Au Lapin Agile

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. Dezember – Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Oder das flinke Kaninchen (Le Lapin Agile) springt feuchtfröhlich aus derselben. Natürlich mit einer Flasche Rotwein versehen, denn das gleichnamige Bild prangt ja auch ausdrücklich an der Hauswand des ältesten Cabarets (Kabaretts?) von Paris. Im “Au Lapin Agile” tragen schon seit dem 19. Jahrhundert Kleinkünstler ihre eigenen Lieder und Texte vor, und zwar “in einem familiären Rahmen”, wie es sogar bei Wikipedia heißt. Zitiert wird, was passt. Legal? Illegal? Weihnochtsbam, Oida. Wir jedenfalls begreifen das Motto des illustren Etablissements (welches “Poémes et Chansons” heißt) als Anregung – und zelebrieren somit unser eigenes Programm der vorweihnachtlichen Verdichtung “in einem radiofamiliären Rahmen”. Amen.

Au Lapin AgileZur geschmacklichen Abrundung dieses mehrgängigen Menüs begrüßen wir unseren Kollegen Janos Lasselsberger, inzwischen selbst Sendungsmacher bei Radio Helsinki sowie ehemaliger Teilnehmer am legendären Kreativen Schreiben der Salzburger Autorin und Pädagogin Gerlinde Weinmüller. Welch hochkomplexes Assoziativgebräu! Zudem erfahren wir, dass die vom Janos erfundene Sendung 1h demnächst von einem weiteren Wegbegleiter früherer Jahre übernommen werden soll, nämlich von Jakob Weinhäupl. Die zwei haben bereits an den Anfängen der Nachtfahrt-Perlentaucher-Reihe mitgewirkt und sind dortselbst zuletzt 2012 aufgetreten, Janos beim “Christgsindlmarkt” und Jakob beim “Straight Strange Special”. Je also, desto Freude. Umso sehr! Was das jetzt wiederum alles mit dem Karnickel zu tun haben könnte, das da der Pfanne seiner eigenen Verbratenwerdung entfleucht, das entnehmt bitte dem Evangelium des Weihnachtshasen sowie der von Janosch (nicht verwandt) erzählten Geschichte “Der Hase Baldrian”. Wenn euch dann immer noch kein Licht aufgeht, dann kommts doch mit Sternderlspuckern im Popsch auf die Welt oder scheißts euch einen Christbaum. Arsch oder Apotheke, wie dem auch sei. Ich hab mich immerhin sehr gefreut, im Landkrimi mit Josef Hader (beim “tiafen” Seewirt) einen bewaffneten Hasen zu entdecken. Die Umkehrung der Verhältnisse! So hab ich denn auch “Au Lapin Agile” sehr frei übersetzt: “Zum hupferten Hasen”

 

Diese schamanische Reise

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. November – Dass die Auszeichnung der Radiofabrik heuer zum ersten Mal nicht als Schorsch, sondern als Georgina (also in weiblicher Gestalt) vergeben wurde, das hat viel mit Teresa Lugstein zu tun, der allzu zu früh verstorbenen Mädchenbeauftragten des Landes Salzburg und langjährigen Sendungsmacherin von Teresas Frauenzimmer. Als in der Programmkommission beraten wurde, ihr diesen Radiopreis als Anerkennung ihres medialen Lebenswerks posthum zuzusprechen, da fiel mir sogleich der Chumbawamba-Song “Georgina” ein. Die Parallelen zwischen Teresas Engagement und den Inhalten der britischen Band sind unüberhörbar, etwa bei Gleichberechtigung, Empowerment und Emanzipation. Und dann gibt es noch diese schamanische Reise, über deren Bericht ich stolperte:

