Kraina FM – Resistance Radio

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. Mai – Ein ursprünglich auf kommerziellen Erfolg ausgerichteter Radiosender in der Ukraine findet sich seit Kriegsbeginn in bester Piratentradition wieder: Kraina FM sendet seitdem dezentral aus versteckten Studios ins ganze Land – und hat auch sein Programm dementsprechend verändert. Zwar war es schon immer als ein rein ukrainisch-sprachiges Radio konzipiert, und das nicht nur in den Wortbeiträgen, sondern auch in der Musikauswahl, allerdings eher dem hitradioartigen Gutelaunetum verpflichtet. Der russische Überfall am 24. Februar hat ihnen die gute Laune zunächst einmal verdorben, jedoch fanden sich einige der Betreiber*innen auf der Flucht wieder und erschufen ein Programm des nationalen Widerstands. Dieser Podcast (auf Englisch) erzählt anschaulich davon.

KRAINA FMEigentümer des Senders ist (über eine niederländische Medienholding) der hierzulande nicht unbekannte Karl Habsburg-Lothringen, wovon die Journalistin Corinna Milborn unlängst in der ZEIT (Hinfort mit dieser Paywall!) berichtete. Nun mag man derlei Unternehmertum in der Ukraine gegenüber eingestellt sein wie auch immer, Kraina FM hat sich jedenfalls zu einem Sprachrohr des nationalen Widerstands entwickelt – und das zeigt sich speziell daran, was da gesendet wirdund wie sich das beim Zuhören anfühlt:

Die (ausschließlich ukrainische) Musikauswahl ist inzwischen, wenn auch nach wie vor auf ein “möglichst breites Publikum” abzielend, derart angenehm Rock- und Folk-orientiert, dass sie auch in unseren niveauverwöhnten Ohren durchaus interessant klingt – und nicht so grausam penetrant wie das sonstübliche Kommerzgeplärr der konsumistischen Marktschreier. Darüber hinaus gibt es (dezent mit Musik und/oder Geräusch untermalte) Geschichten und Lyriklesungen (was uns ja besonders freut). Wir verstehen zwar kein Wort – aber das alles kommt so gefühlvoll rüber, dass wir gar nicht anders können, als dabei in heftige Sympathie zu verfallen. Слава Україні!

Und statt angestrengter Verlautbarungen, die andernorts “News” heißen und sich wie pseudofröhliche Werbesendungen für den schönen Schein anhören, gibt es hier nützliche Informationen über sichere Fluchtrouten sowie sinnvolle Aufrufe zur Versorgung der Kämpfenden mit allem, was gerade fehlt. Naturgemäß jeweils mit entsprechend patriotischem Unterton/Überschwang – doch wer möchte ihnen derlei in Zeiten des Krieges verdenken? Bemerkenswert erscheint uns die beobachtbare Veränderung im gesamten “Soundbild” des Sendersin Richtung unaufgeregtes kulturelles Selbstbewusstsein. Form follows Functionund das lässt sich hören!

So wollen wir diesmal den Livestream von Radio Kraina FM übernehmen und diesen feinen Sender auch bei uns bekannt machen, vor allem im Hinblick auf die nach wie vor wachsende ukrainische Community. “Kannst du auch hier bei uns hören. Klingt wie Heimat – und klingt überhaupt gut.” Gemäß unserem Leitspruch “Gut zu hören.” Und wir leisten hiermit unseren Beitrag zum Blühen und Gedeihen der ukrainischen Kulturlandschaft und widmen folgendes Gedicht von Christopher Schmall mit dem Titel “Blaugelbe Fahnen” (gern auch zum Übersetzen, Vorlesen im Radio etc.) dem tapferen Radiosender, der seinen selbstgewählten Auftrag einfach nicht aufgibt:

blaugelbe fahnen
hängen
noch

entblütete rosen
liegen
am ufer

keine schwäne
keine küsse
kein heiliges wasser

wo bleib ich wenn winter ist?

