyd oder Yes etabliert ist – und nicht diese langweilenden Aufgüsse von x-beliebigen Rockhadern durch x-beliebige Symphonieorchester. Soweit erstmal zur nötigen Klarstellung 😉 Was uns interessiert, ist die im Umfeld des Progressive Rock (Art-, Classical-, Experimental- und Psychedelic Rock) stattfindende Kulturvermittlung von innovativen Ideen in einem gewohnheitsgeprägten Umfeld.

Abendländische HörgewohnheitenWenn wir uns nun den Ausschnitt einer Bruckner-Symphonie oder Wagners Walkürenritt aus dem Soundtrack von Apocalypse Now anhören – und gleich darauf einen Titel von Porcupine Tree oder von Yes, dann verstehen wir sofort, wie diese abendländische Prägung unseres Gehörs funktioniert. Und wie durch die subtile Balance von Wiedererkennbarem und bisher völlig Unerhörtem so etwas wie eine angenehme Bekannschaft mit dem Anderen, dem Fremden und Neuartigen entsteht. Dieser geniale Lernprozess findet auch weiterhin statt, solange sich die gewachsene Musiksprache unseres Kulturkreises in der Alltagsakustik eines erheblichen Teils der Bevölkerung widerspiegelt. Das trifft immer noch zu, wie etwa die Gestaltung vieler Filmmusiken zeigt. Oder der Umstand, dass die heute Erwachsenen stark von klassischen Konzerten und Radiosendungen geprägt sind. Wenn man sich allerdings die zukünftige Hörwelt aus dem ableitet, was heutigentags allzuland die Gewohnheiten bildet, dann wird man mit einem gscheiten Tinnitus noch vergleichsweise gut bedient sein…

Lasset uns eine Insel stifteneine Insel aus Schönheit und Vergnügeninmitten von Werbedreck, Sounddesign, Klingelschasund trullerndem Formatradio! 😀

 

Winterschlaftraum

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Januar – Während die Winterstürme uns umbrausen, tauchen wir tief in die Träume der Tiere ein, die sich längst in ihren behaglichen Schlafhöhlen verkrochen haben, um dort das Kommen des nächsten Frühlings zu erwarten. Siebenschläfer, Haselmaus und Bär, sie alle schlafen oder ruhen bei verminderter Körpertemperatur und eingeschränktem Stoffwechsel monatelang vor sich hin – doch was denken, erleben, fühlen – was träumen sie dabei? Auch wenn wir Menschentiere derlei Winterpausen nicht ohne weiteres zustandebringen, so ist es doch interessant, sich in die Innenwelten der schlummernden Kollegenschaft hinein zu versetzen – unter Zuhilfenahme von allerlei phantastischen Assoziationen. Ein weiterer Versuch zwischen den Zuständen aus Sprachen, Klängen, Gefühlen und…

Der letzte ÖtscherbärIch erinnere mich da noch an eine denkwürdige Begegnung mit einer Bärin nebst ihren zwei einjährigen Jungen im Herbst 1999 in der Nähe von Gusswerk.  Damals lebten rund ums Ötschergebiet noch mindestens zwölf Braunbären und die Prognose für den dauerhaften Bestand dieser kleinen Population war auch nicht ungünstig. Doch inzwischen haben etliche gesellschaftlich anerkannte Verbrecher die Ötscherbären ein zweites Mal vollständig ausgerottet. Der unter der immer brüchiger werdenden Fassadenfarbe der wohlanständigen Zivilisiertheit hervorgrinsende Ungeist vom Endsieg des Menschen über die Natur hat hier zwischen Naturdenkmälern und Wallfahrtswegen wieder seine ursprünglichste Gestalt angenommen – und zwar so, dass es noch einem jeden anständigen Perchtenlauf die Grausbirn ausm Gsicht haut. Pfui Herrgott, du scheinfrommes Scheißland voll heimtückischer Niedertrachtler!

GeschichtenerzähltigerDavon wird zu erzählen sein in unserem Hörmahnmal des untergehenden Lebens. „Giving Voice to Forgotten Memory“ – das ist ein dermaßen programmatischer Satz, dass man ihn überhaupt einmal auf die eigene Geschichte und ihre Geschichten anwenden sollte. Oder was möchte uns die Erinnerung an die sieben Siebenschläfer mitteilen? Hier, heute, inmitten des 21. Jahrhundertschwachsinns? Was denken die sich eigentlich, diese Viecher? Was erleben, was fühlen, was phantasieren die? Was träumen sie – während des Winterschlafs? Das kann man nicht sagen, sagst du. Das kann man doch weder messen noch beweisen. 😛 Genauso wie die gesamte Kunst, oder? Die bringt doch auch kein zählbares Ergebnis, außer wenn man sie verkauft. Ha! Oder die Gefühle der Kinder, die Geschichten der Alten, die Hoffnungen der Ausgelieferten, die Phantasien der Jugendlichen, die Tagträume der Beschäftigten, die Vorstellungen der Verschrobenen, unser aller Zukunftssehnsüchte? – Weißt was, auf dein Rationalsozialismus wird gschissen, du Wissensgschaftler! Wichs dein Weltbild auf Wikipedia und lass uns am Leben! Denn längst dräut die tödliche Dreiheit über allem: Beherrschen, bequatschen, besitzern.