Georgina und die schamanische ReiseEs sorgte damals schon für einiges an Aufsehen, dass die als unheilbar krank geltende Frau, die seit Jahren auf einen Rollstuhl angwiesen war, mit einem Mal wieder selbst gehen konnte. Wesentlich für diese, von ihr als “Wunder” erlebte Entwicklung, war eine schamanische Reise, auf die sie sich mit der Fragestellung “Wie kann ich ein stimmiges Leben führen?” begeben hatte. Über diese Form der “Heilung” berichten ein ORF III Beitrag von Bernhard Hain sowie ihre eigene Erfahrungsbeschreibung auf der Homepage der Foundation for Shamanic Studies in Europe. Diese, auf den Prinzipien des “Core-Schamanismus” nach Dr. Michael Harner aufbauende Praxis andersweltlicher Kommunikation unterscheidet sich für uns von den vielerlei eher obskuren Angeboten ähnlicher Namensprägung. Doch wo ziehen wir die Grenze zwischen seriöser Spiritualität und bloßer Gschaftlhuberei? Nach welchen Kriterien beurteilt die Programmkommission Sendungen zwischen persönlichem Empfehlen und kommerzieller Werberei? Wo endet der Bericht vom Interessanten jenseits des Üblichen und wo beginnt der Jahrmarkt der Eitelkeiten, die Abhängigkeit vom Esoterischen – oder das Kasperltum der Missionierung?

Als Beispiel dafür, wie angenehm unaufgeregt Teresa Lugstein eine schamanisch Praktizierende präsentiert hat, sei hier die Folge “Schamanismus als Herzensweg” aus Teresas Frauenzimmer empfohlen. So kann das gehen

 

Herbstzeitlotterie

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Oktober – Nun haben also auch wir einen Radioschorsch erhalten, und zwar für unseren Jingle mit dem Gunkl (zur Frage: “Was soll das?”), noch dazu hochanständig per Onlinevoting. Ein ganz ehrenwerter Weg zu einem Publikumspreis, fragt doch mal die Stefanie Sargnagel. “Die Bundes-SPÖ würde bei einem Wahlergebnis von annähernd 40% wohl ziemlich lang nicht wieder aus ihrem Glücksrausch auftauchen“, freut sich die Perlentaucher-Redaktion. Denn seit immerhin fast 8 Jahren verwursten Christopher Schmall und Norbert K.Hund “ringsum angespültes Treibgut der Kulturgeschichte” kongenial zu stets unterhaltsamen “Denkanstößen, Gefühlsräumen und Stimmungsbildern”. Im Sumpf von Salzburg – die etwas andere Collage aus Musik, Text und Themen

Herbstzeitlotterie 1Also feiern wir eine “lange Nacht der Preisträger_innen”, umgeben von Elfriede Jelinek, Bob Dylan, oder Thomas Bernhard… Warum heißt es dann Herbstzeitlotterie? Das ist wohl eine etwas längere Geschichte, abgesehen davon handelt es sich aber um ein recht passables Wortspiel, also in sich selbst sozusagen. Demokratische Prozesse und Zufallsereignisse, das wäre ein paar Betrachtungen wert, in diesen Zeiten der Zeitumstellung sowie ihrer geplanten Abschaffenwollung aufgrund einer merkwürdigen europäischen Online-Befragung, an der ungefähr 0,9% der Gesamtbevölkerung teilgenommen hat. Sommerzeitlotterie, Winterzeitlotterie, kauft Herbstzeitlose für die kommende Herbstzeitlotterie, im Gackpot befinden sich bereits XYZ Millionen – oder wie ich längst zu sagen pflege: “Je Geld desto Oasch” Womit sich der Kreis zwar nicht schließt, allerdings eine Andeutung gemacht wäre.

Herbstzeitlotterie 2Was die Radiofabrik als Freies Medium auszeichnet, ist dagegen das völlige Nichvorhandensein von kommerziellen Interessen – und dem ganzen damit einhergehenden Lobbyistengsindel. “Journalism is publishing what someone else does not want published. Everything else is public relations.” (Nach George Orwell zitiert). Seit über 20 Jahren bewahrt sich der Sender mit dem Schorsch unsere Unabhängigkeit von allen wirtschaftlichen und weltanschaulichen Sachzwänger_innen. Und das ist gut so. Zwanzig Jahre sind noch lange nicht genug. Wir gratulieren, jetzt erst recht! Bei all den hochfliegenden Plänen für die nähere Zukunft – Stichwort Lehrredaktion – soll dieses Zitat von Pippi Langstrumpf immer mit dabei sein: “Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.” Ein weises Wort, das zudem auch ausgezeichnet zur Gestalt der heurigen Auszeichnung passt.