zwischen ruinen
im erdschatten
sprachlos und kalt

PS. Sehr gut gefallen uns die emotionalen Reportagen von Anne Levine, die dafür mit Kraina FM zusammenarbeitet und über das Pacifica Network gut zu hören ist …

 

Sackgassen Sachzwänge

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. MaiEs gibt durchaus verschiedene Arten von Sackgassen, in die wir so im Lauf unseres Lebens geraten können. Darunter sind viele, aus denen man auch recht leicht wieder heraus kommt. Und dann gibt es die spezielleren welchen, die zudem noch Einbahnstraßen ohne Umkehrmöglichkeit sind. Hat die Menschheit einen Rückwärtsgang? Von sich aus würde ja kaum jemand halbwegs Belichteter in eine solche Seinsfalle einbiegen. In eine angekündigte Ausweglosigkeit auf Nimmerwiedersehen. Doch – da sind dann noch die sogenannten Sachzwänge, die uns (warum auch immer) umtreiben: “Muss Arbeit hier, muss Essen, muss Frau, muss Kinder…” Oft erschließen sich der Sinn und die verschiedenen Bedeutungen eines Begriffs aber erst bei festerer Beutlung:

Sackgassen KonzeptKrampf“Sachzwänge? Z’weng am Sach?”, fragt etwa Uwe Dick in bayrischer Mundart – und das könnte “wegen einer Sache” bedeuten, wobei im Bayrischen “das Sach” speziell auch “Grundbesitz, Vermögen” meint. Aha, Realitäten aus dem Eigentumsbüro! Oder “z’weng” würde “zuwenig” bedeuten, dann wäre man schnell bei etwas wie “Mangel an Denkvermögen” und “Wirklichkeitsdefizit” der Realitäter*innen, die unsere Realitäten zu ihrem Nutz und Gewinn bestimmen. So hat auch der oft unterschätzte Sepp Forcher noch kurz vor seinem Ableben festgestellt: “Die Menschheit ist eine verlogene Bagage, sie ist nur gewinnorientiert.” Unter diesen Umständen ist die Angst vor dem Untergang schon berechtigt. Ein ins Unendliche wachstumsabhängiges Gewinn- und Gewaltsystem kann auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht funktionieren, ohne letztendlich seine Grundlagen (den Planeten mitsamt allem, was auf ihm lebt) vollends zu verzehren. Dann ist es zwar vorbei mit der Herrschaft der Herrschaftenaber eben auch mit uns. Und das wollen wir sicher nicht. Auch wenn wir in der Mutter aller Sackgassen stecken geblieben sind – es wohnt uns doch immer der unbändige Lebenstrieb inne.

Sackgassen Sachzwänge AlternativLosWir leben im Zwischenin einem Freiraum möglicher Perspektiven. Ungeachtet des Unvermeidlichen wie etwa der eigenen Endlichkeit obliegen wir dem Unverfügbaren, das sich noch jedem Versuch seiner Verwertung, sogar jeder Kontrolle, Zweckwidmung, Definition – und jedem Besitzanspruch erfolgreich entzogen hat, seiner Natur gemäß. Nichts würde die Leistungsdreher der Geschnellschaft geiler machen, als noch den letzten Rest Resonanz ihrer Kostenpflicht zu unterwerfen. Hier enden ihre Macht und ihre Möglichkeiten. Hier explodiert das freie Leben uneingeschränkt vor sich hin und kümmert sich einen Dreck darum, was ihr als Erfolg bezeichnet. Ich bin auf diese Welt gekommen, um zu sein – und nicht, um jeden Überlebenskampf zu einem Businessmodell zu machen. Mein SchwerkrampfEine Ausgebrut. Schiebts euch den ganzen Plempelkrempel von Gottes Gnaden in den Sonntagsstaat! Kein Weltkrieg (“Wenn ich nicht die ganze Welt krieg!”) kann unsere Liebe je zergrunzen.