SoundaushängigerPuh, abgründige Prophetien sind das dann schon – aus der Höhle der zweisam nachtwach winterruhig soundaushängigen Erzählbären vom Klangwolkenberg! 😀 Aber im Winter werd ich einfach schon seit langem depressiv. Wahrscheinlich würd ich deswegen wohl auch nur allzugern die lichtlose Jahreszeit verschlafen. Wie die Tiere! Wiewohl dies dem menschlichen Organismus nun einmal nicht möglich ist, so bleibt doch die faszinierende Frage, was da in so einem Zwischenzustand mit einem geschehn könnte. Und abermals volksmündlich, was da in einem abgehert, was es einem da so schiebert – und was für Vögel es einem dabei dann raushauert. You understand? So befleissigen wir uns diesmal zum Zweck unsrer Untensuchung nebst Sprachspielerein der hirnfreibeutelndem Wesensart auch einer recht stimmungsadäquaten Musikaliensammlung – und hoffen, dass beidesfalls die erwünschten luzidschlummerähnlichen Alphawellenphänomene bewirkt werden.

> Hinweis: Diese Sendung dient ebenfalls als Einstimmung auf die geniale Klangreise „A Book In My Hand“ von SoundDiary – gut zu hören als ganzes Album im Artarium 😉

 

SoundDiary – A Book In My Hand

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. Januar – Das komplette brandneue Album der Wiener Band SoundDiary – eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Abenteuerfahrt durch die Glücksgefühle und Gefährdungen des postmodernen Nomadentums auf der Suche nach der Seinsinsel zwischen Sinn und Zusammenhang. Meine Reaktion aufs erste Durchhören dieses akustischen Bewusstseins-Roadmovies erfand sich in folgenden Worten: „Ich kenne zur Zeit keine österreichische Band – Blank Manuskript einmal ausgenommen – die den nötigen Scheißdrauf hat, ein derart authentisches Progressive-Rock-Konzeptalbum herauszubringen, dem man zwar immer anhört, dass es 2014 produziert wurde, von dem man aber meinen möchte, seine Kompositionen stammten aus der Blütezeit von Genesis & Co.“ Allein das schon eine Empfehlung 😉

A Book In My HandDoch es verbirgt sich noch weit mehr hinter der gefälligen Oberfläche eines stimmigen Musikalbums, das auch durch gelungenes Crowd-Funding produziert und im Eigenverlag fairöffentlicht werden konnte:

Philosophische Fragestellungen zum Beispiel – und Reflexionen über das Verhältnis des Individuums zur Welt – in Gestalt einzelner Mitmenschen, gesellschaftlicher Gegebenheiten oder verinnerlichter Moralgebote, die Songtexte sprechen da für sich.

Where You Lead MeIch in Beziehung UND unabhängig – dieser rote Faden ist das Konzept des Albums und zugleich wohl auch programmatisch für die Interessen der Bandmitglieder. Nicht nur, was kommunikative Publikumsberührung in Verbindung mit größtmöglicher künstlerischer Freiheit anbelangt, sondern gewiss auch in persönlich erlebten Versuchen, neue Formen zu entwickeln fürs Zusammensein der Gegensätze – mit einander, in der Welt – und – zwischen sich selbst! Aufbrüche ins Ungewisse…

Obiedient To IIndifferenceEndlich wieder einmal, textlich wie musikalisch, ein Gesamtkunstwerk, dem man die emotionale Echtheit und das individuelle Engagement seiner Schöpfer_innen (!) abnehmen kann, möcht man lauthals aufjubeln. In Zeiten wie diesen, wo fast jede Neuerscheinung allzu affensichtlich aufs Arschloch des Marktes schielt, um sich sogleich in irgendeiner Pose zu verfieberzapferln zwecks ihres besseren Verkaufs. So erbrechenbar wie Fastfood, Fernsehen und jede andere Mainstream-Prostitution. 😛 Hallelujah! Oder so. Jedenfalls wissen wir jetzt wieder, warum wir ein Konzeptalbum wie dieses hier lieben. Weil es uns auf eine handwerklich gut zubereitete Zauberreise mitnimmt – durch die wechselvollen Zustände und Zwischenwelten unseres Daseins. Weil wir uns in ihm wiederspiegeln, in unserem Kampf um die eigene Sinnstiftung, inmitten von Größenwahn, Niedertracht und Volksverhumpfung. Eben weil es etwas zu sagen hat – und das auch tut. Eine Message (jawohl), die Fragen und Antworten im Zwiegespräch mit sich selber belässt – und die einen so auch zum Selbstdenken der eigenen Welt anregt. Was ließe sich über ein Kunstwerk wohl Schöneres sagen? Lehnen wir uns also zurück in unsere Leben und genießen wir diese Erfahrung:

What counts and what matters can neither be said nor written, composed, performed or played.“

 > Hinweis: Einen Vorgeschmack auf dieses Kunnstwerk (nebst allerlei musikalischen Assoziationen) gibt es in unserer illustren Nachtfahrt-Sendung „Winterschlaftraum“ 😉