Herbstzeitlotterie 3Weshalb es bei uns diesmal eher beschwingt als besinnlich zugeht. Wobei, ZeiT. von Wortfront kann ja durchaus als nachdenkenmachend angesehen werden: Gewinnen oder verlierenHerbstzeitlotterie halt. Die Uhrzeit ist ohnehin ein soziales Konstruktnur die Jahreszeiten sind (noch) nicht menschgemacht. Stellen wir die Uhren halt wieder um eine Stunde vor (oder doch zurück), bevor uns alle die Hysterie einholt. Im Zweifel mit dem Gunkl: “Es muss die Möglichkeit bestehen. Eine Gesellschaft ist dann stark, wenn sie sich etwas leisten kann. Eine Gesellschaft, die sich Querdenker oder lautradikal Nichtdenker nicht leisten kann – also, wenn man das nicht abfedern kann, dann ist das ein Armutszeugnis für die Gesellschaft. Davon abgesehen passiert in diesen Freien Radios auch etwas, was ich sehr schätze, nämlich: Das machen Menschen, weil die das machen wollen.”

Abfedern – da ist der springende Punkt.

 

Eine Sendung zum Beispiel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 30. SeptemberUnerhört! Die Jubiläen fliegen einem nur so um die Ohren. Und erst die Zukünfte. Es darf sich wieder besonnen werden: Die Radiofabrik feiert am 5. Oktober ihr 20-jähriges Bestehen. Wenn das mal kein Grund für einen Anlass ist! Doch der Sender unseres Vertrauens will mehr als einfach nur da sein: Im Rahmen der neuen Lehrredaktion soll eine Infosendung namens „unerhört!“ entwickelt werden. Und wie wir aus gut unterrichteten Kreisen (so nennt man das, glaub ich) erfahren haben, werden die Teilnehmer_innen dieses Projekts auch bestehende Sendungen aufsuchen, um Eindrücke und Erfahrungen zu gewinnen. Da trifft es sich doch famos, dass die Perlentaucher-Nachtfahrt-Reihe gerade 10 Jahre alt geworden ist. Dazu gestalten wir eine Sendung – zum Beispiel.

Zum Beispiel unerhörtInhaltlich versammeln wir diesmal ein “Best of Perlen” aus unseren oft aufwändigen Tauchgängen in die Untiefen des angeschlammten Kulturguts: Etwa Audiocollagen aus Wort, Musik und Atmosphäre, Livelesungen eigener sowie auch angeeigneter Texte, Musikstücke, die uns persönlich berührt haben, zudem selbstredend spontanes Gespräch, kurzum, einen Rundflug durch das, was wir unter “Perlentauchen” verstehen. Unsere an jedem zweiten Freitag im Monat erlebbare “Musikliterarische Gefühlsweltreise mit tiefgründigen Themen” (so der Untertitel) stellt sich derzeit auch beim Radioschorsch-Jingle-Contest vor (da könnt ihr noch bis 1. Oktober mitwählen), vertiefende Informationen dazu nebst den Transkripten sämtlicher Textbeiträge findet ihr zum Beispiel in diesem Artikel mit dem Titel “Der Sender mit dem Schorsch”. Naturgemäß dreht sich bei dieser Werkschau vieles ums Zitat oder besser gesagt, ums Zitieren, ohne dem Publikum dabei allzusehr auf die Nerven zu gehen. Besserwisser, Klugscheißer und professorale Rechthaber sind ja allgemein eher unbeliebt – und das wollen wir auch wieder nicht sein. Wie hieß es noch bei den Nazis? “Es zitieren die morschen Knochen.” Na dann, nein danke!

Vor allem gehts doch darum, WAS man auswählt – und IN WELCHEN KONTEXT man es wiederum stellt. Das ist zum Beispiel die inhaltliche Seite von Medienkompetenz.

Was sagst du?

 

Dichtkunst oder Humor?

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. September – Neulich suchte ich in meinem Computer nach alten Tonaufnahmen von Max Goldt – und wähnte diese im Ordner namens Humor. Dort waren sie aber nicht, stattdessen fand ich sie in einem anderen Ordner namens Dichtkunst. Ich glaube zwar nicht, dass dieser Umstand Endgültiges über die Zuordnung von Max Goldts Werken aussagt, aber ein Körnchen Wahrheit wohnt ja in jedem noch so blinden Huhn. So heißt Max Goldt ursprünglich Matthias Ernst und nicht etwa Franz Lustig, was schon mal ein dezenter Hinweis sein könnte. Ganz und gar erschüttert war ich dann allerdings über seinen fast seriösen Auftritt in “Druckfrisch”. Was haben wir uns früher nicht zerpeckt über herrliche Wortgetüme wie Spinnenabdomensalat, Seepockensperma oder Leihmumienanalsex!