Unvermeidlich Fatales FinaleEure künstliche Ewigkeit aus Algorithmen und Kampfdrohnen versagt im Zwischen. Im Zwischen ist das, was uns allen fehlt. Kein Kauf, kein Rausch und auch keine Zugehörigkeit zu irgendwas kann diese Lücke füllen. Und genau so soll das auch sein. Der synaptische Spalt funktioniert nur dadurch, dass er einer ist. Zwischen eben, Raum für Resonanz, Freie Zone für Verständigung und Verknüpfung. Für die Verdichtung dessen, was aus dem Leben selbst entsteht – nicht aus den Absichten der Menschenteighersteller. Wir sind der Germ. Wir bewirken appetitliche Gestalt. Backe, backe – ohne unsere Zutat nichts als Gatschfladen und Fladengatsch ringsumadum. Meinungsvielflat und “Flood the zone with shit!” Hier hört der Spaß auf, Kasperl. Dieser verräterische Satz passt doch perfekt in unser Beutelschema. Seit wasweißich wird jetzt zurück gebeutelt! Denken wir probiotisch und drehen wir den Spaß einfach um: “Flood the shit with zone!” Überall dort, wo Resonanz geschieht und sich das Unverfügbare ereignet, kann kein wie auch immer gearteter Bullshit auf Dauer den Dialog verstopfen. Zwiesprache im Zwischen, Dialog mit dem Leben, auch ganz ohne Worte, senden, empfangen

Gedenken wir der wahren Menschenfreunde!

 

Birthday Party

In dieser Sendung von Tuning Up feiern wir die Geburtstagskinder des ersten Halbjahres. Da sind richtige Methusalems dabei wie Alexander Skrjabin (150), oder 100er wie Charles Mingus oder Ali Akbar Kahn, aber auch 80er wie Barbra Streisand oder 75er wie Patti Smith.

Nachzuhören unter: https://cba.fro.at/555045

Anamnesis – Letter in a Bottle

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. MaiZum Fest der Freude am Muttertag und zum 12jährigen Jubiläum unserer monatlichen Musikreihe “Das ganze Album”, (einer Idee der legendären Ö3-Musicbox aus den 70ern geschuldet) kulminieren wir diesmal mit einer zweistündigen Sondersendung in einer veritablen Weltpremiere: Das Konzeptdoppelalbum “Anamnesis – Message in a Bottle” der österreichischen Art-Rock-Band SoundDiary geht sich mit seinen über 73 Minuten nämlich nicht in einer einzelnen Sendestunde aus – doch sollte es unbedingt in seiner Gesamtheit zu hören sein, um der romanhaft ausladenden Geschichte gerecht zu werden, die uns da erzählt wird, und um den vielschichtig verwobenen Details ihrer Darstellung den nötigen Freiraum zur Entfaltung zu bieten. Wir dekantieren also jetzt erstmals

Anamnesis - Letter in a Bottle“Anamnesis – Letter in a Bottle”, und wie wir aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfahren, hat das bislang noch kein anderer Radiosender zustande gebracht. Zeit wirds! Auch für den Hinweis zur sicheren Anwendung: Solltet ihr diese Präsentation auf einem Sender hören, der das Album aus Gründen der Programmplanung nach nur einer Stunde “abreißen” lässt, dann kommt bitte in unser Sendungsarchiv und hört es euch dort in voller Länge und Breite und Vollmundigkeit und harmonischen TexturenAnklängen anlang anhaltend im Abgangan. Gern auch mehrmals, die Sendungen sind dort als Stream dauerhaft (ohne zeitliche Beschränkung) verfügbar. So empfiehlt etwa Horst-Werner Riedel auf Betreutes Proggen (genau, Progressive Rock war und ist das Schachterl, in welches derlei konzeptive Vielschicht einsortiert werden kann), sich unbedingt etwas mehr Zeit zu nehmen, um dieses Werk in seinen vielfältigen gefühlserzählerischen und musikdramaturgischen Facetten zu erfahren:

“Das Album sollte unbedingt lückenlos angehört werden, da wie gesagt die meisten Tracks nahtlos ineinander verschmelzen und durch das progressive Songwriting und die komplexen Arrangements Hörern durchaus ein wenig abverlangt wird. Ein wiederholtes Beschäftigen mit diesem Album ist auf jeden Fall empfehlenswert, um einen intensiveren Zugang zu erhalten.”

Und Hans Unteregger findet in seiner Rezension auf Stormbringer (dem Heavyzine): “Für dieses Album muss man sich Zeit nehmen. Ähnlich wie bei einem guten Buch oder einem guten Film, sollte man es sich bequem machen und sich voll und ganz auf die Musik und die Geschichte, die erzählt wird, einlassen. Dann kann man abtauchen und gemeinsam mit dem Protagonisten seinen Lebensweg beschreiten. Auch ähnlich wie bei einem Buch oder Film, wo man auch nach mehrmaligem Konsum immer wieder Neues entdeckt, sind auch hier sehr viele Nuancen versteckt, die es zu entdecken gilt.”

“Ohne nach Links oder Rechts zu schauen oder sich in irgendeiner Form dem vielzitierten Mainstream anzubiedern, wird hier ein Album auf die Beine gestellt, das mit Sicherheit keinen internationalen Vergleich in der Progressive-Szene zu scheuen braucht. Als Fazit bleibt nicht mehr zu sagen als dass SOUNDDIARY hier ganz großes Kino bieten und ein grandioses Konzeptalbum vorgelegt haben, das diesen Namen auch verdient.”

Uns bleibt dann noch, etwas von den Eindrücken zu berichten, die wir beim Erleben dieses abendfüllenden Gehör-, Gehirn- und Seelentheaters gehabt haben, etwas von der genialen Entstehungs- und Umsetzungsgeschichte dieses Albums zu erzählen, die wir aus erster Hand empfangen durften – und etwas dazu zu sagen, weshalb wir die Musik von SoundDiary als wesentlich “wärmer” wahrnehmen als zum Beispiel die von Steven Wilson. Aber das sollten wir Live in der Sendung tun, auf dass die Spannung erhalten bleibe

 

Ankündigung: Arbeit – Geißel der Menschheit

Sendetermin: Dienstag, 3. Mai 2022 um 20 Uhr auf der Radiofabrik Salzburg

Aus nichts wird nichts“ und das stimmt ja auch: Habe ich Bedürfnisse und Interessen, dann ist eine gewisse Menge an Arbeit notwendig um diese zu erfüllen. Manche dieser Bedürfnisse sind grundlegend notwendig (Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung u.v.m.), andere wiederum machen das Leben lebenswert (sportliche Ertüchtigung, Urlaub nah und fern, etc.). Was läge näher, als ersteres (den Arbeitsaufwand für Notwendigkeiten) zu reduzieren um mehr Zeit für zweiteres (die schönen Dinge) zu haben. Oder in Marx’s Worten:

„Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört. […]“
(Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Dritter Band. Berlin 1988. S. 828.)

Arbeit

Arbeit sieht in unserer Gesellschaft ganz anders aus: Es existiert so etwas wie Arbeitslosigkeit und, anders als in einer vernünftigen Gesellschaft, ist das kein Zustand, über den sich die Mitglieder dieser Gesellschaft freuen.
Die Produktivität steigt, mehr und mehr Produkte und Dienstleistungen werden in kürzerer Zeit hergestellt. Verkürzt sich dadurch der Arbeitstag der Menschen und kann mehr Freizeit genossen werden? Ganz und gar nicht.

Diese Sachlage gilt in dieser Gesellschaft nicht als Verrücktheit und als zu beseitigender Zustand, nein, wer Zweifel an der Vernunft dieser Verhältnisse hat, gilt als Spinner*in und Extremist*in.

In dieser Folge wollen wir uns etwas genauer mit „der Arbeit“ und der Art und Weise wie sie in dieser Gesellschaft vorkommt beschäftigen.

P.S.: Einige unter euch haben es sicher bemerkt: Der Titel dieser Sendung haben wir von der 9. Ausgabe von Michael Steins Trickfilmserie „Kloß und Spinne“.