Max Goldt - Dichtkunst UND HumorSelbige finden auch in einer sehr frühen Artarium-Ausgabe statt, in der unser Anstifter Peter.W. 2007 ein paar dadaeske Lesungen von Max Goldt mit Liedern von Funny van Dannen zu einer Art kleiner Hirnfeuerschau montiert hat. Und nun, gut 11 Jahre später, wollen wir dem knallbumsen Frühwerk des einstigen Songschreibers sowie Titanic-Kolumnisten auf ähnliche Weise, jedoch speziell unter dem Aspekt der Dichtkunst, unsere Resonanz erweisen. Dazu schneiden wir Songs seiner legendären Band “Foyer des Arts” ins Programm, vor allem aus dem Album “Ein Kuss in der Irrtumstaverne” von 1988. Dort finden sich Sprachperlen wie zum Beispiel: “Der Islam nervt und meine Hose ist zu eng.” Oder aber: “Zwei Leute heiraten. Die Frau riecht nach Niveacreme und der Mann findet das toll.” Das sind zugegeben nicht die Refraintexte, die damals in Mädchentoiletten gekritzelt wurden und von denen Bettina Dunkel in ihrem persönlichen Statement berichtet. Aber auf jeden Fall Indizien dafür, dass sich im poetischen Gesamtwerk von Max Goldt die Kategorien Humor UND Dichtkunst ganz vortrefflich verbinden.

Und Bettina Dunkel stellt fest: “Nachfolger hat die Band ohne Vorbild nie gefunden. Für mich allerdings wurde sie zum Vorbild in Sachen Selbstständigkeit. Max Goldt, der später als Schriftsteller die Kunst des Abschweifens perfektionierte, ist seitdem mein Zöllner an der Grenze zum guten Geschmack. Und wird es auch immer bleiben.”

 

Der Sender mit dem Schorsch

Ein Schorsch mit Ohren – seit zwanzig Johren. Was soll das? In der Radiofabrik unseres Vertrauens werden Wahlen noch mit Geschmack gewonnen – und deshalb können ALLEganz nach Gehör – den ihrer Ansicht nach “besten” Jingle wählen, und zwar hier: Anhörung und Online-Abstimmung, ein Demokratie-Hörtheater für Anfänger und Insider. (Jeder nur ein Kreuz) Woselbst auch wir, die Perlentaucher, gleich mit 4 Beiträgen quasi gegen uns selbst antreten. Genug kann nie genügen, auch nach 20 Jahren nicht, das erkannte Konstantin Wecker ja schon vor vielen… Und so tauchen wir tief in unser Archiv, um der Fragestellung “Was soll das?” ein paar Perlen beizufügen, die sowohl unser Selbstverständnis als Sendungsmacher als auch die Wesensart der Radiofabrik darstellen. Die Ursuppe, eine Anstiftung:

Der mit dem Schorsch tanztDas Sinnbild oder die Grundidee des Perlentauchens ist ungemein zeitgemäß: Durch immer mehr und immer noch zäheren Schlaaz zu tauchen, um einzelne Perlen des Besonderen und somit subjektiv Wertvollen hervor zu stöbern, auf dass wir sie in diesem öffentlichen Raum Radio mit anderen kreativen Individualist_innen teilen können. Und passt auch wie der Topfdeckel aufs Freie Radio, einem der letzten öffentlichen Räume, der noch nicht von kommerziellen und/oder machtpolitischen Interessen verseucht ist. In dem genau jener Erfolgs- und Anpassungsdruck nicht herrscht, der sonst ja schon die meisten Lebensträume molochgleich verschlungen hat. Jener zutiefst soziopathische Wachstumswahn, der schöpferisches Arbeiten unmöglich macht und seelische Ausgeglichenheit zerstört. Diese Zerdepperung des Menschlichen durch Populismus, Krone und Fernsehblah. Jede Menge dicht verdichteter Schlamm also, Unflat und Gatsch, aus dem solche Kostbarkeiten wie etwa Eigenartiges oder Wesentliches hervorzusuchen immer anstrengender wird. Jedoch ein von unbeugsamen Sender_innen bevölkertes Radio hört nicht auf, all den Dringlingen Widerspruch zu leisten. Hier die Zutaten zu unserem Zaubertrank:

Schorsch 1: Was soll das feat. Norbert K.Hund (Kunstbiotop-Jingle) via CBA

Moderatorin: “Über die Alternativen einer lebendigen Salzburger Kultur machen sich nur die wenigsten Gedanken…”

Norbert K. Hund: “Und das, was wir unter Kultur verstehen würden, ist, dass Menschen etwas machen, das vergleichbar wäre mit einem Biotop. Das vergleichbar wäre mit einem kleinen Tümpel, einem Schlammloch, da stehen drei Bäume, da ist ein hohes Gras – und irgendwann einmal zwischen Nachmittag und Abend kommen dort zwei Verliebte vorbei oder ein Dichterling oder sonst irgendjemand, einfach Menschen. Und die genießen das, denen sagt das was. Und das ist in keiner Statistik festzuhalten, das kann man in keinem Subventionsansuchen rechtfertigen, und das kann man in keiner Weise systematisch dingfest machen.”

Schorsch 2: Was soll das feat. Thomas Oberender (Oberender-Jingle) via CBA

Interviewer: “Leidet der Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele an so etwas wie einem Salzburg-Syndrom?”

Thomas Oberender: “Alsozusagen, wenn sie über die Identifikation oder Identifizierung – des Aggressors sprechen, der sind wir. Ab da tuts weh, ja. Dass sie sich selber sozusagen auch als Täter erleben. Das ist die Urerfahrung des Dramas oder der Tragödie, die da eben lautet: Wir sind sterblich – und Leben heißt schuldig werden. Immer. Für jeden einzelnen von uns. Und dafür ein Auge zu öffnen und sich mit dieser Erfahrung zu konfrontieren – das ist das Privileg, aber auch die Aufgabe von Kunst.”

Schorsch 3: Was soll das feat. Perlentaucher (Perlentaucher-Jingle) via CBA

Christopher Schmall: “Vor allem, wenn man jetzt Romane schreibt und da wirklich sehr viele Personen irgendwie in sich hat, und über die Bescheid weiß und ihr ganzes Leben teilt – die lassen einen auch nicht los. Deswegen hat die Joanne K. Rowling, die ja Harry Potter geschrieben hat, jetzt wieder neue Bücher geschrieben, weil sie einfach nicht aus dieser Welt raus kann. Sie hat diese Welt für sich erschaffen und ist einfach so in dieser Welt drinnen…”

Norbert K.Hund: “Ah, du meinst, würde sie jetzt zuhause sitzen und mit diesen ganzen Charaktären schwätzen, dann würd man sie bald einmal holen…”

Christopher Schmall: “Ja, aber nachdem sie das in Büchern verpackt…”

Norbert K.Hund: “Genau. Um das zu vermeiden, schreibt sie immer weiter…”

Christopher Schmall: “Ja, voll. Also, ich glaub schon, dass Kunst einen vor psyschischen Krankheiten auch retten kann.”

Schorsch 4: Was soll das feat. Günther Paal aka Gunkl (Gunkl-Jingle) via CBA

Günther Paal (Gunkl): “Es muss die Möglichkeit bestehen. Eine Gesellschaft ist dann stark, wenn sie sich etwas leisten kann. Eine Gesellschaft, die sich Querdenker oder lautradikal Nichtdenker nicht leisten kann – also, wenn man das nicht abfedern kann, dann ist das ein Armutszeugnis für die Gesellschaft. Davon abgesehen passiert in diesen Freien Radios auch etwas, was ich sehr schätze, nämlich: Das machen Menschen, weil die das machen wollen.”

…………

Nicht zuletzt und nicht umsonst endet jedes der hier transkribierten Statements mit dem selben Dialog: “Die Radiofabrik – was soll das? – Freies Radio für Salzburg!” Ebenso absichtsvoll heißt der Titel des zitierten Musikstücks “Nothing else matters!” Und jetzt nehmt euer demokratisches Wahlrecht (oder wie das Ding heißt) endlich in den Mund – und gebt uns eure Stimme! Wir machen höchstens einen Jingle draus…

 

Das Hazerl kommt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. August – Sie wurde schon früh wegen ihres Namens “gehazelt”, sagt die 24-jährige Sprachspielerin aus der Schweiz. Auch ihr erstes abendfüllendes Solo- Programm “Hazel Brugger passiert” ist voller detailreich wortverliebter Assoziationen aus dem Ab- und Untergrund allzu menschlichen Seins. Selbst Sigmund Freud hätte dabei seine solche, wenn er nur noch erleben könnt, wie sie souverän von der Bühne herab die Psyche der Pandora auseinander nimmt. Auch in Salzburg passiert so ein “Happening of herself” (am 24. November im Republic), welches Hazels Homepage allerdings bereits jetzt als ausverkauft anpreist. Erfolg hat halt verschiedene Nebenwirkungen. Doch unser Wortspiel mit ihrem Vornamen meint eh mehr jenes Böhse Hazerl, das wir selbst gern sind, ob allein oder zu zweit.

Hazerl Brugger by Ornella CacaceWobei, die Verniedlichung hat hier durchaus eine reale Entsprechung in der Kunstperson. Denn eine der von ihr dargebotenen Facetten ist eben das “liebe, arme, herzige Hascherl” als Gegenpol zur brutalen Direktheit, mit der sie uns die Tatsachen unserer Existenz ins Gemüt prügelt. Und das ist beileibe nur ein Aspekt von vielen – dieses Hazerl verkörpert eine Polyvalenz, die so vielschichtig ist, dass sich öfter sogar das Leben selbst anstrengen muss. Genau deswegen stellen wir euch diese junge Künstlerin auch vor: Wir sind nämlich davon überzeugt, dass Hazel Brugger nicht nur ein Gewinn für die niveauvolle Unterhaltung an sich ist, sondern jedem kreativen Gehirn so einiges an Inspiration fürs Eigene bietet. Eine verbaleruptive Sprachmassage, die sogar Hirnregionen stimuliert, von deren Möglichkeiten man bislang keine Ahnung hatte. Um hier einen Großmeister des Kopftheaters zu bemühen: “Kruzitürken, i woa noch nie in meim eigenen Hirn!” Josef Hader – Privat. Was die sich Ereignende wohl dazu sagen würde? “Kulturveranstaltungen gibt es nur, weil wir uns zwei Stunden lang davon ablenken wollen, dass wir sterben. Und das machen sie gerade hier…” Touché.

Wir wünschen (und haben) viel Vergnügen!

 

Vom Ende des Zuhörens

> Sendung: Artarium am Sonntag, 29. Juli – Wenn das Ende des Zuhörens gekommen sein wird, erübrigt sich auch die Radiomacherei. 20 Jahre sind genug. Oder war da noch was? Justin Sullivan, unter anderem Sänger von New Model Army, schreibt in einem Nachruf auf den Radiopionier John Peel, wie dieser ihm einst “die Idee des Underground nahebrachte, wo seltsame Menschen erstaunliche Aufnahmen aus rein künstlerischer Motivation herstellten”. John Peel vertrat Zeit seines Lebens Ansichten, “die dem Zeitgeist fundamental entgegen strebten”, so etwa, “dass Musik einfach nur Musik ist, und dass jedweder Celebrity-Kult dafür vollkommen bedeutungslos ist, wie übrigens auch für alles andere”. Der Mann hat die Entwicklung der Medien- und Musikkultur immerhin schon seit den Sixties aktiv mitgestaltet…

Vom Ende des ZuhörensWas soll das allerdings heute, wo die einheimische Piratenszene vor gut 20 Jahren ein legal lizenziertes, kommerzfreies Gemeinwesenradio erstritten hat? Was machen wir hier in postmodernen Zeiten, in denen “das dialogische Prinzip” ja kaum noch von Mensch zu Mensch seine Gültigkeit hat? Wo stattdessen der von Pier Paolo Pasolini prophetisch vorhergesehene Konsumismus um sich greift und alles Individuelle zur massenblöden Mitmacherei niedertrumpelt? Wo es nicht mehr darum geht, dass man bekommt, was man braucht, sondern einem nur noch irgendein Event angedreht wird, der den Eindruck vermittelt, man sei irgendwie “Part of the Game”. Verdummt in alle Ewigkeit! Heilsverbrechen, wohin man schaut. Die Menschheit besteht aber nicht nur aus dem, was sich normieren und social engineeren lässt, sie ist so vielfältig wie das Leben selbst. Der Massengeschmack des Mehrheitsmainstream schädigt nicht bloß den Umgang der Menschen miteinander, er korrumpiert zudem das Selbstwertgefühl jedes Einzelnem, indem er uns alle kommerziell zweckwidmet und in die Nutzbarkeit der Gewinnstreber quetscht. Auweh! Viele Jäger waren schon immer des Hasen Tod. Umso wichtiger sind daher heute Überlebens-Soziotope wie etwa das “Freie Radio”.

Oder der erwähnte “Underground”, wo Menschen einfach etwas machen, weil sie es gut finden, und nicht, weil damit massenkompatibel Gewinn erzielt werden kann. Das Freie Underground Radio, wie wir es verstehen, ist eine Schutzzone zur Erhaltung der Artenvielfalt von Kunst und Kultur. Ein kommerziell nutzfrei gestelltes Gebiet, in dem sich der zwischenmenschliche Ausdruck wieder ungehindert entfalten kann. Feiern wir daher den Fortbestand des Zuhörens mit diesem Zitat von John Peel: “…dass das Radio ein viel mächtigeres Medium als das Fernsehen ist (und auch immer sein wird), weil es die Phantasie des Publikums erblühen (im Sinn von gedeihen) lässt.”

 

Dunkelbunt Sommertag

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Juli – Seit ich zum ersten Mal von ihm erfahren habe, fasziniert mich der Name eines bestimmten österreichischen Künstlers, und zwar Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser. Vor allem das Wort Dunkelbunt schillert in allen unmöglichen Farben und stiftet so schon ganz von allein unsere Phantasie zum Selbstschaffen an. Dazu gibts noch allerlei Geschichten und Gerüchte, rund um des Meisters Verhältnis zum Abfall an sichhier etwa eine sehr schöne Darstellung seines Manifests “Scheißkultur – die heilige Scheiße”. Das mit der Künstlerkacke “Merda d’artista”, die letzten Endes mehr Wert besitzen sollte als Gold, das war allerdings der italienische Konzeptkünstler Piero Manzoni. Dazu soll ihn sein Vater inspiriert haben, indem er ihm einst vorhielt: “Deine Arbeit ist Scheiße!”

Dunkelbunt SommertagKommen wir nun zum zweiten Begriff in unserem Sendungstitel, dem Sommertag. Der assoziiert ja seit Erfindung der Sommerferien alles Vorstellbare rund um Freibad, Freiheit und Freizügigkeit. Oder lieber Freibier? Was auch immer… Dennoch wohnt dem Sommersein oft nicht nur Schönes und Helles inne, sondern auch Abgründiges. Dann wirds dunkelbunt. Gisbert zu Knyphausen drückt dies in seinem Lied “Sommertag” zum Beispiel ganz vortrefflich aus. Oder aber Volker Strübing, der seinen alten Slamtext “Sommer ist Scheiße” für Kloß & Spinne (feat. Norbert) wieder aufbereitet hat. Ob ironisch überdreht oder dezent angedeutet: Jede Extase trägt immer auch den Absturz in sich, so wie das Bittere auch immer mit dem Süßen vermengt ist. Plattitüdeldüü. Doch was hat das alles mit der Sommersendung” zum kommenden Sonntag zu tun? Schuld ist vor allem wieder einmal der Wetterbericht, der für diesen Stimmungshöhepunkt des Sommergenießens gröbliche Kälte sowie Regen vorhersagt. Wo wir doch eh schon aus dem provisorischen Rumpelkarma der Radiofabrik senden – und zudem an einem erheblichen thematischen Sommerloch laborieren. Was also anfangen mit solch ambivalentem Seinszustand im Zwischen?

Aus der Not eine Tuchent machen (oder wie das heißt) und den Pros and Cons der wortwörtlichen Sommerfrische auf den Grund spüren! Natursache, eine Andeutung. Dunkelbunt, urgemäß.

 

Die Nachtfahrt des Grauens

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. JuliDie Gestalten des Grauens können vielfältige sein. Und auch das Wort selbst bringt auch einiges an Bedeutungen mit sich, vom Grauen des Colonel Kurtz in Apocalypse Now bis zum Morgengrauen nach einer durchtauchten Nacht. Wobei sämtliche Wortbildungen mit Grau (Shades of Grey) wie hier in “Morgengrauen” von einer Wurzel stammen, die “glänzen, leuchten, strahlen” bedeutet, das Grauen im Sinn von sich fürchten wiederum von einer anderen, die zunächst so etwas wie “zerreiben und zerstoßen” vermitteltt, die dabei aber auch Kummer oder Traurigkeit mit anspricht. Grauenhaft. Eine zutiefst depressive Obdeulung. Ich bin schon ganz zerbrieselt davon. Warum ergötzen sich jedoch so viele Menschen an den Darstellungen des Grauens?

Die Nachtfahrt des GrauensAls Kinder liebten wir die Krypta der Herrnauer Kirche mitsamt den dort dargestellten Kreuzwegszenen und gingen uns nach der Schule gern darin gruseln – bis uns der Pfarrer Tomaschek ob solch pietätloser Zweckentfremdung theaterreif hinauswarf. Allerdings denke ich heute, dass wir damals durchaus etwas vom Wesen der kirchlichen “Horror-Stories” erspürt haben – und auf unsere kindliche Art eine Aussage dazu darboten. Auch wenn diese danach im allgemeinen Regelwerk des “Gehörtsichnicht” unwahrgenommen verglomm. Ein langjähriger Freund erzählte mir von einem anderen Erlebnis aus seiner Kindheit, als er nämlich in der Parscher Kirche den Jesus vom Kreuz herunter nehmen wollte, weil der ihm leid tat, so angenagelt, wie er da hing. Der dortige Pfarrer, der ihn dabei antraf, befragte ihn eingehend nach seinen Beweggründen und unterhielt sich dann länger mit ihm über diese Darstellung des Gekreuzigten. Es ist doch immer wieder ein seltsames christliches Abendland.

Der Notausstieg des GrauensHier wird der freie Wille freundlich umgebogen. Und bist du unwillig, so brauch ich Gewalt. “Heinrich! Mir graut’s vor dir.” – Goethes Gretchen nimmt das Wesentliche dieses teuflischen Pakts um die totale Machtausübung emotional wahr – und beschreibt ihr Gefühl zutreffend – mit Grausen. Wem würde bei der Begegnung mit dem Faustischen (dem rücksichtslosen Streben nach Macht und Kontrolle, nach Beherrschung von allem und jedem, das buchstäblich über Leichen geht) nicht im wahrsten Sinne die Grausbirn aufsteigen? Und was erzählt uns die Kirche? Eine Geschichte der Befreiung – oder eine Zurechtschreckung zur Unterwerfung unter die jeweilige Macht, Gewalt, Herrschaft? Die Gestaltungen des Grauens sind wahrlich vielfältig, von der Gleichgültigkeit beim organisierten Menschenzertreten bis zum perversen Glücksgefühl in der Fernsehwerbung. Wenn (nach Arno Gruen) “Terror in Geborgenheit kippt”, dann lässt man sich gern von Mephisto regieren

Die Apokalypse des GrauensDie Darstellung des Grauens ist also vielseitig, speziell in der Kunst. Nicht immer geht es dabei um die Angstlust wohligen Gegrusels, wie etwa beim Anschauen eines Horrorfilms aus der Sicherheit seines eigenen Sofas heraus. Unlängst ward die Dichterlesung “Das Grauen” wie folgt beworben: “Es umgibt uns, ist allgegenwärtig, durchzieht sämtliche Bereiche des Lebens, schreit uns ins Denken aus Zeitung, Fernseher und Smartphone. Wird ausgeblendet, aus der Wahrnehmung gestrichen, darf nicht genannt werden. Paradox. Die Auseinandersetzung mit dem Grauenhaften ist jedoch essentiell, wollen wir in einer friedvollen Gesellschaft leben. Man muss ihm schon ins Gesicht blicken, dem Grauen, dieser grauen Eminenz unserer Zeit, um aufzuzeigen, wie Schmerz, Angst, Missmut, Unrecht, Gier, Gewalt die Welt zersetzen, um sich aus Lethargie und Machtlosigkeit zu schrecken, um die versteckten Zusammenhänge zu erkennen – und um Gegen-Sätze zu (ent)werfen.”